Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 148

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

16.53

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Angesichts des schon Gesagten versuche ich, mich auf ein paar, wie ich meine, wesentliche Punkte zu konzentrieren. Ich möchte auf Polemik verzichten, aber schon im Raum stehende Behauptungen vom Antragsteller, nämlich vom Liberalen Forum, zurückweisen, die großteils auf billige Dramatisierung abzielen, offenbar auf persönlichen Einzelerfahrungen beruhen und in pauschalen Anschuldigungen, in ignoranten Vereinfachungen münden und sich letztlich in einem ganz engen, kleinen Zitierkartell bewegen, um den Anschein der Objektivität zu vermitteln. (Abg. Schaffenrath: Sprichst du jetzt als Politikerin oder als Erziehungswissenschafterin?) – Ja, ich stehe dazu! (Abg. Schaffenrath: Dann mußt du sagen, als was du sprichst!)

Stichwort: Gesamtschule. Schulsysteme haben jeweils eine spezifische Geschichte, so auch das österreichische, im Unterschied zum britischen, zum amerikanischen, zum deutschen und so weiter. So gesehen ist auch unser differenziertes System immer noch mit einer sehr großen Zustimmung der Bevölkerung ausgestattet, und es ist sehr schwer zu erklären, warum dieses System durch ein anderes zu ersetzen wäre. Ich verweise in der Verteidigung dieses nach äußeren und inneren Kriterien differenzierten Systems zum Beispiel gern auf den von Ihnen und von uns eingeladenen Soziologen Matthias Horx, der auf eine weitere Pluralisierung der Gesellschaft und auf eine damit verbundene weitere Differenzierung der Bildungs- und Kultursysteme verweist. – Matthias Horx. Ja, ich habe ihn richtig zitiert, Herr Öllinger! (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Wenn Herr Kollege Öllinger meint, in Anbetracht der Rechte des einzelnen, die zu fördern wären, ginge es um die innere Differenzierung in einer Gesamtschule, die letztlich auch billiger wäre, dann gesteht er etwas nicht ein, nämlich daß diese Form der Berücksichtigung der einzelnen Begabungen, so wie er sie auch nennt, eigentlich teurer ist als eine nach standardisierten Profilen geordnete Schulwelt. Ich möchte darauf hinweisen und kann es auch mit Zahlen belegen. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Interessant ist auch, daß die Reformstaaten wieder an den weiteren Ausbau der Langform der Gymnasien denken. Sie werden sich dabei doch etwas denken und nicht nur die schlechten Modelle aus Österreich kopieren.

Stichwort: Benotung. Auch hier führt eine penetrante Wiederholung von Behauptungen nicht weiter. Ich lasse mir gefallen, daß Sie sagen: Sie müssen erst den Nachweis für Ihre These bringen. – Ich bringe ihn! Eine formale Note zwischen 1 und 5 gibt auch jedem Schüler die Chance, wenn Sie so wollen, sich hinter dieser Note zu verbergen. Es ist nicht offenkundig, wie in einer verbalen Rückmeldung und in einer Individualbeurteilung – etwa: Schüler X hat sich wieder einmal nicht in die Klassengemeinschaft eingegliedert, er muß noch das Lesen so und so üben ... – der Schüler vor persönlichen Offenlegungen geschützt wird. (Zwischenrufe bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Sagen Sie mir, Frau Kollegin, wie Sie bei 200, 300 Schülern ein differenziertes Rückmeldesystem entwickeln wollen, ohne in Floskeln und ohne in Wirklichkeit wieder in eine sehr subjektive, subtile, unvergleichbare Beurteilung zu verfallen? (Beifall bei der ÖVP.) Darin ist die Wissenschaft uneins, und das kann ich als Wissenschafterin genauso sagen wie als Politikerin. Solange ich nicht ein wissenschaftlich gesichertes besseres Modell habe, bleibe ich bei dem, das wir haben und das auf höchste Zufriedenheit stößt. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Sie vom Liberalen Forum sollten sich überlegen, ob totalitäre und zentralistische Bestimmungen, die Ihren Konzepten innewohnen, tatsächlich einem modernen bildungspolitischen Gesamtkonzept entsprechen.


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