Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 146

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Was ist das signifikante Merkmal? – Die soziale Schichtung. Je niedriger die soziale Schichtung, und zwar durchaus nach soziologischen Standards definiert – das ist eine seriöse Studie –, desto höher der Anteil der Kinder in der Hauptschule. Das ist daher keine Sortierung nach irgendeiner Qualifikation, sondern das ist eine Sortierung nach sozialen Zugängen. Das ist ein Schulwesen, das nicht liberal ist. Wenn ich den Zehnjährigen schon ihr soziales Umfeld bildungspolitisch auf den Kopf fallen lasse, dann darf ich mich nicht wundern, wenn später in der Arbeitswelt bestimmte soziale Kompetenzen fehlen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Es wird ihnen sozusagen von klein auf vorgeführt, "wer einmal aus dem Blechnapf fraß", und das ist nicht gut für die sozialen Kompetenzen, aber auch nicht für die sozialen Kompetenzen derer, die in der AHS sind.

Das ist einer der Gründe, warum wir eine gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen fordern. Es ist aber auch eine logische Konsequenz aus der Kenntnis der Arbeitswelt und des wirklichen Lebens. Wir brauchen teamfähige Menschen, die nicht ausschließlich unter sich sein wollen, so vielleicht nach dem Motto von Joseph II., der, als sich die Hofadeligen darüber beschwert hatten, daß er den Prater öffnen wollte, gesagt hat: Wenn ich den Prater aus solchen Gründen nicht öffnen ließe, dann müßte ich mich überhaupt nur mehr in der Kapuzinergruft aufhalten, wollte ich ausschließlich unter meinesgleichen sein. – So etwas wollen wir im Bildungswesen nicht! (Heiterkeit beim Liberalen Forum.)

Wir wollen, daß die Kinder, wenn sie heranwachsen, aus der sozialen Wirklichkeit des normalen Lebens nicht herausgerissen werden. Das werden dann auch Mitarbeiter, die wir später in Unternehmen brauchen können. Wir können nicht nur lauter Direktoren und Häuptlinge brauchen. Wir brauchen eine gesunde Mischung, und wir brauchen vor allem etwas, nämlich die Möglichkeit, daß jeder in dieser Gesellschaft aufsteigen kann. Denn wenn nicht jeder aufsteigen kann, dann schöpfen wir unsere Talente nicht aus, wir werden unsere Talente aber ausschöpfen müssen, sonst werden wir auch im wirtschaftlichen Wettbewerb nicht bestehen. Wir werden uns die Sozialpolitik nicht mehr leisten können. Wir werden uns einen Vorsitzenden Höchtl dann hoffentlich nicht mehr leisten müssen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Er hat das Wort.

16.46

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Abgeordneter Kier hat aus den jahrelangen Versäumnissen jahrzehntelange gemacht, und vielleicht wird noch ein Redner kommen, und dann wird es noch länger werden.

Wir reden heute von einer Schule, die kein Trümmerhaufen ist, so wie Sie das darstellen, wir reden freilich auch nicht von einer Schule, die einen Idealtyp darstellt. Das gibt es nirgends. Keine Partei kann sich in der Schulpolitik so verwirklichen, daß sie sagen kann: Das ist unsere Schule. – Aber wir reden von sehr vielen guten Daten, und ein Merkmal, gerade wenn man über Bildungspolitik diskutiert, wäre es, daß man versucht, von den Fakten auszugehen. Wir reden von unbestrittenen Untersuchungen, daß die Eltern mit diesen Schulen sehr zufrieden sind. Die Benotung auf einer Skala von 1 bis 5 liegt zwischen 1,7 bis 2,1 – je nach Schultyp. Das ist auf dieser Skala ein gutes Gut in der Beurteilung durch Eltern von Kindern, die zur Schule gehen.

Wir haben internationale Rankings, die heute schon mehrfach erwähnt wurden, sei das in den Naturwissenschaften, sei das in den Sprachen – das ist im Gange –, sei das bei den Volksschulen. Das sind unbestrittene Fakten. Wir reden von einer Ausstattung mit neuen Technologien, die weltweit beispielhaft ist. Wir reden von einem Grad an Mitbestimmung in unseren Schulen, der verbesserbar ist, aber viele Länder und viele Eltern in vielen Ländern wären froh, wenn dieses Ausmaß an Mitbestimmung vorhanden wäre. Wir reden von Betreuungswerten, die Spitze sind, das wissen wir. Das kann man so oder so sehen. Ich sehe es positiv, daß wir viele Lehrer pro Schüler haben.


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