Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 107

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sagt – außer Kraft zu setzen, ist mit Sicherheit der falsche Weg. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das hat aber Cap auch ein bißchen getan!)

Wir – und mit uns drei Viertel der Österreicher – stehen auf dem Grund der Randbedingungen, die wir heute vorfinden, zu der Neutralität, wie sie sich in unserem Land entwickelt hat. Wir wer-den sie gegen alle Angriffe – sei es unseres Koalitionspartners oder sei es der Opposition – herzhaft und entschlossen verteidigen! (Beifall bei der SPÖ.)

17.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

17.02

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich hoffe, einleitend etwas zum seelischen Wohlbefinden des Kollegen Konecny beitragen zu können, indem ich verspreche, daß ich die historischen Verdienste der Neutralität nicht bestreiten will und daß ich jetzt keine Liste möglicher Vorteile eines NATO-Beitritts erstellen möchte.

Denn in der heutigen Debatte geht es einzig und allein um die zentrale Frage: Sind wir überhaupt noch neutral? – Der Bundeskanzler – ihm hat heute der Herr Staatssekretär seine Stimme geliehen – bejaht das uneingeschränkt und will daher alle Regierungsmitglieder, insbesondere jene widerspenstigen der ÖVP, auf die "Rückkehr zu einer verfassungsmäßigen Neutralitätspolitik" verpflichten. Rein formell ist er dabei wohl durch das äußerlich unverändert in Kraft gebliebene Neutralitätsgesetz gedeckt. Der Sache nach ist jedoch der regierungsamtliche Standpunkt ganz entschieden in Zweifel zu ziehen. Lassen Sie mich das näher begründen.

Wovon ist bei einer korrekten rechtlichen und politischen Analyse auszugehen? – Zum einen von den bis heute gültigen Regeln des Haager Landkriegsabkommens, in denen der völkerrechtliche Status der Neutralität klar definiert ist. Zum anderen von der politischen Festlegung im Moskauer Memorandum, Österreich verpflichte sich zur immerwährenden Neutralität nach dem Vorbild der Schweiz. In der Folge haben wir uns freilich keineswegs an diesem Modell orientiert. Denn wir haben in der Ära Kreisky einerseits eine aktive neutralitätspolitische, mitunter nahezu schon neutralistische Rolle gespielt, und wir haben andererseits unsere Verpflichtung zur militärischen Absicherung unserer bewaffneten Neutralität niemals ausreichend ernst genommen.

Aber selbst davon abgesehen, haben "wir" – das heißt: nicht kritische Zwischenrufer, sondern die politischen Kräfte, die dafür verantwortlich waren – diesen rechtlichen Status im Laufe der Zeit sukzessive abgebaut. Das gilt bereits für den ersten Schritt, unseren 1955 vollzogenen Beitritt zu den Vereinten Nationen, den die Schweiz bis heute wohlweislich unterlassen hat. Immerhin waren wir ja seit damals verpflichtet, an militärischen Sanktionen, die der Sicherheitsrat beschlossen hat, teilzunehmen, falls er uns dazu verhält. An friedenserhaltenden Aktionen der UNO haben wir uns seither auch schon mehrmals beteiligt. Dasselbe gilt für vergleichbare Maßnahmen der früheren KSZE und gegenwärtigen OSZE.

Vor allem aber war unser Beitritt zur Europäischen Union von Anfang an als zumindest tendenzielle Aufgabe der Neutralität einzustufen, hat sich doch Österreich damit bewußt an die bereits im Vertrag von Maastricht verankerte Zielvorstellung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gebunden. Österreich hat anläßlich seines Beitritts weder einen Neutralitätsvorbehalt erklärt, noch war die Europäische Union dazu bereit, neutralen Mitgliedstaaten einen Sonderstatus einzuräumen. Und heute ist sie weiter denn je davon entfernt.

Schon damals war übrigens absehbar, daß die Vertiefung der GASP über eine Verschmelzung von EU und WEU erreicht werden sollte. Über welche Kapazitäten die WEU außerhalb der NATO verfügt – nämlich über gar keine –, das wissen kundige Außenpolitiker wie Kollege Konecny bestens, und auch, daß solcherart ein europäischer Arm der Sicherheitspolitik durchaus im Rahmen der NATO projektiert ist.


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