Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 30. Sitzung / Seite 24

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wortlich, und Sie, Herr Bundeskanzler, als oberster Chef der Regierung natürlich auch! Wir erwarten uns heute, daß Sie Rechenschaft darüber ablegen! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn einmal einer wirklich abgeschoben werden sollte, dann ist der Innenminister der allererste, der interveniert, und zwar rechtswidrig interveniert. Jetzt werden Sie wieder auf die Barrikaden steigen und behaupten, daß ich etwas sage, was nicht richtig ist. Aber ich konfrontiere Sie heute mit einem aktuellen Fall, der in der Bundespolizeidirektion Graz passiert ist.

Folgender Fall: Im Jahre 1991 ist ein Nigerianer illegal über die Grenze gekommen. Nach vielen Verfahren, auch strafgerichtlichen Verfahren, ist er im Jahre 1995 in Schubhaft genommen worden.

Am 15. Juli sollte er abgeschoben werden. Am 14. Juli hat die Fremdenpolizei in Graz einen Anruf aus dem Ministerbüro von Innenminister Einem erhalten, wonach der Mann freizulassen war. – Dieser Fall ist dokumentiert, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt einen Brief von der Bundespolizeidirektion Graz an den Innenminister – ich kann ihn Ihnen zur Verfügung stellen –, in dem man sich über die Vorgangsweise des Ministers beschwert, in dem man fordert, daß der Minister sich rechtfertigen soll. Dieser Brief ist bis heute unbeantwortet geblieben. – So schaut es in der Abschiebepolitik aus!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind wirklich besorgt angesichts der Fremdenpolitik, die in diesem Lande gemacht wird. Wir sind besorgt angesichts einer Politik, die sich zu wenig um die Österreicher kümmert, die statt Menschlichkeit Unmenschlichkeit schafft, die statt Wohlstand eine Minderung des Lebensstandards bringt, die statt Sicherheit Unsicherheit hervorruft. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedeutet eine menschenwürdige Ausländerpolitik einen absoluten Einwanderungsstopp und die Erklärung, daß Österreich kein Einwanderungsland ist. Und das fordern wir! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

16.42

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! All diesen Ausführungen und Argumentationen ist doch voranzustellen, daß es seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und seit dem Kriegsausbruch im ehemaligen Jugoslawien in Europa zu Wanderungsbewegungen in einem Ausmaß gekommen ist wie noch nie in diesem 20. Jahrhundert. So sind rund 19 Millionen der in Westeuropa lebenden Menschen nach dem Kriterium der Staatsbürgerschaft Ausländer. Diese Entwicklung ist in einem Zeitraum von nicht einmal einem Jahrzehnt erfolgt, sodaß allein aufgrund dieser objektiven Faktoren Schlußfolgerungen, wie sie vielleicht vor zehn Jahren hätten angewendet werden können, heute nicht mehr möglich sind. Österreich kommt dabei als einem Tor zum Westen beziehungsweise als östlichstem Standort Westeuropas eine besondere Stellung zu.

Gerade deshalb hat die österreichische Bundesregierung gemeinsam mit Ihnen, dem Gesetzgeber, schon zu Beginn der neunziger Jahre auf diese Veränderungen, auf diese sicherheitspolitischen und auch sozialpolitischen Herausforderungen reagiert und klare gesetzliche Regelungen für den Aufenthalt und die Beschäftigung von Fremden in Österreich geschaffen.

Und im Gegensatz zu dem, was soeben am Rednerpult ausgeführt wurde, nehme ich in diesem Zusammenhang für die Bundesregierung und für die Regierungsparteien in Anspruch, damit in hohem Maß zu innerpolitischer Stabilität und innerpolitischer Ruhe beigetragen zu haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Erlauben Sie mir, noch einmal die Grundsätze zu wiederholen, von denen und auf Basis derer wir im wesentlichen bei dieser Politik ausgegangen sind: Wir meinen, Österreich ist ein Land, in dem Menschen, die in ihrer Heimat aus politischen oder religiösen Gründen, aufgrund ihrer


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