Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 24

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Wenn ich mehr forsche, brauche ich mehr Forscherinnen und mehr Forscher, und daher müssen auch diese Stellen geschaffen werden. Ich halte es auch für intellektuell nicht bestechend und sogar für sozial unredlich, wenn man Leute heranbildet, sie zu Spezialistinnen und Spezialisten erzieht und ausbildet, in sie viel Geld investiert und dann zu ihnen sagt: Na ja, aber Professorenstellen haben wir ja nur in beschränkter Anzahl. Sie sind 35, Sie waren schon sechs Jahre bei uns, Sie waren acht Jahre bei uns – gehen Sie!

Es ist auch intellektuell unredlich, wenn man sagt, sie sollen doch in die viel gelobte freie Wirtschaft gehen. Frau Bundesministerin, Sie wissen so gut wie ich, dass in der freien Wirtschaft und in unserer Industrie die Posten für Forscherinnen und Forscher pro 10 000 Erwerbstätige in dieser Branche europaweit nahezu letztklassig sind. Es gibt für diese Leute nicht die Möglichkeit, so leicht in die freie Wirtschaft und in die Industrie auszuweichen, wie sich mancher Industrielle das vorstellt – vorstellen tun sie es sich ja ohnehin nicht, aber zumindest wird es behauptet. Das ist der Punkt. (Ruf bei der ÖVP: Wo sollen die hin nachrücken Ihrer Meinung nach?)  – Indem man einmal Forschungsstellen aufmacht.

Bleiben wir weiterhin intellektuell redlich! An der Universität Innsbruck, sicherlich nicht die größte der österreichischen Universitäten, aber zumindest die drittgrößte, haben wir jetzt alle Stellen genau durchforstet. Wenn man – und ich weiß, da komme ich mit irgendjemandem hier übers Kreuz – wirklich alle Akademikerinnen und Akademiker, die an der Universität forschen, und Lehrenden hernimmt, und dazu zählen 1 600 Privatangestellte in unsicheren Arbeitsverhältnissen, meistens mit einem Arbeitsverhältnis von zwei bis drei Jahren Dauer, wenn man alle dazuzählt – und ich betrachte sie als Teil der Universität –, kommt Innsbruck auf einen Prozentsatz von definitiv Gestellten von 43 Prozent.

Rechnen Sie die nicht dazu, was ich für illegitim halten würde, kommen wir, das gebe ich zu, auf 53 Prozent mit einer jährlichen Fluktuationsrate von zirka 14 Prozent Turn-over vom akademischen Personal. Zeigen Sie mir große, wirklich große Betriebe, die auf der Ebene der Führungspositionen – und Sie werden mir schon zugestehen, dass AkademikerInnen solche zu einem guten Teil innehaben – so ein Turn-over von 14 Prozent als niedrig – oder in Ihrer Sprache vielleicht schwachmatisch oder indiskutabel – bezeichnen.

Ich möchte um noch etwas bitten: Glauben Sie bitte nicht, dass die Universitäten der Hort der Zementindustrie sind! Sie meinen ja dauernd, dort sitzen die Betonierer, dort will keiner etwas ändern. Ich glaube, die Universitäten wissen, und ich weiß es genauso gut, dass sie laufend reformiert werden sollen, und dass es auch durchaus Punkte gibt, die schleunigst – oder zumindest bald – verbessert und reformiert werden sollten.

Es geht aber um die Art, wie man reformiert, um die Art, wie man mit den Leuten diskutiert. Sie, Frau Bundesministerin Gehrer, haben im Dezember einen Dialog angekündigt, und das war glaubwürdig. Allerdings hat der zweite Dialog drei Monate später stattgefunden, hat drei Stunden gedauert, und ein ganz wichtiges Kapitel, gerade jenes der Ausgliederung, wurde überhaupt fallen gelassen, wie viele andere Kapitel auch, weil man sich in ein Dienstrecht verbissen hat – zu Recht, würde ich meinen –, das ja nur im Zusammenhang mit einer Ausgliederung zu sehen ist. Und Sie wissen, redlich, wie Sie sind – wie ich, hoffe ich –, dass über die Ausgliederung kein einziger Beschluss einer Universität oder eines universitären, demokratisch gewählten Gremiums vorliegt! Und in diesen Gremien sitzen nicht nur die Jungen, Neuen, nur die Studenten, sondern, wie Sie wissen, auch Professoren und Ältere, Habilitierte, die sich dafür entschieden oder dazu entschließen konnten.

Und wenn es heißt: Die Universitäten wünschen sich nichts lieber, als ausgegliedert zu werden, und man fragt dann nach: Wer sind diese Universitäten?, dann werden einem die Namen von drei Rektoren oder fünf Professoren genannt. Ich weiß so wie Sie, dass Sie eigentlich unterscheiden können sollten, ob "Universitäten" fünf oder sechs Leute sind, die Ihnen etwas erzählen oder weismachen wollen, oder ob Universitäten nicht doch mehr sind. (Beifall bei den Grünen.)


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