2. Punkt
Erklärung des Vizekanzlers gemäß
§ 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Die
Prioritäten der Bundesregierung für den Herbst 2003“
Präsident Dr. Andreas Khol:
Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die
Debatte unter einem durchgeführt wird.
Ich
erteile dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe seiner Erklärung das Wort.
10.41
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf darauf hinweisen, dass ich das Wort „Parlament“ eigentlich von „parlare“ – „sprechen“, „miteinander reden“ (Abg. Dr. Lichtenberger: Aber nicht nur einer!) – ableite, und ich denke, dass es ganz vernünftig ist, wenn man am Beginn der Herbstarbeit miteinander darüber spricht, welche Themen wichtig sind, welche auf der Tagesordnung stehen, sei es von europäischer Seite – Abgeordneter Voggenhuber, Grün-Abgeordneter im Europaparlament, hat übrigens moniert, dass es eine Erklärung seitens der Bundesregierung geben soll –, sei es von nationaler Seite. Ich bin natürlich gerne dazu bereit, auch auf diese Themen im Rahmen meiner Erklärung einzugehen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich meine, eine 20-Minuten-Rede hat mit Allmacht relativ wenig zu tun. Ich werde mich auch sehr bemühen, nicht auf die Landtagswahlkämpfe, die sowieso ihre Eigengesetzlichkeit haben und, wie ich meine, auch für die Landeshauptleute nicht so schlecht laufen, einzugehen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)
Meine
Damen und Herren! Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass sehr viele europäische
Länder mit ähnlichen Problemen zu tun haben; sie alle arbeiten an ähnlichen
Reformprojekten. Ob das die Tschechen, die Ungarn, die Deutschen, die
Italiener, die Franzosen oder jetzt die Niederländer, die ein
14 Milliarden € umfassendes Budgetsanierungsprojekt vorgelegt haben,
sind – sie alle arbeiten im Wesentlichen an den gleichen Themen: Was ist
das mit der demographischen Entwicklung? Welche Konsequenzen hat eine alternde
Gesellschaft auf Bereiche wie Budget, Gesundheitssystem, Altersvorsorge?
Derartige
Diskussionen gibt es in ganz Europa, nicht nur in Österreich, es gibt nur einen
Unterschied: Die anderen diskutieren, während wir nach einer sehr arbeitsreichen
Frühjahrssession – wofür ich dem Hohen Haus aufrichtigen Dank sage –
die Reformen bereits umgesetzt haben. Das ist der entscheidende Unterschied,
und das ist auch gut so!
Erlauben
Sie, dass ich an einem kleinen Beispiel im Vergleich mit Deutschland aufzeige,
wie schnell es gehen kann, dass ein Vorzeigeland abrutscht. Die Deutschen waren
im Jahr 1999 und im Jahr 2000 noch wesentlich besser als wir in den
Budgetdaten. Sie haben fast 50 Prozent bessere Budgetdaten vorzuweisen
gehabt als wir. In fünf Jahren Regierung Schröder wurde immer versucht, die
notwendigen Strukturreformen eher hinauszuschieben, eher vorsichtig damit
umzugehen. Das Ergebnis zeigt sich heute: Deutschland ist an letzter Stelle aller europäischen
Länder, es wird heuer ein Budgetdefizit von über 4 Prozent haben;
Frankreich übrigens genauso. Das bedingt gleichzeitig auch ein Zurückgehen der
Wachstumsraten.
Die Argumentation war immer: Wer ein höheres Budgetdefizit in Kauf nimmt, bekommt dafür hoffentlich höhere Wachstumsraten. – Der Erfolg beider Länder, Deutschlands und Österreichs, zeigt, dass genau das Gegenteil eingetroffen ist! Wir haben im Jahr 2000 massiv versucht, unsere Budgetprobleme in den Griff zu bekommen. Finanzminister Grasser und Staatssekretär Finz haben in den Jahren 2001 und 2002 ein Budget-Nulldefizit zustande gebracht und gleichzeitig ein um 50 Prozent schnelleres