Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 78

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Sie sehen also – ich komme damit zum Schluß –: Das Projekt Europa funktioniert. Europa war das Hauptopfer des kalten Kriegs und hat die Chance, heute global zu agieren, auf gleicher Ebene und gleich gehört, gleich geachtet wie Asien oder Amerika.

Es wird nicht leicht sein, diese Chancen in jedem Fall zu nützen. Keineswegs geschieht dies von vornherein und automatisch, denn wir müssen sehen, daß uns nach dem Vulkanausbruch des Zusammenbruchs des Kommunismus noch viele kleine Nachbeben in nächster Zeit zu schaffen machen werden.

Ich glaube, daß Europa als Projekt aber nur überleben kann in einem Staatenverbund, nie als zentralistisches Gebilde, wo an einer Stelle, sei es in Brüssel oder sonstwo, angeschafft wird, was die anderen Teile, die Mitgliedstaaten, zu tun haben. Was europäisch ist, muß auf europäischer Ebene gelöst werden: die Fragen des Außenhandels, des Binnenmarkts, der Währung, der Friedenssicherung. Das andere muß subsidiär an die kleinere Einheit übertragen werden, die das ganz einfach besser kann. (Abg. Scheibner: Seit wann wissen Sie das, Herr Minister?)

Daher ist die Balance zwischen den kleinen Staaten und den großen Staaten ganz im Sinne der Vision von Winston Churchill essentiell für das Funktionieren und die Lebensfähigkeit dieses europäischen Staatenverbundes. Und es ist wichtig und gut, meine Damen und Herren, daß Österreich hier mitgestalten und mitbestimmen kann. Mehr als drei Millionen Österreicher haben uns am 12. Juni 1994 dazu den Auftrag gegeben, und sie haben nicht geirrt, als sie sich – nicht nur im eigenen Interesse, sondern vor allem im Interesse der nachfolgenden Generationen – so und nicht anders entschieden haben. Wir haben den Auftrag von dieser Mehrheit, von dieser Zweidrittelmehrheit der Österreicher übernommen, das Projekt Europa am Leben zu erhalten. Und das werden wir tun. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke auch dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen jetzt in die Debatte über beide Erklärungen, jene des Herrn Bundeskanzlers und jene des Herrn Vizekanzlers, ein.

Ich rufe noch einmal die beschlossene Redezeitbeschränkung in Erinnerung: SPÖ 105 Minuten, ÖVP 98 Minuten, FPÖ 91 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 63 Minuten.

Als erster Redner hat sich Abgeordneter Dr. Jörg Haider zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, ich erteile es Ihnen.

13.41

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wie nicht anders zu erwarten, befaßten sich die beiden Repräsentanten der Koalitionsregierung in eher wolkigen Erklärungen mit Dingen, die sie uns bereits vor dem EU-Beitritt 1994 geschildert hatten. (Abg. Kiss: Schildlaus!) Ich möchte nun doch ein bißchen zur Realität zurückkommen, zu einer Realität, wo sich manche vielleicht auch in ihrer Verantwortung wiederfinden sollten, denn zum selben Zeitpunkt, zu dem hier in höchsten Tönen die erfolgreiche Integration Österreichs in die EU gelobt wird – und Eigenlob ist immer etwas Gefährliches, meine Damen und Herren von der Bundesregierung –, schreibt etwa das linksliberale Blatt "Weltwoche" in Zürich folgenden Artikel (Abg. Dr. Khol: Die Schweizer sind draußen!):

" Österreichs Europapolitik stand vom ersten Moment bis dato unter keinem glücklichen Stern. Sie erweist sich als eine Kette von Halbwahrheiten, Versäumnissen und Ausreden. Sogar mit falschen Zahlen wurde operiert. Entgegen großspurigen Ankündigungen vermochte Wien die Brüsseler Politik in keiner einzigen Problematik initiativ mitzugestalten", und so weiter und so fort. (Zwischenruf des Abg. Schwarzböck. )

Daher knüpfe ich daran ein paar Fragen, zumal der Herr Bundeskanzler freundlicherweise von der Notwendigkeit, den Steuerzahler zu schonen, spricht, aber gleichzeitig vergißt, daß sein eigener Wirtschaftsminister im Kabinett Vranitzky gesagt hat: Wir haben falsch verhandelt, wir


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