Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 69

Wenn man hier große Worte spricht, dann sollte man sich auch überlegen: Warum hat es 40, 50 Jahre gedauert, bis man solche Gesetze beschließt? Warum, Kollege Nowotny – das sei mir zum Schluß auch noch erlaubt zu fragen –, ist man heute, 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, nicht dazu in der Lage, endlich einmal aufzuhören zu sagen, das sei Aufrechnung, wenn man verlangt, man solle alle Opfer soweit wie möglich entschädigen? (Abg. Dr. Nowotny: Um das geht es doch nicht! Das wissen Sie doch ganz genau!) Es gibt kein gutes oder schlechtes Unrecht, sondern es gibt nur Recht und Unrecht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Überall dort, wo Unrecht passiert ist, muß man es aufzeigen und versuchen, den Geschädigten und den Opfern zu Gerechtigkeit zu verhelfen. Das ist keine Aufrechnung, sondern das ist eine Aufgabe für jeden demokratischen Politiker! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Um das geht es ja gar nicht!)

12.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte. (Abg. Dr. Ofner: Wer war denn der Vizekanzler? Ich habe es vergessen! – Abg. Schieder: Wir sitzen heute im Parlament, nicht damals! Wir sitzen heute im Parlament, und heute müssen wir es ordentlich machen! – Abg. Dr. Cap: Ich buchstabiere: VDU! – Weitere Zwischenrufe.)

Herr Abgeordneter, Sie können beginnen. – Bitte.

12.41

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Visoki Dom! Gospod predsednik! Gospa ministrica! Ich glaube, es ist ganz in Ordnung, wenn sich dieser Dialog auch hier entspinnt, und zwar in der vollen Länge. Nehmen Sie das Buch von Alfred Elste zur Hand, auch Sie, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Ich bitte Sie, einmal zu prüfen und Gewissenserforschung zu betreiben in bezug auf Kontinuität beziehungsweise Veränderung nach dem Jahre 1945. Dieses Buch – ein Kärntner Historiker hat es geschrieben – weist nach, wie viele Nationalsozialisten vor allem nach dem Jahre 1948 gleich direkt in die Großparteien, und in Kärnten vor allem zur Sozialdemokratie gewandert sind. Das hat ein Historiker geschrieben. Ich kann Ihnen das Buch nur empfehlen.

Ich meine, es geht nicht an, die Frage damit anzugehen, einfach nach links, nach rechts, nach oben oder unten, vor allem aber nie auf sich selber zu zeigen. Die Republik insgesamt ist verantwortlich dafür, daß sie erst heute damit beginnt, die Versäumnisse von 50 Jahren wiedergutzumachen. Zu dieser Republik gehören alle diese Elemente, auch die politischen Elemente, wie sie hier im Hause sitzen. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Auch ich, ja. Diese spaßhafte Bemerkung ist ein bißchen unpassend. Das ist ein zu ernstes Thema. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren der Freiheitlichen Partei! Ich möchte Sie in aller Redlichkeit auf einen Fehler aufmerksam machen, den Sie begehen. Sie können Unrecht nicht gegen Recht und Recht nicht gegen Unrecht aufrechnen. (Abg. Dr. Ofner: Tut ja keiner! Das bist du selbst, der das sagt! Opfer ist Opfer! Wir tun nicht aufrechnen!) Erlauben Sie mir, diesen Gedanken auszuführen: Viele Täter sind nach dem Jahre 1945 auch Opfer geworden, aber sie können sozusagen von ihrer Täterschaft nicht das in Abzug bringen, was sie in der Folge als Unbill erlebt haben. Das ist eine zu einfache Art der Moral! (Abg. Dr. Ofner: Davon redet kein Mensch! Wir reden von den Opfern!) Ich habe nicht so eine Art der Moral: Man begeht fünf Sünden, tut drei gute Werke, ergibt nur mehr zwei Sünden. – Herr Kollege Ofner! So einfach geht das nicht. (Abg. Dr. Ofner: Kein Mensch hat das gesagt! Das würde dir so passen!) Man muß sich zu seinen Fehlern bekennen und versuchen, diese zu vermeiden. (Abg. Dr. Ofner: Wir reden von den Opfern!)

Aber die Geschichte der Zweiten Republik wurde ja mit einer Legende begonnen, nämlich mit der Legende, daß Österreich Opfer war. Das war sozusagen die politische Prämisse, unter der gearbeitet wurde, um unsere Partner davon zu überzeugen, daß wir eigentlich ohnehin immer brav gewesen sind. Wir waren ja nie dabei. Irgendwelche Deutschen sind gekommen und haben irgend etwas gemacht. Die Österreicher waren immer brav und anständig. Wir tun sozusagen nie etwas Böses.


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