Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 70

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In diesem Kommentar heißt es dann – ich zitiere –: "Weil sich die Vereinigten Staaten seit mehr als 30 Jahren weigern, im Nahen Osten die Rolle eines ehrlichen, unparteiischen Mittlers zu übernehmen, eskaliert die Gewalt. Vor allem aber offenbaren die Anschläge in Amerika das Versagen einer Welt, in welcher der Wirtschaft das Primat eingeräumt wurde. ... Nur Hungrige entwickeln sich zu Selbstmordpiloten. ... der plumpe Neoliberalismus ist im World Trade Center ums Leben gekommen." (Abg. Dr. Stummvoll: Wer hat das gesagt?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte diese Worte, diese Ansichten des SPÖ-Abgeordneten Hans-Peter Martin für unzumutbar und auch für unentschuldbar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es gibt keine Rechtfertigung für den Terrorismus – weder eine religiöse noch eine politische. Wer das nicht begreift, der leistet Handlangerdienste für Osama bin Laden und seine Komplizen auf der ganzen Welt. Wer über die geopolitische Rolle der USA die Nase rümpft, soll sich auch einmal die Frage stellen, ob es nicht sehr bequem war, in den letzten Jahren an die USA jene Aufgaben weiterzureichen, für die wir eigentlich in Europa selbst die Verantwortung zu tragen gehabt hätten – Stichwort Balkan.

Tatsache ist, dass in den USA Tausende sterben mussten, nur weil sie Amerikaner waren oder weil sie sich gerade im World Trade Center oder in einem der zu Bomben umfunktionierten Flugzeuge aufgehalten haben. Tatsache ist, dass es eine heimtückische, eine gut vorbereitete Attacke war und dass Amerika jedes Recht hat, sich zu verteidigen und weitere Bluttaten, wenn möglich, zu verhindern.

Es ist der amerikanischen Regierung hoch anzurechnen, dass sie dem Impuls des ersten Zorns und der Versuchung eines raschen Vergeltungsschlages nicht nachgegeben hat, sondern in äußerst besonnener und verantwortungsvoller Weise vorgegangen ist, denn die Werte der Freiheit und Gerechtigkeit müssen auch bei der Beantwortung dieser verbrecherischen Herausforderung Gültigkeit haben, sonst hätten die Terroristen aus ihrer Sicht einen noch größeren Erfolg erzielt.

Insgesamt steht die Welt nach dem 11. September vor einer dreifachen Aufgabe: der Verfolgung der Täter und deren Bestrafung, der Gewährleistung der bestmöglichen Sicherheitsstandards und der Ursachenbekämpfung. Dazu gehört vor allem auch das Austrocknen terroristischer Geldflüsse. Bis zu 15 000 Milliarden Schilling pro Jahr werden unkontrolliert um den Globus gejagt. Wirksame Terrorismusbekämpfung heißt daher vor allem auch, diesen Verbrechern ihre Finanzgrundlagen zu entziehen. Wirksame Terrorismusbekämpfung heißt auch internationale Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten. Die Verbrecher machen vor keinen Grenzen Halt, und die internationale Staatengemeinschaft hat darauf bisher nicht die richtige Antwort gefunden. Es wird auch in Zukunft nicht leicht sein, anarchistische und terroristische Strukturen mit den Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen, aber genau das ist unsere Aufgabe.

Wer frei leben will, braucht Sicherheit vor Kriminalität und Terrorismus. Im Kampf gegen den Terror geht es in erster Linie auch um die Eindämmung des Fundamentalismus, den es bekannterweise nicht nur, aber auch in der islamischen Welt gibt. Um den inneren Frieden in Europa zu gewährleisten, müssen wir zwischen Islam und Islamismus unterscheiden, das heißt, die in Europa lebenden Muslime integrieren. Ich bin sehr froh, dass der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich festgestellt hat, dass das positive Zusammenleben in unserem Land auch in schwierigen Zeiten gewährleistet ist. Das heißt aber auch: keine falsch verstandene Liberalität gegenüber muslimischen Extremisten, die unter Berufung auf politische Verfolgung Asyl erstreben und es oft auch erhalten.

Zahlreiche fundamentalistische Organisationen sind mit Einrichtungen in der einen oder anderen europäischen Hauptstadt präsent und verfügen über eine ausgeklügelte Logistik. Wer das zulässt, darf sich nicht darüber wundern, wenn ethnisch-religiöse und politische Konflikte bei uns ausgetragen werden, die auch gewalttätige Formen annehmen können. Toleranz kann nur in einer politischen Kultur funktionieren, in der die verschiedenen Teilhaber daran Gegenseitig


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