Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 151

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Als wenige Monate zuvor bei den Präsidentenwahlen Polizisten und Soldaten des Milošević-Regimes zu den Demonstranten überliefen, das Parlament brannte und der Fernsehsender gestürmt wurde, hielt Europa, ja die ganze Welt den Atem an. Der Rückzug des Diktators war der Beginn eines anderen Jugoslawien.

Weihnachten 2000 bedeutet für Jugoslawien einen Neubeginn mit all seinen Hoffnungen, aber auch der Skepsis ob der gewaltigen Schwierigkeiten und Herausforderungen, vor denen unser europäischer Nachbar steht. Der neugewählte Ministerpräsident Zoran Djindjić hat in einem Land Verantwortung übernommen, welches mit westlichen Demokratien noch wenig gemein hat. 13 Jahre lang wurde Jugoslawien von Brandstiftern und Feuerköpfen, von Mördern und Marionetten von Milošević regiert.

Umso schwieriger, ja fast unlösbar sind die Aufgaben, vor denen Zoran Djindjić und seine Regierung stehen. Jugoslawien liegt nach 13 Jahren dieser Milošević-Herrschaft in jeder Hinsicht auf dem Boden. Im Zustand tiefster Armut müssen Wirtschaftsreformen begonnen werden. Das Unrechtssystem einer Diktatur muss einem demokratischen Rechtsstaat weichen.

Die Aufarbeitung eigener Schuld an den Tragödien in Jugoslawien muss auch begonnen werden. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, das heutige Ansehen von Djindjić im In- und Ausland gibt ihm und Jugoslawien dabei eine große Chance.

Die Aufnahme Jugoslawiens in viele internationale Organisationen geschah vor allem in der Absicht, das Land aus der Isolation herauszuführen und einen Rückfall in die von Milošević mehr als ein Jahrzehnt lang betriebene Isolationspolitik zu verhindern. Zudem sollte der Bevölkerung Jugoslawiens gezeigt werden, dass der Westen mit seinem Wirtschaftsembargo gegen Belgrad und zuletzt mit dem Bombenkrieg der NATO nicht das Volk Jugoslawiens treffen wollte, sondern das verbrecherische Regime.

Nachdem dieses verbrecherische Regime durch demokratische Wahlen endlich gestürzt ist, gilt es nun, den Jugoslawen das Tor nach Europa weit aufzustoßen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Außenpolitisch, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat Jugoslawien Fortschritte gemacht. Der gestern noch als Feind des Volkes diffamierte Westen ist zum Verbündeten geworden. Auch im Inneren haben schon die Reformen begonnen.

Jugoslawien darf die Hoffnung nicht aufgeben. Es wird wirklich zu einem Großteil an uns liegen, diese Hoffnung am Leben zu erhalten und den Menschen und der neuen Nation jene Hilfe zukommen zu lassen, die sie einfach ganz dringend brauchen.

Wenn man heute – ich habe das selbst gesehen und erlebt – durch Städte und Dörfer fährt, wo entlang der Straßen ein desolates und verrottetes Industriekombinat das andere ablöst, und das Elend und die Armut der Menschen kennen lernt, dann sieht man, wie notwendig Hilfe und Unterstützung sind.

Es ist schon klar, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wohlstand binnen weniger Jahre ist nicht möglich; Verbesserung der Lebensqualität schon. Ich habe auch den Eindruck gewonnen, die Bevölkerung ist bereit, den neuen Anfang mit Geduld, aber auch in harter Arbeit mitzutragen. Derzeit gibt es nur für ein knappes Drittel der Bevölkerung Arbeit. Das Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem liegen am Boden. Jugoslawien braucht Finanzhilfe, Unterstützung durch Fachleute und Entwicklungskonzepte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Jugoslawien und Zoran Djindjić brauchen unsere Hilfe. Wir dürfen uns nicht bequem zurücklehnen und die Menschen sich selbst überlassen. Wir müssen ihnen heute helfen, damit sie eine Zukunft haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir dies nicht tun, dann drohen ähnliche Auseinandersetzungen wie derzeit in Mazedonien. Vielleicht werden viele sagen, dort lägen andere Ursachen vor, Konflikte zwischen den Nationalitäten seien die Ursache. Ich denke, dass die Ursache


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite