Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 165

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Wir kennen die Berichte über die Brutalität, über die Brandschatzungen, über 200 000 Vergewaltigungen in Niederösterreich. Ich lese Ihnen etwas vor aus einem Buch – Sie werden es kennen, Adolf Schärf ist Ihnen bekannt –, "Erinnerungen aus meinem Leben". Er schreibt darin Folgendes – ich zitiere wortwörtlich –:

"In den ersten Apriltagen 1945 erlebte ich dort die Besetzung eines Teiles von Wien durch die Rote Armee. Ich habe manches von dem, was ich damals gesehen haben, in meinen Erinnerungen ,April 1945 in Wien’ beschrieben. Heute weiß ich, dass das Grauen, das über Österreich kam, viel größer war, als ich zur Zeit der Abfassung dieses Buches ahnen konnte." – Schärf.

Ich zitiere weiter, was Schärf dann vom Einmarsch der Roten Armee schrieb:

"Sobald sie kamen, gab es Plünderung und Brandstiftung, Vergewaltigung und Mord. ... In fast jedem Ort Niederösterreichs gab es außer den Morden auch Selbstmorde aus Verzweiflung. Nicht alles, was als Selbstmord in den Sterberegistern gebucht ist, war aber wirklich Selbstmord. ... Durch alle Ortschaften Niederösterreichs, von Osten bis nach Westen, wälzte sich das Grauen. Ganze Familien wurden ausgerottet." (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist der Petrovic egal!)

Herr Kollege Gusenbauer! Das ist Genosse Schärf, der diesen Tatsachenbericht gegeben hat. Daher muss es möglich sein, diese Debatte zu führen. Daher kann es nicht dazu führen, dass jemand zum Rücktritt aufgefordert oder sein Amt in Frage gestellt wird, der das einmahnt und als niederösterreichischer Mandatar und als niederösterreichischer Politiker fordert, über diese Gräueltaten in Niederösterreich zu diskutieren, sie aufzuarbeiten und zu verurteilen. Das muss möglich sein – auch in der Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ich bin gegen jede Pauschalverurteilung. Das ist das Schlechteste, was wir tun können, irgendetwas zu pauschalisieren, Recht, Unrecht oder Leid und Opfer. Das ist ganz schlecht. (Abg. Öllinger: Ja, ja! Genau Sie! Gerade Sie sollten sich an Ihre Politik erinnern!) Aber man muss differenzieren.

Und jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Kollege Öllinger. Sie sollten sich viel mehr um Aussagen kümmern, die Ihre Genossen von sich gegeben haben. Sie haben noch immer ohne Konsequenzen einen Abgeordneten in Ihren Reihen sitzen – wo ist er übrigens heute?; nicht da, weil er genau weiß, was kommt –, einen Abgeordneten namens Pilz, der in einem Interview der Zeitschrift "Grün" gegenüber, und zwar im Februar 1987, auf die Frage "Wie sieht für dich eine funktionierende Gesellschaft aus?" wortwörtlich gesagt hat:

"Das schaut so aus, dass es keinen Staat gibt; das ist einmal das Erste. Dieses Gewaltinstrument des Staates darf es nicht mehr geben." (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir haben einen Abgeordneten in unseren Reihen, der hier seit Monaten und Jahren sitzt und den Staat an sich in Frage stellt, ihn als "Gewaltinstrument" bezeichnet und ihn abschaffen will. Das ist Anarchie! Ein solcher Abgeordneter hat in diesem Haus nichts verloren, Herr Kollege Van der Bellen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweites Beispiel: Herr Kollege Gusenbauer, Sie haben vorhin von der Grenze zum Verbotsgesetz gesprochen. Wo ist der Abgeordnete Edlinger, wenn Sie von der Grenze zum Verbotsgesetz sprechen? (Rufe bei den Freiheitlichen: Wo ist er denn?) Sie wissen ganz genau, dass hier ein Abgeordneter in der zweiten Reihe sitzt, dessen Sessel heute leer ist, weil er genau weiß, was wir heute diskutieren (Abg. Öllinger: Nein, nein! Er ist nicht hier, weil der Westenthaler spricht!), der ohne Ansatz, ohne einen Vorbehalt, ohne einen Vorsatz, ohne Nachsatz – Sie können das Protokoll nachlesen –, einfach aus sich heraus "Sieg Heil!" in diesen Saal gebrüllt hat (Abg. Dr. Partik-Pablé: Bei meiner Rede war das!), was meiner Meinung nach – und nicht nur meiner Meinung nach – ein klarer Tatbestand der NS-Wiederbetätigung ist. Bis heute konsequenzlos! Keine Konsequenz! Dieser Abgeordnete sitzt noch immer in unseren Reihen. Er kann nicht einmal rechtlich verfolgt werden, weil er die absolute Immunität genießt. Aber er


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