Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 83

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Es sind 800 000 Menschen in Österreich, die vom Rand der Gesellschaft in die Mitte der Ge­sell­schaft kommen müssen, die vom Rand der Gesellschaft in unsere Alltagswelt kommen müssen, und diese heutige Diskussion ist dazu ein wichtiger Beitrag.

Wir haben uns im heurigen Jahr in diesem Bereich viel vorgenommen. Es liegt bereits ein Be­richt über die Lage der behinderten Menschen in Österreich vor – ich weiß nicht, ob er dem Hohen Haus wieder zugegangen ist, er wurde nämlich zurückgezogen –, dennoch ist es we­sent­lich und wichtig, sich anzuschauen, wie behinderte Menschen in unserer Gesellschaft le­ben.

Das Motto des „Europäischen Jahres der Behinderten“ lautet „Get on board!“ – Steigen Sie ein! –, und ich möchte Sie bitten, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus, dass Sie auch auf dieses Thema einsteigen. Ich möchte Ihnen Beispiele aus dem Leben von behinderten Menschen, von Menschen, die in ihrem Familienumfeld behinderte Menschen als Angehörige haben, erzählen, und dann werden Sie verstehen, warum es so wesentlich und wichtig ist, dass es ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz gibt, um diesen Menschen Sanktionsmöglichkeiten in die Hand zu geben, damit sie in unserer Gesellschaft mit uns leben können.

Es gab in einem Bundesland den Fall, dass ein Kind eine Aufnahmeprüfung für den Kinder­garten machen musste – der Bub hatte Down-Syndrom. Doch das war nicht vor 20 Jahren oder vor 30 Jahren, sondern das war vor zwei Jahren!

Manchen Kindern ergeht es so, dass ihren Eltern geraten wird, sie nicht in die Schule zu ge­ben – also der Schulbesuch ist unpassend –, sondern ihnen das Wissen durch einen Pri­vat­lehrer oder durch einen Hauslehrer zu vermitteln. Auch das ist nicht vor 20 oder 30 Jahren gewesen, sondern in der jüngsten Vergangenheit.

Im Zuge meiner Recherchen bin ich draufgekommen, dass das Schulgesetz, das die Integration ermöglichen sollte, nicht einheitlich in ganz Österreich vollzogen wird. So wurde zum Beispiel einer Mutter eines entwicklungsverzögerten Kindes geraten, weil die sonderpädagogische Betreuung in der Schule darin bestand, dass dem Kind für zwei Stunden eine Lehrerin zur Seite gestellt wurde und diese Lehrerin dann mit dem Kind gespielt hat und mit ihm spazieren gegangen ist und nicht darauf geachtet hat, dass das Kind unterstützt und gefördert wird, das Kind in ein Internat in einem anderen Bundesland zu geben.

Ich denke, all das sind Dinge, die wir im Auge behalten müssen. Es darf nicht so sein, dass wir diese Kinder, diese Jugendlichen an den Rand der Gesellschaft drängen. Auch da wird ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz eine wichtige Handhabe bieten.

Im Zuge meiner Recherchen bin ich auf sehr viele Angehörige und vor allem sehr viele Mütter gestoßen, die sich als die wahren Power-Frauen in unserer Gesellschaft darstellen. Auch da ist meiner Meinung nach eine Unterstützung der Angehörigen dringend notwendig. Die Ange­hörigen müssen auch Urlaub von der Pflege nehmen können, sie brauchen Informationen und Tipps und auch die Möglichkeit, dass sie sich mit Gleichgesinnten treffen, und sie brauchen auch Unterstützung. Ihre Probleme sollen nicht ein Randthema sein, sondern sollen ins Zent­rum unseres Bewusstseins rücken. Daher ist es auch sehr wesentlich und wichtig, dass das Pflegegeld valorisiert wird.

Wenn man die Hürden des Schulsystems überwunden hat, kommen die Hürden der Berufs­aus­bil­dung, und da ist – meine Vorrednerin, Frau Rauch-Kallat, hat das schon angesprochen – noch sehr viel zu tun. Es müssen Ausbildungsplätze geschaffen werden, und es muss berufli­che Möglichkeiten geben, dass diese jungen Menschen in den Arbeitsprozess eintreten und sich da beweisen können.

An dieser Stelle muss ich eine Kritik anbringen: Im Rahmen der Beschäftigungsoffensive hat sich die vergangene Bundesregierung mit der Behinderten-Milliarde, die eigentlich eine halbe war, ein sehr großes Ziel gesetzt, doch dieses Ziel hat sie leider nicht erreicht, denn wir haben der­zeit in Österreich 34 000 arbeitslose behinderte Menschen. Es reichen die Be­schäfti­gungs-


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