Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 127. Sitzung / Seite 21

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um 25 000 mehr sind als noch vor fünf Jahren, dann müssen wir sagen: Es schlummert in diesem Potenzial der Jugendarbeitslosigkeit eine soziale Bombe.

Meine Damen und Herren! Wenn man die PISA-Studie ernst nimmt, wenn man sie genau analysiert, dann stellt man fest, dass ein Fünftel der 15-Jährigen in Österreich nicht ordentlich lesen kann und damit deren Chance auf eine Lehrausbildung oder auf eine Weiterbildung in der Schule außerordentlich gering ist. Das heißt, es gibt auch bei uns erste Anzeichen dafür, dass der soziale Aufzug nicht mehr funktioniert, dass die soziale Durchlässigkeit eingeschränkt worden ist. Unsere Aufgabe muss es daher sein, wenn wir den sozialen Frieden und die Demokratie in unserem Lande halten wollen, die soziale Durchlässigkeit der Gesellschaft zu 100 Prozent herzustellen, und das heißt in erster Linie: Chancen und Bildung für die Jugendlichen in unserem Land, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das wahrscheinlich Beklemmendste ist, dass das österreichische Schulsystem die Herkunftsunterschiede, nämlich die sozialen Herkunftsunterschiede, in einem hohen Ausmaß fortpflanzt. Ein Ergebnis der PISA-Studie ist es, dass ein Mädchen, das in der Stadt wohnt, dessen Eltern Akademiker sind, eine 83-prozentige Chance auf einen akademischen Abschluss hat. Ein Bub, der auf dem Land lebt, dessen Eltern Arbeiter sind, hat eine 7-prozentige Chance auf einen akademischen Abschluss.

Das ist ein Zeichen dafür, dass unser Schulsystem derzeit nicht zu einer Angleichung von Chancen führt, sondern dass ganz im Gegenteil durch unser Schulsystem die sozial ungerechte Chancenverteilung weiter fortgesetzt wird.

Jetzt werden Sie sich die Frage stellen: Was hat das zu tun zum Beispiel mit der Situa­tion der Zuwanderer oder derjenigen, die sich am unteren Ende der sozialen Skala befinden? – Das kann ich Ihnen sagen: Es gibt immer mehr Menschen, die nur die Qualifikation für wenig nachgefragte und wenig qualifizierte Tätigkeiten haben, aber es gibt zu wenig Arbeit für sie. Daher ist es die größte Herausforderung an eine Gesell­schaft, dafür zu sorgen, dass möglichst viele Kinder und Jugendlichen zu einer mög­lichst hohen Bildung kommen. Das ist das einzige Mittel, mit dem man langfristig die Gesellschaft durchlässig gestalten kann! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang stellt sich natür­lich auch die Frage der politischen Verantwortung. Wenn man sieht, dass es da Proble­me gibt, glauben Sie dann, dass es der richtige Weg ist, die Plätze der Begleitlehrer an den Schulen zu streichen, die dafür verantwortlich sind, dass alle Kinder auch die deutsche Sprache ordentlich lernen und damit bessere Bildungschancen haben?! Hal­ten Sie es für richtig, in einer solchen Situation 5 500 Pflichtschullehrerplätze in Öster­reich zu streichen? (Abg. Dr. Brinek: Sagen Sie das Häupl!)

Ich sage Ihnen: Mit jedem Lehrerplatz, den Sie hier streichen, reduzieren Sie die Chan­cen der Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich halte die Forderung der Landeshauptleute für völlig richtig, wenn sie sagen, wir bräuchten in Österreich mindestens 800 Begleitlehrer, damit die Kinder in den Schulen ordentlich Deutsch lernen und damit eine bessere Chance haben, an unserem Bil­dungssystem teilzunehmen. (Abg. Dr. Brinek: Was hat Stadtrat Rieder gemacht?) Ich würde sagen, wenn man ohnehin darüber jammert, dass es in Österreich zu viele Leh­rer gibt, weil es zu wenig Kinder gibt, dann sollten wir das doch als Chance begreifen, mit mehr Lehrern mehr für die Kinder zu tun und daher für eine bessere Bildung zu sorgen. Das würde für Gerechtigkeit sorgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

 


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