Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 234

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte damit schließen und Sie bitten: Denken Sie noch einmal nach! Ich möchte jetzt Herrn Dr. Müllers Qualifikation in keiner Weise schmälern, aber: Es ist Zeit für Frauen im Verfassungsgerichtshof! Wahren Sie diese Chance, die wir haben und die wir nicht mehr sehr lange im Nationalrat haben, denn jene, die in nächster Zeit aus Altersgründen ausscheiden, haben nicht die Möglichkeit, von diesem Kreis von Personen vorgeschlagen beziehungsweise gewählt zu werden, sondern dann werden wieder andere am Zug sein! Lassen Sie diese Gelegenheit nicht ungenützt verstreichen! (Beifall bei den Grünen.)

0.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Herr Abgeordneter, die Restredezeit für Ihre Fraktion beträgt 6 Minuten, und ich stelle die Uhr daher auf 6 Minuten ein. – Bitte.

0.09

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Das Vertrauen in die Rechtspflege ist eines der Fundamente unseres Rechtstaates. Dieses Vertrauen kann naturgemäß nur dann bestehen, wenn auch Vertrauen in die Besetzungsvorgänge der Richterschaft besteht.

Wir haben in der gesamten Richterschaft in Österreich – mit Ausnahme des Verfassungsgerichtshofes – das Prinzip der Selbstergänzung. Ich gebe zu, daß aus verfassungsrechtlichen Gründen Verfassungsrichter, zumindest teilweise, etwa durch die Regierung oder durch gesetzgebende Körperschaften zu bestellen sind.

Es ist allerdings generell eine Systemkritik anzubringen: Man sollte hinterfragen, ob die Systematik der Bestellung, nämlich 50 Prozent der Richter durch die Bundesregierung und 50 Prozent der Richter durch den Nationalrat, wirklich das Gelbe vom Ei ist, also jenem pluralistischen Ansatz entspricht, den die Bundesverfassung uns vorgibt. Daß sich die Bundesregierung Kandidaten aus ihrem Bereich aussucht, ist nicht unplausibel. Im Nationalrat werden die Verfassungsrichter von der Mehrheit bestellt, und die Mehrheit wird vertreten durch jene Parteien, die in der Regierung vertreten sind. Es handelt sich also in Wirklichkeit um eine Verdoppelung, und daß das dem Pluralismus entspricht, das wird wohl hier niemand glauben! Daher müßte man bei der Systemkritik beginnen und verlangen, daß zumindest 50 Prozent entweder im Sinn der Selbstergänzung nachbesetzt werden oder aber daß es einen pluralistischen Besetzungsmechanismus gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe vom Vertrauen in die Rechtspflege und in die Bestellungsvorgänge gesprochen. Herr Kollege Khol! Ein objektiver Betrachter des Hearings oder auch dieser Debatte kann hingegen wohl nicht davon ausgehen, daß Sie diesem Vertrauen entsprochen haben. Und ich werde Ihnen jetzt sagen, aus welchem Grund Ihre Argumentation eine bloße Scheinargumentation ist.

Sie sagen, daß lediglich die gesetzgebenden Körperschaften verhalten und in der Lage sind, Verfassungsrichter aus der freiberuflichen Praxis, aus der Anwaltspraxis, zu nominieren. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht! Das war aber das einzige Argument, das Sie für Herrn Dr. Müller ins Treffen führen konnten. (Abg. Dr. Khol: Nein, ich habe drei Argumente gebracht: das Hearing, das Ersatzmitglied und den Rechtsanwalt!) Wenn Sie sagen, daß von diesem Bestellungsvorgang nicht abgegangen werden soll und wieder einer aus dem Stand der Rechtsanwälte, also ein Freiberufler, bestellt werden soll, dann muß man doch eindeutig und unmißverständlich sagen, daß Ihre Argumentation nicht zutrifft, wenn derjenige, für den Sie argumentieren, seit 1989 nicht mehr dem Rechtsanwaltsstand angehört, sondern Richter des Verwaltungsgerichtshofes ist.

Daß Ihre Argumentation eine bloße Scheinargumentation ist, beweist auch Ihre Ausrede, wenn Sie sagen: Wenn sich eine Anwältin beworben hätte, dann hätte sie selbstverständlich den Zuschlag erhalten. – Daß diese Argumentation Ausdruck einer Konfusion ist, ist wohl auch klar! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn es kann doch nicht genügen, daß jemand, der aus dem


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