Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 23

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Entscheidend ist aber der Inhalt und die Frage: Warum diese Reform? – Und da, würde ich sagen, ist intellektuelle Redlichkeit beidseitig gefragt. Ich erinnere mich noch gut an die – was war das? – Redoutensäle, Reformdialog – der Herr Kanzler und seine Vizekanzlerin laden ein. Das Argument dafür, dass an den Universitäten etwas geschehen muss, war der wirklich hoch erleuchtende, allerdings wissenschaftlich nicht gerade felsenfeste Satz: "So kann es nicht weitergehen!"

Und wenn man gefragt hat, warum es so nicht weitergehen kann, hat man gehört: Unsere Universitäten sind international nicht konkurrenzfähig. Schüssel hat hier gemeint, es findet sich keine einzige deutsche Universität unter den besten 50 der Welt. Das mag schon stimmen, und meine Antwort war ja auch: Nennen Sie mir eines der österreichischen Unternehmen oder einen Wirtschaftsbetrieb, welcher sich unter den ersten 50 der Welt befindet. – Ich glaube, er hat bis jetzt keinen gefunden! Also wenn man schon Vergleiche anstellt, dann sollen sie auch halten! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn dann Frau Riess-Passer, die Vizekanzlerin, hier nach einer Rede von mir, als ich nicht mehr entgegnen konnte, meinte, die Reform muss sein, weil es in Stanford und am MIT auch keine Dauerstellen gibt, muss ich sagen: Ich weiß nicht, was sie gelesen hat, was sie gehört hat – es ist jedenfalls falsch!

Falsch oder zumindest intellektuell unredlich ist es von der Frau Vizekanzlerin auch, so tolle Vergleiche anzustellen: Stanford gegen Klagenfurt, Massachusetts Institute of Technology gegen Linz, ETH Zürich gegen die TU Wien.

Also bitte: Ist das intellektuell redlich? (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Ich habe es nicht verstanden; das ist vielleicht ohnehin besser.

Sie wissen, Skalicky, der Bonmots immer sehr liebt, hat gesagt: Wir unterscheiden uns von der ETH Zürich überhaupt nicht. – Und er ist Rektor der TU Wien. Auf die Frage, warum er sich nicht unterscheidet, antwortet er: Na ja, wir haben etwa gleich viele Studenten, etwa gleich viel Lehrpersonal. Wir haben auch gleich viel Geld, aber: Die ETH Zürich hat den Betrag in Schweizer Franken und wir in österreichischen Schillingen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Also der Faktor 8 ist bei der Finanzierung natürlich auch ein Argument intellektueller Redlichkeit, das ich zumindest bei der Frau Vizekanzlerin vermisse. (Abg. Dr. Martin Graf: Ist das seit dieser Legislaturperiode so?)

Wenn Sie sagen, dass in dieser Legislaturperiode das Wissenschaftsbudget um den Faktor 8 gestiegen ist, dann ist es nicht mehr so. Da haben Sie Recht. (Beifall bei den Grünen.)

Sie sprechen von "Erstarrung". Diesbezüglich gibt es natürlich auch Evaluierungen, sogar eine ganz interessante, obwohl ich mich jetzt hier nicht zum Vorreiter der ewigen oder fortdauernden Pragmatisierung machen möchte: Es ist die Erstarrung sicher keine Domäne der Jugend. Wir haben uns das in der Evaluierung von großen Einrichtungen in Österreich, zum Beispiel der Physik und Biochemie, ganz genau angeschaut. Da gibt es hervorragende Institute mit einem nahezu durchpragmatisierten Personalstand, und es gibt hervorragende Institute, in denen die Mobilität riesig ist. Da hat sich überhaupt kein Trend zwischen Dienstrechtsverhältnissen – unbefristet oder befristet – herauskristallisieren lassen. Man findet für alles seine Kronzeugen, wenn man will.

Aber was mich schon wundert: Wenn Sie das Forschungsbudget so steigern wollen, wie Sie es versprochen haben, sollte man auch intellektuell redlich darüber nachdenken, wer an den Universitäten oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen eigentlich forscht. Es sind nicht die Maschinen, die wir uns dafür kaufen können. Es sind auch nicht die Bücher. Es sind auch nicht die Computertomographen oder was Sie sonst noch kaufen wollen oder uns kaufen lassen, sondern es sind letztlich Menschen.


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