Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll21. Sitzung / Seite 310

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gesetz aus der Nazi-Zeit erfasst sind, die Möglichkeit, den Kirchenbeitrag bei Gericht einzuklagen, die sogenannte politische Exekution des Kirchenbeitrages.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe einen sehr prominenten Zeugen für die Richtigkeit dieses Antrages und darf ihn zitieren: Kardinal Josef Ratzinger in „Salz der Erde“, Stuttgart 1996, in einem Gespräch mit dem sehr bekannten deutschen Jour­nalisten Peter Seewald. Ich zitiere:

Ratzinger: Die anderen Dinge, wie etwa die Frage der Kirchensteuer, das sind alles Fragen, die man sorgsam und bedachtsam überlegen muss.

Seewald: Eine brisante Frage; wie könnte die Antwort aussehen?

Ratzinger: Das wage ich nicht zu beurteilen. Im großen Ganzen wird, wie mir scheint, das deutsche Kirchensteuersystem – es gilt das Gleiche für Österreich, weil es die glei­chen Wurzeln hat; ich zitiere weiter: – heute noch von einem ziemlich breiten Konsens getragen, weil man die Sozialleistung der Kirche anerkennt. Vielleicht könnte in Zukunft einmal der Weg in die Richtung des italienischen Systems gehen, das zum einen einen viel niedrigeren Hebesatz hat, zum anderen aber, das scheint mir wichtig, die Freiwillig­keit festhält. In Italien muss zwar jeder einen bestimmten Satz seines Einkommens, 0,8 Prozent, glaube ich, einem kulturellen beziehungsweise wohltätigen Zweck zufüh­ren, worunter die katholische Kirche figuriert. Aber er kann den Adressaten frei wählen. Faktisch wählt die ganz große Mehrheit die katholische Kirche, aber die Wahl ist frei­willig. – Zitatende.

Meine Damen und Herren, das sagte Kardinal Josef Ratzinger, mittlerweile Bene­dikt XVI., Pontifex Maximus, der größte Würdenträger der Katholischen Kirche. Meine Damen und Herren, haben Sie einen besseren Zeugen aufzubieten für die Richtigkeit meines Antrages? (Beifall beim BZÖ.)

Wenn sogar der Heilige Vater – damals noch in seiner Zeit als Präfekt der Glaubens­kongregation – selber sagt, dass dieses System sich überholt hat, dass man auf die Freiwilligkeit und auf die Widmungsmöglichkeit abstellen soll, wie das in Italien der Fall ist, und sogar noch den Hebesatz senken würde, nämlich um ganze 0,3 Prozent, ja bitte, was hindert dann den österreichischen Nationalrat daran, diesem Wunsch Folge zu leisten? Welche Rücksichten nimmt man da, Herr Kollege Stummvoll? (Abg. Dr. Stummvoll: Ich bin Protestant!) – Ich weiß! Darum spreche ich dich an.

Vielleicht siehst du, Kollege Stummvoll, eine Möglichkeit zuzustimmen, denn ich höre aus deiner Fraktion, dass man dieses System nicht angreifen will. Ich garantiere Ihnen, ob Sie es heute machen oder später, dieses System wird nicht mehr zu halten sein. Der Unmut in der Bevölkerung – das weiß ich selber von Funktionsträgern der Finanz­kammern – über die Eintreibbarkeit des Kirchenbeitrages über die Gerichte und die da­mit verbundenen Verfahrenskosten – das kommt ja noch dazu; es gibt ganze Anwalts­kanzleien, die machen ein gutes Geschäft damit – sieht der Bürger nicht mehr ein.

Jeder in der Kirchenhierarchie, mit dem ich diskutiert habe – und der Prominenteste war Dr. Kurt Krenn, der damals in der Bischofskonferenz für die Kirchenbeitragsangele­genheiten zuständig war –, hat gesagt: Wir wissen genau, dass das nicht zu halten sein wird, aber wir wollen eben möglichst lange hinauszögern, dass es fällt. Dieses System wird fallen. In Frankreich gibt es bereits ein vollkommen freiwilliges System. Dort widmen etwa 45 Prozent der Katholiken ihre Gelder freiwillig der Katholischen Kirche.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe andere Gründe als mancher unter Ihnen, der Meinung zu sein, dass der Kirchenbeitrag weggehört. Mein Grund ist, dass ich glaube, dass dieser ganze birkenstockbesohlte Funktionärs-Katholizismus keinen Anspruch mehr auf Zwangsbeiträge hat, die man bei Gericht einklagen kann. Für mich


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