Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 170

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Was die 210 Millionen Dollar im "General Settlement Fund" betrifft, wird es – und da liege ich sicher nicht falsch – Jahre dauern, bis Überlebende oder Erben unmittelbar mit Auszahlungen rechnen können; das bedingt die Konstruktion dieses Entschädigungsfonds. Also frühestens in zweieinhalb bis drei Jahren wird Geld dort fließen. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es umso wichtiger, dass alle Aspekte des Restitutionsgedankens auch miterfasst sind. Es sind und können nie alle Aspekte erfasst sein, wenn es Verhandlungen gibt zwischen der einen Seite, die etwas geben soll, und der anderen Seite, die etwas fordert, unter Vermittlung vom bereits erwähnten Vizefinanzminister der USA Stuart Eizenstat. Eizenstat war Vermittler, hat aber eine sehr wesentliche Rolle gespielt und wird auch noch eine spielen, nämlich in der Frage: Gibt es diese schon so oft genannte Rechtssicherheit für Österreich?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Obwohl ich mit Überzeugung diesem Gesetz zustimme, weil ich es für notwendig halte, sage ich genauso überzeugt, es wird nie Rechtssicherheit geben können, weil nicht alle Aspekte umfassend, in allen Details davon erfasst sind. Wir müssen uns der Tatsache bewusst sein, dass es das Recht von Beraubten, von Bestohlenen, von Enteigneten ist, sich mit Rechtsmitteln dagegen zu wehren und diese Wege einzuschlagen. Es ist eine andere Frage, meine Damen und Herren, ob sie mit ihren Klagen und mit ihrer Vorgangsweise erfolgreich sind; ich möchte jetzt nicht prognostizieren, wie es sein wird. Aber wir haben keine Rechtssicherheit, denn nach den Geschehnissen zwischen 1938 und 1945 kann niemand Rechtssicherheit haben, weil das, was da passiert ist, nicht – weder mit Worten noch mit Gesten, noch mit Geld und Zuwendungen – abfindbar ist.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der dritte Aspekt dieser heutigen Gesetzgebung, nämlich die Naturalrestitution, auch so ein sensibler. Und deshalb habe ich großes Verständnis für jene, die jene Passagen im Gesetz kritisieren, in denen es klar heißt, restituiert, nämlich wirklich zurückgegeben, wird das, was heute dem Bund gehört, und wo nicht definitiv drinsteht, auch das, was Gemeinden und Länder besitzen, wird unmittelbar zurückgegeben. Ich hoffe sehr, dass der politische Druck und der politische Wille in den Ländern und in den Gemeinden dazu führen werden, dass sie eine ähnliche Vorgangsweise einschlagen wie jene, die der Bund nicht einzuschlagen beabsichtigt, sondern einschlagen muss. Darum ist mir ja die Entschließung, die selbst ich unterzeichnet habe, eine viel zu weiche, in der steht: Wir ersuchen zu tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir ersuchen in dem Bewusstsein die Mitglieder der Bundesregierung, Naturalrestitution durchzuführen, weil sie dazu verpflichtet sind, weil sie sowohl moralisch, das ist gar keine Frage, als auch rechtlich dazu verpflichtet sind. Nach diesem Abkommen und nach der Beschlussfassung dieser Gesetze sind sie auch rechtlich dazu verpflichtet, das zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ein allerletzter Aspekt. Es hat in diesen hektischen letzten Tagen Entwürfe, Stellungnahmen der Fraktionen und wieder Entwürfe gegeben – ich weiß nicht, wie viele Stufen es gegeben hat –, und im allerersten Entwurf war eine Passage enthalten, die sicher Ihnen allen ausgesprochen plausibel erscheinen wird. Um es ganz kurz zu fassen: Herrenloses, sprich erbloses Vermögen, das noch in Händen der Republik ist, soll, wenn sich Erben nicht ausfindig machen lassen, wenn man so will, den Opfern, in dem Fall dem Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinde Österreich, zufallen. Nicht die Republik soll profitieren von der Tatsache, dass sich Erben nicht feststellen lassen, sondern wir sollten gewillt sein, das den Opfern in ihre Hände zurückzugeben. Und das sah der erste Entwurf auch vor.

Das sieht der jetzt zur Beschlussfassung vorliegende Entwurf nicht mehr vor, und ich kann Ihnen sagen, warum nicht: weil die Freiheitliche Partei und die Österreichische Volkspartei das hinausreklamiert haben, weil sie das nicht drinstehen haben wollen. Sie wollen nicht, dass drinsteht, die Israelitische Kultusgemeinde soll das bekommen. Deshalb steht das nicht drinnen. Der Druck auf uns – das gilt auch für die Sozialdemokraten –, trotzdem diesen Konsens nicht zu brechen, war so groß, dass ich nicht wusste, was man tun soll: entweder alles platzen lassen oder mit dabei sein. Und ich habe mich für die grüne Fraktion aus Verantwortungsbewusstsein für das Zweitere entscheiden.


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