Parlamentskorrespondenz Nr. 344 vom 21.04.2006

Bundesrat: S-G-Mehrheit beeinsprucht Übernahmerechts-Änderungsgesetz

Winterreifenpflicht für Lkw beschlossen

Wien (PK) - Gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend einen Vertrag mit Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Spanien, Frankreich, Luxemburg, Niederlande über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration wurde mit Stimmeneinhelligkeit kein Einspruch erhoben.

In der Debatte zum Strafrechtsänderungsgesetz 2006 begrüßte Bundesrat SCHENNACH (G) grundsätzlich die Einführung eines Straftatbestandes der beharrlichen Verfolgung, kritisierte aber, der Rahmen der gesetzlichen Definition von Stalking sei zu eng gefasst. Er vermisste vor allem eine Berücksichtigung von Telefon- und Internetterror unabhängig vom Antrag des Opfers sowie eine an das Wegweiserecht angeglichene Regelung. Schennach wünschte dem Gesetz dennoch einen guten Start und drückte seine Hoffnung auf eine positive Weiterentwicklung der Materie aus.

Bundesrätin MÖRK (S) zeigte sich ebenfalls erfreut über das Anti-Stalking-Gesetz, das sie auf die tatkräftige Unterstützung der SPÖ zurückführte, war aber, wie sie sagte, nicht vollends zufrieden mit der konkreten Ausgestaltung. Wie ihr Vorredner bemängelte auch Mörk das Antragsprinzip im Bereich von Telefon- und Internetstalking sowie das Fehlen eines Wegweiserechtes und meinte, die Position des meist weiblichen Opfers werde dadurch eher geschwächt. Insgesamt entspreche das Gesetz noch nicht ganz den Vorstellungen der SPÖ, gehe aber in die richtige Richtung, befand die Rednerin.

Bundesrätin DIESNER-WAIS (V) sah in dem Gesetz wesentliche Verbesserungen für die Frauen und begrüßte neben dem Stalking-Tatbestand auch die Maßnahmen gegen gefährliche Drohung im Familienbereich sowie die Verschärfung des Tatbestandes des Zwangs zur Eheschließung.

Justizministerin Mag. GASTINGER sprach von einem gut durchdachten Konzept, bei dem es gelungen sei, komplettes juristisches Neuland zu betreten und damit innerhalb der EU eine Pionierrolle zu übernehmen. Sie erinnerte dabei insbesondere an die Komplexität des Stalking-Begriffes und an die Schwierigkeiten, den Tatbestand der beharrlichen Verfolgung in juristische Worte zu fassen. Das Antragsprinzip beim Internet- und Telefonstalking begründete Gastinger mit den praktischen Problemen bei der Ermittlungstätigkeit in diesem Bereich.

Bundesrat Dr. SPIEGELFELD-SCHNEEBURG (V) betonte, der heutige Beschluss des Anti-Stalking-Gesetzes sei ein guter Tag für die österreichische Rechtsordnung. In Anspielung an die in der Debatte geäußerte Kritik bemerkte der Redner, das Glas sei eher halb voll als halb leer.

Bei der Abstimmung wurde mit V-F-S-Mehrheit beschlossen, keinen Einspruch zu erheben.

Gegen das Zweite Protokoll aufgrund von Art. K3 des Vertrags über die Europäische Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, das Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten und der Schweiz zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, sowie gegen das Protokoll zum Vertrag mit den USA über die Rechtshilfe in Strafsachen und das Protokoll zum Auslieferungsvertrag mit den USA wurde jeweils einstimmig kein Einspruch erhoben.

Hierauf stand das Patientenverfügungs- Gesetz zur Debatte.

Bundesrat Mag. KLUG (S) sah in der Patientenverfügung ein langjähriges Anliegen der SPÖ, ortete aber erhebliche Mängel im Gesetz. Er kritisierte insbesondere das Fehlen einer Registrierung und argumentierte, eine Patientenverfügung habe nur dann einen Sinn, wenn sie rechtzeitig gefunden wird. Für problematisch hielt Klug auch die mit der Verfügung verbundenen Kosten, die, wie er befürchtete, nicht nur für die Patienten, sondern auch für die der Länder zu finanziellen Belastungen führen könnten. Es sei jedenfalls nicht zu erwarten, dass dieses Gesetz wie behauptet keinerlei finanzielle Auswirkungen auf die Länder haben werde, warnte Klug.

Bundesrat KRITZINGER (V) wies auf die hohe Sensibilität der Materie hin und bezeichnete die Angst, einmal ein Pflegefall zu werden, als Hauptmotiv für die Patientenverfügung. Kritzinger sah in dem Gesetz auch eine wesentliche Erleichterung für die behandelnden Ärzte, dies vor allem bei Unglücksfällen. Die Zustimmung zum Gesetz sei ebenso richtig wie die dreijährige Probezeit, betonte er.

Bundesrätin Dr. LICHTENECKER (G) kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion an, da das Gesetz einen wichtigen Schritt in Richtung Autonomie darstelle und die Selbstbestimmung des Einzelnen stärke. Sie hielt es auch für richtig, Fristen für die Gültigkeit der Verfügung vorzusehen, und begrüßte die Absicht, das Gesetz nach drei Jahren evaluieren zu wollen. Wenig zufrieden zeigte sich Lichtenecker mit der Lösung hinsichtlich der Kosten und der Registrierung. Sie hätte sich eine verpflichtende Registrierung etwa über die E-Card gewünscht. Was die Kosten betrifft, so müsste man sich Wege überlegen, so die Bundesrätin, wie man auch sozial schwächer gestellten Menschen den Zugang zu einer Patientenverfügung erleichtert.

Bundesrat Ing. KAMPL (o.F.) bedauerte, dass man bei der Formulierung des Gesetzesvorschlags nicht auf die Argumente der Länder, insbesondere des Bundeslandes Kärnten, eingegangen ist. Viele Passagen trügen auch den Auffassungen der Bundessachwalterschaft nicht Rechnung. Da man aber mittels Entschließungsantrag aller Fraktionen übereingekommen sei, das Gesetz nach drei Jahren zu evaluieren, werde er seine Zustimmung geben, sagte Kampl.

Bundesministerin Mag. GASTINGER zeigte sich zufrieden, nach fünf Jahren Verhandlungen und Diskussionen das Gesetz beschließen zu können. Man habe sich die Aufgabe nicht leicht gemacht, bekräftigte sie, und für die verbindliche Patientenverfügung ganz bewusst strenge formale Anforderungen hinsichtlich der medizinischen und juristischen Beratung festgelegt. Ohne Zweifel sei die Kostenfrage eine essentielle, bemerkte die Ministerin, da man den Zugang nicht von den finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen abhängig machen möchte. Deshalb habe man neben Juristen und Notaren auch die Patientenanwaltschaft berechtigt, Beratungstätigkeit im Rahmen der Patientenverfügung zu leisten. Es sei jedoch schwierig, zum jetzigen Zeitpunkt eine realistische Abschätzung der Kosten zu treffen, weshalb sie eine Evaluierung nach drei Jahren begrüße. Sie könnte sich jedenfalls eine soziale Staffelung der Kosten vorstellen. Grundsätzlich, so Gastinger weiter, sei der politische Wille vorhanden, Vorkehrungen für eine Registrierung zu schaffen. Da aber keine Einigung erzielt werden konnte, habe sie es für richtig gehalten, das Gesetz ohne diesbezügliche Bestimmungen vorzulegen, anstatt noch weiter darauf warten zu lassen.

Bundesrat SALLER (V) zeigte sich überzeugt davon, dass mit der nun vorliegenden Patientenverfügung Rechtssicherheit geschaffen wird, nachdem man sich bisher im rechtsfreien Raum bewegt habe. Das Gesetz betreffe einen äußerst sensiblen Bereich, nämlich die menschliche Würde beim Sterben und den freien Willen der Betroffenen. Man betrete damit ein Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung und ärztlicher Behandlungspflicht. Die Verfügung dürfe daher nicht aus einer Augenblickssituation heraus gemacht werden, weshalb die Erfüllung formaler Erfordernisse notwendig sei.

Bundesrat MAYER (V) betonte, dieses Gesetz ändere nichts am Verbot der aktiven Sterbehilfe. Auch Mayer hielt eine umfassende rechtliche und medizinische Aufklärung für unumgänglich und unterstützte die Bestimmung, wonach die Verfügung nach fünf Jahren zu erneuern ist. Ihm wäre auch an einer Registrierung gelegen. Mayer ging auf die Einwendungen des Bundeslandes Vorarlberg ein, die sich vor allem auf die Kosten der Patientenverfügung bezogen, und brachte in diesem Zusammenhang einen gemeinsamen Entschließungsantrag ein, in dem die Justizministerin und die Gesundheitsministerin aufgefordert werden, dem Bundesrat nach drei Jahren einen Bericht über die Erfahrungen mit dem Gesetz vorzulegen.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT bezeichnete das Patientenverfügungs-Gesetz als einen wichtigen Schritt, mit dem man europaweit vorangekommen sei. Keinesfalls aber stehe man am Ende des Weges, unterstrich sie. Rauch-Kallat erinnerte in ihrer Stellungnahme an die lange Geschichte des Gesetzes, das auf der Ablehnung der Sterbehilfe und der Betonung der Sterbebegleitung des Menschen und der Selbstbestimmung des Einzelnen in der letzten Lebensphase basiert. Man habe damit ein extrem diffiziles Thema aufgegriffen, sagte die Ministerin, und habe mit zahlreichen Experten und Expertinnen versucht, alle Aspekte zu beachten. Was nun vorliege, stelle nach dem jetzigen Wissens- und Informationsstand die beste Lösung dar. Man wisse aber nicht, wie sich das Gesetz in seiner Umsetzung entwickle. Jedenfalls werde es eine große Hilfe für die Mediziner und Medizinerinnen bringen.

Bei der Abstimmung wurde gegen die Stimmen der SPÖ-Bundesräte mehrheitlich beschlossen, gegen das Patientenverfügungs-Gesetz keinen Einspruch zu erheben. Der gemeinsame Entschließungsantrag wurde einstimmig angenommen.

Im Rahmen der Diskussion über das Übernahmerechts-Änderungsgesetz 2006 verteidigte V-Bundesrat Dr. KÜHNEL (V) das vorliegende Gesetz mit dem Argument, man sichere damit den Börse- und Finanzplatz Wien. Beim derzeit geltenden Übernahmerecht seien Theorie und Praxis auseinander geklafft. Außerdem liege eine Richtlinie der EU vor, die bis zum 20. Mai 2006 umgesetzt werden müsse, da ansonsten dem Staat hohe finanzielle Kosten entstehen könnten. Das neue Übernahmerecht dient laut Kühnel der Sicherung der österreichischen Kernaktionäre und verbessere die Rechts- und Investitionssicherheit. Auch die Kleinaktionäre würden gestärkt, zumal keine Preisabschläge mehr möglich seien. Darüber hinaus habe man auch den Wünschen des Verfassungsgerichtshofes zu entsprechen. Angesichts dieser Fülle von Verbesserungen verstehe er die ablehnende Haltung der SPÖ nicht, die darüber hinaus im Falle der BAWAG für eine österreichische Lösung plädiere. Er halte es für kurios, wenn man das Gesetz auch mit dem Argument ablehne, die Teilnahme der Kleinaktionäre an den Hauptversammlungen sei zu gering. Kühnel brachte daher den Antrag ein, gegen den Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben.

Anders die Einschätzung von Bundesrat Mag. KLUG (S), der den Verdacht aussprach, mit dem vorliegenden Gesetz wolle man Sonderinteressen von Großanlegern und Großaktionären entgegenkommen. Seiner Meinung nach werden sich die neuen Bestimmungen zum Nachteil der Arbeitnehmerinteressen auswirken, da im Falle eines Übernahmeangebots sich die Gremien strikt neutral zu verhalten haben. Auf EU-Ebene sei im Gegensatz zur vorliegenden Lösung die Frage der Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmen im Mittelpunkt der Überlegungen gestanden. Diese Chancen der Richtlinie habe man jedoch in Österreich nicht genützt, bedauerte Klug und befürchtete negative Auswirkungen auf die VOEST und auf Wienerberger. Klug vertrat auch die Auffassung, dass man die Gesetzesprüfung des Verfassungsgerichtshofes hätte abwarten müssen. Alles in allem stelle das Gesetz einen weiteren Punkt in einer bedenklichen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Entwicklung dar.

Bundesrat MITTERER (o.F.) wies auf den möglichen finanziellen Schaden für Österreich im Falle einer nicht rechtzeitigen Beschlussfassung des Gesetzes hin und hoffte auf einen raschen Beharrungsbeschluss des Nationalrates. Er unterstützte das vorliegende Gesetz, weil es seiner Meinung nach viele Unsicherheiten der geltenden Gesetzeslage beseitigt. Man könne damit verstärkt Investoren gewinnen, sagte er. Die Sorge über den Ausverkauf und die Schädigung des österreichischen Kapitalmarktes teilte Mitterer nicht.

Bundesministerin Mag. GASTINGER sprach ebenfalls die hohen finanziellen Kosten bei nicht rechtzeitiger Umsetzung der EU-Richtlinie und das anhängige Verfahren vor dem VfGH, das geltende Übernahmerecht betreffend, an. In Richtung SPÖ betonte sie, die Kleinaktionäre würden nun wie die Großaktionäre ausbezahlt, nachdem die Abschläge abgeschafft werden. Sie könne auch niemanden bevormunden und zwingen, zur Hauptversammlung zu gehen, weshalb sie auch ablehne, die Mengenschwelle von der Präsenz in der Hauptversammlung abhängig zu machen. Gastinger begründete die Neuregelungen unter anderem mit dem Argument, es sei eine Entscheidung zu treffen gewesen, materielle Kontrollbegriffe festzusetzen, zumal man auch für die Sicherheit der Investoren sorgen müsse. Um österreichische Kernaktionäre zu stärken, habe man die Mengenschwelle mit 26 % festgesetzt. Kritisch äußerte sich die Ministerin auch zur Übernahmekommission, die man 1999 mit viel Macht ausgestattet habe. Aus ihrer Sicht sei es rechtspolitisch problematisch, Wirtschaftstreibende nur einer einzigen Entscheidungsinstanz auszuliefern.

Bundesrätin Dr. LICHTENECKER (G) wies auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Übernahmerechts-Änderungsgesetz hin. Zudem fürchtet sie, dass die Neuregelung eine Schlechterstellung für Kleinaktionäre zur Folge hat und die Kontrolle von Unternehmensübernahmen erschwert.

Bei der Abstimmung erhob der Bundesrat mit S-G-Mehrheit Einspruch gegen das Übernahmerechts-Änderungsgesetz 2006.

Unter einem wurden verhandelt: die 27. KFG-Novelle und ein Straßentunnel-Sicherheitsgesetz.

Bundesrat WIESENEGG (S) zeigte sich über die vorgesehene Winterreifenpflicht für Lkw erfreut. Er äußerte allerdings Bedauern darüber, dass diese lediglich vom 15. November bis 15. März gelten solle, und meinte, man sollte sich überlegen, diese Frist bis zum 15. April auszudehnen.

Bundesrat MAYER (V) begrüßte die vorgesehene Verbesserung der Sicherheitsstandards von Straßentunnel und betonte, Österreich gehe damit über die Vorgaben der EU hinaus, weil auch Schnellstraßen einbezogen würden. Die vorgesehenen Adaptierungen verursachten zwar hohe Kosten, skizzierte er, sie führten aber zu einer enormen Verbesserung der Verkehrssicherheit.

Bundesrätin KERSCHBAUM (G) kündigte die Zustimmung der Grünen zu beiden Gesetzesvorlagen an. Sie fragte sich aber, warum man die Kettenmitnahmepflicht für Lkw nicht schon früher eingeführt habe. Gleichzeitig forderte sie, die Winterreifenpflicht auch entsprechend zu kontrollieren. Zum Straßentunnel-Sicherheitsgesetz merkte Kerschbaum an, sie verstehe die vorgesehenen Übergangsbestimmungen für einige Projekte nicht.

Der Bundesrat erhob gegen beide Gesetzesvorlagen einhellig keinen Einspruch. (Forts.)


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