Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 120. Sitzung / Seite 16

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9.28

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute einen Tagesordnungspunkt vorliegen und eine Beschlußfassung vor uns stehen, bei denen es nicht bloß um ein Truppenstatut und um die Regelung der Entsendung fremder Truppen oder österreichischer Truppen geht, sondern bei denen es schon um ein Stück des Beitrittes zur NATO geht und darum, ob das, was wir jetzt beschließen, auch in Zukunft NATO-kompatibel ist.

Und das ist der Punkt: Das, was wir heute hinsichtlich der Regelung der Entsendung fremder Truppen und der Regelung des Aufenthaltes österreichischer Truppen im Ausland, im Rahmen von Übungen, im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" beschließen, gilt genauso, wie wenn wir NATO-Mitglied wären, gilt also in gleichem Maße für alle NATO-Mitglieder. Das heißt, wir beschließen heute Regelungen für den Aufenthalt inländischer Truppen im Ausland beziehungsweise umgekehrt, die generell Gültigkeit haben.

Woran macht sich das deutlich? – Das hat sich ganz deutlich gemacht an einem Ereignis in diesem Winter, nämlich am Seilbahnunglück in Cavalese. Um Ihnen noch einmal in Erinnerung zu rufen, was dort passiert ist: Ein Übungsflug der NATO, ein Versuch, unter diesem Seilbahnseil durchzufliegen, hat zu einer Katastrophe geführt, wie Sie wissen, zu einem Absturz der Gondel und damit zum Tod von 21 Menschen, darunter übrigens auch zwei Österreichern.

Was ist in der Folge passiert? – In der Folge ist passiert – und das läßt aufmerksam und stutzig werden –, daß die italienischen Behörden überhaupt keine Möglichkeit gehabt haben, zunächst einmal vor Ort die Erhebungen durchzuführen und dann die italienischen Gerichte einzuschalten, die italienische Gerichtsbarkeit walten zu lassen. Aber es ist noch viel mehr passiert, das mich stutzig macht: Es ist zum Beispiel der Flugschreiber verschwunden. Obwohl das ein Unglück war, bei dem dieses Flugzeug ganz normal auf dem Flugfeld gelandet und nicht etwa abgestürzt ist, sodaß dieser Flugschreiber eigentlich selbstverständlich von den italienischen Behörden geborgen hätte werden sollen, ist er verschwunden. Wie wir jetzt seit zwei Tagen wissen, ist auch ein angefertigter Videofilm vernichtet worden. Beweismaterial wurde fortgeschafft, Beweismaterial wurde vernichtet. Nicht genug damit: Jene beiden Piloten, die sich zu verantworten haben, vor allem jener, der dieses Unglück herbeigeführt hat, wurden außer Landes gebracht, wurden in die Vereinigten Staaten überstellt und werden sich dort vor den entsprechenden Gerichten zu verantworten haben und, wie wir lesen, unter Umständen sogar freigesprochen werden.

Das macht mich einigermaßen besorgt, und das bestürzt mich einigermaßen. Denn was heißt das? – 21 Menschen sind bei einem Unglück zu Tode gekommen, das offensichtlich von Militärbehörden anders eingestuft und anders eingeschätzt wird: nicht als ein verheerendes Unglück, bei dem diese Menschen zu Tode gekommen sind, sondern als eine militärische Übung, bei der man vermutlich einiges an Risiko und einige Gefahren ins Kalkül ziehen muß.

Sehen Sie, das, was in Cavalese passiert ist, ist, wenn wir dies heute beschließen, jederzeit auch in Österreich möglich und jederzeit auch für österreichische Soldaten, die sich im Ausland befinden, möglich. Und ich frage mich, ob wir das wirklich wollen. Ich frage mich, ob Sie sich das überlegt haben, daß das möglich sein wird, und ob Sie das wirklich wollen, ob Sie das richtig finden, ob Sie das vereinbar finden mit der österreichischen Rechtssetzung und mit Ihrer Auffassung von Gerichtsbarkeit. Das geht weit über das hinaus, was bisher bei uns möglich war, und es geht weit über das hinaus, was bisher bei uns üblich war.

Noch einmal, halten Sie sich nur das vor Augen: Es geht um Unterschlagung und um Vernichtung von Beweismaterial. (Beifall bei den Grünen.)

Da helfen keine Erklärungen, da helfen keine Vorbehalte, die in dieser Regierungsvorlage vorgesehen sind. Die erfassen das überhaupt nicht. Im Gegenteil: Dieses Abkommen macht das möglich.

Wir beschließen das zu einem Zeitpunkt, zu dem wir das Urteil von Cavalese überhaupt noch nicht haben, zu dem wir noch gar nicht wissen, wie dieser Prozeß ausgeht und welche Konse


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