Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 27

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Präsident Dr. Andreas Khol: Die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde beträgt 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


9.27.54

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 12. Juni des Jahres 1994 haben die Österreicherinnen und Österreicher mit einer überwältigenden und, ich sage das dazu, für viele überraschenden Zwei­drittelmehrheit für die Europäische Union, für die Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union gestimmt.

Damals waren die wesentlichsten Argumente – ich erinnere mich sehr gut daran, weil ich ganz intensiv dafür geworben habe, für dieses Ja –, dass wir aus österreichischem Interesse heraus für den Beitritt eintreten, weil dieses Europa das Friedensprojekt ist, um das Generationen gerungen haben, weil dieses Europa das Projekt der Demokratie ist und weil dieses Europa das Projekt der sozialen Marktwirtschaft ist. – Meine Damen und Herren! Das ist heute genauso richtig wie im Jahre 1994.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs! Dafür, dass Sie heute die Aktuelle Stunde mit dem Titel „Kehrtwende in der EU-Politik“ bezeichnet haben, gibt es zwei mögliche Varianten: Entweder es ist dieser Titel passiert – das wäre schlimm –, aber wenn dieser Titel bewusst gewählt ist, dann ist das noch viel schlimmer, und darauf mache ich Sie aufmerksam, weil Ihnen das vielleicht entgangen ist. Manche Gesichter sind betroffen. Denken Sie nach darüber, was Sie mit „Kehrtwende in der Europapolitik“ eigentlich wirklich signalisieren. Es geht jetzt – gerade in einer zugegeben nicht einfachen Situation in der Europäischen Union – um das Halten der Linie und nicht um Kehrtwende, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was signalisieren Sie denn? (Abg. Gradwohl: Linie halten heißt, nichts verändern!) Was signalisieren Sie von der SPÖ etwa mit dem Begriff „Kehrtwende“ im Zusam­men­hang mit der Erweiterung der Europäischen Union? Wollen Sie die Erweiterung der Europäischen Union zurückdrehen? Wollen Sie das Rad der Zeit zurückdrehen, ob­wohl diese Erweiterung Österreich einen Sicherheitsgewinn gebracht hat, ebenso einen Wachstums- sowie einen Stabilitätsgewinn?!

Signalisieren Sie nicht mit dem Begriff „Kehrtwende“ – beispielsweise im Falle Rumä­niens und Bulgariens –: Bitte bleibt draußen!? Und was signalisieren Sie damit unseren gemeinsamen Freunden etwa in Kroatien, ja am Balkan überhaupt?! – Ich denke, dass gerade jetzt das Signal keine Kehrtwende wichtig ist, dass mit Verantwortung und Gefühl der Prozess der Erweiterung fortgesetzt wird, damit wir auch in Zukunft Wachstums- und Arbeitsplatzgewinner sowie Sicherheits- und Stabilitätsgewinner sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie von der SPÖ signalisieren etwa in der Verfassung eine Kehrtwendung. – Herr Kollege Gusenbauer, es kann doch nicht so sein, dass das, was vor vier Wochen richtig war und von Ihnen begrüßt wurde – das war eine tolle Debatte hier, mit guten Beiträgen, eben diese Debatte über die Europäische Verfassung –, heute falsch ist! Wir müssen doch jetzt ein Signal setzen, meine Damen und Herren, dass wir für diese Europäische Verfassung kämpfen wollen! (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) Kehrt­wende hieße doch, vor den Europagegnern in die Knie zu gehen! Und das tun wir nicht! Wir wollen Linie halten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


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