Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 167

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"heuchlerisch" im Zusammenhang mit Alfred Hrdlicka angebracht ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. Rufe bei der ÖVP – in Richtung SPÖ –: Was soll das? – Gegenrufe bei der SPÖ. Abg. Parnigoni  auf Abg. Mag. Posch weisend : Er hat ja gar nichts gesagt!)

Auf diesem Platz steht aber auch eine fast 40 Meter hohe Granitsäule, eine Stele, in der jene Unabhängigkeitserklärung eingemeißelt ist, aus der der Bundeskanzler vorgelesen hat. Dieses Denkmal, dieses Mahnmal drückt sehr deutlich, haptisch erfassbar, erspürbar, erlebbar den Grundkonsens aus, auf dem unsere Republik beruht.

Es ist ein Grundkonsens, den wir in einer Verfassungsgesetzgebung niedergelegt haben, der gesamten Gesetzgebung gegen den Nationalsozialismus – dem Verbotsgesetz gegen Wiederbetätigung –, wie es sie in keinem anderen Land in Europa gibt. Es ist ein Grundkonsens, den wir judizieren, den wir vor den Gerichten einklagen, den wir in unseren Schulen lehren und von dem wir erwarten, dass er die Richtschnur für das Verhalten aller unserer Staatsorgane ist.

Diesen Konsens darf niemand in Zweifel ziehen. Das ist ein Grundgesetz unserer Republik. Das gilt für alle Staatsorgane, meine Damen und Herren! Ich verkenne natürlich nicht – und darauf hat der Bundeskanzler in seiner Erklärung auch abgezielt –, dass es während der Besatzung Unfreiheit gegeben hat. Ich bin selbst noch über die Zonengrenze in Urfahr zu einem Jamboree der Pfadfinder gefahren und habe dort meinen Ausweis vorzeigen müssen und die Russen erlebt. Ich habe selbst noch erlebt, wie es nach dem Krieg in Österreich war, aber, meine Damen und Herren, die Tyrannei, die Verbrechen des Nationalsozialismus mit einer "Tyrannei" der Besatzung nach 1945 gleichzusetzen, ist nicht richtig. Es ist ganz einfach unangemessen. (Beifall bei der ÖVP, der SPÖ, den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte nicht um den heißen Brei herumreden. Ich kenne Ewald Stadler. Wir alle kennen ihn – er ist hier gesessen – als Klubobmann der Freiheitlichen Partei, als jemand, der in der Lage war, einen Satz zu schreiben, wie ihn Peter Westenthaler vorgelesen hat, und der in der Lage war, Diskussionen mit aller intellektuellen Schärfe und zum Teil mit verletzender Brillanz zu führen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Verletzend, ja!) Daher ist seine Rede kein Zufall. Diese Rede, diese Gleichsetzung von einer Tyrannei mit der anderen, hätte nicht gehalten werden dürfen. (Beifall bei der ÖVP, der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben aus dem Historikerstreit in der Bundesrepublik Deutschland gelernt: Wer Nationalsozialismus mit Kommunismus vergleicht, gerät sehr leicht in die gefährliche Nähe des Revisionismus, das heißt des ideologischen Umdeutens. Das möchte ich Ewald Stadler nicht unterstellen, denn ich glaube den Satz, der in diesem Parteiprogramm steht und der verlesen wurde.

Man muss die Worte aber sorgfältig abwägen. Wer den Kommunismus mit der Shoa, mit dem Holocaust, mit dem Nationalsozialismus gleichsetzt, begibt sich in gefährliches Fahrwasser. Der Historikerstreit in Deutschland hat das sehr klar gezeigt. Da wollten Historiker erklären, dass der Nationalsozialismus eine Reaktion auf die Gräuel des Sowjetkommunismus der dreißiger Jahre gewesen wäre – und sind abgerutscht in eine revisionistische Diskussion der Rechtfertigung des Nationalsozialismus.

Das darf es in diesem Land nicht geben. Da ich alle Erklärungen, die dann gegeben wurden, sorgfältig analysiert habe, glaube ich auch nicht, dass Volksanwalt Ewald Stadler dies so gemeint hat. Ich erwarte aber, dass er diese Dinge noch einmal klarstellt, und zwar im Sinne der maßvollen Erklärung seiner Kollegen, der Volksanwälte Peter Kostelka und Rosemarie Bauer. (Abg. Öllinger: Er hat nachgeschoben!) In der maßvollen Erklärung dieser Volksanwälte ist, Frau Kollegin Petrovic, von Rücktritt nicht die Rede, sondern von einem Geschichtsverständnis und von einem Amtsverständnis, das allen gemein sein sollte.

Ich denke, Herr Volksanwalt Stadler müsste sich irgendwann einmal überlegen, ob es nicht richtig ist, dass viele andere Volksanwälte keine politischen Funktionen mehr ausgeübt haben. Herbert Kohlmaier ebenso wie Kollege Schender, ein sehr verdienstvoller Volksanwalt, waren


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