Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 23. Sitzung / Seite 39

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11.11

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, zunächst eine Frage an Herrn Minister Böhmdorfer zu richten. Da wir ja gestern brandaktuell erfahren haben, dass die Jugendgerichtshilfe förmlich um Hilfe geschrien und mitgeteilt hat, sie könne sich das Antiaggressionstraining für die Jugendlichen, die sich in Haft befinden, nicht mehr leisten, frage ich Sie, Herr Bundesminister: Was gedenken Sie zu tun, um diese finanziellen Mittel sicherzustellen? Ich denke, das kann es doch nicht sein, dass die Jugendlichen jetzt nur mehr weggesperrt werden, und damit ist dann Schluss! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte allerdings meine heutige Rede dafür verwenden, für eine Gruppe einzu­treten, von der ich selbst komme und die vom Justizbudget und vor allem von Ge­setzen entweder sehr negativ betroffen sein kann oder auch positiv, indem sie sehr unterstützt wird. Ich spreche von allein erziehenden Müttern. Ich weiß sehr wohl, wie die Situation von allein erziehenden Müttern ist, ich bin selbst eine. Ich weiß, dass es zwei Dinge gibt, die massiv in das Leben hineinwirken: das eine ist die finanzielle Situation und das zweite ist die gesellschaftliche Isolation.

Dennoch, ich habe es irgendwie geschafft, und mein Ziel ist es jetzt, anderen Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind, zu helfen. – Dass ich es nicht so schlecht ge­macht habe, beweist unter anderem der gestrige Tag. Da hat nämlich meine Tochter ihre Matura mit gutem Erfolg bestanden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen, der ÖVP und der Freiheitlichen.) Ich bin sehr stolz darauf und wollte das auch einmal in dieser Form zum Ausdruck bringen.

Es gibt drei Dinge, die in den letzten Jahren passiert sind und die die Situation der Allein­erziehenden wirklich massiv verschlechtert haben:

Das erste ist die zwangsweise gemeinsame Obsorge, die Änderung des Kindschafts­rechts-Gesetzes. Ich gebe zu, dass es Paare gibt, Eltern gibt, die sich nach der Scheidung einigen konnten und die nach der Scheidung beide für ihr Kind verantwort­lich sein wollten und das dann auch sind. Meist ist es ja so, dass sich die Väter mehr oder weniger verabschieden und gar nicht mehr wollen. Aber es mag diese Fälle durchaus geben.

Aber nur wegen dieser Fälle ein Gesetz zu machen, das anderen, schwächeren Teilen massiv schadet und den stärkeren Teilen ein derartig starkes Instrument in die Hand gibt, um den schwächeren finanziell oder überhaupt in der gesamten Beziehung, die nach der Scheidung noch besteht, unter Druck zu setzen, das halte ich einfach für nicht gerechtfertigt.

Es kann doch nicht im Sinne der Erfinder gewesen sein, dass genau dieses Gesetz jetzt so ausgelegt wird, dass es noch im Scheidungsverfahren als „Joker“, als Druck­mittel verwendet wird, wenn es um die Unterhaltszahlungen geht. (Abg. Dr. Fekter: Das geht ja gar nicht! Sie braucht ja nur einen Antrag zu stellen!) Diese Fälle gibt es, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten sagt: Wir nehmen die gemeinsame Obsor­ge als „Joker“! Das heißt, der Mann sagt: Ich verzichte auf die gemeinsame Obsorge, und dafür bezahle ich dir weniger Unterhalt. (Abg. Dr. Fekter: Es ist ein Erfolgsrezept, und das wollt ihr nicht wahrhaben!) – Diese Fälle gibt es, diese Fälle liegen auf dem Tisch, wir hören sie tagtäglich (Abg. Dr. Fekter: Die gemeinsame Obsorge ist ein Erfolgsrezept, und das wollt ihr nicht wahrhaben!), und es kann doch nicht in Ihrem Sinne gewesen sein, dass Sie dieses Gesetz deshalb gemacht haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

 


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