Parlamentskorrespondenz Nr. 920 vom 14.09.2023

Budgetausschuss bespricht Bundesrechnungsabschluss 2022 und Produktivitätsbericht 2023

Brunner, Kocher, Kraker, Badelt und Berger geben Auskunft

Wien (PK) – Hohe Inflation und sinkende Arbeitslosen-Zahlen prägten das Jahr 2022. Das geht aus dem Bundesrechnungsabschluss 2022 des Rechnungshofs hervor, der heute vom Budgetausschuss neben dem erstmals vorgelegten Produktivitätsbericht 2023 diskutiert wurde. Finanzminister Magnus Brunner, Wirtschaftsminister Martin Kocher, Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker, Christoph Badelt, Vorsitzender des Produktivitätsrats, und Helmut Berger, Leiter des Budgetdienstes des Parlaments, standen den Abgeordneten Rede und Antwort.

Bundesrechnungsabschluss 2022: Rechnungshofpräsidentin Kraker berichtet im Budgetausschuss

Mit einem Plus von 8,6 % wurde im Jahr 2022 der höchste Preisanstieg seit 1974 verzeichnet, wie der Rechnungshof im Bundesrechnungsabschluss 2022 informiert (III-942 d.B.). Zu den wesentlichen Preistreibern gehörten die Haushaltsenergie, Treibstoffe, Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sowie Gastronomie und Beherbergung. Die heimische Wirtschaft wuchs währenddessen um 5 % und der Arbeitsmarkt erholte sich. Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten stieg um +3,0 % und die Arbeitslosenquote ging um 1,7 % auf 6,3 % zurück.

Wie Rechnungshofpräsidentin Kraker im Ausschuss berichtete, verzeichnete der Bundeshaushalt mit -12,744 Mrd. € (Nettoergebnis) im Jahr 2022 zum dritten Mal in Folge ein hohes Defizit. Das Ergebnis fiel jedoch um 6,901 Mrd. € besser aus als im Jahr davor. Gegenüber dem Vorjahr stiegen 2022 die Erträge um 7,948 Mrd. € an, was auf höhere Abgabenerträge durch die hohe Inflation und die gute Wirtschafsentwicklung zurückgeführt wird. Gedämpft wurde die positive Entwicklung jedoch durch Maßnahmen zur Abfederung der Teuerung, wie der Rechnungshof berichtet. Die Mehrauszahlungen für Entlastungsmaßnahmen betrugen dem Bundesrechnungsabschluss zufolge 4,534 Mrd. €. Die Erhöhung des Klimabonus zusammen mit dem Anti–Teuerungsbonus (2,734 Mrd. €) beanspruchte den größten Anteil (60,5 %) der Unterstützungsleistungen. Der Rechnungshof macht im Bundesrechnungsabschluss auf die hohe Budgetbelastung aufmerksam und empfiehlt die Maßnahmen auf ihre Nachhaltigkeit zu überprüfen.

Zudem warnt der Rechnungshof für zukünftige Budgets vor Zinsrisiken. Das Zinsniveau sei im Laufe des Jahres 2022 deutlich angestiegen und ein Ende der Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank aufgrund der nach wie vor hohen Inflation noch nicht absehbar. Mit Blick auf die Verschuldung weist das Prüforgan auf die Notwendigkeit einer nachhaltigen Budgetpolitik hin.

Die bereinigten Finanzschulden des Bundes betrugen Ende 2022 270,890 Mrd. € bzw. 60,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und waren damit um 6,8 % höher als im Vorjahr. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID–19–Pandemie führten zu einem starken Anstieg der Finanzschulden. Innerhalb von drei Jahren – von 2019 bis 2022 – erhöhten sich die Finanzschulden des Bundes um insgesamt 62,122 Mrd. € bzw. um 30 %. Dabei handelt es sich dem Rechnungshof zufolge um einen größeren Anstieg als in den zwölf Jahren davor (2007 bis 2019). Durch den Anstieg der Finanzschulden und des Zinsniveaus erhöhten sich die gesamten Zinsverpflichtungen des Bundes, die beim aktuellen Schuldenstand bis zu dessen vollständiger Tilgung im Jahr 2120 anfallen würden, um 1,5 Mrd. € auf 53,102 Mrd. €.

Der Bericht wurde mit einer Stimmenmehrheit von ÖVP und Grünen zur Kenntnis genommen.

Ausschussdebatte zum Rechnungshofbericht

Grünen-Abgeordnete Elisabeth Götze interessierte sich für die Erreichung der Klimaziele, die im Bericht nicht vorkämen. Rechnungshofpräsidentin Kraker wies drauf hin, dass die finanziellen Konsequenzen von deren Verfolgung noch nicht abgeschätzt werden könnten und sie daher im Bundesrechnungsabschluss noch nicht angeführt werden könnten. Es werde darin jedoch die Erreichung der Klimaziele eingemahnt, so Kraker.

Hubert Fuchs (FPÖ) sprach die im Bericht behandelten Ordnungsmäßigkeits- und Belegsprüfungen an und fragte warum sich der Anteil an mangelhaften Belegen im Jahr 2022 auf 10,1 % vergrößert habe (2021: 6,6 %). Kraker betonte, dass diese Prüfungen in den letzten Jahren äußerst konsequent durchgeführt und auch durch follow-up-Überprüfungen zur Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofs ergänzt worden seien. Finanzminister Magnus Brunner sah sein Ressort dahingehend einen "Weg der Verbesserung" beschreiten und sagte zu, die Rechnungshofempfehlungen umzusetzen.

Karin Doppelbauer (NEOS) interessierte sich für die Thematik der Rücklagen, die sich laut ihr auf einem Höchststand von 22 Mrd. € befänden, und erkundigte sich nach Möglichkeiten, das Rücklagenmanagement zu verbessern. Auch aus Brunners Sicht sind die Rücklagen zu hoch und es werde unter anderem im Rahmen der Budgetverhandlungen alles daran gesetzt, diese zu reduzieren, erklärte er im Ausschuss.

Zur von Hubert Fuchs (FPÖ) angesprochenen Überliquidität regte Margit Kraker an, Empfehlungen des Rechnungshofs zum Abbau überschüssiger Liquidität umzusetzen und ein zentrales Liquiditätsmanagement zu beachten. Wie eine Expertin des Finanzministeriums bestätigte, sei gerade in der ersten Phase der Pandemie ein hoher Liquiditätsbedarf für die Zuschüsse an Unternehmen vorhanden gewesen. In der aktuellen Zinssituation sei die Liquidität jedoch so gering wie möglich zu halten.

Weiters thematisierte SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer die Schweizer-Franken-Obligos der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB), Karin Doppelbauer (NEOS) den aus ihrer Sicht vorhandenen Reformbedarf im Haushaltsrecht und Christoph Matznetter (SPÖ) die Reallohnentwicklung der letzten Jahre.

Produktivitätsbericht 2023

Im Produktivitätsbericht 2023 richtet der Produktivitätsrat 47 Empfehlungen an die Bundesregierung, mit denen er auf rasche Maßnahmen für den ökologischen und digitalen Umbau der Wirtschaft zur Stärkung der österreichischen Wettbewerbsfähigkeit drängt (III-979 d.B). Investitionen, Innovationen, technologischer Fortschritt und die Verbesserung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Bevölkerung werden laut Bericht für das Wirtschaftswachstum immer wichtiger. Der Produktivitätsrat sieht in der Anpassung des österreichischen Bildungssystems und der Beseitigung bekannter Schwächen, etwa dessen soziale Selektivität, ein vorrangiges Handlungsfeld. Darüber hinaus werden eine ambitioniertere Forschungs- und Innovationspolitik, die Förderung des Strukturwandels im Unternehmenssektor und eine verbesserte Mobilisierung des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials als wichtige Faktoren zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs angesehen.

Als Risiken werden hingegen die geopolitische Lage, steigende Finanzierungskosten und Engpässe am Arbeitsmarkt genannt. Weiters geht der 2022 ins Leben gerufene Produktivitätsrat auf den ökologischen sowie digitalen Umbau der Wirtschaft ein und empfiehlt begleitende Maßnahmen für den Arbeitsmarkt, im Bildungswesen und in der Sozialpolitik. Hochwertige Kinderbetreuung sieht er als Schlüssel für eine bessere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, im Gesundheitsbereich spricht er sich für eine Stärkung von Präventionsmaßnahmen aus. Um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu stärken, pochen die Expert:innen auf eine Unterstützung von Unternehmensgründungen und eine Stärkung der Unternehmensdynamik sowie einer Forcierung von Forschung und Innovation. 

Im Ausschuss legte Christoph Badelt dar, dass der Produktivitätsrat, dessen Vorsitz er innehat, einen nicht rein finanziellen bzw. wirtschaftlichen Ansatz verfolge, sondern auch soziale und ökologische Zusammenhänge in seine Expertisen miteinbeziehe. So ging er besonders auf die Rolle des Klimawandels, der demographischen Entwicklung und des Bildungssystems in der Produktivitätsentwicklung Österreichs ein. Gerade in letzterem Bereich gelte es ungenützte Potenziale zu nützen, da trotz hoher Ausgaben für das Bildungssystem, im Ergebnis erhebliche Mängel bestünden, so Badelt.

Christoph Matznetter (SPÖ) identifizierte insbesondere die "soziale Segregation" im Bildungssystem als Grundproblem, was Badelt bestätigte. Er regte an, speziell im Vor- und Volksschulalter anzusetzen, da so auch in Familien "hineingewirkt" werden könne, in denen sonst wenig in die Bildung der Kinder investiert werde.

Die Ungleichheit in der Vermögensverteilung sprach Markus Koza von den Grünen an und fragte Badelt nach Maßnahmen, diese zu verringern. Es gebe aus wissenschaftlicher Sicht keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Vermögungsverteilung und Produktivität, erklärte dazu Badelt.

Von Gerald Loacker (NEOS) auf den Arbeitskräftemangel angesprochen, bezeichnete Wirtschaftsminister Kocher diesen als "eine der drängendsten Herausforderungen der nächsten zehn Jahre". Auch Kocher betonte die Notwendigkeit, Potenziale im Inland etwa durch Qualifizierungsmaßnahmen zu heben, aber Österreich auch für ausländische Fachkräfte attraktiver zu machen.

Im Rahmen einer Diskussion zwischen Andreas Hanger (ÖVP) und Christoph Matznetter (SPÖ) über die Entwicklung der Realeinkommen bzw. Reallöhne, verwies der Leiter des Budgetdienstes des Parlaments, Helmut Berger, auf die Relevanz der Datenquellen bei der Bewertung der Entwicklung. Die Realeinkommen seien durch Unterstützungsleistungen insbesondere in den unteren Einkommensdezilen gestiegen, womit man sich jedoch möglicherweise eine höhere Inflationsrate "eingehandelt" habe.

Der Bericht wurde mehrheitlich ohne die Stimmen der FPÖ zur Kenntnis genommen und wird auf Antrag der NEOS im Plenum weiterbehandelt. (Schluss Budgetausschuss) wit

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.