Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 169

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Leben stattfinden muss und Leben stattfinden dürfen muss. Das hatten Sie vergessen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben vom Spazierengehen geredet. – Leben muss Platz haben können! Ich behaupte, in den Fragen der Integration diskutieren wir über Menschenrechte. Seit einigen Jahren ist das auch festgehalten in Artikel 7 der österreichischen Bundesverfassung. Sie kennen diese Bestimmungen doch auch alle: "Die Republik ... bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten." Ich denke, Schule wird ja hoffentlich wohl noch ein Bereich des täglichen Lebens sein dürfen.

Heute und hier können wir einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Gleichberechtigung und Gleichstellung setzen. Die Integration, die bisher gesetzlich in allen Schulformen, nicht nur in der Pflichtschule, bis zur achten Schulstufe festgeschrieben war, kann jetzt bei einigem guten Willen von uns allen weitergeführt werden. Es ist logisch und wünschenswert, dass der Schulversuch in das Regelschulwesen übernommen wird. Selbstverständlich gibt es auch von unserer Seite Zustimmung dazu. Das ist ja der einzige konsequente Schritt.

Integration darf keine Sackgasse sein. Das heißt selbstverständlich auch im Polytechnischen Lehrgang weiterhin Integration, aber, Frau Bundesministerin, nichts rechtfertigt die Einschränkung, die jetzt von der Bundesregierung gefordert wird, nämlich die Einschränkung, dass eine Gruppe von jungen Menschen vom freien Bildungszugang, von der freien Wahl der Schullaufbahn und von der freien Entscheidung über die eigene Zukunft ausgeschlossen wird. Ich behaupte, Integration ist eine gesellschaftspolitische Werthaltung und eine Grundsatzaufgabe von uns allen: Da stellt sich die Frage: Wie nehmen wir Menschen wahr, und wie gehen wir mit Menschen um? Ich verstehe noch immer nicht, warum ein behinderter Jugendlicher, der einen Lehrplatz, einen Lehrherrn gefunden hat, mit seinem Anspruch auf sonderpädagogische Förderung nicht an eine Berufsschule darf. Es geht ja nur darum.

Warum dürfen diese drei jungen Tirolerinnen nicht an die HBLA Kematen? Warum dürfen sie nicht aufgenommen werden, obwohl alles geregelt und sogar die Finanzierung gesichert ist, warum dürfen sie ihren Berufswunsch nicht verwirklichen? (Abg. Dr. Brinek: Welchen Berufswunsch?) Das ist nicht erklärbar! Das können Sie niemandem erklären, Frau Bundesministerin, warum diese drei Mädchen nicht an diese Schule dürfen.

Ich bin der Überzeugung, dass behinderte Jugendliche nicht in ein Ghetto gesteckt werden dürfen, wenn wir jetzt Integration womöglich nur auf den Polytechnischen Lehrgang beschränken wollen, denn behinderte Menschen in Ghettos, das hatten wir schon einmal, und da wollen wir, meine ich, nicht mehr hin.

Die Position der SPÖ ist spätestens seit dem letzten Unterrichtsausschuss klar. Diese Positionen einfach nicht zu beachten, einfach nicht zu diskutieren, nicht über Annäherungen und Kompromisse zu reden, also nicht auf Verhandlungen einzugehen, das halte ich für einen arroganten Missbrauch von Macht, das ist nichts anderes. Das jetzt zu leugnen und zu behaupten, es würde schon ein halbes Jahr verhandelt, das macht die Argumente der Regierungsparteien auch nicht wahrer.

Frau Bundesministerin! Die Opposition ist nicht nur Mehrheitsbringerin. Unsere Anträge – Sie haben sie schon gehört – sind von hoher Konsensbereitschaft getragen, und ich bin überzeugt davon, dass Sie diesen Abänderungsanträgen heute hier die Zustimmung geben können. Ich meine, Bereitschaft wurde signalisiert, und Sie werden sich, Frau Bundesministerin, nie vorwerfen lassen müssen, Sie setzten nur Alibihandlungen im Bereich der Integration. Verhindern Sie die Fortführung der Integration nicht mit einem Nein! (Abg. Großruck: Im Parlament wird abgestimmt!)

Weil es aber vice versa auch andere Modelle von Integration gibt, und zwar mit großem Erfolg durchgeführte, bringe ich auch noch einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Antoni, Brosz und GenossInnen ein. Es geht um die Integration an Spartenschulen, wobei der umgekehrte Weg gegangen wird, so wie in der Sehbehindertenschule in Wien, an der nicht behin


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