Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 159. Sitzung / 35

11.06

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Verhandlungen im Agrarministerrat in Brüssel und in der Aktuellen Stunde des österreichischen Nationalrates geht es zurzeit nicht um Semmeln und auch nicht um Budgetpositionen, sondern um die Rahmenbedingungen für 17 Millionen Beschäftigte in der europäischen Landwirtschaft. Wenn jeder Beschäftigte einen Familienangehörigen hat, so stellt diese Bevölkerungsgruppe ungefähr das Wählerpotential von Italien. Wenn man die vor- und nachgelagerten Interessen, die mit der Landwirtschaft und der Ernährungswirtschaft verbunden sind, mitberücksichtigt, dann kann man sagen: Es geht in bezug auf die Betroffenheit von Bürgern um ein Land in der Größe von Frankreich oder Deutschland.

9,5 Millionen dieser 17 Millionen in der Landwirtschaft Beschäftigten sind älter als 55 Jahre, 1,3 Millionen sind jünger als 35 Jahre, und ungefähr ein Drittel ist im Haupterwerbsalter zwischen 35 und 55 Jahren. Die Reformkonzeption, wie sie die Kommission vorgeschlagen hat, geht auf bisherige Budgetgrundlagen zurück, Präsident Schwarzenberger hat sie angesprochen. Aufgrund des Ergebnisses der deutschen Wahl hat sich die Grundsatzerklärung zum Beibehalten dieser Linie wesentlich verändert und die politischen Gewichte in Europa total verschoben.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft stützt im Bereich der Markt- und Strukturpolitik liberale Konzepte. Die Mehrheit der sozialdemokratischen Finanzminister möchte bei der Durchsetzung dieses Konzepts das Budget stark kürzen. Wenn das so geschieht – all das sind noch Hypothesen –, dann gibt es stärkere liberale Elemente im Bereich des Marktes und eine bewußte Umschichtung von Budgetmitteln zugunsten der Interessen sozialdemokratischer Arbeitnehmerpolitik.

Das kann bedeuten – ich betone: all das sind Hypothesen –, daß all jene Kräfte, die bezüglich Globalisierung und Liberalismus in ihrem Interessenbereich Unbehagen fühlen, resignativ sagen, sie müßten alles Verfügbare in Richtung Milderung von Globalisierung und Liberalismus in ihrem Interessenbereich sichern.

Meine geschätzten Damen und Herren! Daher geht es aus österreichischer Sicht nicht nur darum, ob Minister Molterer für das Modell "europäische Landwirtschaft" eintritt, sondern auch darum, ob Finanzminister Edlinger, der sich zum Anwalt der Steuerzahler und nicht zum Feind der Bauern deklariert hat, was mich freut, letztendlich mehr einbringt als die Budgetstabilisierung.

In der Politik ist es keine Kunst, weniger Geld auszugeben. Die Kunst besteht darin, mit weniger Geld effizient die gleichen Ziele, die man bisher in konsensualer Weise vertreten hat, umzusetzen. Diese waren in diesem Parlament auch zwischen den Regierungsparteien übereinstimmend, ich glaube, sogar mit der Opposition!

Wir wollen eine Landwirtschaft, die von ökologischer Grundorientierung geprägt ist und die den hohen ethischen Erfordernissen der österreichischen und europäischen Konsumenten gerecht wird – am besten nachvollziehbar in unserer Position zur Gentechnik.

Mehr Liberalismus mit weniger Geld – diese Zielsetzung ist gefährliche Illusion, das muß allen klar sein. Mit mehr Liberalismus und weniger Geld kann nicht mehr Ökologie und Gentechnikfreiheit erreicht werden. Daher ist völlig klar, daß sich die Mehrheit der sozialdemokratischen Finanz-, Landwirtschafts- und Außenminister in der Abwägung darüber, welche Freiheit die Landwirtschaftsminister haben, um ein europäisches Modell weiterzuführen, nicht nur mit Budgetverantwortung befassen kann, sondern auch damit, ob sie zu diesen Zielen unserer gemeinsamen Politik stehen. (Beifall bei der ÖVP.) – Das wird am Ende des Verhandlungsergebnisses bewertet werden müssen.

Ich habe am Montag in Brüssel aus Überzeugung demonstriert, aber nicht gegen die EU (Abg. Dr. Ofner: Sondern gegen den Bauernbündler Fischler!), sondern für eine demokratische, partnerschaftliche EU, und das hängt von der politischen Führung dieser EU ab! (Beifall bei der ÖVP.)


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