Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 156

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wohl wir auch einige wenige positive Punkte sehen, die ich voranstellen möchte. Die Änderungen bei der Briefwahl, dass die Wahlkarte jetzt an mehreren Orten abgegeben werden kann und dass durch die Sofortmeldungen ein schnelleres Erlangen und eine schnellere Veröffentlichung des Ergebnisses möglich sind, sind natürlich zu begrüßen.

Aber – und das haben wir auch schon ungefähr vor einem Jahr gesagt, als es um die neuen Regelungen im Zusammenhang mit Vorzugsstimmen in der Nationalrats-Wahl­ordnung ging – wir halten ein ledigliches Senken der Vorzugsstimmen-Hürde für eine Themenverfehlung und für viel zu kurzsichtig.

Zum einen haben wir die Situation, dass wir es hier mit unterschiedlichen Hürden zu tun haben, wenn wir uns die verschiedenen Wahlordnungen auf den verschiedenen Ebenen – Europawahl, Nationalratswahl, Landtagswahlen – ansehen. Wir haben es aber auch in den verschiedenen Ländern teilweise mit unterschiedlichen, ich würde so­gar sagen, skurrilen Wahlordnungen zu tun. Ich möchte Ihnen als Beispiel, das Ihnen ja wahrscheinlich ohnedies allen bekannt ist, Niederösterreich bringen, das als einziges Bundesland die Regelung hat: Vorzugsstimme sticht Parteienpräferenz. Das heißt kon­kret: Wenn jemand beispielsweise die SPÖ wählen würde und Erwin Pröll eine Vor­zugsstimme gibt, dann zählt die Stimme nicht wie bei allen anderen Wahlen bezie­hungsweise auf allen anderen Ebenen für die SPÖ, sondern für die ÖVP. (Abg. Schmu­ckenschlager: ... eine Reform! Die liegt schon beim Notar!)

Dazu ist vor Kurzem wieder ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergangen, das leider nicht in dem Sinn ausgegangen ist, in dem ich mir das demokratiepolitisch gewünscht hätte, aber es ist zu akzeptieren. Aber natürlich ist es ein unsäglicher Zu­stand, unterschiedliche Wahlordnungen mit unterschiedlichen Interpretationen und Er­gebnissen in Österreich bestehen zu haben.

Auch die neuen Hürden – 5 Prozent bei den Europawahlen und dann diese Abstufun­gen bis hin zu den Nationalratswahlen – führen natürlich dazu, dass die Leute nicht mehr wissen, worum es eigentlich geht – manchmal ankreuzen, manchmal eintragen – und wann jetzt jemand eine Vorzugsstimme bekommt oder nicht. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Aber unser Kernvorwurf, den wir schon vor einem Jahr vorgebracht haben und den ich auch jetzt wieder vorbringe, ist die Frage, welche Auswirkungen denn diese Vorzugs­stimmensysteme auf die Zusammensetzung von Parlamenten haben, ganz speziell auf die Frage, wie viele Frauen und wie viele Männer in den Parlamenten vertreten sind.

Wir haben damals im Verfassungsausschuss ganz klare Stellungnahmen erhalten – beispielsweise hat das Frau Dr. Ulrich vom Institut für Legal Gender Studies in Linz ganz klar nachgewiesen, auch der Frauenring hat das angeführt und es gibt zahlreiche internationale Expertisen –, dass solche Vorzugsstimmensysteme dazu führen, dass der Frauenanteil in den Parlamenten sinkt.

Das ist natürlich nicht der einzige Grund. Ich möchte auch gar nicht sozusagen nur der Vorzugsstimme die Verantwortung übertragen, aber es ist mit ein Aspekt. Deswegen haben wir schon vor einem Jahr vorgeschlagen, eine Möglichkeit, die man diskutieren könnte, wäre, dass man zwei Vorzugsstimmen vergibt und davon zumindest eine an ei­ne Frau vergeben werden muss. Diese Diskussion wurde nicht weitergeführt, aber es ist schon so – und daran möchte ich Sie erinnern –: Wir sind alle dem Gleichheits­grundsatz verpflichtet, und auch vor dem Hintergrund dieses Gleichheitsgrundsatzes muss man demokratische Instrumente und vor allem Wahlrechte diskutieren. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, es wird jetzt Kommissionen zur direkten Demokratie und wahrscheinlich zu den Wahlrechten geben, und ich glaube, man muss die Diskussion über die Stärkung der


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