Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 9

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Die Europäische Union ist natürlich jetzt anders. Sie umfasst fast 500 Millionen Men­schen, das heißt 470 Millionen einzelne Vorstellungen, Wünsche, Sorgen, Träume, Ängste, Ideen, die jeder Einzelne mit dieser seiner Vorstellung von einer Europäischen Union verbindet. Die Aufgabe der Politik ist es, das in einem Paket, in Lösungen, in Antworten so zusammenzufassen, dass es möglichst viele dieser Vorstellungen wider­spiegelt.

Ich glaube, dass wir Österreicher über die letzten zehn Jahre – es jährt sich jetzt fast auf den Tag genau der Tag, an dem wir uns im Rahmen einer Volksabstimmung mit Zweidrittelmehrheit für diese Europäische Union entschieden haben – eine durchaus positive, selbstbewusste Bilanz ziehen können. Die Mitgliedschaft hat Österreich nach vorne gebracht, und wir haben uns sehr gut behaupten können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich hat seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Wir sind heute in allen Rankings auf Platz 13 in der Welt vorgerückt. Wir haben uns innerhalb der Europäischen Union deutlich nach vorne gearbeitet. Wir sind schon unter den Top 5, wir wollen unter die Top 3 kommen. Wir haben eine stabile Preissituation mit einer geringen Inflation. Die Löhne und Gehälter sind seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union um sage und schreibe 20 Milliarden € gestiegen. Die Exporte sind dank der Mitgliedschaft und dank der Öffnung der Märkte geradezu explodiert. Sie haben sich verdoppelt, gegen­über Mitteleuropa sogar vervierfacht.

Österreich ist durch diese Mitgliedschaft ein höchst attraktiver Investitionsstandort geworden. In der Zeit vor der Mitgliedschaft Österreichs haben wir ein Drittel jener Aus­landsinvestitionen gehabt, die wir jetzt haben. Das heißt, die Investoren haben seit dem Beitritt jedes Jahr drei Mal so viel investiert als damals. Darauf kann man, glaube ich, ohne weiteres stolz sein. Das ist ein Ergebnis eines großen parteiübergreifenden Konsenses. Österreich hat seine Chancen sehr gut genützt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jetzt, meine Damen und Herren, geht es um die Zukunft. Welche Themen sind jetzt wichtig und bedeutsam? – Zuallererst ist die Erhaltung des Friedens zu nennen. Es jährt sich in zwei Tagen, also am 6. Juni, zum 60. Mal die Landung der Alliierten in der Normandie, also des D-Day, an dem die Alliierten gelandet sind, um Europa von den Schrecken des Nationalsozialismus zu befreien.

Es tut vielleicht in diesen Tagen, in denen viele Staats- und Regierungschefs zusam­menkommen, um dieser Tage zu gedenken, auch ganz gut, wenn man sich in Erinne­rung ruft, was damals geschehen ist. An einem einzigen Tag, an diesem 6. Juni, sind 20 000 junge Männer verblutet, auf alliierter Seite, auf deutscher Seite!

Aus dem Schrecken dieser Tage – allein der Normandie-Feldzug hat in den ersten 30 Tagen 130 000 Tote gefordert; insgesamt forderte der Zweite Weltkrieg in Europa rund 25 Millionen Tote – ist eigentlich die Vision Europa, ein friedlicher, starker, geein­ter Kontinent, entstanden. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Europäische Union als Friedensmacht bewährt. Dieses „Nie wieder Krieg!“ beziehungsweise der Hinweis, von dem Helmut Kohl vor einigen Tagen in Wien gesprochen hat, dass er, wenn er von seiner Heimat Rheinland nach Frankreich hinüberfährt, viele Soldatenfriedhöfe sieht, auf denen Menschen begraben sind, wo eben in den drei Völkerschlachten 1870, 1914 und 1940 Millionen Deutsche und Franzosen ihr Leben lassen mussten, ist ja das eigentlich Prägende, ist die Basis: Das Werte-Fundament „Nie wieder Krieg!“, lieber am Konferenztisch streiten, lieber da und dort auch Niederlagen mit einem nationalen Son­derinteresse in Kauf nehmen, als je wieder eine Situation zu haben, in der die Völker Europas die Waffen gegeneinander erheben! Das ist entscheidend! (Allgemeiner Bei­fall.)

 


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