Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 92

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Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt, ebenso auch dem Herrn Bundesminister, der auf den Erstredner antworten wird.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Anschober. Redezeit: 10 Minuten.

19.10

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen nun mit dieser aktuellen Anfragebesprechung zum Thema Semmering-Basistunnel. Es handelt sich dabei auch beinahe um ein Milliardenprojekt, aber ich hoffe, daß es in Summe nicht so teuer wird wie die Einnahmen, die jetzt aus dem Verkauf der Creditanstalt tatsächlich realisiert werden konnten.

Zwei Dinge sind in dieser Sondersitzung und auch in dieser vorliegenden Anfragebeantwortung sehr offensichtlich und deutlich geworden.

Die erste Sache ist das Faktum, daß in Österreich für ganz wichtige Investitionen und für hohe politische Prioritäten offensichtlich viel an Kapital fehlt – ich denke an die aktive Arbeitsmarktpolitik, die vor allem für die gefährdetsten Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Jugendliche notwendig wäre, ich denke an soziale Grundabsicherungen, an den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, wo wir im Verkehrsausschuß schon viele Debatten darüber geführt haben, daß dies gerade bei den Regionalbahnen und im Nahverkehr nicht der Fall ist –, daß aber gleichzeitig, obwohl für notwendige Projekte das Geld fehlt, Milliarden in Projekte investiert werden, deren Sinnhaftigkeit fehlt, deren Sinnhaftigkeit bestritten, hochumstritten ist, wobei gleichzeitig nicht klar ist, wie die Finanzierung im Detail tatsächlich aussehen soll und welche Kosten konkret verursacht werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei Lektüre dieser Anfragebeantwortung komme ich zu dem Schluß, daß genau dies beim Semmering-Basistunnel der Fall ist, aber – und das sage ich jedesmal sehr klar und deutlich dazu – auch beim Projekt der Semmering-Schnellstraße.

Zweitens ist heute sehr klargeworden – und das wird auch bei der Anfragebeantwortung des Bundesministers sehr deutlich –, daß diese Regierung tatsächlich mit voller Kraft an einem Strang zieht, aber in zwei entgegengesetzte Richtungen. Selten wird das bei einem Projekt so deutlich wie beim Semmering, beim Semmering insgesamt. Da gibt es Teile der ÖVP, die massive Kritik am Projekt Semmering-Basistunnel üben, und da gibt es Teile der SPÖ, die massive Kritik am Projekt Semmering-Schnellstraße üben. Was ist der Kompromiß dieser Bundesregierung? – Wenn die eine Seite das eine Projekt kritisiert, die andere Seite das andere Projekt kritisiert, dann bauen wir halt beide Projekte und schaffen damit eine Milliardeninvestition wie am Semmering mit der Semmering-Schnellstraße und dem Semmering-Basistunnel, die zumindest 11 bis 15 Milliarden Schilling – je nach Kostenkalkulation, geologischer Situation et cetera – verschlingen wird, eine Parallelinvestition, weil eine klare politische Entscheidungsfindung nicht möglich ist, wobei diese Entscheidungslähmung der Bundesregierung auch in diesem Fall insgesamt Milliarden kosten wird, anstatt direkt in Arbeitsplätze zu investieren, anstatt direkt in die Umweltsanierung, in Regionalbahnen, in den Nahverkehr zu investieren.

Ich erinnere Sie daran – um bei den Tunnelprojekten zu bleiben, denn sowohl die Schnellstraße als auch der Basistunnel sind ja im wesentlichen Tunnelprojekte; es herrscht ja für das Semmering-Schnellstraßenprojekt wie auch für den Semmering-Basistunnel keine andere Geologie vor; das sind durchaus ähnliche Vorleistungen und Vorkehrungen –, daß alle ganz großen Tunnelprojekte Europas in den letzten Jahren zwei wesentliche Effekte zeigten: erstens kaum einen Beschäftigungseffekt und zweitens enorme Baukostenüberschreitungen.

Denken Sie nur an das Kanal-Tunnel-Projekt, bei dem es nach wie vor die große Finanzierungskrise gibt, denn die Baukostenentwicklung ging von geschätzten, prognostizierten 60 Milliarden Schilling auf 140 Milliarden Schilling. Beim Sondierstollen zum Semmering-Basistunnel haben wir bisher durchaus auch extreme Kostenentwicklungen: von zunächst geschätzten Baukosten laut Anbot der derzeitigen Arbeitsfirma von 450 Millionen Schilling auf mittlerweile geschätzt mehr als 900 Millionen Schilling, was die Kosten des Sondierstollens betrifft.


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