Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 8

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Anders ist der Fall beim Dritten Präsidenten. Fürs erste – aber das ist nicht der Grund für die Entscheidung meiner Fraktion – hat es mit kaum einem anderen Präsidenten in der abgelaufenen Legislaturperiode solch sachliche und inhaltliche Auseinandersetzungen wie mit Mag. Haupt gegeben. Ich habe nie zuvor in mehr als 20 Jahren parlamentarischer Erfahrung erlebt, daß einem Präsidenten Parteilichkeit in der Amtsführung vorgeworfen wurde und die Reaktion des auf diese Art und Weise Interpellierten so ruhig und gar nicht dem Amt verpflichtet war.

Ich weiß mich in Übereinstimmung mit vielen in diesem Haus, daß wir aus dieser Perspektive eine Wahl von Mag. Haupt ablehnen. Aber das ist für meine Fraktion nicht das Ausschlaggebende.

Meine Damen und Herren! Die politische Geographie in diesem Land stimmt auch im Nationalrat endlich wieder. Am äußersten, am alleräußersten rechten Rand sitzt in dieser Legislaturperiode die freiheitliche Fraktion – dort, wohin sie gehört. (Beifall bei der SPÖ.) Und es stellt sich die Frage, ob diese haarscharfe Trennlinie, die sich hier ergibt, von vielen von Ihnen nicht bereits überschritten wird.

Meine Damen und Herren! Eine Distanzierung von Äußerungen, die eine Gutheißung, eine Akzeptanz von Ewiggestrigen beinhalten soll und die darauf hinausläuft, daß eine pauschale und undifferenzierte Verherrlichung der SS abgelehnt wird, reicht mir nicht, und zwar deswegen nicht, weil ich auch eine differenzierte und teilweise Verherrlichung der SS ablehne. Und das sind Worte aus der Distanzierung, auf die sich viele, vor allem die freiheitliche Fraktion in diesem Haus, beziehen.

Unter diesen Voraussetzungen, solange es keine klaren Worte gibt, ist für meine Fraktion ein freiheitlicher Kandidat nicht wählbar. (Beifall bei der SPÖ.) Meine Damen und Herren! Zu dieser klaren Haltung sind wir nicht nur dem sozialdemokratischen Gedankengut – auf das wir stolz sein können, weil wir in unserer mehr als hundertjährigen Geschichte nie auf der falschen Seite gestanden sind, immer auf der Seite der Demokratie –, sondern auch Österreich und dem Ansehen unseres Landes im In- und Ausland verpflichtet. (Beifall bei der SPÖ.)

10.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Er hat das Wort. Gleiche Redezeit.

10.24

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wählen heute das Präsidium des Nationalrates – eine Funktion, die von hoher Bedeutung für die Republik ist. Das Präsidium des Nationalrates ist neben dem Verfassungsgerichtshof und dem Bundespräsidenten Hüter unserer Verfassung.

Es ist Verfassungspraxis seit 1983, daß die drittstärkste Partei den Dritten Präsidenten, die Zweitstärkste Partei den Zweiten Präsidenten und die stärkste Partei den Ersten Präsidenten stellt.

In der Kanzlerschaft von Bruno Kreisky wurde der Freiheitlichen Partei mit 12 Mandaten der Nationalratspräsident zuerkannt. Heute hat die Freiheitliche Partei 40 Mandate. War es damals eine Courtoisie , einer Partei, die nur 12 Mandate hatte, den Dritten Präsidenten durch Wahl zuzugestehen, so ist es heute Ausfluß der Gerechtigkeit , die als Prinzip unsere Bundesverfassung und unsere Wahlgesetze durchzieht: dort ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundgelegt, den wir auch bei allen anderen Fragen hier anwenden: beim Ersten Präsidenten, beim Zweiten Präsidenten, bei den Ausschüssen, bei der Stärke in den Ausschüssen, bei der Vertretung im Europarat und so weiter.

Es hat einen guten Grund, daß die starken Fraktionen im Präsidium des Nationalrats vertreten sind, denn dieses Präsidium ist Krisenmanager; es ist Hausmanager; und es ist Hüter der Verfassung. Und da kommt es darauf an, daß dort der Konsens gefunden werden kann, daß


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