Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 68

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Auch die Entschließung – und ich stehe nicht an, das hier auszusprechen; Geschichte ist Geschichte –, die sehr weitgehend von Abgeordnetem Khol geprägt wurde, wurde mehrheitlich angenommen.

Meine Damen und Herren! Ich finde es auch gut, dass die Frau Außenministerin gestern und teilweise auch heute alle gewürdigt hat, die auf italienischer Seite, auf österreichischer Seite, auf der Seite des Bundeslandes Tirol und auch auf Seiten Südtirols dazu beigetragen haben. Ich habe es selbst erlebt, dass sich hier im Parlament zum Beispiel Mock und Steiner, um zwei Vertreter der ÖVP zu nennen, und viele andere übrigens auch dafür eingesetzt haben.

Ich habe es deshalb – und ich möchte das heute auch erwähnen – als etwas politisch kleinkariert empfunden, dass die Frau Ministerin gestern und auch heute einen ausgelassen hat, der dann gestern dankenswerterweise von Landeshauptmann Durnwalder erwähnt wurde, nämlich Dr. Bruno Kreisky. Seine Verdienste für Südtirol sind unvergessen. (Beifall bei der SPÖ, bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist heute genau das eingetreten, was Kreisky in seiner visionären Rede am 18. Oktober 1960 in den Vereinten Nationen gesagt hat, dass das nämlich eine Chance ist und zu guten Beziehungen zwischen Österreich und Italien führen wird.

Ich habe es auch ein bisschen bedauert, dass gestern kein Vertreter der Sozialdemokraten zu Wort kommen konnte. Sagen Sie nicht, es hätten nur Regierungsvertreter gesprochen! Es hat richtigerweise gestern auch der Obmann der Südtiroler Volkspartei, also der stärksten Partei in Südtirol, gesprochen. Es war das eine vertane Chance, auch zu zeigen, dass hier eine einheitliche Linie besteht, dass Sie den Worten hinsichtlich einer gemeinsamen Außenpolitik auch Taten folgen lassen. Ich glaube, das war eine ungenützte Chance von Ihnen, Frau Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Italien und Österreich haben Europa mit der Südtirol-Lösung ein gutes Beispiel gegeben. Es ist aber nicht nur ein Beispiel für andere Länder, es muss auch ein Beispiel für uns selbst sein, für die Behandlung der Minderheiten und Volksgruppen in unserem eigenen Lande. (Beifall bei der SPÖ.)

12.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

12.19

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Frau Außenministerin! Liebe Gäste aus Südtirol und aus dem Bundesland Tirol! 1918 kam Tirol unter das Beil. Es wurde in drei Teile zerhackt: Südtirol kam zu Italien, die Unrechtsgrenze am Brenner wurde aufgerichtet. Die Italianisierung meiner Heimat begann.

Die deutsche Sprache wurde in den Keller verbannt. Der Todesmarsch der österreichischen Minderheit schien zu beginnen. Das Verbrechensregime von Adolf Hitler, der Nationalsozialismus, hat Südtirol endgültig verraten. Die Südtiroler wurden ausgesiedelt, sie wurden zu Fremden in der Heimat. 1945, nach dem Krieg, kamen die Ausgesiedelten zurück, hatten keine Staatsbürgerschaft mehr, waren rechtlos und Fremde im eigenen Land.

In den Verhandlungen in Paris, wo wir die Unrechtsgrenze beseitigen wollten, hat Gruber mit Außenminister De Gasperi ein Autonomieabkommen geschlossen, das berühmte Gruber-De Gasperi-Abkommen. Die Autonomie wurde aber nicht eingehalten. Italien hat damals nicht Wort gehalten. Daraufhin kam der Streit, den wir vor zehn Jahren nicht ohne Risiko beigelegt haben. Das Risiko für Österreich war, dass der Todesmarsch der Minderheit weitergehen würde. Das Risiko für Österreich war, dass die Brennergrenze als Unrechtsgrenze weiterbestehen würde. Das Risiko war, dass wir auch unseren Anspruch auf Selbstbestimmung dieses Landes verwirken würden. – Es hat sich gelohnt, dass wir dieses Risiko eingegangen sind.


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