Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 73

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werden die Ambulanzgebühren entfallen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich frage die Gesundheitssprecher der Regierungsparteien, Rasinger und Pumberger, welches Lehrbuch für medizinische Notfälle sie verfasst haben, in dem solche Sätze und Definitionen stehen, wann ein Notfall eintritt und wann von Ambulanzgebühren abzusehen ist. Dieses medizinische Notfallbuch der Bundesregierung ist sehr dünn, es umfasst nicht einmal eine Seite. Kein einziger wissenschaftlicher, kein einziger sozialpolitischer Verlag würde das drucken, außer die ehemalige Staatsdruckerei, die von der Regierung Geld dafür bekommt.

Ich komme jetzt noch einmal zu diesen untauglichen Lösungsversuchen und Lösungsansätzen zurück, die Sie mit den Ambulanzgebühren Gesetz werden lassen.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als der Herr Bundeskanzler zu Zeiten der ersten Demonstrationen, Protesten von Künstlern und von Sozialvereinen hier im Parlament – zu meinem Erstaunen – oft den Satz wiederholt hat: Fürchtet euch nicht! Ich habe mich schon darüber gewundert, was das für ein Regierungsprogramm ist, wenn man der Bevölkerung sagen muss: Liebe Freunde, wir vertreten euch, wir regieren euch, aber fürchtet euch nicht! (Abg. Zweytick: Vor den Angstmachern!)  – Vor den Angstmachern. Na gut! Sie erklären das interessant, ich sehe das nicht ganz so.

Dieses "Fürchtet euch nicht!" ist aber in der Gesundheitspolitik ein Imperativ, der nicht leicht zu befolgen ist. Es gibt auch Tollkühnheit, Tollkühnheit dann, wenn man etwas ausschaltet, was oberhalb der Halswirbelsäule liegt. Furcht kann eine sehr natürliche Reaktion sein, eben angemessen auf eine Situation zu reagieren.

Nochmals – das hängt auch mit der Gesundheitspolitik zusammen, und bei solchen Worten bin ich sehr empfindlich –: Man greift auf die Bergpredigt zurück. Das ist schon haarscharf an der Grenze zu Blasphemie. Das erinnert mich an ein Interview mit Haider in einer Berliner Zeitung, in dem man Haider mit dem verfolgten Jesus assoziiert hat. – Wenn das nicht arg ist, wenn das nicht untragbar ist, verstehe ich nichts mehr. Ich sage Ihnen Folgendes: Diese Ambulanzgebühren sind eine weitere Fortsetzung einer Geisterbahn der Geschmacklosigkeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nun ganz simpel – ich versuche, medizinische Fachausdrücke beiseite zu lassen –: Was hat man in Sachen Gesundheitsvorsorge und -aufklärung gepredigt!? – Eine Frau oder ein Mann, 40 oder 50 Jahre alt, bekommt heftige Brustschmerzen. Sie beziehungsweise er geht in die Ambulanz, man überlegt sich elf Differentialdiagnosen – ich kann Ihnen gerne elf Möglichkeiten aufzählen, was Brustschmerzen verursachen kann – und kommt zu dem Schluss: Es ist nichts Ernstes, es ist ein Spasmus des Oesophagus (Abg. Neudeck: Was ist das?), es ist eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung, eine Nervenentzündung oder sonst etwas, was keine Aufnahme erfordert. Der Mann oder die Frau zahlt. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )  – Ich rede über das, was sich in der Praxis abspielt. Sie kennen sich vielleicht mit dem Schießen recht gut aus, wenn Sie dazwischenrufen, aber auch das ist eine gesundheitsgefährdende Tätigkeit, Herr Kiss. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Was soll das?)

Ärztinnen und Ärzte predigen, Brustschmerz kann ein Warnsignal Nummer eins sein. Die Menschen gehen in die Ambulanz und werden bestraft, weil das Schlimmste nicht eingetreten ist.

Oder: Jemand hat Bauchschmerzen, geht in die Ambulanz, und das stellt sich als eine harmlose Darmentzündung heraus. Es könnte aber – und ich spiele nicht den Oberlehrer, glauben Sie mir! – eine Eileiterschwangerschaft sein, die lebensbedrohlich ist. Sie sagen: Ja, ja. Sie kommen nicht in die Gefahr einer Eileiterschwangerschaft, Herr Bartenstein, ich weiß. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Ich bin Ihretwegen besorgt. Ja, natürlich!

Was steht da noch zu lesen? Schuldhafter Raufhandel. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie sollen die Ärzte in einer Ambulanz, wie soll die Sozialversicherung im Nachhinein feststellen, ob jemand bei einem Raufhandel schuldhaft oder nicht schuldhaft verletzt worden ist? Wenn Sie die Verwaltung aufblähen wollen, wenn Sie ein halbes Bezirksgericht in Notfallambulanzen set


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