Bundesrat Stenographisches Protokoll 658. Sitzung / Seite 15

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Kette, nur so stark ist wie die schwächsten Glieder. Es liegt daher nach meiner Überzeugung im langfristigen Interesse auch des Bundes, durch bundesstaatliche Dezentralisierung Regelungs- und Verwaltungsballast abzuwerfen und sich auf die vor dem Hintergrund der Europäischen Union wirklich wichtigen Dinge zu beschränken. Es widerspricht nach meiner Überzeugung der Lebenserfahrung und auch jedem Vergleich mit dem Wirtschaftsleben, dass Zentralisierung und Vereinheitlichung, womöglich noch unter Preisgabe für bürgernahe Eigenständigkeit notwendiger Landtage, zu schlankeren Gesetzen und zu wirtschaftlichen Verwaltungsstrukturen führen werden.

Ich bitte Sie, die von den Ländern vertretenen Anliegen unter folgenden Gesichtspunkten zu sehen. Die Bundesregierung hatte den Ländern vor dem EU-Beitritt in einer Vereinbarung vom 8. Oktober 1992 eine nach wie vor unerledigte Neuordnung des Bundesstaates zugesichert, und sie hat dies bisher nicht erfüllt.

Die Verbesserung der Lebensverhältnisse in Österreich hängt stark davon ab, was die Länder und Gemeinden unter den Rahmenbedingungen europäischer und nationaler Politik durch Kreativität und in einem Wettbewerb unter sich noch eigenständig gestalten können. Dabei spielen die finanziellen Rahmenbedingungen eine ganz entscheidende Rolle, wahrscheinlich eine noch größere Rolle als verfassungsrechtliche Kompetenzen.

Ein Einflussverlust der Länder und Gemeinden würde eine wesentliche Schwächung der Möglichkeiten demokratischer Einflussnahme der Bürger auf die Politik überhaupt bewirken und ohne föderale Gewaltenteilung auch zu einer nachteiligen Machtkonzentration beim Bund und bei der Europäischen Union führen. Die Kontrolle von Macht ist bei ihrer Verteilung auf mehrere staatliche Ebenen durch bessere Überschaubarkeit und Unmittelbarkeit wirksamer möglich.

Die Landtage sind in ihrer gewachsenen Form, über die Gesetzgebungsfunktion hinaus, ein unverzichtbares Bindeglied zu den Bürgern und zu ihrer Einbeziehung in politische Entscheidungen. Letztlich geht es darum, dass kleinere Einheiten hinsichtlich bürgernaher Gesetzgebung und Verwaltung sowie hinsichtlich des staatlichen Aufwandes, ebenso wie in der Wirtschaft, schwerfälligen zentralen Verwaltungsapparaten jedenfalls in weiten Bereichen überlegen sind.

Die Bundesländer sind schließlich, wenn man sie nur lässt, ausreichend leistungsfähig, um im internationalen Wettbewerb der europäischen Regionen erfolgreich bestehen zu können.

Aufbauend auf diesen Überlegungen werden wir wohl gemeinsam zu der Überzeugung kommen, dass die künftige Bundesregierung wieder in stärkerem Maße als in den letzten Jahren zu der vor dem EU-Beitritt bekundeten Bereitschaft zu einer föderalistischen Strukturbereinigung zurückkehren sollte. Ich bitte Sie, diesem Anliegen der Länder auch in Ihren Beratungen und Entscheidungen Nachdruck zu verleihen und dies vor allem bei der finanziellen Ausstattung der Länder entsprechend mit zu berücksichtigen. (Allgemeiner Beifall.)

10.39

Präsident Jürgen Weiss: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für seine Ausführungen.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Josef Rauchenberger das Wort. – Bitte.

10.40

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Landeshauptmann! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! In dem 1997 erschienenen Buch mit dem Titel "Bundesstaat und Bundesrat in Österreich", herausgegeben vom ehemaligen Präsidenten des Bundesrates, Herrn Universitätsprofessor DDr. Herbert Schambeck – dem, wie Sie wissen, ich ganz besondere Hochachtung entgegenbringe –, beschäftigt sich einer der Autoren dieses Buches, Herr Regierungsrat Theodor Thanner – er ist Mitarbeiter der Salzburger Landesregierung –, mit der Bundesstaatsreform und den Forderungsprogrammen der Bundesländer.

In seiner Einleitung nimmt Tanner Bezug auf die Regierungserklärung von Bundeskanzler Mag. Klima, gesprochen am 29. Jänner 1997 vor dem Nationalrat, und zitiert diesen in seinem


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