Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 53

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Denkbar jedoch ist – und meiner Ansicht nach sollte darüber sehr ernsthaft gesprochen werden – ein Konzept geteilter Souveränität zwischen der Ebene der Nationalstaaten und der Ebene der Europäischen Union. Ja, auch wir sind der Meinung, dass es Eigenzuständigkeiten der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außenpolitik braucht, weil der Abstimmungsprozess viel zu lange dauert, um in kritischen Situationen effizient agieren zu können.

Warum sind im Bereich der Friedensbemühungen und der dauerhaften Herstellung zivilgesellschaftlicher Verhältnisse auf dem Balkan immer die USA die Ersten mit Vorschlägen? – Weil sie in dieser Hinsicht eine geschlossenere, bündigere Form der Vorbereitung und nur eine Stimme haben. Es ist jedoch die Europäische Union, die bereit ist, die meisten Lasten dieser Friedensbemühungen zu tragen. Was die Europäische Union auf dem Balkan leistet, ist etwas, worauf die Bürger in Europa stolz sein könnten. Aber sie erfahren es nicht, weil die Europäische Union in der Regel drei, vier, fünf Monate später als die ersten Vorschläge dran ist. Sie trägt dann zwar die Lasten, aber die Vorschläge kommen nicht aus einem Mund – und bis alle 15 auf einen Mund vereint sind, vergeht zu viel Zeit.

Daher sagen wir: Ja, auch wir Sozialdemokraten sind für eine stärkere Integration im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Für uns ist damit nicht ausgemacht, dass das unter dem Szepter der NATO stattfindet. Es ist damit aber schon ausgemacht, dass es notwendig ist, in diesem Bereich wesentlich verstärkte Anstrengungen zu unternehmen und der Europäischen Union Eigenzuständigkeiten zu schaffen. Da können Sie mit unserer Kooperation rechnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Lassen Sie mich nun einige Worte zum Thema der Erweiterung der Europäischen Union sagen. Eines der wichtigsten Ergebnisse des Gipfels von Nizza – dies ist heute schon erwähnt worden – besteht darin, dass dieses Gipfeltreffen die formellen – wenn Sie so wollen: die institutionellen – Voraussetzungen für die Erweiterung geschaffen hat. Das ist gut so. Es ist zwar ein bescheidenes Ergebnis, aber es ist doch ein Ergebnis, und es war notwendig.

Herr Bundeskanzler! Sie haben heute davon gesprochen, dass Österreich unter Umständen eines der Länder sein könnte, in denen der Vertrag von Nizza am frühesten ratifiziert wird.

Herr Bundeskanzler, unsere Auffassung dazu ist, dass es für diese Ratifikation keine besondere Dringlichkeit gibt. Ich denke, es ist notwendig und wünschenswert, dass wir uns über die Dinge, die jetzt zu behandeln sind, ausführlich unterhalten können. Es geht für den Erweiterungsprozess überhaupt keine Zeit verloren, wenn wir nicht schon vor dem Sommer, sondern erst nach dem Sommer ratifizieren. Wir verlieren nichts dabei, weil der Verhandlungsprozess mit den Erweiterungskandidaten ohnehin bis Ende 2002 dauern wird, und bis dahin werden wir allemal ratifiziert haben. Wir verlieren nichts und verstehen, ehrlich gesagt, die Eile nicht, die die Bundesregierung und die Mehrheitsfraktionen in dieser Frage haben.

Wir verstehen aber auch nicht, warum in der anderen Frage, die mit der Erweiterung zusammenhängt, so gar keine Eile zu beobachten ist.

Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Wir haben im Februar vorgeschlagen, dass es konkrete Maßnahmen geben sollte, um die Erweiterung zu einem Erfolg – zu einem Erfolg bei den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich, aber auch zu einem wirtschaftlichen Erfolg und zu einem politischen Erfolg – zu machen. Wir haben vorgeschlagen, dass wir die Sorgen, die die Menschen zum Teil haben und die zum Teil auch von Gewerkschaft und AK zum Ausdruck gebracht werden, ernst nehmen und dass es daher Maßnahmen geben soll, die dazu angetan sind, diese Sorgen zu zerstreuen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir derzeit beobachten, ist, dass zwar eine heftige, hin und her brandende Diskussion über die Frage von Fristen stattfindet – ob es sieben Jahre oder weniger sein sollen, wobei die eine Seite der Regierung sagt: es soll kürzer sein, damit früher billige Arbeitskräfte hereinkommen, und die andere Seite sagt: die sieben Jahre sind unbedingt notwendig. Aber die Frist allein, meine sehr geehrten Damen und Herren, hilft gar nichts. Was wir tatsächlich brauchen, sind Maßnahmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Genau!)


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