Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 162

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Und weiters: "Die Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit des Verbrechens des Holocaust sind Mahnung zu ständiger Wachsamkeit gegen alle Formen der Diktatur und des Totalitarismus."

Ich bin der Auffassung, dass dem an inhaltlichen Wertungen nichts hinzuzufügen ist, denn das sollte der wirkliche Konsens in unserem Land sein. (Abg. Ing. Westenthaler: Wieso gehen die alle? – Abg. Dr. Martin Graf: Der Gusenbauer spricht, und die Parteifreunde gehen alle! – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Gusenbauer, warum gehen die alle?)

Ich habe mir die Rede des Herrn Stadler auf Video angesehen, und es gibt eine Reihe von Dingen in dieser Rede, die ich für außerordentlich verurteilungswürdig halte. Ich möchte mich auf ein paar Punkte beschränken, die die Kernsätze dieser Rede sind.

Herr Stadler sagt: "Und 1945 – und das ist zur Staatsideologie geworden – sind wir angeblich" – angeblich! – "vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden und in die nächste Tyrannei geraten, insbesondere hier auf diesem Boden, auf dem wir uns heute befinden."

Was heißt das, meine sehr verehren Damen und Herren, "sind wir angeblich vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden"? Heißt das, dass der Herr Volksanwalt Stadler der Meinung ist, wir sind nicht befreit worden? Heißt es, dass er der Auffassung ist, dass dieser Schritt im Jahr 1945 kein Akt der Befreiung war?

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie auf dem Boden der Präambel stehen – und diesen Eindruck hatte ich bei Ihren Ausführungen –, dann verstehe ich nicht, dass Sie zu solchen Aussagen des Herrn Stadler hier vor diesem Hohen Haus nicht ganz, ganz klare Worte sagen und deutlich darauf hinweisen, dass es unerträglich ist (Beifall bei der SPÖ und den Grünen), dass einer der höchsten Repräsentanten zu solchen Aussagen greift.

Aber er geht nicht nur mit dieser Zeit in unglaublicher Art und Weise um. Man muss sich die Rede im Gesamten ansehen. Wenn dann Herr Stadler – und ich empfehle jedem, sich das Video anzusehen, Herr Abgeordneter Khol (Abg. Dr. Khol: Ich habe es gesehen!)  – mit hassverzerrtem Gesicht (Abg. Dr. Martin Graf: Aber geh! Haben Sie die Petrovic gesehen?) dort sagt – und ich zitiere wieder wörtlich –:

"Wir haben alles niedergetrampelt an Werten, was unseren Vorvätern heilig war." (Abg. Dr. Martin Graf: Da haben Sie das Gesicht von der Petrovic nicht gesehen!)

Und weiters: "Unser Volk, unsere Familien, ja selbst unsere Religion wurde in den vergangenen Jahrzehnten niedergetrampelt, und es wurde alles, was gut und wert und teuer war, wertlos gemacht."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine Bewertung der Geschichte der Zweiten Republik durch den Herrn Volksanwalt Stadler, und ich finde es erschütternd, dass es hier nicht einen gemeinsamen Aufschrei gibt und man sagt: Wir lassen die Geschichte der Freiheit in unserem Land durch Herrn Stadler nicht so beschmutzen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist doch unfassbar, dass Herr Stadler von einem Land, in dem es Demokratie und Freiheit gibt – was die allerbeste Antwort auf die Verbrechen des Nationalsozialismus ist –, in dem es über Jahrzehnte wirtschaftlichen Aufbau, Toleranz und das Miteinander gegeben hat, der Meinung ist, alles ist hier "niedergetrampelt" worden. Und von welchen Vorvätern spricht dann Herr Stadler, wenn er von den Werten dieser Vorväter im Lichte der Entwicklung der Zweiten Republik spricht?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das sind Aussagen, die sich nahtlos einreihen in das, was auch der frühere FPÖ-Obmann Haider des Öfteren gesagt und getan hat, als er die "ordentliche Beschäftigungspolitik" der Nazizeit gelobt hat, als er vor SS-Veteranen gesprochen hat, als er zu den Naziverbrechen nur gesagt hat: "Wenn Sie so wollen, dann war es halt Massenmord." Und Herr Stadler reiht sich in einem Interview nahtlos ein, wenn er auf die Frage der Verurteilung von Auschwitz und des Nationalsozialismus nicht die Verbrechen verurteilt,


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