Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 140

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Die vorzeitige Lösung des Lehrverhältnisses bei Nichterreichen des Lehrzieles scheint uns allerdings zum gegebenen Zeitpunkt unter den jetzt geltenden Voraussetzungen nicht der richtige Weg und das falsche Signal zu sein. Mit unserem Vorschlag der Schaffung einer Teillehre wollen wir einen anderen Weg gehen. Wir möchten Jugendlichen unterschiedlicher Entwicklungsstufen die Möglichkeit bieten, einen Bildungsabschluß zu erreichen, der ihnen sonst verwehrt bleibt. Wir wollen mit diesem neuen Instrument aber auch jene Betriebe animieren, Jugendlichen eine Chance zu geben, die bisher von der Lehrlingsausbildung ausgeschlossen waren, weil sie das Berufsbild nur zum Teil vermitteln können. (Beifall bei der ÖVP.)

Dies trifft etwa für den Selbstbedienungshandel oder die automatisierte Industrie, aber auch für jene neuen Gewerbe zu, die durch die Gewerberechtsnovelle Teilgewerbe sind. Auf diesem Gebiet soll der Jugend ebenfalls eine Chance gegeben werden, da gibt es die Möglichkeit einer Spezialisierung, und ich bitte daher, den Vorschlag der Teillehre wirklich ernstlich zu überlegen. Wir müssen vor allem aber sehr schnell darangehen, das Jugendlichenbeschäftigungsgesetz so zu ändern, daß wir Tausende Ausbildungsbetriebe nicht von vornherein ausschließen.

Ich fürchte, wir waren in diesem Zusammenhang wieder einmal – das gebe ich zu – EU-Umsetzungssieger. Wenn Brüssel vorschlägt, möglichst zwei aufeinanderfolgende Tage Freizeit zu gewähren, so verlangen wir, daß auch in Bereichen zwei aufeinanderfolgende Tage gewährt werden, wo es nicht möglich ist. Dafür gibt es viele, viele Bespiele, und wir alle kennen diese Beispiele. (Abg. Haller: Und warum haben Sie das so gemacht?) Es hat einmal ein weiser Mann – er war nicht aus Österreich, sondern aus Deutschland – gesagt: Es ist keinen Tag zu spät, gescheiter zu werden. Wir nehmen das jetzt für uns in Anspruch.

Wir haben heute einen entsprechenden Antrag eingebracht. Ich bitte auch die freiheitliche Fraktion, diesen Antrag genau zu studieren und diesem Antrag beizutreten. Wir laden jeden ein, mit uns gemeinsam dieses Problem zu lösen, weil das wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Jugendschutz ist ein Aspekt, und wir bekennen uns zu diesem Jugendschutz. Aber ideologische Bestemm-Haltung ist die andere Seite, und die versteht niemand. Sie nützt auch niemandem, am allerwenigsten nützt sie den Eltern, die für ihre Kinder einen Arbeitsplatz suchen. Der beste Jugendschutz, meine Damen und Herren, ist ein sicherer Arbeitsplatz. Viele Probleme entstehen erst gar nicht, wenn Jugendliche die Chance einer sinnvollen Beschäftigung haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir alle sind aufgefordert, nach Kräften an der Lösung dieses Problems mitzuwirken. Ich sage an dieser Stelle auch sehr deutlich: Wir stehen nicht an, jene deutlich zu nennen, die bei der Lösung dieses Problems auf der Bremse stehen. Ich darf daher an alle in diesem Hohen Haus appellieren: Meine Damen und Herren! Bekennen wir uns zu unserem System der dualen Ausbildung, um das uns so viele in der Welt beneiden! Lassen wir die Jugend arbeiten! Werfen wir aber nicht unnötige Prügel auf jene, die wir als Partner und Ausbildungsbetriebe so dringend benötigen, räumen wir vielmehr jene Prügel weg, die heute noch auf dem Weg zu einer Lehrlingsausbildung, wie wir sie uns wünschen, liegen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

18.28

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zu Beginn ein paar Bemerkungen zu meinem Vorredner machen, der natürlich von seiten der Wirtschaft und von seiten der Volkspartei auf die Vorschläge und Überlegungen hingewiesen hat, die in den letzten Wochen und Monaten immer wieder gemacht wurden.

Ich glaube, wir sollten uns – und dazu bekenne ich mich persönlich – in der Frage der Lehrlingsausbildung hinsichtlich der weiteren Veränderungsschritte dazu bekennen, sachlich darüber zu diskutieren, einander zuzuhören und auch andere Standpunkte zu akzeptieren.

Zu dem Begriff "Teillehre" möchte ich bemerken: Es ist zuwenig, ein Konzept mit vier, fünf Sätzen darzustellen, beim welchem viele Fragen offenbleiben und nicht klar ist, in welchen


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