Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 86

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nicht tun dürfen, und angesichts der Tatsache, daß es heute in der Praxis so aussieht, daß Jugendliche am ersten Schultag in der Berufsschule dahin gehend informiert werden, was sie nicht tun dürfen – zum Beispiel nicht zur Bank gehen oder nicht auf eine Leiter steigen, die mehr als 40 Zentimeter hoch ist –, wirklich einmal nachdenken muß, ob diese Verordnung nicht in gewissen Bereichen überzogen ist oder in der Praxis überzogen angewendet wird, wie ich es immer wieder bemerken muß.

Ich finde es einfach nicht richtig, daß Elektrolehrlinge, die man ausbilden soll, nicht auf eine Leiter steigen dürfen, die mehr als 40 Zentimeter hoch ist, oder nicht mehr als 40 Zentimeter in eine Grube hinabsteigen dürfen. Bitte, dann können sie auch nicht ausgebildet werden.

Ich glaube, man muß sich überlegen, ob man in der Praxis nicht teilweise des Guten zuviel gemacht hat, obwohl ich mich zu einem wirklich durchgehenden Schutz der Jugend bekenne.

Es wurde auch schon auf die beginnende Jugendarbeitslosigkeit hier in Österreich hingewiesen. Die dramatische Entwicklung steht vor unserer Tür, das brauche ich nicht zu beweisen. Daß es nicht nur die Gründe sind, die ich heute genannt habe, ist erwiesen, aber unter anderem auch diese. Ich glaube daher, die Koalition wäre wirklich gut beraten, zumindest in so kleinen Punkten zu signalisieren, daß sie flexibel ist. Es ist ein Erfordernis der heutigen Zeit. Wenn Sie dazu nicht fähig sind, dann – da möchte ich meinen Kollegen Dolinschek wiederholen – braucht es einen nicht zu wundern, wenn es in Österreich mit der Wirtschaft immer mehr bergab geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Dr. Trinkl gemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort.

14.33

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern ausführlich über die Problematik der Lehrlingsausbildung in Österreich diskutiert. Wir haben, so meine ich, einvernehmlich festgestellt, daß dieses Ausbildungssystem unbestritten ist und daß wir um dieses System in ganz Europa beneidet werden. Mögen die Gründe dafür vielfältig sein, Tatsache ist jedenfalls, daß das Angebot an Lehrstellen dramatisch zurückgegangen ist.

Wenn man nun davon ausgeht, daß nur Betriebe Lehrplätze anbieten können, so muß man einfach fragen, warum immer mehr Betriebe von einer Lehrlingsaufnahme abgehen und sich immer weniger Betriebe dieser Aufgabe stellen. Und will man das Problem lösen, so muß man auf die Argumente dieser Betriebe eingehen. – So einfach ist das!

Ich habe kürzlich mit einem Tischlermeister gesprochen – sehr erfolgreich, ein toller Betrieb –, wie er das Problem der Lehrlingsausbildung sieht. Und er sagte mir: Die finanzielle Seite tut mir nicht so weh, die muß ich über die Kalkulation in den Griff zu bekommen versuchen. Was er aber nicht akzeptieren kann, was ihn belastet, das sind die Bestimmungen des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes und hier vor allem der dazugehörigen Verordnung, wonach er zum Beispiel Lehrlinge nur in der zweiten Hälfte der Lehrzeit an die Maschine lassen darf. Was macht aber ein Tischler mit einem Lehrling in den ersten eineinhalb Jahren? Es gibt in einer Tischlerei heute keine Tätigkeit, die ohne Maschine durchgeführt wird. Übrigens: Im Poly, in der berufsbildenden höheren Schule, in der Berufsschule, dort darf der Jugendliche an die Maschine – interessanterweise. Und er sagte mir auch, er ist einfach nicht mehr bereit, sich immer mit einem Fuß in der Illegalität zu bewegen. Er hat das nicht notwendig, und er tut das auch nicht mehr.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Ein Malerlehrling darf nicht aufs Gerüst; das hat die Kollegin schon angeführt. Jetzt hat mich ein Malermeister erst kürzlich gefragt, ob er Engerl mit Flügerln einstellen muß, die bei einer Fassade hinauffliegen. (Abg. Tichy-Schreder: Ja!)


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