Parlamentskorrespondenz Nr. 630 vom 06.06.2023

Budgetausschuss diskutiert Nationales Reformprogramm 2023 und Österreichisches Stabilitätsprogramm 2022 bis 2026

Weitere Themen: Laufende Budgetzahlen sowie Berichte zu europäischen Finanzhilfen

Wien (PK) – Das aktuelle politische Umfeld könnte aufgrund geopolitischer Spannungen sowie Wohlstandsverlusten infolge der höchsten Preisanstiege seit Jahrzehnten aktuell kaum herausfordernder sein. Deshalb prägen Maßnahmen zur Krisenbewältigung das heute im Budgetausschuss auf der Tagesordnung stehende Nationale Reformprogramm 2023 (III-928 d.B.). Zudem diskutierten die Abgeordneten über das Österreichische Stabilitätsprogramm 2022 bis 2026 (III-938 d.B.), in dem laut WIFO-Prognose von einem durchschnittlichen jährlichem Wachstum von 1,5 % bis 2026 ausgegangen wird.

Die Vertreter:innen der Regierungsparteien sprachen von fordernden Budgetzeiten, in denen es gelungen sei, die hohe Kaufkraft und eine niedrige Arbeitslosenrate durch zielgerichtete Maßnahmen zu erhalten. Zudem forderten sie ein Ende der "Blockadehaltung der SPÖ" bei Zweidrittelmaterien, um weitere Reformvorhaben umzusetzen. Laut SPÖ hat die Bundesregierung bei der Inflationsbekämpfung versagt, die Sozialdemokrat:innen forderten ihrerseits die Koalitionsparteien auf, zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zurückzukehren. Für die FPÖ ist Österreich "Europameister im Geld ausgeben", bei der Wirkung zeige sich hingegen das genaue Gegenteil. Die NEOS sprachen sich für ein "Ende der ziellosen Geldverteilung des Nanny-Staates" aus.

Weitere Themen im Ausschuss waren die Berichte über die laufenden Budgetzahlen bis April 2023, die über Mehrauszahlungen wegen der Energiekrise und steigenden Zinsen sowie ein höheres Defizit gegenüber April 2022 informieren. Zudem standen die Berichte über Mittelverwendungsüberschreitungen und Vorbelastungen im ersten Quartal 2023 sowie zum Stand der europäischen Finanzhilfen auf der Tagesordnung. An den Budget-Unterausschuss zur weiteren Beratung zugewiesen wurde der Bericht über die Wirkungsorientierte Folgenabschätzung 2022 (128/BA) sowie die Ergebnisse des Beteiligungs- und Finanzcontrolling zum Stichtag 31. März 2023 (129/BA).

Nationales Reformprogramm 2023: Geopolitische Spannungen und Wohlstandsverluste

Während die Vorjahre von Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie gezeichnet waren, haben die hohen Energiepreise und die dadurch angefachte Inflation die Bundesregierung dazu veranlasst, im Laufe des Jahres eine Reihe von Entlastungsmaßnahmen gegen die Teuerung zu setzen. Darunter fielen neben preissenkenden Maßnahmen wie dem Stromkostenzuschuss oder der Senkung der Energieabgaben und Netzverlustentgelte, auch Einmalzahlungen, die Abschaffung der kalten Progression oder die Valorisierung bisher nicht indexierter Sozialleistungen, heißt es im von ÖVP und Grünen mehrheitlich zur Kenntnis genommenen Bericht zum Nationalen Reformprogramm 2023.

Entsprechend den Ergebnissen einer Analyse des Budgetdienstes des österreichischen Parlaments zu den Verteilungswirkungen der Entlastungsmaßnahmen ist die relative Gesamtentlastung in den unteren Einkommensbereichen am höchsten. Im Jahr 2022 betrug der Anteil der Entlastungsmaßnahmen am durchschnittlichen Einkommen des untersten Dezils 10,2 % (2023: 5,1 %), im obersten Dezil nur mehr 1,3 % (2023: 1,5 %).

Man stehe seitens der NEOS hinter der wirtschaftspolitischen Koordination in der EU, Österreich setze jedoch zu wenig Maßnahmen zur Zielerreichung, kritisierte Karin Doppelbauer (NEOS). Die NEOS-Mandatarin vermisst etwa die Vorlage des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes oder fehlende Mittel für den Ausbau der Elementarpädagogik. Dem hielt Jakob Schwarz (Grüne) entgegen, dass man bei der Vorlage von "Energie- und Ökogesetzen" im oder über dem Zeitplan liege. Wichtig sei, jetzt das Tempo weiter aufrecht zu erhalten. Schwarz appellierte an die SPÖ, ihre "Zweidrittelblockade" zu beenden.

Der Bericht zeige, wie die Bundesregierung beim Umgang mit der Inflation versagt habe, hielt Kai Jan Krainer (SPÖ) fest. Man könne "über alles reden", wenn die Bundesregierung zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der SPÖ, etwa bei der Mietpreisbremse, zurückkehre.

Obwohl manches schneller gehen könne, ortete Europaministerin Karoline Edtstadler Fortschritte, etwa "im Bereich der Erneuerbaren". So habe man vor kurzem ein neues UVP-Gesetz beschlossen, auch für die Elementarpädagogik stelle man 200 Mio. € jährlich zur Verfügung. Bei anderen Materien liege es nicht an der Bundesregierung, sondern an den parlamentarischen Mehrheiten, so die Ministerin. Der Breitbandausbau laufe "extrem gut", betonte Finanzminister Magnus Brunner gegenüber Hubert Fuchs. Laut dem FPÖ-Abgeordneten hat Österreich die Vorgaben beim Kapitel Digitalisierung im EU-Aufbau- und Resilienzplan nicht oder nur verspätet erfüllt.

WIFO rechnet mit jährlichem Wachstum von 1,5 % bis 2026

Laut Österreichischem Stabilitätsprogramm prognostiziert das WIFO für das Gesamtjahr 2023 einen Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts um 0,3 %. Für die mittelfristige Sicht von 2023 bis 2026 sieht das WIFO die jährliche Wachstumsrate Österreichs bei durchschnittlich 1,5 %. Die diesjährige Schwäche der Konjunktur soll laut Bericht kaum Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Die Arbeitslosigkeit soll bis 2026 sukzessive auf 4,3 % - den niedrigsten Wert seit 2008 (4,1 %) – sinken. Das WIFO geht von einer spürbaren Abschwächung der Inflationsdynamik in der zweiten Jahreshälfte 2023 aus. Für das Gesamtjahr 2023 wird ein Anstieg der Verbraucherpreise um 7,1 % prognostiziert. Für das folgende Jahr 2024 wird von einem deutlichen Rückgang auf 3,8 % ausgegangen. Der Bericht wurde durch die Regierungsparteien mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Man habe durch die Corona-Pandemie und die Folgen der Teuerung fordernde Budgetzeiten hinter sich, weshalb ihn die Prognosen positiv überrascht hätten, erklärte Andreas Hanger (ÖVP). So dürfe man von einer stabilen Lage am Arbeitsmarkt und von einem Rückgang der Inflation auf ein verträgliches Niveau im Jahr 2024 ausgehen.

Dem konnte sich Hubert Fuchs (FPÖ) nicht anschließen. Österreich sei "Europameister im Geld ausgeben", bei der Wirkung liege man hingegen bei den "Letzten in Europa". Fuchs bezeichnete die Budgetaufstockung für die Landesverteidigung um 5,3 Mrd. € bis 2026 zwar als positiv, durch die gestiegene Inflationsrate seien aber weitere Anpassungen in diesem Bereich notwendig.

Ähnlich argumentierte Karin Doppelbauer (NEOS), die ein Ende der "ziellosen Geldverteilung des Nanny-Staates" forderte. Die NEOS-Mandatarin vermisste demografisch bedingte strukturelle Reformen in Österreich. Das unterstrich Doppelbauers Parteikollege Gerald Loacker, für den Zweidrittel der bisherigen Maßnahmen der Inflationsbekämpfung nicht zielgerichtet waren.

Für Jakob Schwarz (Grüne) hat sich die Bundesregierung für keine "Gießkannenförderungen" entschieden. Er sei stolz, die hohe Kaufkraft und eine niedrige Arbeitslosenrate erhalten zu haben. Auch der Budgetdienst des Parlaments habe die positiven Effekte der Hilfspakete nachgewiesen. Elisabeth Götze (Grüne) zeigte sich erfreut, dass Dank des Gemeindepakets, "die Gemeinden so gut dastehen" und eine Milliarde Überschüsse erzielt hätten. Diese könnten nun weiter in den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen oder in Radwege investieren.

Alois Stöger (SPÖ) kritisierte die starken Preisanstiege im Lebensmittelbereich sowie die Abgeltung der Netzverlustkosten mit Steuergeld, die die Teuerung weiter antreiben würden. Die dafür aufgewendeten 600 Mio. € würden an jene Unternehmen gehen, "die gar nicht mehr wissen, wo sie das Geld verstecken sollen".

Das Stabilitätsprogram gebe einen positiven Ausblick auf die Entwicklung der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes sowie der öffentlichen Finanzen, betonte Finanzminister Brunner. Man habe zwar viel Geld in die Hand genommen, die Analysen des IWF und des parlamentarischen Budgetdiensts hätten jedoch die Treffsicherheit der Maßnahmen bestätigt. So sei in den beiden untersten Einkommensdezilen die größte Entlastung passiert. Die aktuell höhere Inflation als im EU-Schnitt ist für Brunner auf hohe Lohnabschlüsse, die Zusammensetzung des Warenkorbs sowie auf langfristige Energielieferverträge in Österreich zurückzuführen. Was das Merit-Order-Prinzip betrifft, so habe dieses vor der Krise gut funktioniert, weshalb eine Abschaffung nicht sinnvoll sei. Der Finanzminister äußerte aber Sympathien für das "iberische Modell", bei dem der Gaspreis zur Stromerzeugung gedeckelt werde. Zur Forderung von Hubert Fuchs (FPÖ), inflationsbedingt eine weitere Anpassung des Landesverteidigungsbudgets vorzunehmen, hielt Brunner fest, dass dies jeden Politikbereich betreffe und Teil der nächsten Budgetverhandlungen sein werde.

Bei den vom Budgetdienst vorgenommenen Analysen zu den Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Teuerung handle es sich um Durchschnittsbetrachtungen, erklärte dessen Leiter Helmut Berger. Gerade in den unteren Einkommensdezilen komme es zu einer hohen Streuung der Einkommen, weshalb es auch hier Haushalte gebe, die nicht von den Maßnahmen profitieren würden. Für Christoph Matznetter (SPÖ) braucht es deshalb eine "enorme Sorgfaltspflicht" bei der Umsetzung durch die Bundesregierung.

Laufende Budgetzahlen zeigen Mehrauszahlungen wegen Energiekrise und Zinsen

Im Bundesaushalt 2023 sind die strukturellen Entlastungsmaßnahmen sichtbar, insbesondere die Lohnsteuer entwickelt sich weniger dynamisch als in früheren Jahren. Das Aufkommen an Kapital-, Einkommen- und Körperschaftsteuer ist gegenüber den Vorjahren rückläufig. Das Defizit des Bundes beläuft sich Ende April 2023 auf -8,7 Mrd. € und ist damit um 0,8 Mrd. € schlechter als im Vergleichszeitraum 2022. Die Verschlechterung resultiert laut dem Finanzministerium vor allem aus Mehrauszahlungen wegen der Energiekrise in Höhe von 1,5 Mrd. €, für Zinsen und sonstige Finanzaufwendungen von 1,4 Mrd. € sowie sonstigen Abweichungen mit einem Saldeneffekt von -1,7 Mrd. €. Positiv wirkte hingegen die Konjunktur mit +0,8 Mrd. € und um 2,9 Mrd. € geringere Auszahlungen für COVID-19-Maßnahmen. Das geht aus den Berichten über die Monatserfolge Jänner bis März 2023 sowie dem Bericht über die Entwicklung des Bundeshaushaltes von Jänner bis April 2023 inklusive COVID-19 Berichterstattung hervor, die durch ÖVP und Grüne mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurden (121/BA, 122/BA, 126/BA sowie 130/BA).

Die Berichte würden zeigen, dass sich das makroökonomische Umfeld, von den Auswirkungen der Pandemie in Richtung Energiekrise und Zinszahlungen geändert habe, betonte Elisabeth Götze (Grüne). Ihre Parteikollegin Nina Tomaselli interessierte sich für die Gründe des Rückgangs der veranlagten Einkommenssteuer im ersten Quartal 2023. Laut einem Experten des Finanzministeriums ist dies auf eine nicht unerwartete hohe Anzahl an Arbeitnehmerveranlagungen durch ausgeweitete Familienleistungen, Teuerungsabsetzbeträge sowie durch das temporäre Anheben des Pendlerpauschales zurückzuführen.

Sowohl Karin Doppelbauer (NEOS) als auch Karin Greiner (SPÖ) sprachen die von der COFAG ausbezahlten Unternehmenshilfen an. Doppelbauer kritisierte das auch seitens der Europäischen Kommission bemängelte Fehlen von Konzernbetrachtungen. Laut dem Finanzminister sind hier gerade die Verhandlungen am Laufen, um dies gemeinsam mit der Kommission zu sanieren. Greiner interessierte sich für das Volumen potenzieller Zahlungsrückforderungen der COFAG an Unternehmen. Laut einer ersten Einschätzung liege man aktuell bei rund 162 Mio. €, diese Zahl könne sich jedoch laufend ändern, sagte ein COFAG-Vertreter im Ausschuss. Grundsätzlich gebe es keine Rückzahlungsfrist, hier gelte es individuelle Zahlungsvereinbarungen – etwas durch Ratenzahlungen – abzuschließen.

Zuschüsse zur Schieneninfrastruktur prägen Mittelverwendungsüberschreitungen

Laut dem ebenfalls durch ÖVP und Grüne zur Kenntnis genommenen Berichts des Finanzministers (127/BA) wurden im ersten Quartal 2023 Mittelverwendungsüberschreitungen in Höhe von 73,6 Mio. € im Finanzierungshaushalt genehmigt. Die größte Mehrausgabe gab es mit 68,5 Mio. € für die Anschubfinanzierung von Projekten des Digitalisierungsfonds, damit diese ressortübergreifend in der Bundesverwaltung umgesetzt werden können. Die betraglich größte Überschreitung im finanzierungswirksamen Ergebnishaushalt gab es mit 790,4 Mio. € für Zuschüsse zur Schieneninfrastruktur. Zudem wurden im ersten Quartal 2023 Vorbelastungen in Höhe von insgesamt 2,566 Mrd. € genehmigt. Die höchste Vorbelastung von 1,636 Mrd. € betrifft die Umsetzung des regionalen Klimatickets.

Letzte schuldenerleichternde Maßnahmen für Griechenland

Kroatien ist am 22. März 2023 als zwanzigstes Mitglied dem ESM beigetreten, so der Maßnahmenbericht zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (124/BA). Die Zuschüsse an Griechenland wurden mit der letzten Tranche an schuldenerleichternden Maßnahmen Anfang Februar 2023 beendet. Die österreichischen Haftungen für die EFSF (European Financial Stability Facility) betrugen 9,36 Mrd. € für Kapital. In Summe beliefen sich die Haftungen (für Kapital plus Zinsen, inkl. Übergarantien) des Bundes für Finanzierungen der EFSF auf 10,55 Mrd. €. Laut Quartalsbericht betrugen die Zinseinnahmen aus griechischen Darlehen Ende des 1. Quartals 2023 127,7 Mio. €. Zudem berichtet der Finanzminister über eine Ermächtigung, wonach dieser Haftungen für die EU-Makrofinanzhilfe für die Ukraine übernehmen kann (125/BA). Beide Berichte wurde mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS mehrheitlich zur Kenntnis genommen. (Schluss Budgetausschuss) med/gla

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.