Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 28. Sitzung / Seite 58

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11.31

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst danke ich allen vier Fraktionen, dass sie heute diesem Verfassungsgesetz, das die Ratifizierung ermöglichen wird, zustimmen werden. Das ist, so glaube ich, ein ganz wichtiges Signal auch nach außen. Wir haben immer schon ein etwas eigenartiges ver­fassungsrechtliches Verfahren gewählt, indem wir zuerst ein Verfassungsgesetz be­schließen, um dann nicht einzeln ausweisen zu müssen: was ist am Beitrittsvertrag verfassungsändernd, was ist nicht verfassungsändernd – aber anyway.

Wir haben daher zwei Ratifizierungsschritte zu tun; heute findet der erste statt, und ich freue mich sehr, dass es eine hoffentlich einvernehmliche Zustimmung dazu geben wird.

Die Erweiterung ist längst Realität. Wenn Sie heute einen Europäischen Rat oder einen Ministerrat besuchen, dann haben Sie bereits heute alle 25 Mitgliedsländer rund um den Tisch versammelt. Das heißt, die Erweiterung wird bereits gelebt und ist auf allen Ebenen und Ecken spürbar.

Wir Österreicher sind stolz und ich bin auch persönlich stolz darauf, dass Österreich zum Unterschied von manchen Dingen, die heute hier gesagt worden sind, und auch zum Unterschied von manchen journalistischen Kommentaren, in denen geschrieben und kritisiert wird, Österreich hätte dabei nichts Konkretes gemacht, wir hätten uns eher auf eine Beobachterrolle zurückgezogen, doch einiges zu Wege gebracht hat. Unter unserem Vorsitz im Herbst 1998 – ich war damals Vorsitzender des Allgemeinen Rates – sind die Verhandlungen begonnen worden, haben wir zum ersten Mal mit sechs Kandidaten die ersten Kapitel eröffnet und haben damit eigentlich diesen Zug gestartet, der heute in die Schlussphase – Ratifizierung – tritt und am 1. Mai 2004 seinen Abschluss finden wird.

Ich bin auch deswegen sehr stolz darauf, weil es für uns tatsächlich eine historische Chance ist, die uns geographisch ins Herz Europas bringt, die uns aber auch zum ersten Mal die Möglichkeit eröffnet, mit like-minded countries, die geographisch, kultu­rell, geschichtlich, aber auch prioritätenmäßig in der Sachpolitik vieles verbindet, eine Gruppe zu bilden, dies es bisher nicht gegeben hat. Die Benelux-Staaten haben ihre gemeinsame Kooperation, die Nordic countries haben ihre regelmäßigen Zusammen­künfte und unterstützen einander.

Österreich war in der Union der 15 allein. Wir haben zwar mächtige, große Nachbarn wie Italien, Deutschland, die mit uns punktuelle gemeinsame Initiativen gesetzt haben, aber das ist etwas ganz anderes als eine Gruppe von ähnlich gelagerten, ähnlich großen, gleich großen Ländern, die gemeinsam etwas verändern wollen. Jetzt, mit dieser Erweiterung, haben wir vor allem mit unseren Nachbarländern und in der regio­nalen Partnerschaft mit Polen und Slowenien die Möglichkeit, dass wir auch gemein­sam auftreten können. Das ist in der neuen Union natürlich ein ganz wesentlicher Vorteil, und wir sollten diese Chance, die unsere Außenministerin sehr konsequent vor­bereitet hat, auch wirklich nützen.

In der Union mit 25 Mitgliedstaaten ist selbst ein Großer allein auf ziemlich verlorenem Posten. Er braucht Bündnispartner. Und in dieser neuen Union soll und wird Österreich eine Mitteleuropagruppe mitbilden können, die hoffentlich dann auch in dieser Union sehr viel Positives bewegen kann.

Zweitens: Heute schreibt ein außenpolitischer Kommentator: Österreich hat nichts ge­macht. – Wer sich die Realität ansieht – und ich bitte wirklich, von diesen Wiederholun­gen von immer gleichen Debattenbeiträgen, die nicht heute gekommen sind, aber in den Kommentaren wird das oft wiederholt, wegzugehen –, weiß, dass das Gegenteil der Fall ist.

 


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