Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung / Seite 32

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Die wohl wichtigste Entscheidung betrifft das Ausmaß der Kontrolle und der neuen Re­geln in einer internationalisierten Wirtschaft. Hier schlagen die anerkanntesten Ökono­men – beispielsweise der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul A. Samuelson – einen „Weg der Mitte“ vor. Denn: Eine Deregulierung, so Samuelson, wie in den USA ge­handhabt, führte uns geradewegs in die heutige Krise. Andererseits: Eine zu starke dauerhafte Reglementierung von Finanzwirtschaft und Wirtschaft verhindert Innovatio­nen.

Natürlich ist es wichtig, zu benennen, was die internationalen Finanzmärkte in den Bei­nahe-Crash geführt hat. Lassen Sie mich dazu den bekennenden Freund Amerikas und einen Altmeister europäischer Politik, Helmut Schmidt, zitieren, der bereits ganz am Beginn der Krise meinte:

„An der Wall Street herrscht ein Defizit an Durchblick, aber es herrscht auch ein morali­sches Defizit.“ (Abg. Ing. Westenthaler: Aber nicht nur dort! Auch am Ballhausplatz!) – Sie, Herr Westenthaler, hat er, glaube ich, nie kennengelernt! (Beifall bei der SPÖ.)

Weiter meinte Helmut Schmidt: „Die Politiker in Washington haben nicht gemerkt, was los war, sie haben die Entwicklung nicht durchschaut. Insofern trifft sie eine Mitschuld. Aber bei ihnen geht es weniger um ein moralisches Defizit als um ein Defizit an Ein­sicht und Tatkraft.“

Dem moralischen Defizit der Märkte und dem Defizit an Einsicht und Tatkraft muss sich Europa, muss sich Österreich und damit auch diese österreichische Bundesregierung entgegenstellen. Dazu braucht es klare Handlungsanleitungen:

Dem falsch verstandenen Freiheitsbegriff – Vorrang für Profitmaximierung, Wetten auf fallende oder steigende Kurse, undurchschaubare Finanzprodukte – sind deutliche Rie­gel vorzuschieben.

Für die Politik der kommenden Jahre braucht es klare Zielvereinbarungen. Die aller­erste muss lauten: Das Erfolgskriterium der Politik muss der Mensch sein – nicht der Umsatz oder der Gewinn.

Gerade in diesen Tagen müssen wir jene Errungenschaften beim Namen nennen kön­nen, die Grundlage eines breiten Wohlstands und eines wirtschaftlichen Erfolgsweges sind:

Unsere Reaktion auf die Krise der Finanz- und Weltwirtschaft muss einmal mehr lau­ten, unsere solidarischen Systeme abzusichern und sie finanzierbar zu erhalten. Gera­de in Zeiten der Krise gilt: Das Erreichte sichern. Österreich hat ein solidarisch finan­ziertes Gesundheits- und Pensionssystem, und das muss auch in Zukunft so bleiben! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Unsere Reaktion auf die Krise muss sein, die Verantwortung für den einzelnen Arbeit­nehmer und die Verantwortung für den Menschen über die Logik des Marktes zu stel­len. Wir geben den Märkten strengere Regeln, damit sie ihre Kernaufgabe – Wohlstand zu schaffen – erfüllen können. Folglich muss die Arbeit, muss der Arbeitsplatz auch in den Wirtschaftsbilanzen wieder einen höheren Stellenwert bekommen.

Eines liegt mir dabei besonders am Herzen: Unsere Reaktion auf die Krise muss auch sein, billige Schuldzuweisungen abzuwehren. Ich warne davor, jenen, die diese Krise am heftigsten trifft, die Schuld daran in die Schuhe zu schieben. Kein Arbeitnehmer dieses Landes – gleichgültig, ob dieser einen österreichischen Pass besitzt oder nicht – hat Schuld an der Krise der Finanzmärkte! Kein Arbeitnehmer hat Schuld an der Rezession! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Behauptet ja niemand! – Abg. Ing. Westenthaler: Behauptet ja keiner! Wer hat das behauptet?)

 


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