Bundesrat Stenographisches Protokoll 645. Sitzung / Seite 59

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Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Meine Herren Vorredner sind schon auf das eine oder andere Detail des heute zu beschließenden Gesetzes eingegangen. Ich werde mir deshalb erlauben, mich kurz zu fassen.

Das heute zu beschließende Atomhaftungsgesetz beinhaltet einige zentrale Anliegen. Neben anderen ist dies vor allem die uneingeschränkte, strikte Gefährdungshaftung, was bedeutet, daß es hinkünftig bei Unfällen kein Haftungslimit nach oben mehr geben wird und Betreiber einer Gefährdungsquelle, wie sie ein Atomkraftwerk nun einmal darstellt, auch im Falle höherer Gewalt, im Falle von Naturereignissen und ähnlichem zur Verantwortung gezogen werden können.

Zum zweiten wird es durch dieses Gesetz möglich, bei Schäden, die von ausländischen Kernkraftwerken ausgehen, aber in Österreich wirksam werden, Schadenersatz nach österreichischem Recht einzuklagen. – Kollege Dr. Ludwig hat das schon erläutert.

Zum dritten wird die sogenannte Kanalisierung der Haftung aufgehoben, was bedeutet, daß hinkünftig auch Zulieferanten von Bauteilen der Kernkraftwerke bei Mängeln, die Unglücksfälle verursachen, zur Verantwortung gezogen werden können.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen erkennen diese Fortschritte in diesem Gesetz an und werden deshalb auch zustimmen. Dies tun wir jedoch nicht, ohne darauf aufmerksam zu machen, daß dieses Gesetz auch grobe Mängel beinhaltet – Mängel, gegen die es nach unserem Dafürhalten konsequenter anzukämpfen gilt. Zum einen zählt dazu die Haftungsfrage und die damit zusammenhängende Schwierigkeit, allfälligen österreichischen Geschädigten auch tatsächlich zu ihrem Recht zu verhelfen.

Meine Damen und Herren! Trotzdem auf der "Insel der Seligen" ein Atomhaftungsgesetz beschlossen wird, ist davon auszugehen, daß allfällige Urteile österreichischer Gerichte im Ausland, zum Beispiel in der Slowakei – ein in diesem Zusammenhang nicht uninteressanter Staat – nicht durchsetzbar sind. Das Lugano-Abkommen, das dieses Exekutionsverfahren verbindlich macht, gilt nur in EWR-Ländern, also nicht in den mittel- und osteuropäischen, beitrittswilligen Staaten, mit denen konsequenter als bisher nicht nur die Sicherheitsstandards ihrer Kernkraftwerke zu behandeln sind, sondern nach freiheitlicher Position auch der verbindliche Ausstieg aus der Kernenergie. Speziell in bezug auf die mittel- und osteuropäischen Länder und deren Kernkraftwerke zeigt die bisherige Politik der Bundesregierung überhaupt keinen Erfolg, meine Damen und Herren!

In Mochovce ist vor kurzem ein Uraltkernkraftwerk vom Typ "Unsicherheit" ans Netz gegangen, ohne daß die Vereinbarung nach Stillegung des ebenso sicherheitstechnisch veralteten Kernkraftwerkes Bohunice umgesetzt worden wäre. Dies geschah trotz der Verhandlungen und auch letztlich leerer Drohungen des Bundeskanzlers in Richtung Slowakei.

Meine Damen und Herren! Ebenso erging es dem Anliegen des oberösterreichischen Landtages im Falle des tschechischen Atomkraftwerkes in Temelin, der mit einem Landtagsantrag die österreichische Bundesregierung aufforderte, dem Beitritt neuer Länder in die EU erst dann zuzustimmen, wenn diese ein verbindliches Ausstiegskonzept aus der Kernenergie vorgelegt haben. Diese Frage wurde vom Bundesminister für Umwelt in der letzten Fragestunde klargestellt. Er hat klargemacht, daß das Anliegen von seiten der Bundesregierung ignoriert wird.

Meine Damen und Herren! Das kann nach freiheitlicher Auffassung nicht österreichische Antiatompolitik sein. Das ist eine Politik der bloßen Ankündigung, aber nicht eine der Umsetzung. Das ist eine Politik, die auf längere Sicht den Interessen Österreichs widerspricht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren der Koalition! Betreiben Sie auf dieses heute zu beschließende Gesetz aufbauend endlich eine glaubwürdige österreichische Antiatompolitik! Setzen Sie österreichische Interessen international durch, und verweigern Sie die Zustimmung zu einem EU-Beitritt eines Landes, das im Rahmen der Kernkraft gegen lebenswichtige österreichische Interessen verstößt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

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