Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll24. Sitzung / Seite 75

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Allerdings bleibt die Wahlrechtsreform auf halbem Wege stecken. Es ist etwas Bedau­erliches und Erwähnenswertes, dass nach wie vor viele Menschen in Österreich vom Wahlrecht – obwohl direkt davon betroffen – ausgeschlossen sind. Damit spreche ich eine Hürde an, die in Wien schon lange diskutiert worden ist. In Wien haben die SPÖ und die Grünen gemeinsam zur Erweiterung des Wahlrechtes auf Menschen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben, beigetragen – zumindest auf kommuna­ler Ebene.

Und da möchte ich Sie wirklich ernsthaft fragen, ob das so ein unanständiges Ansinnen ist, dass Menschen, die jahrelang in einer Stadt, einer Gemeinde leben, nicht einmal den Zebrastreifen vor ihrer Haustür mitbestimmen können, obwohl sie direkt durch diese Alltagsentscheidungen, die ein Gemeinderat trifft, betroffen sind. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Es geht um das Staatsbürgerschaftsrecht!)

Diese Diskussion ist in anderen Ländern durchaus üblich, ich bitte Sie, einfach einmal darüber nachzudenken, was Demokratie bedeutet. Demokratie heißt, dass diejenigen, die von einer Entscheidung betroffen sind, diese auch mit beeinflussen können. Und gerade bei den kommunalen Problemen, den Lösungen, die eine Gemeinde ihren Bür­gerinnen und Bürgern zur Verfügung stellt, geht es um Alltagsprobleme, Alltagsdinge, und hier wird eine große Gruppe von Menschen ausgeschlossen. Das sind im Übrigen in Österreich sehr viele ganz junge Menschen. Viele – nämlich mehr als die Hälfte – dieser sogenannten Ausländerinnen und Ausländer sind Menschen unter 25. Wenn wir jetzt über Jugendpartizipation und bessere Integration reden, wäre das kommunale Wahlrecht für Menschen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft auch ein wichti­ger Punkt gewesen.

Aber es geht noch weiter. Ich war letzte Woche in der Türkei. Die Türkei hat ein Wahl­recht, das minderheitenfeindlich ist, nämlich die kurdische Minderheit ausschließt. Das­selbe Problem haben wir in Kärnten. Auch in Kärnten ist das Wahlrecht so gemacht, dass es eine Minderheit, nämlich die der Sloweninnen und Slowenen von einer Vertre­tung im Landtag ausschließt. Mit dieser Reform hätte die Chance bestanden, auch in Kärnten ein Wahlrecht zu erzwingen – nachdem es dort über Jahrzehnte nicht möglich war, ein solches zu schaffen –, das einer ganz großen Gruppe der Bevölkerung die Möglichkeit eröffnet, mitzureden. Auch zu dieser Reform ist es leider nicht gekommen.

Jetzt komme ich zum letzten, aus der Sicht vieler Bürgerinnen und Bürger und der Grü­nen kritischsten Punkt, zur sogenannten Verlängerung der Legislaturperiode. Meiner Meinung ist das nichts anderes als eine Beschneidung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger und die Argumente, die jetzt am Tisch liegen, sind allesamt hanebüchen. Es ist wirklich ein hanebüchenes und vorgeschobenes Argument, wenn man sagt: Weil die Parteien nicht fähig sind, innerhalb einer bestimmten Frist Regierungsverhand­lungen zu führen, weil sich die ÖVP über Wochen und Monate in den Schmollwinkel zurückgezogen hat oder – anders herum – weil die Wahlkämpfe immer länger dauern, immer teurer und aufwändiger werden und immer mehr Zeit in Anspruch nehmen, soll es Bürgerinnen und Bürgern nur mehr alle fünf Jahre erlaubt sein, die Meinung zu sagen anstatt wie derzeit alle vier Jahre. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist mit Disziplin lösbar. Man kann Wahlkampfkosten begrenzen und Regierungs­verhandlungen seriös in vier bis sechs Wochen fertig haben. Man muss dafür nicht die Rechte der BürgerInnen beschneiden. Bedauerlich, dass darüber überhaupt keine Dis­kussion möglich war. Die Parteien, die das jetzt vertreten, haben im Wahlkampf nicht davon gesprochen, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern dieses Recht beschneiden wollen, noch haben sie eine ernsthafte Diskussion über eine Vereinheitlichung der ge­samten Legislaturperioden – in Landtagen und so weiter –, gesucht.

 


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