Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 158. Sitzung / Seite 51

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Zurückblicken möchte ich auf die Ausgangslage. Wir hatten im vorigen Jahr ein schreckliches Jahr. Wir hatten eine Schreckensstarre nach den beiden schief gegange­nen Referenden. Nein haben die Wähler in Frankreich und in Holland zur Europäi­schen Verfassung gesagt. Es gab vor einem Jahr keine Einigung betreffend die euro­päische Finanzordnung für die nächsten sieben Jahre. Außerdem gab es Vertrauens­störungen aller Art, die sich kulminiert haben etwa bei der Entscheidung über den Be­ginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, bezüglich derer eine sachliche Debatte über die Auswirkungen und Konsequenzen zunächst überhaupt verweigert wurde und sich erst durch das österreichische Beharren auf die Aufnahmefähigkeit ein Weg ge­zeigt hat, wie man das lösen kann.

Aber auch bei konkreten Rechtsvorhaben hat es enorme Spannungen gegeben, wie etwa bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen, bei der Reduzierung von hoch schäd­lichen Treibhausgasen, aber auch bei der Dienstleistungsrichtlinie. Das Schlagwort „Bolkestein“ war ja praktisch ein Albtraum und hat sich als Spaltpilz erwiesen, war nicht eine Hoffnung, sondern war tatsächlich ein Schreckenswort.

Unsere Zielsetzung war daher, mehr Vertrauen, mehr Klarheit, mehr Schwung für Europa zu geben, und dieses Vertrauensthema war so eine Art Basso continuo in der Arbeit unseres Vorsitzes.

Das Motto, das wir uns von Anfang an selber gestellt haben, war: „Europa hört zu“. Das war auch der Titel einer eigenen Homepage, die wir in Österreich eingerichtet ha­ben. Mit diesen drei Worten „Europa hört zu“ haben übrigens auch die Schlussfolge­rungen des letzten Europäischen Rats begonnen.

Interessant war auch die Reaktion der Öffentlichkeit. Auf diese eine Homepage erfolg­ten zehn Millionen Zugriffe aus ganz Europa. Wir hatten auf die Präsidentschaftsweb­site der österreichischen Präsidentschaft 35 Millionen Zugriffe, was zeigt, dass wir weit über den Anlass und weit über das sonstige Thema, das wir in geschlossenen Zirkeln oder bei Konferenzen oder mediatisiert über Zeitungsberichterstattungen behandeln, hinausgekommen sind, und das finde ich sehr positiv und wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Das zweite Motto unserer Präsidentschaft lautete: Realismus. In sechs Monaten kön­nen Sie nicht die Welt, auch nicht die kleinere Welt Europas ändern. Daher sind funda­mentale Richtungsänderungen weder möglich noch sinnvoll. Wir haben weder unsere Möglichkeiten noch die unserer Partner überschätzt. Wir haben unsere Arbeit mit Augenmaß und Hausverstand gemacht.

Wir haben in diesem Semester einige Großbaustellen bearbeitet und haben dabei, so glaube ich, auch einiges leisten können in der Verfassungsdebatte, bei den Finanzen, bei der Erweiterung. Wir haben vor allem neue Themenfelder eröffnet, die Energie-, die Migrations- und Integrationsdebatte sowie die Frage um das Krisenmanagement.

In der Verfassungsdebatte war zu Jahresbeginn noch eine sehr verkrampfte Haltung vorherrschend. Ich darf nur daran erinnern, dass im Jänner etwa die Holländer erklärt haben, die Verfassung sei tot, sie seien überhaupt nicht bereit, darüber zu reden. Wir haben sehr behutsam vom „Sound of Europe“, mit Einladung auch von Balkenende, bis zur Klosterneuburger Sondertagung der Außenminister gearbeitet, und es ist uns ge­lungen, in Klosterneuburg das Schweigen zu durchbrechen und eine Choreographie der gemeinsamen Schritte für die Zukunft zu erarbeiten.

Es hat sich gezeigt, dass die Bürger Europas ein Europa der Resultate wollen und nicht eine Nabelschau beim Verfassungsvertrag. Sie wollen mehr Transparenz. Sie wollen ein besseres Krisenmanagement. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

 


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