Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 75. Sitzung / Seite 15

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

So etwas könnte, glaube ich, in einer Reform der Kommission gut durchgesetzt werden und würde auch wirklich Sinn machen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Dr. Gredler, bitte.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Wir haben über die Stimmgewichtung gesprochen. Sehen Sie, Herr Vizekanzler, Bereiche, wo – außer bei Vertragsänderungen – Einstimmigkeit notwendig ist, und würde sich das als Bremse auswirken?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, selbstverständlich: überall dort, wo es um Geld geht, überall dort, wo es um Vertragsänderungen geht, wie Sie selbst gesagt haben, überall dort, wo es um militärische Fragen geht, überall dort, wo es sensible nationale Interessen berührt. Wir haben als solche etwa definiert: Fragen der Wassernutzung, der Energienutzung, des Bodenrechts. Es gibt eine Reihe von derartigen Punkten, die jedes Land einbringt.

Aber insgesamt sollten wir den Mut haben, zu mehr Mehrheitsabstimmungen zu kommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Kollege Schweitzer, bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Österreich hat sich im großen und ganzen vom Einstimmigkeitsprinzip verabschiedet – bis auf die wenigen Ausnahmen, die Sie gerade erwähnt haben; die weitere Entwicklung wird zeigen, ob Sie für diese Bereiche tatsächlich das Einstimmigkeitsprinzip halten können. Interessant ist das, was Sie im Rat vom 7. beziehungsweise 8. April 1997 gesagt haben – das entnehme ich der Agence Europe –: Sie haben sich ganz besonders für die doppelte Mehrheit eingesetzt.

Ich frage Sie: Welche Überlegungen, vor allem aus österreichischer Sicht, haben Sie dazu veranlaßt, worin liegt das österreichische Interesse, ganz besonders für die doppelte Mehrheit einzutreten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter Schweitzer! Ich habe eigentlich schon vorhin versucht, das zu erklären. (Abg. Scheibner: "Versucht"! – Ruf bei den Freiheitlichen: Nicht ausreichend!) – Ich erkläre es gerne noch einmal für den Abgeordneten Schweitzer. – Repetitio est mater studiorum. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt vor allem von den großen Ländern einen enormen Druck, da sich durch die Erweiterung das Quorum deutlich verschiebt. Und das ist nicht ganz unverständlich. Nämlich: Als die EG mit sechs Mitgliedsländern gegründet wurde, lag das Quorum für qualifizierte Abstimmungen bei 68 Prozent. Dann fiel es auf 62 Prozent, und jetzt liegt es bei 58 Prozent. Und die Befürchtung der großen Länder ist dahin gehend: Sollten jetzt etwa noch elf Länder dazukommen, dann würde es auf 50,1 Prozent absinken. Das könnte dann unter Umständen irgendwann einmal sogar die Situation ermöglichen, daß eine qualifizierte Mehrheit an Stimmen vielleicht von einer Minderheit an Bevölkerung begleitet ist – deswegen die Idee der großen Länder, eine Umgewichtung der Stimmen zu erreichen.

Eine Gegenstrategie könnte – als letzter Ausweg – sein, daß man quasi beim Status quo – heute 58 Prozent – bleibt und eine zusätzliche Barriere festschreibt, das heißt, jede Mehrheitsabstimmung kann überprüft werden, wenn das verlangt wird, nämlich ob auch eine Bevölkerungsmehrheit von ungefähr 60 Prozent dahintersteht. Das ist es. Das richtet sich überhaupt nicht gegen das österreichische Interesse, sondern das ist – wenn man so will – eine zusätzliche demokratische Legitimation. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Vizekanzler.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite