Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 200

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so groß sein wird, dass die Abwrackung ein Vielfaches von dem kosten wird, was man sich jetzt vielleicht an Erlösen aus imaginären Exporten erwartet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grabner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.18

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben es heute schon des Öfteren gehört: Die Zeit drängt. Da die Aktivierung des Reaktors für den Probebetrieb bereits erfolgte, muss die noch verbleibende Zeit genützt werden, um die vollständige Inbetriebnahme bis zur Klärung aller offenen Fragen zu verhindern und die Besichtigung Temelins durch eine unabhängige Expertenkommission zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin, der heute schon einige Male erwähnt wurde, stellte vor kurzem fest, dass Temelin weder den deutschen noch den französischen Sicherheitsnormen entspricht. Daher kann es auch den europäischen nicht genügen. Noch vor dem Anlaufen des Reaktors kam es zu einigen Unregelmäßigkeiten und Pannen. Am 13. Oktober, nach dem Beginn des Probebetriebes, ereignete sich, wie wir heute schon gehört haben, ein bedenklicher Vorfall bei einem Brennstabmotor. Das musste auch die Vorsitzende der tschechischen Atomaufsichtsbehörde eingestehen. In einem anderen tschechischen Atomkraftwerk, in Dukovany, brach kürzlich ein durch ein defektes Kabel verursachter Brand aus. Diese Ereignisse veranschaulichen den Stand der tschechischen Atomtechnik.

Der Unsicherheitsfaktor erhöht sich zusätzlich durch den Umstand, dass es sich bei Temelin um eine noch nie erprobte Mixtur aus östlicher und westlicher Technologie handelt. Jede Technologie für sich allein stellt schon ein Sicherheitsrisiko dar, denn Störfälle traten in West und Ost auf – man denke nur an den Super-GAU in Tschernobyl. Das Unfallrisiko steigt daher bei einer Vermischung. Ein gefährliches Experiment!

Wie hat ein deutscher Politiker einmal gemeint? – Eine Technologie, die den Menschen beherrscht – und nicht der Mensch die Technologie –, ist nichts! – Daher, glaube ich, muss man sagen: Keine Atomkraftwerke!

Eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung unter Einbindung der Nachbarstaaten Tschechiens ist unumgänglich! Das Kraftwerk in Temelin wird fast ausschließlich Strom für den Export produzieren. Das haben wir heute schon des Öfteren gehört. Österreich darf auf Grund des Energieliberalisierungsgesetzes keinen Strom aus Drittstaaten importieren, deren Anlagen nicht dem Standard europäischer Technik entsprechen. Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, gilt es gegenüber dem Atomstrom aus Tschechien anzuwenden, falls Temelin ans Netz geht. Österreich muss in den europäischen Gremien auch wettbewerbsrechtliche Bedenken gegen Stromexport zu Dumpingpreisen aus Temelin vorbringen.

Trotz der Behinderung einer österreichischen Parlamentarierdelegation bei der Besichtigung des Atomkraftwerkes – das haben wir heute schon gehört: sie wurde daran gehindert, die neuralgischen Punkte des Baues zu besichtigen – konnte eine Abordnung erhebliche Mängel feststellen: Zum Beispiel befindet sich die Notfall-Schaltzentrale direkt unter dem Reaktor und wird somit bei einer Kernschmelzung als Erstes zerstört. (Abg. Mag. Schweitzer: Noldi Grabner hat sich verirrt!) Leider haben bis jetzt weder die tschechischen Energieversorger noch die Regierung auf die Bedenken Österreichs und die Diskussion in Europa reagiert. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) – Ich glaube, ein bisschen könntest du das ernst nehmen, Schweitzer Karl, angesichts der vielen Tausenden Menschen, die dort demonstrieren und die betroffen sind! Aber nicht nur die Menschen dort betrifft das, sondern es betrifft uns in ganz Österreich – und nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa!

Daher möchte ich sagen: Ich freue mich, dass es einen Vier-Parteien-Antrag gibt, und ich hoffe, dass das dazu beiträgt, dass dieses Problem doch besser gelöst werden kann. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Bravo, Noldi!)

23.22


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