Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 124

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gegenüber den wirtschaftlichen Interessen. – All das hört man von Ihnen hier überhaupt nicht mehr.

Kollege Sobotka hat so nebenbei gemeint, geringere Klassenschülerzahlen müsse man schon anpeilen. Als ich ihm dann mitgeteilt habe, wie die Position im Parlament dazu ist, war er schon etwas verblüfft darüber, dass man mittlerweile sogar inhaltlich meint, dass das gar nicht notwendig sei. Zumindest auf anderer Ebene sieht man, dass es nicht nur diese positive Darstellung hier im Parlament gibt, sondern dass es Leute gibt, die auch anders denken und grundsätzlich dazu bereit sind, mit uns zu diskutieren. Das würde ich mir hier auch wünschen, auch aus Ihren Fraktionen.

Aber zum Schluss auf eines zurückkommend – das hat mich mehrmals von Seiten der ÖVP, sagen wir einmal so, wirklich verwundert –: Sie haben gesagt, die Studiengebühren kosten nicht mehr – und ich habe mir das sehr genau gemerkt – als ein Seidel Bier am Tag. Frau Rauch-Kallat hat ebenfalls in einer jüngsten Diskussion gemeint: Studiengebühren kosten nicht mehr als ein Handy. Wenn man sich anhört, wie das Kollege Schender dargebracht hat und sich über Personen lustig macht – ich möchte jetzt nicht über Politiker reden, aber grundsätzlich –, die eben länger für das Studium brauchen, dann sollte man sich auch einmal anschauen, welche Hintergründe das hat.

Glauben Sie wirklich, dass jemand, der – wie 70 bis 80 Prozent der Studierenden in Österreich, laut Bericht zur sozialen Lage – nebenbei arbeitet, oder jene 40 Prozent, die regelmäßig arbeiten, die gleichen Chancen hat, das Studium in einer kurzen Zeitdauer zu absolvieren, wie Personen, die eben aus einem sehr begüterten Elternhaus kommen? Glauben Sie das? (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schwemlein. ) Kollege Schender! Das wird schon seine Gründe haben – auch andere, nicht nur finanzielle.

Zweiter Punkt: Ist dieses Bild – hinein in die Uni, vier Jahre durchstudieren, fertig und wieder hinaus – das einzige Bild, das Ihren Vorstellungen von der Universität entspricht? – Ich kann es nur aus meiner Erfahrung sagen: Ich habe Politikwissenschaft studiert; wie man an meinem nicht vorhandenen Titel sieht: nicht fertig studiert. Ich kann Ihnen auch sagen, was herausgekommen ist. Ich war ziemlich weit in diesem Studium; andere, die mit mir gemeinsam in einer Gruppe studiert haben, haben es abgeschlossen. Ich war allerdings einer der wenigen aus dieser Gruppe, die während des Studiums schon begonnen haben, auch in die Bereiche hineinzuschauen, die mich beruflich interessiert haben – wie auch ein paar andere. Und genau diejenigen, die das gemacht haben, die nicht nur geschaut haben, möglichst schnell und "straight" durchzukommen, waren interessanterweise diejenigen, die sich auch relativ bald – egal, ob sie jetzt fertig waren oder nicht – beruflich orientieren konnten. Seltsamerweise hat die Gruppe, die nichts anderes getan hat, als schnell zu studieren – jetzt gebe ich schon zu: Politikwissenschaft als Studium ist irgendwie schwierig von den Aussichten her –, dann, als sie fertig war, einmal gefragt: Was mache ich jetzt? – Sie sind draufgekommen: So einfach funktioniert das nicht. Ein akademischer Titel allein ist noch nicht ausreichend, um einen Job zu finden. – Das ist die eine Perspektive.

Es kann beruflich sinnvoll sein, sich Zeit zu lassen, es kann auch beruflich sinnvoll sein, nach einem Jahr zu sagen: Das war es doch nicht, das ist nicht das Studium, das mich interessiert.

Und warum soll man diesen Menschen jetzt nicht die Möglichkeit geben zu sagen, ich probiere noch einmal etwas anderes? – Man kann das also auch aus einer anderen Perspektive betrachten.

Aber das, was Sie hier immer als einziges Bild propagieren, das kann es aus unserer Sicht nicht sein, und vor allem auch nicht aus der Perspektive, dass es – wann sonst, wenn nicht während des Studiums? – auch die Möglichkeit gibt, sich auch noch einem anderen Leben an der Universität zu widmen, einem kulturellen Leben, einem studentischen Leben – was ja kein besonderes Feindbild sein müsste.

Das würden wir von Ihnen erwarten, dass Sie diese Möglichkeit auch in der Diskussion berücksichtigen, dass Sie hier nicht nur schwarz-weiß malen und nur von der kurzen Studiendauer, von


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