Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 171

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Außerdem gab es bei dem Wenigen, was Sie gesagt haben, auch Unschärfen, auf die ich kurz eingehen möchte: Es gibt doch dieses unselige Zitat eines Delegierten des Parteitages, nachdem Jörg Haider gerade zum Parteiobmann der FPÖ gewählt und Steger abgewählt wurde. Er hat gejubelt, dass Haider gewählt wurde, und gemeint, mit Steger ginge er nicht einmal mehr auf Urlaub, aber mit Haider ginge er wieder nach Russland. (Abg. Ing. Westenthaler: So ein Blödsinn! – Abg. Neudeck: Gusenbauer hat den Boden geküsst!)

Dieser Delegierte hat eine Symbolik verwendet, die hier oft in Diskussionen auch über die Frage der Wehrmacht-Ausstellung verwendet wurde. Was war dieser Zweite Weltkrieg, den der Hitler-Faschismus vom Zaun gebrochen hat? – Es war ein rassistischer Angriffskrieg. (Abg. Dr. Martin Graf: Gusenbauer!) Wenn sich jemand als Delegierter eines Parteitages in seiner Freude über die Wahl Haiders dazu versteigt, zu sagen, nach Russland würde er wieder gehen, dann muss ich sagen: Das ist eine Symbolik, die der erste Schritt in eine Richtung war, die wir heute bei unserer Diskussion aufzuarbeiten haben! (Abg. Kiss: Total daneben! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es kommt ein zweiter Aspekt hinzu, Herr Bundeskanzler. (Abg. Achatz: Gusenbauer hat russische Erde geküsst!) Sie haben die Steger-FPÖ mit der Haider-FPÖ gleichgesetzt, was offensichtlich nicht stimmt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie haben auch von den Opfern gesprochen, die die einzelnen Parteien hier im Hohen Haus erlitten haben. Ich meine, wir sollten auch ein wenig die Geschichte der FPÖ aufarbeiten. Wir wissen, dass die Vorläufer-Partei der FPÖ, der VdU, ja nicht gerade eine antifaschistische Vereinigung war (Abg. Neudeck: Die SPÖ vielleicht?), sondern eigentlich die Partei der Ehemaligen, der Minderbelasteten, die sich zusammengefunden haben und die dann in die FPÖ übergegangen sind. (Widerspruch bei den Freiheitlichen. Abg. Neudeck: Wie ist das mit der Großpartei SPÖ? – Abg. Mag. Schweitzer: Die SPÖ hat offen um die Nazis geworben! Abg. Neudeck: Sie sind eine Großpartei!)

Daher, Herr Bundeskanzler, würde ich Sie ersuchen, dass Sie, wenn Sie schon in einer so wichtigen Rede solche Äußerungen tätigen, bitte präzise Formulierungen finden (Abg. Mag. Schweitzer: Die Sozialdemokraten!), sowohl, was die Entwicklung der FPÖ in den letzten Jahren betrifft, als auch, was die Entwicklung der FPÖ in ihrer Geschichte seit 1945 betrifft. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. Abg. Mag. Schweitzer: Sozialdemokraten sind wir!  – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Nun komme ich zu einem Punkt, der mir ganz besonders wesentlich erscheint: Er wurde in der Rede von Klubobmann Khol angesprochen. Ich verstehe übrigens überhaupt nicht, dass er stehend der Rede von Klubobmann Westenthaler applaudiert hat, die in Wirklichkeit ein Skandal war. – Aber dazu später noch einige Worte. (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie etwas zu Edlinger!)

Wieso Sie da stehen und demonstrativ applaudieren, ist eine Sache. Die Frage ist aber: Waren die Äußerungen von Stadler, die heute vielfach zitiert wurden und in denen eindeutig herausgekommen ist, dass er nicht nur die Gräueltaten in der sowjetischen Besatzungszone, die selbstverständlich immer wieder und von allen verurteilt wurden – natürlich auch von uns –, mit dem Nazi-Regime gleichgesetzt hat, sondern die Situation in allen Besatzungszonen (Abg. Mag. Schweitzer: Kennen Sie den Spruch ...? Kollege Schieder! Sie wissen, von wem das stammt!), war diese Gleichsetzung mit dem NS-Regime, das 52 Millionen Tote als Opfer des Zweiten Weltkrieges und 6 Millionen Tote in den Konzentrationslagern zu verantworten hat – das sind andere Dimensionen! –, bloß ein menschlicher Fehler oder gibt es hier irgendein System dahinter?

Wenn nämlich Haider sagt, die Beschäftigungspolitik im Dritten Reich war eine ordentliche, wenn Haider demonstrativ vor SSlern in Krumpendorf redet, wenn der zitierte Delegierte gerne wieder nach Russland marschieren möchte und wenn jetzt Stadler solche Äußerungen bei der Sonnwendfeier macht, dann stellt sich mit Recht die Frage, ob das ein menschlicher Fehler war oder ob dahinter politisches System und politisches Kalkül stecken. (Abg. Dr. Martin Graf:


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite