Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll35. Sitzung / Seite 153

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Ich darf in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, dass wir bei 100 Sexualstraf­taten 99 Ersttäter und nur in einem Fall einen Rückfallstäter haben. Das heißt, wir müs­sen unser ganzes Augenmerk in diesem Bereich auf die Ersttäter richten. Das kann der neue Lebensgefährte der Frau, das kann der Lehrer, das kann der nette Nachbar, der gute Onkel sein. In den allerwenigsten Fällen, nämlich in einem von hundert, ist es ein Rückfallstäter.

Ich darf auch sagen, dass insbesondere die an mich gerichteten Fragen 5, 13 bis 21 und 23 bis 34 ein grundsätzliches Missverständnis hinsichtlich des von mir vorgelegten Pakets von Maßnahmen für mehr Sicherheit durch verbesserten Strafvollzug und Ver­meidung von Rückfallgefahren erkennen lassen. Ohne den Beratungen im Hohen Haus über den erst vorzulegenden Entwurf vorgreifen zu wollen, benütze ich gerne die Gelegenheit, hier schon die Absichten darzulegen.

Ich beantworte daher die Fragen 5, 13 bis 21 und 23 bis 34 wie folgt:

Mein Reformwille im Bereich des Strafrechts ist von dem Grundgedanken geprägt, mehr Sicherheit in der Gesellschaft durch bessere Gestaltung des Strafvollzugs zu er­reichen. Der zur allgemeinen Begutachtung versandte Ministerialentwurf – die Begut­achtungsfrist endet erst am 22. Oktober – sieht in diesem Zusammenhang ein Bündel von Maßnahmen vor, die sich dem Ziel mehr Sicherheit nach der Haftentlassung unter­ordnen. Grundsätzlich sollen daher bei der bedingten Entlassung Strafzumessungser­wägungen in den Hintergrund treten und durch Überlegungen ersetzt werden, die sich an den Auswirkungen des Vollzugs und von begleitenden Maßnahmen zur Sicherung des Lebens in Freiheit orientieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer beurteilt das?) Schon das Regierungsprogramm spricht davon, dass „im Bereich des materiellen Strafrechts die Möglichkeiten der bedingten Entlassung unter gleichzeitiger Stärkung der Rück­fallsprävention für aufenthaltsverfestigte Personen, insbesondere durch Ermöglichung von Auflagen verbessert werden“ sollen. Diesem Auftrag kommt mein Entwurf nach.

Der Fokus liegt daher nicht auf einer Erleichterung der bedingten Entlassung, sondern auf einer besseren Beurteilung der individuellen Persönlichkeit des Verurteilten und einer stark ausgeweiteten Begleitung und Kontrolle des Lebens in Freiheit nach der Entlassung. Wesentlich ist, dass die vorzunehmende Prognose grundsätzlich nicht auf eine allgemeine Verkürzung der Dauer der Strafverbüßung ausgerichtet ist. Es soll ganz konkret im Einzelfall beurteilt werden, wie sich der bisherige Vollzug auf die Per­sönlichkeit des Verurteilten ausgewirkt hat und ob durch Anordnung von Bewährungs­hilfe und Erteilung von Weisungen, etwa zur Fortsetzung einer medizinischen Behand­lung, begründete Aussicht besteht, dass keine weiteren strafbaren Handlungen gesetzt werden.

Ich betone, dass die Gefahr jedweden Rückfalls zu berücksichtigen ist und nicht bloß, wie Sie gemeint haben, eine Gefahr der Tatbegehung mit schweren Folgen. (Abg. Ing. Westenthaler: Steht aber drin!) Sie sitzen hier einem falschen Text auf. Bitte schauen Sie den Text, der in Begutachtung gegangen ist, an.

Soweit der Aspekt der Generalprävention in der Anfrage angesprochen ist, so sollen solche Erwägungen in schweren Fällen weiterhin herangezogen werden, nämlich dann, wenn ein Verurteilter aus einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe bedingt zu entlassen ist. Wir nähern uns damit der gerichtlichen Entscheidungspraxis an. Studien haben ergeben, dass generalpräventive Erwägungen bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung ohnehin nur im Bereich der schweren Kriminalität verstärkt heran­gezogen werden.

Eine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe ausschließlich aus generalpräventiven Erwägungen abzulehnen erscheint unangebracht, weil ein lan­ger Vollzug ohnehin schon die Zwecke der Generalprävention ausreichend erfüllt und


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