Stenographisches Protokoll

107. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 13. Juni 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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107. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 13. Juni 2002

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 13. Juni 2002: 9.02 – 23.38 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren "Sozialstaat Österreich"

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002)

4. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz – ElWOG)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Berufsausbildungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden, und Bericht über den

Entschließungsantrag 629/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die geplante Änderung der Gewerbeordnung 1994 und deren mögliche Auswirkungen auf den Jugendschutz

6. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Postsparkassengesetz 1969, das Alkoholsteuergesetz und das Genossenschaftsrevisionsgesetz geändert wird und zur Ergänzung von Übergangsbestimmungen im HGB

7. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 534/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtssetzende Maßnahmen auf dem gewerblichen Sektor für das Tätowieren und Piercen durch Nichtmediziner

8. Punkt: Internationales Kaffee-Übereinkommen von 2001 samt Anhang

9. Punkt: Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen von 1999 samt Anlagen

10. Punkt: Bundesgesetz über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 – BStMG)


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107. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Bericht über den Antrag 658/A der Abgeordneten Wolfgang Jung, Johann Loos, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 1994, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Munitionslagergesetz, das Militär-Auszeichnungsgesetz, das Militärbefugnisgesetz und das Sperrgebietsgesetz 2002 geändert werden sowie das Tapferkeitsmedaillen-Zulagengesetz 1962 aufgehoben wird (Reorganisationsbegleitgesetz – REORGBG)

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen über ein Bundesverfassungsgesetz betreffend die Abhaltung einer Volksabstimmung über den Ankauf von Abfangjägern (631/A)

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volkszählungsgesetz 1950 geändert wird (637/A)

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (630/A)

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats geändert werden (647/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 16

Ordnungsruf 122

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3679/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 35

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 152

Redner:

Dr. Eva Glawischnig 153

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 155

Mag. Barbara Prammer 157

Ilse Burket 158

Maria Rauch-Kallat 159

Karl Öllinger 161

Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung 3679/AB – Ablehnung (Auszählung der Stimmen) 161, 162

Antrag der Abgeordneten Paul Kiss, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Antrag 680/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter


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Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 8. Juli 2002 zu setzen – Annahme 35, 249

Antrag der Abgeordneten Paul Kiss, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 1172 d. B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 (FrG-Novelle 2002) und das Asylgesetz (AsylG-Novelle 2002) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 8. Juli 2002 zu setzen – Annahme 35, 249

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 35

Antrag der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Georg Oberhaidinger, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1116 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002), (1147 d. B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Wirtschaftsausschuss rückzuverweisen – Annahme 104, 104

Antrag der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Georg Oberhaidinger, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz – ElWOG), (1148 d. B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Wirtschaftsausschuss rückzuverweisen – Annahme 104, 104

Unterbrechungen der Sitzung 106, 122, 161

Wortmeldungen im Zusammenhang mit der Dringlichen Anfrage:

Dr. Alexander Van der Bellen 119

Dr. Josef Cap 120

Dr. Andreas Khol 120

Ing. Peter Westenthaler 121

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die oben angeführten Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung sowie im Zusammenhang mit der darauf folgenden Sitzungsunterbrechung 121

Verlangen des Abgeordneten Dr. Josef Cap auf Erteilung eines Ordnungsrufes 132

Verlangen des Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler auf Erteilung eines Ordnungsrufes 133

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer im Zusammenhang mit den gestellten Verlangen auf Erteilung von Ordnungsrufen 133

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung

1. der Frühpensionierungen im Bereich der Bahn, Post und Telekom,


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107. Sitzung / Seite 4

2. der Ablöse von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern in der öffentlichen Wirtschaft des Bundes,

3. des Vorruhestandes mit 55 im öffentlichen Dienst (so genannte "Chance 55"),

4. anderer Funktionsveränderungen im Bereich des Bundes (z.B. im Bereich der Sozialversicherungen)

seit Februar 2000 auf Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit sowie Gesetzmäßigkeit gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 248

Bekanntgabe 137

Ablehnung des Antrages 248

Fragestunde (23.)

Landesverteidigung 16

Stefan Prähauser (181/M); Evelyn Freigaßner, Werner Amon, MBA, Mag. Werner Kogler

Walter Murauer (177/M); Dr. Peter Pilz, Rudolf Parnigoni,

Dr. Peter Pilz (179/M); Roland Zellot, Walter Murauer,

Wolfgang Jung (184/M); Astrid Stadler, Mag. Werner Kogler, Emmerich Schwemlein

Anton Gaál (182/M); Dr. Reinhard Eugen Bösch, Johann Loos,


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Karl Öllinger

Johann Loos (178/M); Dr. Peter Pilz, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Katharina Pfeffer

Mag. Werner Kogler (180/M); Mag. Walter Tancsits, Beate Schasching, Mag. Beate Hartinger

Dipl.-Ing. Werner Kummerer (183/M); Mag. Dr. Udo Grollitsch, Mag. Cordula Frieser, Mag. Werner Kogler

Ausschüsse

Zuweisungen 33, 82, 241, 244, 246, 248

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Theresia Zierler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend ungerechtfertigt hohe Anzahl an krankheitsbedingten Ruhestandsversetzungen bei den staatsnahen Unternehmen, insbesondere bei den ÖBB (4026/J) 107

Begründung: Mag. Helmut Kukacka 109

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 113

Debatte:

Theresia Zierler 122

Friedrich Verzetnitsch 125

Karlheinz Kopf 127

Karl Öllinger 128, 152

Mag. Karl Schweitzer 131

Mag. Andrea Kuntzl 135

Jakob Auer 137

Dr. Evelin Lichtenberger 139

Mag. Beate Hartinger 140

Josef Edler 142

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 143

Dr. Gerhart Bruckmann 145

Dr. Gabriela Moser 146

Dr. Caspar Einem 147

Dr. Alois Pumberger 149

Mag. Werner Kogler 151

Dr. Andreas Khol 151

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen gesetzwidrige Frühpensionierungen im staatsnahen Bereich – Ablehnung 149, 152

Verhandlungen

1. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren "Sozialstaat Österreich"
(1161 d. B.) 36

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 36

Reinhart Gaugg 38

Dr. Michael Spindelegger 40

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 42

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 45

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 48

Friedrich Verzetnitsch 50

Edith Haller 52

Ridi Steibl 54

Karl Öllinger 55

Dr. Josef Cap 57

Sigisbert Dolinschek 58

Dr. Gottfried Feurstein 60

Dr. Kurt Grünewald 61

Doris Bures 63

Mag. Karl Schweitzer 65

Rudolf Nürnberger (tatsächliche Berichtigung) 67

Edeltraud Gatterer 67

Dieter Brosz (tatsächliche Berichtigung) 68

Theresia Haidlmayr 68

Heidrun Silhavy 70

Dr. Alois Pumberger 72

Karl Donabauer 73

Dieter Brosz 75

Mag. Beate Hartinger 76

Werner Amon, MBA (tatsächliche Berichtigung) 77

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 77

Mag. Martina Pecher 77

Bernd Brugger 79

Mag. Walter Tancsits 79

Jutta Wochesländer 81


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107. Sitzung / Seite 6

Zuweisung des Volksbegehrens 1161 d. B. an den Ausschuss für Arbeit und Soziales 82

2. Punkt: Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (1136 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1163 d. B.) 82

Redner:

Dr. Kurt Grünewald 82

Dr. Ilse Mertel 83

Edith Haller 85

Mag. Hans Langreiter 87

Mag. Barbara Prammer 88

Edith Haller (tatsächliche Berichtigung) 89

Theresia Haidlmayr 89

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 91

Evelyn Freigaßner 93

Astrid Stadler 94

Franz Riepl 94

Anton Knerzl 95

Peter Haubner 96

Mag. Christine Lapp 97

Ing. Wilhelm Weinmeier 98

Gabriele Binder 99

Dr. Helene Partik-Pablé (tatsächliche Berichtigung) 99

Franz Hornegger 99

Annahme 100

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1116 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002) (1147 d. B.) 101

4. Punkt: Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz – ElWOG) (1148 d. B.) 101

Redner:

Georg Oberhaidinger 101

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 102

Karlheinz Kopf 102

Dr. Eva Glawischnig 103

Rückverweisung der beiden Ausschussberichte 1147 und 1148 d. B. an den Wirtschaftsausschuss 104

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1117 d. B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Berufsausbildungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden, und über den


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107. Sitzung / Seite 7

Entschließungsantrag 629/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die geplante Änderung der Gewerbeordnung 1994 und deren mögliche Auswirkungen auf den Jugendschutz (1149 d. B.) 104

6. Punkt: Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Postsparkassengesetz 1969, das Alkoholsteuergesetz und das Genossenschaftsrevisionsgesetz geändert wird und zur Ergänzung von Übergangsbestimmungen im HGB (1150 d. B.) 104

7. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Entschließungsantrag 534/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtssetzende Maßnahmen auf dem gewerblichen Sektor für das Tätowieren und Piercen durch Nichtmediziner (1151 d. B.) 105

8. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1037 d. B.): Internationales Kaffee-Übereinkommen von 2001 samt Anhang (1152 d. B.) 105

9. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1038 d. B.): Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen von 1999 samt Anlagen (1153 d. B.) 105

Berichterstatterin: Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 105

Redner:

Mag. Maria Kubitschek 105

Ing. Gerhard Bauer 162

Mag. Werner Kogler 164

Dr. Reinhold Mitterlehner 166

Günter Kiermaier 175

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 176

Emmerich Schwemlein 177

Karlheinz Kopf 178

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 179

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 181

Patrick Ortlieb 183

Mag. Johann Maier 184

Georg Schwarzenberger 185

Mag. Kurt Gaßner 186

Sigisbert Dolinschek 187

Ing. Kurt Gartlehner 188

Mag. Dr. Josef Trinkl 189

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 190

Roland Zellot 193

Mag. Martina Pecher 193

Mag. Reinhard Firlinger 194

Ing. Herbert L. Graf 195

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Inge Jäger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verringerung des Welthungers – Ablehnung 191, 198

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1149 und 1150 d. B. 196

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1149 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Befugnis zur Durchführung von Planungsleistungen im Hoch- und Tiefbau (E 136) 196


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Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1149 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Problematik der Abgrenzung des Tätigkeitsumfanges der Zahntechniker von jenem der Zahnärzte (E 137) 196

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1149 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Angleichung der Entlassungstatbestände von Arbeitnehmern (E 138) 196

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1151 d. B. 197

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 1037 und 1038 d. B. 197

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 1037 und 1038 d. B. 197

10. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage (1139 d. B.): Bundesgesetz über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 – BStMG) (1164 d. B.) 198

Redner:

Dr. Evelin Lichtenberger 198

Kurt Eder 201

Mag. Reinhard Firlinger 203

Mag. Helmut Kukacka 204

Rudolf Parnigoni 205

Andreas Sodian 207

Johannes Schweisgut 208

Dr. Robert Rada 208

Anton Wattaul 209

Reinhold Lexer 210

Josef Edler 210

Ilse Burket 211

Ing. Hermann Schultes 211

Peter Marizzi 212

Christian Faul 213

Bundesminister Ing. Mathias Reichhold 214

Franz Riepl 214

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Erwartungen Österreichs an die EU-Institutionen betreffend den künftigen Rechtsrahmen für die Tarifierung des Straßengüterverkehrs – Ablehnung 200, 216

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der Finanzierung des österreichischen Generalverkehrsplans, Höhe des Mauttarifes – Ablehnung 202, 216

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der Finanzierung des österreichischen Generalverkehrsplans, Verpflichtungen und Sanktionen im Zusammenhang mit der elektronischen Entrichtung der LKW-Maut – Ablehnung 212, 216

Annahme 215

11. Punkt: Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Antrag 658/A der Abgeordneten Wolfgang Jung, Johann Loos, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 1994, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Munitionslagergesetz, das Militär-Auszeich


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107. Sitzung / Seite 9

nungsgesetz, das Militärbefugnisgesetz und das Sperrgebietsgesetz 2002 geändert werden sowie das Tapferkeitsmedaillen-Zulagengesetz 1962 aufgehoben wird (Reorganisationsbegleitgesetz – REORGBG) (1119 d. B.) 216

Redner:

Anton Gaál 216

Wolfgang Jung 218

Dr. Peter Pilz 223, 233

Walter Murauer 225

Bundesminister Herbert Scheibner 226, 234

Stefan Prähauser 228

Hermann Reindl 229

Katharina Pfeffer 229

Johann Loos 230

Rudolf Nürnberger 231

Ing. Herbert L. Graf 231

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 232

Mag. Cordula Frieser 232

Mag. Beate Hartinger 235

Karl Freund 235

Annahme 236

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen über ein Bundesverfassungsgesetz betreffend die Abhaltung einer Volksabstimmung über den Ankauf von Abfangjägern (631/A) 237

Redner:

Dr. Peter Pilz 237

Anton Gaál 238

Wolfgang Jung 238

Bundesminister Herbert Scheibner 240

Walter Murauer 241

Zuweisung des Antrages 631/A an den Verfassungsausschuss 241

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volkszählungsgesetz 1950 geändert wird (637/A) 241

Redner:

Mag. Terezija Stoisits 241

Mag. Walter Posch 242

Dr. Michael Krüger 243

Dr. Gottfried Feurstein 244

Zuweisung des Antrages 637/A an den Verfassungsausschuss 244

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (630/A) 244

Redner:

Mag. Gisela Wurm 245

Mag. Terezija Stoisits 245


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107. Sitzung / Seite 10

Zuweisung des Antrages 630/A an den Geschäftsordnungsausschuss 246

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats geändert werden (647/A) 246

Redner:

Mag. Werner Kogler 246

Zuweisung des Antrages 647/A an den Geschäftsordnungsausschuss 248

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 32

1173: Annahmeerklärung betreffend den revidierten Text der Internationalen Pflanzenschutzkonvention samt Anlage

1174: Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961, revidiert in Genf am 10. November 1972, am 23. Oktober 1978 und am 19. März 1991 samt Resolution, Empfehlung und Gemeinsame Erklärung

1175: 2. Abgabenänderungsgesetz 2002

1180: EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz

1181: Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz

1182: Deregulierungsgesetz – Öffentlicher Dienst 2002

1183: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

1184: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird

1185: Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird

1186: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird

1187: Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird

Anträge der Abgeordneten

Mag. Reinhard Firlinger, Kurt Eder, Mag. Helmut Kukacka, Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (707/A)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend unzulängliche Sicherheitsauflagen im Kanusport (708/A) (E)

Hermann Reindl, Dr. Gottfried Feurstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (709/A)


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107. Sitzung / Seite 11

Mag. Reinhard Firlinger, Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird (710/A)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verwirklichung von Gender Mainstreaming im Sport (711/A) (E)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verwirklichung von Gender Mainstreaming im Sport (712/A) (E)

Dr. Reinhold Mitterlehner, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (713/A)

Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert wird (714/A)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Verfahrenshilfe im Strafprozess (715/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend die "E-Commerce-Gesetz – ECG – Rechtlich unzulässige Firmen-Homepages" (716/A) (E)

Karlheinz Kopf, Ing. Peter Westenthaler, Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung des Österreichischen Fußballbundes und des Schweizer Fußballverbandes für die Endrunde der Fußball-Europameisterschaft 2008 (717/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der Ausbildung von Verwaltungsassistenten (718/A) (E)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Restitutionsbestimmungen und Stiftung Leopold (719/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Helmut Kukacka, Theresia Zierler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend ungerechtfertigt hohe Anzahl an krankheitsbedingten Ruhestandsversetzungen bei den staatsnahen Unternehmen, insbesondere bei den ÖBB (4026/J)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Kompetenz zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen betreffend Unternehmen, die in den Kompetenzbereich anderer Bundesminister fallen (4027/J)

Anna Elisabeth Achatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Vergabe des Auftrages für den Um- und Neubau des Linzer Hauptbahnhofes (4028/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Sonder-Ausschreibung" zugunsten eines blauen Kandidaten? (4029/J)

Mag. Eduard Mainoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Betreuungsstellen für Asylwerber im Bundesland Salzburg (4030/J)


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107. Sitzung / Seite 12

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Frauenförderungsplan (4031/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Frauenförderungsplan (4032/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Frauenförderungsplan (4033/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Frauenförderungsplan (4034/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Frauenförderungsplan (4035/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Frauenförderungsplan (4036/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Frauenförderungsplan (4037/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Frauenförderungsplan (4038/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Frauenförderungsplan (4039/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Frauenförderungsplan (4040/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Frauenförderungsplan (4041/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Frauenförderungsplan (4042/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Cobra-Einzug in die Bundespolizeidirektion Innsbruck (4043/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalstatistik 2001 (4044/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "zentrale Koordinationsstelle" (4045/J)


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107. Sitzung / Seite 13

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sexarbeit in Österreich (4046/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in seinem Ressort (4047/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in ihrem Ressort (4048/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in ihrem Ressort (4049/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in seinem Ressort (4050/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in seinem Ressort (4051/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in seinem Ressort (4052/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in seinem Ressort (4053/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in seinem Ressort (4054/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in ihrem Ressort (4055/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic , Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in seinem Ressort (4056/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in seinem Ressort (4057/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming in seinem Ressort (4058/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Erhebungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen Staatssekretärin Mares Rossmann (4059/J)

Anna Elisabeth Achatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Vergabe des Auftrages für den Um- und Neubau des Linzer Hauptbahnhofes (4060/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Qualitätsmängel bei Puten, Putenfleisch und Putenprodukten (4061/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Qualitätsmängel bei Puten, Putenfleisch und Putenprodukten (4062/J)


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107. Sitzung / Seite 14

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend das österreichische Stimmverhalten bei dem 6. EU-Rahmenprogramm "Forschung" (4063/J)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend das österreichische Stimmverhalten bei dem 6. EU-Rahmenprogramm "Forschung" (4064/J)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend das österreichische Stimmverhalten bei dem 6. EU-Rahmenprogramm "Forschung" (4065/J)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend das österreichische Stimmverhalten bei dem 6. EU-Rahmenprogramm "Forschung" (4066/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Nitrofen-Fleisch-Skandal, die Effizienz der "Ernährungsagentur" und DDT-kontaminierte Glashaus-Erde (4067/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend DDT-verseuchte Glashauserde (4068/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Nitrofen-Fleisch-Skandal und heimische Futtermittel-Kontrollen (4069/J)

*****

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender Mainstreaming und Frauenförderung im Parlament (27/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (3701/AB zu 3738/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen (3702/AB zu 3745/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (3703/AB zu 3746/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (3704/AB zu 3747/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (3705/AB zu 3737/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen (3706/AB zu 3756/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen (3707/AB zu 3800/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (3708/AB zu 3773/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolleginnen und Kollegen (3709/AB zu 3777/J)


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107. Sitzung / Seite 15

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (3710/AB zu 3785/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen (3711/AB zu 3790/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (3712/AB zu 3791/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen (3713/AB zu 3797/J)

 

 


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107. Sitzung / Seite 16

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen und eröffne die 107. Sitzung des Nationalrates.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Antoni, Hagenhofer und Lackner.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde, und ich beginne mit dem Aufruf der einzelnen Anfragen.

Bundesministerium für Landesverteidigung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 1. Anfrage, der des Herrn Abgeordneten Prähauser, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung. Ich bitte um Formulierung der Frage.

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

181/M

Wann werden Sie die Entscheidung über die milliardenteure Beschaffung von Kampfflugzeugen, die Sie immer wieder verschoben haben, treffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Ich habe diese Entscheidung nicht, wie Sie sagen, immer wieder hinausgeschoben. Sie wissen, dass diese sicherheitspolitisch unverzichtbare Nachbeschaffung für den Abfangjäger auch nach den Plänen von von der SPÖ geführten Bundesregierungen bereits Mitte der neunziger Jahre hätte getätigt werden sollen.

Wir werden die Entscheidung, wie es immer geplant war, noch vor dem Sommer treffen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Bundesminister! Entwickeln sich die Kompensationsgeschäfte, die in Aussicht stehen, wie prognostiziert, oder gibt es diesbezüglich Probleme?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Wir können über den Gehalt der Kompensationsgeschäfte erst dann konkret etwas sagen, wenn die Typenentscheidung getroffen worden ist, aber ich gehe davon aus, dass ein Mehrfaches des Kaufpreises an hochwertigen Aufträgen, vor allem im Bereich der Hochtechnologie, bei Forschung und Entwicklung für die österreichische Wirtschaft zu lukrieren sein wird.

Noch eine Zusatzinformation: Seit 1978 konnten insgesamt 46 000 Arbeitsplätze über Kompensationsgeschäfte für Heeresaufträge lukriert und gesichert werden. (Beifall bei den Freiheit


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107. Sitzung / Seite 17

lichen und der ÖVP.) Das ist, denke ich, eine positive Sache. Insgesamt geht es um eine Wertschöpfung von über 4 Milliarden €. – Eine Erfolgsgeschichte, an der man sieht, dass das für die Sicherheit zuständige österreichische Bundesheer nicht nur Geld kostet, sondern auch der österreichischen Wirtschaft einen Vorteil bringt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Freigaßner, bitte.

Abgeordnete Evelyn Freigaßner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich komme aus der Region Aichfeld-Murboden, und bei uns sind zurzeit Draken stationiert. Ich frage Sie daher: Seitens mancher Medien wird bereits seit längerem Stimmung gegen den geplanten Ankauf von Abfangjägern gemacht. Haben Sie aktuelle Umfragen darüber, wie die Bevölkerung zu diesem Thema steht, insbesondere auch hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Aspekte?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.


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107. Sitzung / Seite 18

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner:
Frau Abgeordnete! Bei Umfragen ist es natürlich immer so, dass das Ergebnis sehr davon abhängt, wie man die Frage stellt. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ein wahres Wort!) Sowohl bei den positiven als auch bei den negativen, wir wissen es ja.

Ich kann Ihnen sagen, dass wir eine Umfrage haben, wonach eine Mehrheit der Österreicher, nämlich 55 Prozent, die Notwendigkeit der Überwachung des österreichischen Luftraumes sieht und 83 Prozent davon für die Überwachung des österreichischen Luftraumes durch österreichische Kräfte sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Kräuter: Das glauben Sie ja selbst nicht!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Amon, bitte.

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Herr Bundesminister! Von Seiten der Opposition, insbesondere von Seiten der SPÖ, wird die Anschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen heftig kritisiert. Können Sie uns Auskunft darüber geben, wie die Haltung der SPÖ 1998 im Landesverteidigungsrat war, als der Grundsatzbeschluss für die Anschaffung von solchen Luftraumüberwachungsflugzeugen gefasst wurde?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Ich war zwar damals Mitglied des Landesverteidigungsrates, aber wie Sie wissen, sind die Beratungen und Beschlussfassungen dort vertraulich. Deshalb kann ich Ihnen auf diese konkrete Frage keine Auskunft geben. (Abg. Dr. Trinkl  – in Richtung SPÖ –: Das ist euer Glück!) Ich habe aber den Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP zur Regierungsbildung 2000 entnommen, dass eine derartige Beschaffung vorgesehen gewesen wäre, also gehe ich davon aus, dass die sozialdemokratische Fraktion auch in der Zeit vor dem Jahr 2000 dieses Projekt positiv betrachtet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben Meinungsumfragen zitiert. Uns liegen Meinungsumfragen vor, die mit zunehmender Tendenz eine Ablehnung der Beschaffung von Abfangjägern ausweisen. (Abg. Jung: Das ist eine klubinterne Umfrage gewesen!) Wie sehen Sie diese Umfragen und – zweitens – in diesem Zusammenhang die Rolle einer Volksabstimmung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: "Erstens" und "zweitens" zu sagen, das geht nicht, wenn in der Geschäftsordnung ausdrücklich steht, dass nur eine Frage zu stellen ist. Es war ein Gesamtkomplex, nehmen wir einmal an. – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Im Sinne des Interpellationsrechtes werde ich auf beide Fragen antworten; in einer extensiven Auslegung, Herr Kollege Kogler.

Ich sage es noch einmal: Bei den Meinungsumfragen kommt es sehr darauf an, wie die Fragestellung ist. Zum Grundsätzlichen kann ich Ihnen sagen: Ein verantwortungsvoller Politiker und vor allem ein Mitglied der Bundesregierung darf sich nicht nach punktuellen Meinungs- und Stimmungserhebungen richten, sondern muss sich an den Notwendigkeiten orientieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Und es ist eine sicherheitspolitische Notwendigkeit, dass wir in Zukunft so wie auf dem Boden auch in der Luft unsere Souveränität überwachen und schützen können.

Meinungsumfragen schwanken sehr stark nach den aktuellen Bedrohungslagen, aber die Verantwortung bleibt, unabhängig von diesen Meinungsbildern.

Zur Frage der Volksabstimmung: Herr Abgeordneter Kogler! Ich bin sehr dafür, dass die Bevölkerung in grundsätzlichen Fragen mit eingebunden wird. Eine grundsätzliche Frage in der Sicherheitspolitik wäre etwa die Mitgliedschaft Österreichs in einem Verteidigungsbündnis, mit den entsprechenden Konsequenzen. Wir haben uns immer wieder dazu bekannt, dass über eine derartige Frage eine Volksabstimmung durchgeführt werden kann. Ich sehe aber keine Möglichkeit, eine Volksabstimmung über einen Kaufvertrag, der auf Grund unseres derzeitigen völkerrechtlichen Status und unserer derzeitigen Verfassungs- und Rechtslage notwendig ist, abzuhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 2. Anfrage. Herr Abgeordneter Murauer wird diese formulieren.

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

177/M

Wie soll die Reorganisation der Truppen- und Feldküchen nach Ansicht des Bundesministeriums für Landesverteidigung durchgeführt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Zu dieser Frage, die wirklich wichtig ist, weil wir zum einen im Friedensbetrieb eine Überkapazität bei unseren Truppenküchen haben, auf der anderen Seite aber einen hohen Investitionsbedarf, wurde in meinem Ministerium eine Projektgruppe eingerichtet, die die Aufgabe hat, alle, vor allem auch die rechtlichen Parameter zu überprüfen. Ich erwarte mir noch im Sommer ein Ergebnis.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Wie wollen Sie die dezentrale Beschaffung in kleineren Garnisonsorten nach Ausgliederung der Truppenküche sicherstellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Ich denke, dass die ausreichende Versorgung unserer Truppen sowohl im Einsatz bei Übungen als auch im Friedensbetrieb absolute Priorität hat, dass aber natürlich auch die Effizienz und die Kostenwahrheit entsprechend berücksichtigt werden müssen.

Es ist klar, dass auch in Kleingarnisonen die Versorgung sichergestellt werden muss. Aber auch das ist ein Auftrag an die Projektgruppe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Pilz, bitte.


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107. Sitzung / Seite 19

Abgeordneter Dr. Peter Pilz
(Grüne): Herr Bundesminister! Ich bedauere persönlich, dass Sie von Seiten des Koalitionspartners vorhin derart "hart" und "schonungslos" befragt wurden. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Da ich davon ausgehe, dass die Feldküchen auch zur Verpflegung der Fliegerdivision verwendet werden, frage ich Sie: Wie viel Prozent haben sich in Ihrer Umfrage für die Beschaffung von Abfangjägern ausgesprochen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Die Frage, die Abgeordneter Murauer eingebracht hat, ist nicht ins Lächerliche zu ziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Es geht nämlich darum, im Ernstfall bis zu 100 000 Soldaten mit Lebensmitteln versorgen zu können. Ich denke, das sollte in unser aller Interesse und im Interesse jedes Abgeordneten, der, wovon ich ausgehe, grundsätzlich zur militärischen Landesverteidigung steht, sein. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich wiederhole noch einmal die Frage, die das market-Institut gestellt hat: Sind Sie für eine Überwachung des österreichischen Luftraumes? – 55 Prozent der Befragten, über 1 000 Personen, waren dafür, 36 Prozent waren dagegen. 83 Prozent sind für eine Überwachung des österreichischen Luftraumes durch das österreichische Bundesheer. (Abg. Dr. Pilz: Habt ihr gar nicht gefragt, wie viel für die Abfangjäger sind?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Parnigoni, bitte.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Bundesminister! Mir liegt eine Umfrage mit folgender Fragestellung vor: Halten Sie es für wichtig, dass der österreichische Luftraum durch Abfangjäger gesichert wird? – 26 Prozent waren dafür und 60 Prozent dagegen. Ich möchte das nur zu Ihrer Antwort hinzufügen. (Abg. Jung: Eine klubinterne Umfrage!  – Weitere Zwischenrufe.)

Herr Bundesminister! Ich darf auch daran erinnern, dass Abgeordneter Burgstaller seitens der ÖVP gegen seinen eigenen Minister Lichal ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Parnigoni! Ich muss Sie jetzt um eine konkrete Frage bitten.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (fortsetzend): Herr Bundesminister! Meine konkrete Frage lautet: Nach internen Berichten will sich eine kleine Gruppe von derzeitigen und ehemaligen Heeresangehörigen des Landesverteidigungsministeriums durch die Ausgliederung des Verpflegungswesens ein Zubrot verdienen, da "mitschneiden". Können Sie ausschließen, dass derzeitige oder ehemalige Bedienstete des Verteidigungsministeriums eine derart ungeheure Vorgangsweise wählen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Ich kann auf jeden Fall ausschließen – und ich werde alles dazu tun, dass es auch so bleibt –, dass irgendeine "ungeheure Vorgangsweise", wie Sie das ausgedrückt haben, bei dieser Neuordnung der Truppenverpflegung vonstatten geht.

Ob überhaupt eine Firma zum Zug kommt, um gemeinsam mit uns diese Organisation zu übernehmen, hängt ja davon ab, wie das Ergebnis der Arbeit dieser Projektgruppe aussehen wird.

Es gibt eine große Bandbreite, dass wir das in Zukunft auch selbst übernehmen, dass wir in Kooperationen mit anderen Anbietern gehen, um vor allem diese Überkapazität entsprechend zu nützen. Das wird aber, wie gesagt, vom Ergebnis der Arbeit der Projektgruppe abhängen.


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107. Sitzung / Seite 20

Wir werden im Landesverteidigungsausschuss Gelegenheit haben, auch dieses Projekt zu diskutieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur 3. Anfrage, die Herr Abgeordneter Dr. Pilz eingereicht hat. Ich bitte um die Formulierung der Frage.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

179/M

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um zu verhindern, dass sich Bundesheerangehörige vor ihrer Heimfahrt mit dem PKW in der Kaserne gemeinsam betrinken?

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter Pilz! Ich kann Ihnen sagen, dass auf militärischen Liegenschaften und in Kasernen während der Dienstzeit selbstverständlich striktes Alkoholverbot herrscht. (Abg. Dr. Pilz: Geh bitte!) Ein Zuwiderhandeln gegen solche Vorschriften wird disziplinarrechtlich geahndet.

Das Verhalten nach der Dienstzeit, Herr Abgeordneter Pilz, liegt natürlich im persönlichen Verantwortungsbereich jedes mündigen Erwachsenen. Solange es aber Auffälligkeiten am Kasernengelände gibt, haben wir Möglichkeiten, das entsprechend zu ahnden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine Zusatzfrage, wie ich annehme? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Bundesminister! Der Obmann der freiheitlichen Bürgerwehr in Graz hatte sich gemeinsam mit Kameraden in der Kaserne betrunken, bevor er schwer alkoholisiert mit seinem PKW durch Graz fuhr und einen Unfall verursachte.

Wir wissen, dass in Österreichs Kasernen (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Frage!) in sehr hohem Maße Alkoholmissbrauch betrieben wird. Die Frage lautet daher: Sind Sie bereit, in Ihren Kasernen ein generelles Alkoholverbot zu verhängen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter Pilz! Ich weise zuerst die Unterstellung zurück, dass es in den österreichischen Kasernen ein Alkoholproblem und Alkoholmissbrauch gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist genau der Versuch, immer wieder Soldaten des österreichischen Bundesheeres (Abg. Dr. Pilz: Das sind doch Ihre betrunkenen Parteifreunde!), die sich unter Einsatz ihres Lebens in den Dienst der Sicherheit unseres Landes gestellt haben, unterschwellig zu verunglimpfen. Herr Abgeordneter! Ich weise das wirklich auf das Allerschärfste zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich habe mir die Statistik ausheben lassen: Es gibt – Sie wissen das – etwa 25 000 Bedienstete, pro Jahr etwa 30 000 Grundwehrdiener und zusätzlich einige Tausend Milizsoldaten, die Dienst beim österreichischen Bundesheer machen. Das heißt, es sind etwa 60 000 Soldaten, die über die Jahresfrist hinweg im österreichischen Bundesheer Dienst machen, und wir hatten im Jahr 2001 gerade 22 Fälle oder Auffälligkeiten, wie wir das nennen, im Zusammenhang mit Alkohol. Das sind 22 Fälle bei 60 000 Personen! Herr Abgeordneter Pilz! Ich hoffe, dass der Schnitt der österreichischen Bevölkerung auch dem entspricht.


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107. Sitzung / Seite 21

Bezüglich Ihrer konkreten Frage denke ich, dass ein generelles Alkoholverbot nach Dienstende kontraproduktiv wäre. Es handelt sich dabei um ein gesellschaftliches Problem, und dieses Problem, die 22 Fälle würden sich nur auf außerhalb der Kasernen verlagern (Abg. Dr. Pilz: In den Kasernen!), und dann gäbe es noch weniger Ahndungs- und Vorbeugungsmöglichkeiten.

Wir haben aber selbstverständlich Maßnahmen gesetzt: Alkoholfreie Getränke werden vor allem in den Soldatenheimen und vor allem über Getränkeautomaten besonders günstig angeboten. Außerdem haben wir eine sehr intensive Kooperation mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit, das Verkehrserziehungsmaßnahmen anbietet und Informationskampagnen durchführt.

Ich sage noch einmal: Ich gehe davon aus, dass dieses Problem ein gesellschaftliches Problem ist. Und ich weiß nicht, Herr Kollege Pilz, ob Sie auch dafür eintreten, dass in der Cafeteria des Parlaments während der Dienstzeit der Abgeordneten ein Alkoholverbot herrscht. (Abg. Dr. Pilz: Jawohl! – Weitere Zwischenrufe.) Ich weiß nicht, ob das die Zustimmung der Abgeordneten finden würde (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Schieder ), glaube aber, dass man dieses Problem weniger mit generellen Verboten als vielmehr mit Aufklärung und Motivation bekämpfen kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Zellot, bitte.

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Herr Bundesminister! In meiner 26-jährigen Dienstzeit habe ich noch nie bemerkt und gesehen, dass sich Soldaten vor der Heimreise in der Kaserne betrinken. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Ich stelle trotzdem folgende Frage: Welche Maßnahmen zur Eindämmung dieses grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Problems wurden im Bereich des Bundesheeres bereits getroffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Ich habe es eigentlich schon im Zusammenhang mit der letzten Frage beantwortet: Wir haben eine enge Kooperation mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit. Es wird auch im Rahmen der Grundwehrdienerausbildung auf diese Problematik hingewiesen. Außerdem sind alle unsere Dienste vom Tag sowie die Wachen angewiesen, entsprechende Auffälligkeiten zu beobachten. Und es wurde, wie schon gesagt, dafür Vorsorge getroffen, dass alkoholfreie Getränke in den Kasernen kostengünstig zur Verfügung stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Murauer, bitte.

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich hoffe, Sie sind nicht ungehalten, wenn ich mich den untergriffigen Fragestellungen des Herrn Pilz nicht anschließe. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Kasernen lassen mich jedoch an den Kasernenverkauf denken. Herr Bundesminister! Ich frage Sie: Wie hoch sind die Beträge, die seit dem Jahr 2000 aus dem Kasernenverkauf lukriert werden konnten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ein inhaltlicher Zusammenhang zum Alkoholproblem ist nicht gegeben. (Abg. Böhacker: Aber die Kasernen!) Ich stelle es dem Herrn Bundesminister frei, so wie in anderen Fällen Stellung zu nehmen.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter Murauer! Wir hatten für die Jahre 2000 und 2001 etwa 16 Millionen € an Erlösen aus Kasernenverkäufen zur Verfügung, auch für Heeresbeschaffungen. Dazu kommen noch entsprechende Erlöse, die zweckgebunden wieder für die Revitalisierung von Heeresgebäuden verwendet werden können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit ist dieser Fragenkomplex abgeschlossen.

Wir kommen zum 4. Thema. Ich bitte Herrn Abgeordneten Jung, seine Frage vorzutragen.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


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107. Sitzung / Seite 22

184/M

Die Lufttransportfähigkeit war lange Zeit ein Problembereich des Bundesheeres. Dies ist durch den Ankauf von drei Flugzeugen der Type Herkules von der Britischen Armee und die Beschaffung von Transporthubschraubern gelöst worden. Ab wann werden die Hubschrauber und Flugzeuge verfügbar sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter Jung! Auch ich bin sehr stolz darauf, dass es gelungen ist, mit einem der modernsten Transporthubschrauber, die es überhaupt gibt, und durch den Ankauf von drei Transportflugzeugen einen wichtigen Bereich abzudecken, in dem es in der Vergangenheit große Defizite gegeben hat. Sie werden in Evakuierungsfällen beim Transport von Gerät, aber auch von Personal von besonderer Bedeutung sein.

Die Transporthubschrauber vom Typ "Black Hawk" werden von August dieses Jahres bis Jahresende dem österreichischen Bundesheer, wie es in der militärischen Diktion so schön heißt, "zufließen", also angeliefert werden. Die Transportflugzeuge vom Typ "Herkules" werden mit Jahresbeginn 2003 bis Ende des Jahres 2003 in den Dienst des österreichischen Bundesheeres gestellt werden können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Erscheint es mittelfristig notwendig, insbesondere im Hubschrauberbereich noch weiteren Transportraum zu beschaffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Wir haben jetzt neun Hubschrauber vom Typ "Black Hawk" beschafft. Es gibt eine Option auf weitere drei Hubschrauber.

Ich gehe davon aus, dass es selbstverständlich die Notwendigkeit gibt, weitere Transportkapazität zu beschaffen. Das hängt aber natürlich von den vorhandenen Budgetmitteln ab.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stadler, bitte.

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Herr Bundesminister! Für welche besonderen Aufgaben sollen diese Transportflugzeuge herangezogen werden? (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Die Transportflugzeuge werden für den Lufttransport von Gerät und Personal verwendet. Das ist sowohl im In- als auch im Ausland von besonderer Bedeutung, weil wir bis jetzt Fluggerät sehr teuer anmieten mussten, um etwa Truppenkontingente zu Auslandseinsätzen zu entsenden.

Dieses Gerät ist zudem für humanitäre Bereiche wichtig. Es ist natürlich auch ein Sicherheitsfaktor, weil wir damit in einem Krisenfall sehr rasch mit eigenen Kräften eigenes Personal sowie österreichische Staatsbürger aus einem Krisenraum nach Österreich evakuieren können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister! Im Zusammenhang mit der Hubschrauberbeschaffung wurde jetzt öfters darauf hingewiesen, dass bereits sensationelle Gegengeschäfte abgeschlossen werden konnten. Das hat unter anderem der Anfragesteller


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verbreitet. Wirtschaftszeitungen jedoch geben Interviews der angeblich betroffenen Firmen wieder, in denen von diesen genau das Gegenteil behauptet wird.

Wie groß sind die tatsächlich abgeschlossenen Gegengeschäfte aus dem Hubschrauberankauf, und werden Sie dafür eintreten, dass diese Dinge veröffentlicht werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Grundsätzlich obliegen die Verwaltung und Kontrolle der Gegengeschäfte dem Wirtschaftsministerium. Sie wissen das, Herr Abgeordneter!

Ich denke, dass das Gegengeschäftsprojekt für den Hubschrauber "Black Hawk" ein sehr erfolgreiches ist, weil erstmals 200 Prozent des Kaufpreises an Kompensationsvolumen erreicht werden konnten.

Herr Abgeordneter Kogler! Sie vergessen, dass der Zeitraum für die Abwicklung dieser Kompensationsgeschäfte 10 bis 15 Jahre umfasst. Ich kann Ihnen sagen, dass schon vor Anlieferung des ersten Hubschraubers, etwa um die Zeit des Vertragsabschlusses, Gegengeschäfte von damals etwa 400 Millionen Schilling abgeschlossen werden konnten. (Abg. Mag. Kogler: Welche?) Wenn Sie sich die Jahrestangenten ansehen, stellen Sie fest, dass das eigentlich mehr ist, als von der Aufteilung her notwendig gewesen wäre.

Ich kann Ihnen also sagen, dass dieses Projekt meines Wissens sehr erfolgreich abgewickelt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schwemlein, bitte.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich denke, dass es für das gesamte Haus wichtig ist, Folgendes zu wissen: Wie hoch waren die tatsächlichen Gesamtkosten für diese Beschaffungen, und werden diese aus dem laufenden Budget finanziert?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Für die Hubschrauber waren Gesamtkosten von etwa 215 Millionen € zu verzeichnen. Es gibt im Rahmen des Verteidigungsbudgets ein Zusatzbudget in jährlichen Tangenten für die Finanzierung dieser Hubschrauber.

Die Gesamtkosten für die Transportflugzeuge vom Typ "Herkules" werden, wenn ich alles zusammenrechne, etwa 41 Millionen € umfassen. Das ist im Verteidigungsbudget enthalten. Wir haben derzeit aber einiges an Abverkauf von militärischem Altgerät offen, und ich gehe davon aus, dass wir einen Großteil dieser Kosten durch die Einnahmen aus diesem Verkauf abdecken können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 5. Thema. – Bitte, Herr Abgeordneter Gaál.

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

182/M

Wie viele MitarbeiterInnen aus Ihrem Ressort, die bei bester Gesundheit sind und die über die volle Leistungsfähigkeit verfügen, werden das blau-schwarze Angebot annehmen, vor 61,5 Lebensjahren in den Vorruhestand zu gehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass wir derzeit – und darüber wird ja heute noch bei einem Tagesordnungspunkt zu sprechen


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sein – dabei sind, die obere und oberste militärische Führung grundsätzlich zu reorganisieren, Bürokratie zu reduzieren, die Verwaltung abzuschlanken und damit auch Personal einzusparen.

Sie wissen, dass im öffentlichen Dienst – wir alle bekennen uns dazu – keine Entlassungen oder Kündigungen auf Grund solcher Reorganisationsmaßnahmen möglich sind. Es muss deshalb Sozialmaßnahmen, Rahmenbedingungen geben, die für die Mitarbeiter einen Anreiz darstellen, auf freiwilliger Basis aus dem Dienstverhältnis auszuscheiden. Das ist auch bei Großbetrieben durchaus üblich.

Ich halte es für sinnvoller, Einsparungseffekte durch ein Vorruhestandsmodell zu erzielen, als Beschäftigte im Ministerium zu haben, die 100 Prozent der Bezüge erhalten, obwohl es für sie keine Beschäftigung mehr gibt. Ich denke also, dass diese Pakete sinnvoll sind.

Eine genaue Zahl, wie viele Bedienstete betroffen sein werden, kann man erst dann nennen, wenn diese Maßnahmen durchgeführt werden.

Noch einmal: Es gilt das Prinzip der Freiwilligkeit, und ab der Umsetzung dieser Reorganisationsmaßnahmen wird jeder Bedienstete, dessen Arbeitsplatz betroffen ist, angeschrieben werden. Er wird gefragt werden, ob er vom Vorruhestandsmodell Gebrauch machen möchte – natürlich geht es um Bedienstete, die über 55 Jahre alt sind. Erst dann kann man eine Gesamtzahl vorlegen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Gaál.

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie wissen ja, dass Sie mit dieser Aktion in Widerspruch zu Ihrem Bundeskanzler stehen, der sagt: Arbeiten bis 65 Jahre! Meine Frage lautet daher: Haben Sie diese Aktion, bestqualifizierte, höchstmotivierte Beamte im Alter von 55 Jahren mit 80 Prozent ihres Letztbezuges – oftmals auch gegen deren Willen – in den Vorruhestand zu schicken, mit der Personalvertretung abgesprochen? Ist das in Übereinstimmung mit den Gewerkschaftern und Personalvertretern geschehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: All diese Maßnahmen sind in Übereinstimmung mit der Personalvertretung projektiert und umgesetzt worden. Auch Ihre Fraktion in der Personalvertretung hat – ich sage ein aufrichtiges Danke an die Personalvertretung – sehr konstruktiv an diesen notwendigen Reformen mitgewirkt. Und ich betone noch einmal: Es wird beim Vorruhestandsmodell auf das Prinzip der Freiwilligkeit Wert gelegt, und es ist im Sinne der Effizienz und der Sparsamkeit.

Ich darf Sie daran erinnern, Herr Abgeordneter Gaál, dass es Betriebe gibt, die sich im Bereich der staatlichen und halbstaatlichen Ebene befanden, wo aber – wir diskutieren derzeit darüber – nicht immer unter dem Prinzip der Freiwilligkeit Frühpensionierungen vorgenommen wurden. Diese setzten bei einem Alter an, das wesentlich unter der 55-Jahre-Grenze lag. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Bösch, bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sie haben schon angesprochen, dass Sie im Sinne der Effizienzsteigerung und der Sparsamkeit noch heuer die obere Führung Ihres Ministeriums umstrukturieren werden. Welche Einsparungen sind hier längerfristig zu erzielen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Wir haben allein im Bereich der Zentralstelle, also des Ministeriums selbst, über 530 Planstellen eingespart; davon werden 289 Planstellen wirklich gestrichen und können – in welcher Form, wird davon abhängen, wann


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die Umstellung auf Controlling-Punkte gelingen wird – dann auch an die Truppe weitergegeben werden.

Wir haben diese Reorganisation, die Entbürokratisierung und die Einsparungen auf den gesamten Bereich der militärischen Führung ausgedehnt. Es sind Einsparungen bis zu 40 Prozent im jeweiligen Organisationselement erzielt worden. Ich bin wirklich sehr stolz darauf, weil wir jetzt signalisieren können: Wir haben einen schlanken Apparat, eine schlanke Führung, damit aber eine noch einsatzkräftigere Organisation bei der Truppe. Das ist nämlich im Sinne der Sicherheit Österreichs und seiner Bevölkerung unsere Priorität.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Loos. – Bitte.


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Abgeordneter Johann Loos
(ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie Sie bereits gesagt haben, werden wir in Zukunft weniger Führungskräfte brauchen. Welche Maßnahmen planen Sie diesbezüglich bei der Ausbildung von Militärakademikern und bei der Generalstabsausbildung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Wir brauchen weniger Führungspersönlichkeiten in den Top-Ebenen von der Quantität her, aber sicherlich nicht von der Qualität her. Unsere Offiziersausbildung und auch unsere Generalstabsausbildung sind europaweit auf einem höchst anerkannten Niveau. Wir brauchen selbstverständlich etwa auf der Ebene der Truppenoffiziere Bestqualifizierte, wir brauchen auch hoch ausgebildete Generalstabsoffiziere, und vor allem für die internationalen Stäbe im Rahmen der Europäischen Union benötigen wir ausreichend Experten. Deshalb ist nicht daran gedacht, im Bereich der Ausbildung weitere Einsparungen vorzunehmen, sondern es ist notwendig, den jetzigen Standard zu halten.

Was wir aber unternehmen müssen, ist, im Sinne von flexibleren Dienstschemata – auch daran wird gearbeitet – dafür zu sorgen, dass es Anreize gibt, nach einer gewissen Verwendungsdauer aus dem Militärdienst in andere Bereiche zu wechseln, sodass wir in Zukunft im österreichischen Bundesheer die Personalpyramide bekommen, die international für Armeen adäquat und sinnvoll ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Die Bundesregierung und die Koalitionsparteien kritisieren die von ihr selbst mitverursachten Frühpensionierungen bei Bahn, Post und Telekom und versuchen sogar, sie als Kriminalfall darzustellen. Daher stelle ich die Frage: Warum fallen die Frühpensionierungen in Ihrem Bereich unter die "Chance 55", während sie bei Bahn, Post und Telekom ein Kriminalfall sein sollen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Ich kann Ihnen klar sagen, dass dieses Vorruhestandsmodell im österreichischen Bundesheer auf absoluter Freiwilligkeit beruht und auch nicht davon ausgegangen wird, dass es irgendwelche ärztlichen Atteste gibt oder nicht. Alleine das unterscheidet dieses Projekt von dem von Ihnen angesprochenen. Da geht es um ein Sozialpaket im Sinne einer Reorganisation, so wie es bei vielen Großbetrieben üblich ist. Es ist das Ziel, Personal, das man nicht mehr benötigt, nicht mit 100 Prozent des Gehalts in der Dienststelle zu behalten, sondern mit einem niedrigeren Pensionsbezug in den Vorruhestand zu schicken und dadurch für die öffentliche Hand und den Steuerzahler Einsparungen zu erzielen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum nächsten Fragethema.

Herr Abgeordneter Loos formuliert die Frage. – Bitte.

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

178/M

Welche Ausrüstungsvorhaben des österreichischen Bundesheeres, insbesondere betreffend eine Nachbeschaffung moderner und sicherer Mannesausrüstung, sind in dieser Gesetzgebungsperiode im Laufen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter Loos! Sie wissen, dass es das Ziel dieser Bundesregierung ist, dem österreichischen Bundesheer die notwendige Ausrüstung zu geben, die erforderlich ist, um die Aufträge, die wir unseren Soldaten gestellt haben, auch erfüllen zu können. Neben den Großbeschaffungen – einige wurden heute schon angesprochen –, wie Transportflugzeuge, Abfangjäger, Hubschrauber, gibt es etwa im Bereich der mechanisierten Truppe jetzt gerade den Zulauf des modernen Schützenpanzers "Ulan". Wir haben in dieser Legislaturperiode auch noch vor, eine weitere Tranche für den Radpanzer "Pandur" zu beschaffen.

Hinsichtlich der Ausrüstung der Soldaten – wir müssen uns jetzt den Begriff "Mannesausrüstung" abgewöhnen, weil es immerhin schon sehr erfolgreich auch Damen in Uniform gibt – ist die Erprobung des "Kampfanzuges neu", der ein international hervorragendes Ausrüstungssystem ist, in der Endphase. Ich gehe davon aus, dass wir diesen ab 2003 beschaffen können.

Wir haben Ausrüstung in Beschaffung für die so genannte Crowd and Riot Control, das heißt also Schutzausrüstung für unsere Soldaten, auch für den internationalen Einsatz, etwa bei Checkpoints, bei Demonstrationen et cetera. Wir haben eine weitere Tranche von 20 000 Kampfhelmen, Splitterschutzsystemen und Kugelschutzwesten im Zulauf, sodass sowohl international als auch national ein optimaler Schutz für die Soldaten im Einsatz gewährleistet ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Rahmen des Assistenzeinsatzes, der unbedingt notwendig ist und der vom Bundesheer auch ausgezeichnet durchgeführt wird, kommt es zu hohen Personalkosten. Daneben wurden aber auch entsprechende Ausrüstungsgegenstände spezieller Art angeschafft, und auch die Abnützung der Ausrüstung und der Ausrüstungsgegenstände ist relativ groß. Wie hoch können Sie ungefähr die zusätzliche Belastung des Verteidigungsbudgets beziffern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Dieser Schutz der österreichischen Grenzen gegen illegale Einwanderung in Niederösterreich und im Burgenland ist eine wichtige Aufgabe, die das österreichische Bundesheer gemeinsam mit den Kräften des Innenministeriums sehr erfolgreich erfüllt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mehr als 2 000 Soldaten sind permanent an der österreichischen Grenze tätig. Wir haben im Vorjahr ein zusätzliches Budget in der Höhe von 100 Millionen Schilling für eine weitere moderne Ausrüstung, für weitere Ausstattung unserer Truppen an der Grenze bekommen. Wir haben vor allem Wärmebildkameras erhalten, um auch in der Nacht und bei Schlechtwetter die Grenze besser überwachen zu können.

Wir haben voriges Jahr etwa 700 Millionen Schilling aus dem eigenen Budget für diese Aufgabe aufgewendet. Diese Aufgabe wird seit Beginn der neunziger Jahre durchgeführt, und ich kann Ihnen sagen, dass das österreichische Bundesheer der öffentlichen Hand sehr viel Geld erspart hat, weil wir diese Aufgabe bis jetzt kostengünstig, effizient aus den eigenen Budgetmitteln be


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stritten haben. Etwa 8 Milliarden Schilling sind in diesem Zeitrahmen für diese Aufgabe aufgewendet worden. Ich gehe aber davon aus, dass dann, wenn dieser Einsatz weitergeführt wird – und wir bekennen uns dazu –, in Zukunft auch die Zusatzkosten, so wie es auch im Regierungsprogramm vorgesehen ist, dem österreichischen Bundesheer ersetzt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Pilz, bitte.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Um die Ausrüstung von Personen von der Zahl her planen zu können, muss man wissen, wie viele Personen es in Zukunft in diesem Bereich geben wird. Jetzt hat endlich auch der NATO-Generalsekretär festgestellt, dass die Wehrpflicht international vor der Abschaffung steht. Planen Sie auch, diesen durchaus vernünftigen Gedanken aufzugreifen und die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht in Österreich vorzubereiten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter Pilz! Es ist richtig, dass in vielen Ländern, aber auch innerhalb vieler Systeme, Verteidigungsbündnisse diese Frage sehr intensiv diskutiert wird. Für mich geht es darum, dass das Wehrsystem nicht Selbstzweck ist, sondern Mittel zum Zweck, um die Sicherheit des eigenen Landes optimal zu gewährleisten. Sie wissen, dass die Frage des Berufsheeres oder der Freiwilligenarmee in erster Linie in jenen Ländern gestellt wird, die Mitglied eines Verteidigungsbündnisses, etwa der NATO, sind, weil durch das aufgabenteilige Verfahren die Personalkapazitäten reduziert werden können.

Mein Ziel ist es, in Zukunft – wahrscheinlich erst mittel- bis längerfristig – das Prinzip der Freiwilligkeit stärker in den Vordergrund zu stellen und danach zu trachten, dass wir für die gestellten Aufgaben auch ausreichend Freiwillige bekommen. Solange das nicht der Fall ist und solange Österreich nicht in diesen Verbund der demokratischen Staatengemeinschaft im Wege der gemeinsamen Verteidigung integriert ist, so lange wird mit großer Wahrscheinlichkeit auf die allgemeine Wehrpflicht nicht zu verzichten sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Bösch stellt die nächste Zusatzfrage. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben schon davon gesprochen, dass Sie dabei sind, das Bundesheer im Geräte- und Ausrüstungsbereich umfassend zu modernisieren. Ich frage Sie daher: Wie genau ist der Stand der Beschaffung für den "Kampfanzug neu", und worin liegen dabei die Vorteile für den einzelnen Soldaten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das waren eineinhalb Fragen. – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass der jetzige Feldanzug, der auch als Kampfanzug verwendet wird, schon in die Jahre gekommen ist, schon einige Jahrzehnte im österreichischen Bundesheer im Dienst ist und dass wir deshalb seit eineinhalb Jahren ein neues System erproben. Diese Erprobung steht jetzt am Ende, und wir werden sie im Sommer dieses Jahres abschließen können, sodass wir diesen Kampfanzug ab dem nächsten Jahr zufließen lassen können.

Diese Erprobung ist bei allen Truppenteilen im In- wie im Ausland erfolgt. Das heißt, dass diejenigen, die diesen Anzug, die dieses Gerät und diese Ausrüstung verwenden, auch jene sind, die in die Erprobung eingebunden worden sind, sodass wir sagen können, dass wir ein optimales System zum Schutz unserer Soldaten anbieten können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Pfeffer stellt die nächste Zusatzfrage. – Bitte.

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Bundesminister! Der Schutz und die Sicherheit jedes einzelnen Soldaten liegen uns besonders am Herzen. Meine Zusatzfrage haben Sie fast


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schon beantwortet, sie lautet: Werden diese Schutzausrüstungen und diese neuen Geräte uneingeschränkt auslandstauglich sein?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Selbstverständlich, Frau Abgeordnete, denn vom Bedrohungs- und Anforderungspotential her macht es keinen Unterschied, ob ein Einsatz im Inland oder im Ausland stattfindet, sondern für mich hat es Priorität, dass jene Soldaten und jene Truppenteile, die eben im Einsatz Aufgaben zu erfüllen haben, die Ersten sind, die derartiges modernes Gerät bekommen, und dann werden wir stufenweise das gesamte österreichische Bundesheer mit der modernen Ausrüstung ausstatten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 7. Anfrage, die Herr Abgeordneter Mag. Kogler eingebracht hat. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

180/M

Wie hoch sind die jährlichen Belastungen des Bundesbudgets für die Jahre 2003 bis 2005 durch den geplanten Ankauf von Abfangjägern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter Kogler! Sie wissen, dass es das Ziel der österreichischen Bundesregierung ist, für das Jahr 2003 keine Zahlungen für dieses Abfangjägerprojekt zu leisten. Wie hoch sich die jährlichen Tangenten der Folgejahre gestalten, wird davon abhängen, welche Type zu welchem Preis beschafft wird. Wir überprüfen gerade die entsprechenden Angebote. Wenn diese Angebote überprüft sind und ein Bestbieter genannt wird, dann kennen wir auch den genauen Preis, und dann können wir – wenn auch die Finanzierungspakete evaluiert sind – in den entsprechenden Ausschüssen auch über diese Jahrestangenten diskutieren. Bis jetzt ist eine derartige Auskunft noch nicht möglich.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Meine Frage hätte auch die Jahre 2004 und 2005 beinhaltet. Sie sagen, es könne keine Auskunft gegeben werden. Ich frage Sie trotzdem: Wie verträgt sich das mit der Parole der Bundesregierung, keine neuen Schulden zu machen, zumal dieses Projekt unter Garantie nur mit Schulden finanziert werden kann? Wie werden Sie die Vorgaben des Bundesministers für Finanzen, dass in den nächsten sieben Jahren in jedem Ressort die Ausgaben gesenkt werden müssen, einhalten können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter Kogler! Die österreichische Bundesregierung bekennt sich dazu, alle notwendigen Aufgaben des Staates optimal erfüllen zu können. Es gibt eine ganze Reihe von notwendigen Aufgaben: im Sozialsystem, im Pensionssystem, in den Bereichen der Infrastruktur, des Straßenbaus, der Kunst und Kultur, der Unterstützung der Demokratie, aber auch der Sicherheit unseres Landes. Sie wissen: Österreich gibt seit Jahrzehnten europaweit am wenigsten für die eigene Sicherheit aus. Sie könnten sagen, man habe sehr viel Geld erspart; ich würde sagen, man hat Glück gehabt, dass nicht viel mehr passiert ist und wir eben nur die uns bisher gestellten Aufgaben zu erfüllen hatten. Aber es wird unsere Verantwortung sein – und ich bin davon überzeugt, es wird gelingen –, dass wir die Sicherheit des Sozialsystems garantieren, eine Steuersenkung umsetzen können und das Notwendige – ich sage noch einmal: das Notwendige! – für die Sicherheit Österreichs und der Österreicherinnen und Österreicher gewährleisten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Tancsits, bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Bundesminister! Wenn Sie von notwendigen und kalkulierbaren Kosten sprechen, dann drängt sich folgende Zusatzfrage auf: Wie hoch sind im Vergleich dazu die Belastungen durch den Schuldendienst aus Kapital- und Zinstilgung, die wir wegen der auf Grund der Politik des Finanzministers Edlinger und seiner Vorgänger insgesamt hohen Staatsverschuldung zu leisten haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nehmen wir also das Thema Staatsverschuldung in die Fragestunde des Landesverteidigungsministers hinein, wenn Sie sich dazu äußern wollen, Herr Minister. – Bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Das hat natürlich eine Auswirkung, denn laut Auskunft des Finanzministeriums wenden wir pro Jahr etwa 7,2 Milliarden €, also etwa 100 Milliarden Schilling, allein für die Zinsen für die Staatsverschuldung der letzten dreißig Jahre auf. Das ist mehr als das Vierfache des Landesverteidigungsbudgets.

Da ja im Zusammenhang mit den Abfangjägern so gerne umgerechnet und darauf hingewiesen wird, was man alles finanzieren könnte, wenn man dieses Projekt nicht realisieren würde, drehe ich es einmal um: Hätten wir diese Staatsverschuldung nicht – gerechnet auf die wahrscheinliche Finanzierungsdauer –, dann würden wir nicht über 24 Abfangjäger diskutieren, sondern über ein Paket von 800 bis 900 Stück. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Schasching, bitte.

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich halte fest, dass Sie durch den Ankauf der Abfangjäger und durch die Vorgangsweise in Ihrem Ressort jetzt die Schulden für die Zukunft machen. Das ist eine Tatsache und wurde vom Rechnungshof in dieser Form auch kritisiert. Daher möchte ich folgende Frage stellen: Wie hoch sind die aktuellen Vorbelastungen, umgerechnet in Prozent des Verteidigungsbudgets, und mit wie viel an Zinsen haben wir zu rechnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Frau Abgeordnete! Wir haben nach dem jetzigen Stand bis zum Jahre 2011 – aufgeteilt auf Tranchen – insgesamt 639 Millionen € an Vorbelastungen. Ich kann jetzt nicht den aktuellen Prozentsatz nennen, ich kann ihn aber gerne nachreichen. Ich kann Ihnen aber sagen – Sie wissen das, weil wir es auch im Rechnungshofausschuss diskutiert haben –, dass diese Vorbelastungen absolut üblich sind, weil es international selbstverständlich ist, dass Heeresbeschaffungen in mehrere Tranchen aufgeteilt und abgezahlt werden und es deshalb zu diesen Vorbelastungen kommt.

Das größte Paket, das die Vorbelastungen jetzt umfassen, ist das Mech-Paket, das auch unter SPÖ-Regierungsbeteiligung beschlossen worden ist. Das ist durchaus positiv gewesen. Es ist aber auch selbstverständlich, dass Gerät, das jetzt bezahlt wird, auch erst jetzt zur Verfügung steht und entsprechend verwendet werden kann.

Zum Prozentsatz ist natürlich eines zu sagen: Wäre das Landesverteidigungsbudget, vor allem der Investitionsbereich, so hoch, wie es sein könnte oder im internationalen Bereich sein sollte, dann wäre auch der Prozentsatz der Vorbelastungen wesentlich niedriger. Vielleicht finden wir uns bei diesem Projekt dabei, das Verteidigungsbudget gemeinsam zu erhöhen, um das Problem der Vorbelastungen entsprechend zu minimieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Hartinger, bitte.

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Der Trend in der Ausrüstung moderner Armeen geht in Richtung kostspieliges High-Tech. Glauben Sie, dass die


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österreichische Bevölkerung für die notwendigen Beschaffungen, vorwiegend auch zum Schutz unserer Soldaten, Verständnis hat?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte, Herr Minister.


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Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner:
Frau Abgeordnete! Entgegen manchen Meldungen in Magazinen oder auch in politischen Debatten bin ich zutiefst davon überzeugt, dass die Österreicher sehr genau wissen, was sie an ihren Soldaten, an den Angehörigen des österreichischen Bundesheeres haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Überall dort, wo diese Soldaten auftreten, haben wir – und darauf bin ich sehr stolz – die hundertprozentige Unterstützung der Bevölkerung. Erinnern Sie sich an den 26. Oktober vorigen Jahres: Eine halbe Million Österreicher waren bei den Informationsveranstaltungen des Bundesheeres. Beim Flugtag in Zeltweg vor zwei Jahren haben 250 000 Österreicher unseren Soldaten zugejubelt. Wir stehen dazu. Es hat sich auch in einer Umfrage gezeigt, dass 48 Prozent der Bevölkerung gegenüber 43 Prozent eine Erhöhung der Budgetmittel für das österreichische Bundesheer befürworten. Dieser Prozentsatz ist auch vom aktuellen Bedrohungsbild abhängig, aber Sie sehen, dass es eine gute Mehrheit der Österreicher gibt, die den zusätzlichen Bedarf beim Gerät und beim Budget durchaus sehen und unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 8. Anfrage, die des Herrn Abgeordneten Zellot, wurde zurückgezogen.

Wir kommen daher zur 9. Anfrage. Ich mache darauf aufmerksam, dass es die letzte Anfrage ist. Das heißt, die Fragestunde wird in etwa sechs Minuten zu Ende sein, und wir werden mit der ersten Lesung des Sozialstaat-Volksbegehrens schon vor 10 Uhr beginnen. Ich mache nur darauf aufmerksam, damit sich alle darauf einstellen können.

Ich ersuche Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Kummerer, seine Anfrage zu formulieren.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

183/M

Wie hoch sind die zusätzlichen budgetären Aufwendungen, die pro Jahr aufgewendet werden müssen, um die internationalen Verpflichtungen im Rahmen der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einhalten zu können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Die voll berechtigte, aber auch voll verpflichtende Teilnahme Österreichs im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsstruktur und -politik der Europäischen Union ist ein ganz wichtiges Projekt für die Stabilisierung der Sicherheitslage in Europa, aber auch rund um Europa, vor allem auch deshalb, weil wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass jede Krise auf der Welt, vor allem in unserem Nahbereich, eine direkte oder indirekte Auswirkung auf unsere Sicherheitsinteressen hat.

Es war unsere Vorgängerregierung, die die volle Teilnahme Österreichs an dieser ESVP mitbeschlossen hat. An uns ist es gelegen, einen vergleichbaren Beitrag an die Europäische Union zu melden, und um diesen Beitrag in den nächsten Jahren darstellen zu können, ist ein jährliches Zusatzbudget in der Höhe von etwa 114 Millionen € notwendig.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Bundesminister! Inwieweit ist in diesen finanziellen Überlegungen ein Verborgen oder Anbieten der noch nicht vorhandenen Abfangjäger enthalten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! In diesem Projekt ist natürlich noch nichts enthalten, was noch nicht vorhanden ist. Es sollte aber unser Ziel sein, möglichst viel Gerät in diesen internationalen Pool von Kräften einzubringen, weil – ich sage es noch einmal – wir einen vergleichbaren Beitrag leisten müssen. Dieser vergleichbare Beitrag besteht entweder in Soldaten oder in modernem Gerät.

Sie wissen, dass wir in der Vergangenheit beim Gerät Defizite gehabt haben und deshalb überproportional Soldaten in diese gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungsstruktur entsenden mussten.

Mein Ziel ist es, möglichst viel an künftig zu beschaffendem modernem Gerät einzubringen, um damit die Zahl der Soldaten reduzieren zu können. Warum? – Ich glaube, das ist wohl offensichtlich: weil es in einem Krisenfall für mich und wohl auch für Sie alle, die Sie diese Einsätze beschließen, angenehmer und leichter ist, im Hinblick auf das Risiko unserer Soldaten möglichst viel Gerät und möglichst wenig Personal einzubringen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die terroristischen Anschläge vom 11. September haben neben dem furchtbaren menschlichen Leid weltweit auch zu wirtschaftlichen Auswirkungen geführt. Können Sie abschätzen, Herr Bundesminister, welche Auswirkungen dieses terroristische Ereignis und die nachfolgenden Anthrax-Anschläge für Ihr Ressort, für das Budget der österreichischen Landesverteidigung gehabt haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter! Sie haben völlig Recht. Es ist dies ein Bedrohungsbild, das nicht erst seit dem 11. September besteht, das aber mit dem 11. September, mit diesem Terroranschlag offensichtlich geworden ist. Das heißt, es gibt die Möglichkeit, dass international agierende terroristische Gruppen mittels Waffensystemen, auch mittels Massenvernichtungswaffen ihre Ziele überall auf der Welt, wo immer sie es wollen, durchsetzen. Es hat sich auch in der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, die wir voriges Jahr beschlossen haben, niedergeschlagen, dass das in Zukunft auch eine Aufgabe in Assistenz für das österreichische Bundesheer sein wird – national, aber auch international.

Seit dem 11. September haben wir bis jetzt 400 Alarmfälle im Zusammenhang mit Anthrax gehabt, bei denen unsere ABC-Abwehrtruppen ausgerückt sind, um diese Gefährdung zu bekämpfen und einzudämmen. Einmal hat es in der amerikanischen Botschaft auch einen realen Fall gegeben.

Die österreichische Bundesregierung hat ein Anti-Terror-Paket geschnürt, in dem legistische Maßnahmen zur besseren Bekämpfung des Terrorismus, aber auch Maßnahmen zur besseren Ausstattung und Vorbereitung der Sicherheitskräfte, auch des österreichischen Bundesheeres, für diese – unter Anführungszeichen – "neuen" Bedrohungen enthalten sind. Diese Pakete werden im Zuge der Budgetverhandlungen des Jahres 2003 mit behandelt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Frieser, bitte.

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Bundesminister! Wann wird das so genannte Contracting-Modell im Rahmen von internationalen Einsätzen zur Anwendung gebracht werden können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Frau Abgeordnete! Sie wissen, das Contracting-Modell ist notwendig, um eine raschere Verfügbarkeit von österreichischen Kräften des Bundesheeres bei Auslandseinsätzen zu erzielen, weil wir am absoluten Prinzip der Freiwilligkeit festhalten wollen und es deshalb eine Art vertragliche Verpflichtung geben soll. Dieses Modell ist in Bearbeitung, und es geht auch konform mit unseren Personaleinsparungsmaßnahmen im Zuge der Reorganisation des österreichischen Bundesheeres, weil wir – was eine für die Allgemeinheit kostengünstige Vorgangsweise ist – die eingesparten Planstellen auch in diesen Bereich transferieren wollen. Ich gehe davon aus, dass dieses Modell des Contracting bis Jahresende so weit steht, dass es dann in der Folge umsetzbar ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es ist auch die Frage nach den budgetären Belastungen und, in diesem Kontext, den Vorbelastungen angesprochen. Wir haben also vermehrte Auslandseinsätze, und wir haben Neubeschaffungen der größten Dimension, die Sie vorantreiben.

Ich frage Sie daher: Wie groß ist, angesichts dieser Vorbelastungen, die wir bereits haben, der Spielraum überhaupt noch, dass all das unter einen Hut gebracht werden kann, ohne dass das Militärbudget ausgeweitet wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Abgeordneter Kogler! Noch einmal: Österreich hat seit Jahrzehnten europaweit, wenn ich die vergleichbaren Staaten heranziehe, das niedrigste Landesverteidigungsbudget. Österreich hat niemals das für die eigene Sicherheit Notwendige auch wirklich glaubwürdig, wie etwa die Schweiz, umgesetzt.

Jetzt geht es darum, die in der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin gesetzten Aufgaben zu erfüllen und auch erfüllbar zu machen – bei natürlich möglichst budgetschonender Ausrichtung und Umsetzung dieser Ziele. Das österreichische Bundesheer leistet seinen Beitrag durch interne Einsparungsmaßnahmen, um die bisher gestellten Aufgaben auch mit den eigenen Mitteln erfüllen zu können. Die zusätzlichen Aufgaben, wie etwa die Frage der internationalen Operationen im Rahmen der Europäischen Union, können durch dieses Budget nicht abgedeckt werden und sind eben über Zusatzbudgetierungen zu gewährleisten, so wie das bei allen anderen internationalen Projekten – wenn ich nur an die Währungsumstellung denke – auch gemacht worden ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir alle Fragen erledigt. Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Die Fragestunde ist beendet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich auf die gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 3701/AB bis 3713/AB.

Regierungsvorlagen:

2. Abgabenänderungsgesetz 2002 (1175 der Beilagen),


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EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz (1180 der Beilagen),

Austria Wirtschaftsservice – Errichtungsgesetz (1181 der Beilagen),

Deregulierungsgesetz – Öffentlicher Dienst 2002 (1182 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1183 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1184 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1185 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (1186 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (1187 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1137 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von beweglichem Bundesvermögen (1158 der Beilagen),

Antrag 705/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen zur Rückerstattung der Mehrwertsteuer für Feuerwehren und Wohlfahrtsorganisationen bei der Anschaffung neuer Gerätschaften;

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird (1143 der Beilagen),

Antrag 699/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer "GVO-freien Zone Österreich",

Antrag 700/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserungen des Pestizid-Monitorings und Information der KonsumentInnen;

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 (FrG-Novelle 2002) und das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2002) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (1172 der Beilagen);

Justizausschuss:

Strafprozessreformgesetz (1165 der Beilagen),

Strafrechtsänderungsgesetz 2002 (1166 der Beilagen),

Zinsenrechts-Änderungsgesetz – ZinsRÄG (1167 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (1168 der Beilagen),


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Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird (1169 der Beilagen),

Antrag 704/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenlegung der Kleinstbezirksgerichte;

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Annahmeerklärung betreffend den revidierten Text der Internationalen Pflanzenschutzkonvention samt Anlage (1173 der Beilagen),

Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961, revidiert in Genf am 10. November 1972, am 23. Oktober 1978 und am 19. März 1991 samt Resolution, Empfehlung und Gemeinsame Erklärung (1174 der Beilagen),

Antrag 698/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Entwicklungs- und Sicherheitsraumes für eine gentechnikfreie, nachhaltige Landwirtschaft;

Umweltausschuss:

Bundesluftreinhaltegesetz (1159 der Beilagen),

Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002 (1160 der Beilagen);

Verfassungsausschuss:

Antrag 701/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der Gebärdensprache,

Antrag 706/A der Abgeordneten Jakob Auer, Dr. Michael Krüger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden;

Verkehrsausschuss:

Antrag 702/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des Auftrags des Obersten Sanitätsrates zur Minimierung der Belastung durch elektromagnetische Felder der Mobilfunktelefonie,

Antrag 703/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Autobahnüberholverbote, insbesondere auf der Innkreisautobahn.

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass die Abgeordneten Mag. Kukacka, Zierler und Fraktionen das Verlangen gestellt haben, die vor Eingang in die Tagesordnung der heutigen Sitzung eingebrachte schriftliche Anfrage 4026/J der Abgeordneten Mag. Kukacka und Zierler an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend ungerechtfertigt hohe Anzahl an krankheitsbedingten Ruhestandsversetzungen bei den staatsnahen Unternehmungen dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.


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Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3679/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, dass gemäß § 92 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt wurde, eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 3679/AB auf die Anfrage der Frau Abgeordneten Dr. Glawischnig betreffend Förderung von frauenspezifischen Projekten durch den Herrn Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit abzuhalten.

Da wir soeben festgelegt haben, ab 15 Uhr eine Dringliche Anfrage zu verhandeln, wird diese Kurzdebatte nach Ende der Beratungen zur Dringlichen Anfrage stattfinden.

Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächstes teile ich mit, dass die Abgeordneten Kiss, Dr. Partik-Pablé beantragt haben, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Antrag 680/A der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz geändert wird, eine Frist bis zum 8. Juli 2002 zu setzen.

Dieser Fristsetzungsantrag wird nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen der heutigen Sitzung zur Abstimmung gelangen.

*****

Weiters haben die Abgeordneten Kiss, Dr. Partik-Pablé beantragt, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 1172 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz, das Asylgesetz und andere Rechtsmaterien geändert werden, eine Frist bis zum 8. Juli 2002 zu setzen.

Auch dieser Antrag wird nach Beendigung der Verhandlungen in der heutigen Sitzung zur Abstimmung gebracht werden. Ich bitte um Kenntnisnahme.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 3 und 4 sowie 5 bis 9 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Dies ist nicht der Fall. Daher werde ich so vorgehen und diese Punkte gemeinsam behandeln.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben in der Präsidialkonferenz Konsens erzielt, für heute eine Tagesblockzeit von 9 "Wiener Stunden" zu beschließen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 176 Minuten, Freiheitliche und Österreichische Volkspartei je 131 Minuten und Grüne 104 Minuten.

Darüber hinaus wurde für die Zeit von 9 bis 12 Uhr – das ist auch die Zeit der Direktübertragung durch den ORF – eine Vereinbarung wie folgt getroffen: Es wird zuerst je ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von je 10 Minuten sprechen, dann sind zwei Wortmeldungen von der Regierungsbank mit ebenfalls maximal 10 Minuten möglich. Dann kommt eine Rednerrunde von je 8 Minuten pro Fraktion und Abgeordnetem, und die restlichen Minuten werden zu gleichen Teilen von dem den Vorsitz führenden Präsidenten auf die vier Fraktionen aufgeteilt, sodass eine faire und gleiche Behandlung aller Fraktionen bis 12 Uhr ermöglicht wird.


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Es gibt auch Konsens, dass wir bis 12 Uhr nicht mehr als eine tatsächliche Berichtigung pro Fraktion und in der letzten Rednerrunde keine tatsächlichen Berichtigungen mehr aufrufen.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Ich frage, ob es dagegen Einwendungen gibt. – Da das nicht der Fall ist, stelle ich fest, dass das einstimmig so beschlossen wurde.

1. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren "Sozialstaat Österreich" (1161 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zum 1. Punkt der Tagesordnung und gehen sogleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Ich stelle noch einmal fest, die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Stummvoll: Jetzt wird es kalt! Jetzt wird es kalt! – Abg. Dr. Khol: Jetzt wird es kalt im Haus! – Abg. Schwarzenberger: Soziale Kälte!)

10.01

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehr als 700 000 Österreicherinnen und Österreicher haben das Volksbegehren für einen starken Sozialstaat Österreich unterzeichnet und damit ein klares Signal dahin gehend gegeben, in welche Richtung sich die künftige Politik entwickeln soll.

Sie haben in diesem Zusammenhang auch ihr Unbehagen über die Sozialdemontage zum Ausdruck gebracht, die von Seiten der blau-schwarzen Regierung in Österreich durchgeführt wird. Da die Initiatoren und Proponenten des Volksbegehrens im Haus sind, möchte ich ihnen sehr herzlich für ihre Initiative danken und sie bei uns begrüßen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sozialer Friede und soziale Stabilität gehörten bislang zur österreichischen Identität und waren untrennbar mit dem österreichischen Weg verbunden.

Was bedeuten Sozialstaat und soziale Stabilität? – Das ist ein Organisationsprinzip unserer Gesellschaft, das nach folgendem Muster verläuft: Eine Gesellschaft einigt sich darauf, was wir gemeinsam zu erledigen haben – von der Gesundheit über die Bildung, über die Armutsvermeidung, über die Pensionssicherung und andere Bereiche. Das Muster der Organisation des Sozialstaates funktioniert so, dass jeder nach seinen materiellen Möglichkeiten dazu beiträgt: Jener, der über mehr verfügt, leistet einen größeren Beitrag, jener, der über weniger verfügt, leistet einen geringeren Beitrag.

Genau mit diesem Prinzip des Sozialstaates ist nicht nur Österreich, sondern sind auch viele andere westeuropäische Gesellschaften groß geworden. Es zeigt sich in allen Statistiken, die es international gibt: Jene Staaten, die sich zum Prinzip des Sozialstaates bekannt haben, sind jene, die nicht nur die reichsten, nicht nur die sozial ausgeglichensten, sondern auch die produktivsten Staaten der Erde gewesen sind. So soll es auch bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Dieses Prinzip des Sozialstaates ist vor allem dann wichtig, wenn die budgetären Spielräume enger werden und wenn es darum geht, zu definieren, wer einen größeren Beitrag zu leisten hat, damit das Budget nicht aus dem Ruder läuft. Daher sind natürlich die Belastungspakete, die die schwarz-blaue Bundesregierung beschlossen hat, ein ganz entscheidendes Element für die Bewertung, ob Österreich mehr oder weniger sozial geworden ist.


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Die Frage, die man dabei ganz offen stellen kann, lautet: Trägt ein durchschnittlicher österreichischer Arbeitnehmer mehr zu diesem Sparkurs der Bundesregierung bei, oder trägt zum Beispiel Herr Prinzhorn mehr zu diesem Sparkurs der Bundesregierung bei?

Wenn man analysiert, was hier gemacht wurde, dass auf der einen Seite die unsoziale Besteuerung der Unfallrenten, dieses bürokratische Monstrum der Ambulanzgebühren, die Studiengebühren eingeführt wurden, dass die Familienzuschläge für Arbeitslose gekürzt wurden, nämlich für die Kinder aus den ärmsten Familien in Österreich, Herr Gaugg, auf der anderen Seite aber von Leuten wie Herrn Prinzhorn kein zusätzlicher Beitrag eingefordert wurde, dann sage ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine soziale Schieflage, die gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die soziale Stabilität durcheinander bringt! – Es war daher der falsche Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Welche Belastungsmaßnahmen hätte sich diese Regierung ersparen können, wenn sie auch von Leuten wie Herrn Prinzhorn und Herrn Bartenstein ihren gerechten Beitrag eingefordert hätte! Sie hätte sich die Einführung der Ambulanzgebühren ersparen können. Sie hätte sich die unsoziale Besteuerung der Unfallrenten ersparen können, und sie hätte sich auch die Studiengebühren ersparen können. Es ist nicht einzusehen, dass die sozial Schwächsten in unserem Land die Hauptlast dieser Belastungspolitik zu zahlen haben, und zwar nur deswegen, weil Leute wie Herr Prinzhorn nicht ihren gerechten Beitrag zu unserem Gesellschaftssystem leisten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Propagandatrick für diese gesamte Belastungspolitik hat die Bundesregierung immer darauf hingewiesen, es gehe darum, das Nulldefizit zu erreichen. Alles andere ist ihr egal, hat sie gesagt. Die Beschäftigung ist ihr egal, das Wirtschaftswachstum ist ihr egal, die soziale Ausgeglichenheit ist ihr egal. Es geht ausschließlich um das Nulldefizit, dem muss alles untergeordnet werden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Was ist nun das Ergebnis, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Nicht einmal das, was man der Bevölkerung als das einzige Ziel verkauft hat, so unsinnig es losgelöst von anderen wirtschaftlichen Zielsetzungen sein mag, nicht einmal dieses einzelne Ziel, nämlich das Nulldefizit, wird nun von dieser Regierung erreicht. Das heißt: Zielsetzung Nulldefizit nicht erfüllt. Das Nulldefizit war nur dazu gut, eine massive Belastung der kleineren und mittleren Einkommensbezieher in Österreich vorzunehmen und den Sozialstaat abzubauen. Das war wirklich nicht notwendig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es gibt sozialverträgliche Budgetsanierungen, andere westeuropäische Staaten haben dies gezeigt. Man kann eine Budgetsanierung sozialverträglich durchführen, wenn man in die Arbeitsplätze investiert, wenn man in jene Unternehmungen investiert, die tatsächlich Arbeit schaffen, denn durch gesteigerte Beschäftigung gibt es einerseits mehr steuerliche Erträge, und zum Zweiten erspart man sich gewisse Ausgaben von Seiten der Arbeitslosenversicherung.

Eine sozial gerechte Budgetsanierung zielt auf Arbeitsplatzschaffung und nicht auf Sozialabbau, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das wäre der bessere Weg für Österreich gewesen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nachdem es offensichtlich das Nulldefizit nicht gewesen sein kann, nachdem auch dieses Ziel nicht erreicht worden ist, stellt sich die Frage, was denn der tatsächliche Hintergrund für diese massive Belastungswelle auf Kosten der sozial Schwächeren in unserem Land ist, die durch die schwarz-blaue Regierung durchgeführt wurde. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es ist glasklar, was die blau-schwarze Regierung will: Sie will nicht einen rot-weiß-roten Weg für alle Österreicherinnen und Österreicher, sie will die Einführung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Sie haben bei einem Zwei-Klassen-System in der Medizin angefangen, wo Sie mit größeren Selbstbehalten dort hinkommen wollen, dass sich gute Gesundheitsversorgung nur mehr Wohlhabende leisten können.


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Sie setzen es fort mit einem Zwei-Klassen-System im Bildungsbereich, wo Sie den Zugang zur Bildung immer stärker vom Geld abhängig machen wollen und nicht vom Engagement und vom "Hirnkastel" der Studierenden. Sie setzen eine Politik im Pensionsbereich fort, wo Sie eine Spaltung des Pensionssystems wollen, wo nicht mehr die Beschäftigungslage und die Solidarität in unserer Gesellschaft die Grundlage für die Pensionen sind, sondern Sie wollen die Menschen den Spekulationen auf den internationalen Aktienmärkten ausliefern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zwei-Klassen-Gesellschaft der schwarz-blauen Regierung, die sie nach einer nächsten Wahl, falls sie die Möglichkeit hätte, mit unverminderter Härte weiter einführen würde, ist der wahre Hintergrund ihres Belastungskurses. Dieses Volksbegehren ist mit Recht eine Absage an diesen Kurs, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir von der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion nehmen die Inhalte, die diesem Volksbegehren zugrunde liegen, und die Zielsetzungen ernst. Daher werden wir, die wir uns einer Gesellschaft verpflichtet fühlen, die faire Chancen für alle in unserer Gesellschaft bieten möchte, die Inhalte dieses Volksbegehrens auch aufnehmen.

Daher wird sich die Sozialdemokratie dafür einsetzen, dass zum einen die Sozialverträglichkeitsprüfung in Österreich eingeführt wird, um bei jeder einzelnen Maßnahme genau zu schauen, ob daraus eine soziale Schieflage in unserem Lande entsteht. Zum Zweiten werden wir uns dafür einsetzen, dass Österreich vom schwarz-blauen Kurs der Zwei-Klassen-Gesellschaft weg kommt und zu einem rot-weiß-roten Kurs der Solidarität und des Sozialstaates zurückkehrt, mit dem Österreich auch groß geworden ist, meine Damen und Herren! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl. )

10.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. 10 Minuten Redezeit. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: He! He! – Abg. Gaugg  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Der Lärmpegel bei der sozialdemokratischen Fraktion steigt!)

10.12

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Irgendwie kann einem der Parteivorsitzende der SPÖ Leid tun. Hier applaudieren Sie, und draußen in der Wirklichkeit fallen Sie ihm in den Rücken. Er ist ein verirrter Einzelkämpfer – kein Wunder, dass man zum Kühlschrank wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Ist das die Abschiedsrede? Ist das die Abschiedsrede?)

Noch eines an Ihre Adresse, Herr Parteivorsitzender: Sie sprechen von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, die die SPÖ-Funktionäre seit vielen Jahren praktizieren. (Rufe bei der SPÖ: Wo? Wo?) Ich kann Ihnen eines versprechen: Mir soll niemand ein Penthouse anbieten, ich würde es glatt ablehnen – nicht so wie Ihre Funktionäre! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: 200 000! 200 000!)

Nun zur Sache. Dieses Sozialstaats-Volksbegehren hat ambitioniert begonnen. Es waren Bürger, die auch heute hier anwesend sind, die im Interesse dieser Republik einige Maßnahmen umsetzen wollten. Sie haben als Ziel eine Million Unterschriften genannt. Sie hätten diese eine Million auch erreicht, hätten sich die SPÖ und ihre Proponenten nicht eingemischt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Überall dort, wo sich die SPÖ einmischt, gibt es Niederlagen. Es ist schade. Da nämlich als Proponenten Frau Dohnal, Herr Blecha, im Übrigen auch Herr Zilk – der Ihnen ausrichtet, dass Sie kein Charisma haben –, Frau Schmidleithner, Herr Lacina oder Herr Geppert aufgetreten sind, fällt mir auf, viele davon haben höchste politische Weihen innerhalb der SPÖ erhalten und waren auch in dieser Republik als Minister tätig. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) – Ja, für sich selbst!


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Ich frage mich auch, wie sie ihre Amtszeit dafür verwendet haben, um jene Maßnahmen umzusetzen, die heute eingefordert werden. Wir nehmen im Gegensatz zu Ihnen diese Unterschriften ernst, weil sie für soziale Maßnahmen wichtig und notwendig sind.

Die SPÖ hat sich auch an dem Bildungsvolksbegehren beteiligt. Medienwirksam ist Herr Gusenbauer unterschreiben gegangen – knappe hunderttausend Unterschriften. Wissen Sie, was in dieser Republik der Fall ist? – Es ist das Leben nicht so, wie die SPÖ es gerne hätte. Der soziale Unfrieden ist nämlich nicht ausgebrochen, sondern die Menschen haben in Österreich ein feines Gefühl dafür, dass hier eine Regierung am Werk ist, die im Interesse dieser Bürger erfolgreich tätig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das tut Ihnen weh. Es gibt auch Maßnahmen, die auch ich skeptisch betrachtet habe, zunächst einmal den Wechsel von Wirtschaft und Arbeit in die Hand eines Ministers. Als Vorbild diente Schweden. (Abg. Silhavy: Sie haben aber zugestimmt!) Wie ist da von der SPÖ lamentiert worden, das Arbeitsinspektorat werde abgeschafft, es werde eine Demontage aller sozialen Rechte geben. – Ich kann heute sagen, dass diese Entscheidung gut war, weil für die Menschen in dieser Republik viel Positives geleistet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: Abzug der Arbeitslosenversicherung! Sehr gut! Gratuliere!)

Es tut Ihnen halt weh, dass wir ein Nulldefizit erreicht und keine Sozialleistungen abgebaut haben. Sie haben jährlich mehr Schulden fabriziert und Sozialleistungen abgebaut. Das war Ihr Ziel. Wir schaffen ein Nulldefizit und bauen soziale Leistungen auf. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich werde Ihnen das jetzt einmal erzählen. Die Einführung des Kindergeldes ist ein Verdienst dieser Bundesregierung. Die Erhöhung der Familienbeihilfe ist ein Verdienst dieser Bundesregierung. Die "Abfertigung neu" ist ein Verdienst dieser Bundesregierung und der Sozialpartner in diesem Lande. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es wurde die gemeinsame Obsorge umgesetzt, die Mediation eingeführt – ein wesentliches Instrument des Zusammenlebens. Man darf nicht nur immer kriegsähnliche Zustände herbeibeschwören, sondern muss für die Menschen da sein und gemeinsam arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben in gemeinsamer Arbeit die Familienhospizkarenz ins Leben gerufen. Diese ist beispielhaft für Europa. Das ist der gegenteilige Weg der Sozialdemokraten etwa von Belgien und Holland. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben das Pflegegeld ab der Geburt für behinderte Kinder. (Abg. Dr. Mertel: Und die Unfallrentenbesteuerung!) Das sind Maßnahmen der sozialen Art, die wesentlich und wichtig sind. Ich sage Ihnen eines: Es ist in diesem Staat noch nie so viel an sozialer Leistung erbracht worden wie seit der Zeit, seit Sozialminister Herbert Haupt dieses Amt ausübt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Behindertenmilliarde!)

Oder haben Sie vergessen, dass eine der wesentlichsten Maßnahmen für die Integration Behinderter die Behindertenmilliarde ist, die notwendig war, weil Sie dies verabsäumt haben? Zu Ihrer Zeit verzeichneten Sie steigende Zahlen bei den arbeitslosen Behinderten. Jetzt sinken die Zahlen. Jetzt können wir sie integrieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Oder haben Sie das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz vergessen? Haben Sie all das vergessen? Ist all das an Ihnen vorbei gegangen? War die Kühlschranktüre zu? Hat man all das nicht gesehen, nicht gespürt, nicht gemerkt? – Der Kühlschrank produziert Eiswürferl: Bures, Kuntzl, Cap und Ähnliche. All das sind Eiswürferl im Kühlschrank. Ist all das spurlos an Ihnen vorübergegangen? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ja, es ist schon richtig, es gibt die Ambulanzgebühr und Ähnliches, darüber haben wir schon ausreichend diskutiert. Aber alle Punkte, die da sind, sind im Interesse der österreichischen Be


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völkerung, und das muss auch die SPÖ, so schmerzlich die Oppositionsrolle auch ist, zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie sprechen auch immer von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Wir haben nun eine Lösung für die Einbeziehung der Finanzierung der Privatkrankenanstalten: Das ist wichtig für die Menschen dieses Landes, das wissen auch Sie. Da würde ich mir gerade auch von Vertretern der sozialdemokratischen Fraktion einmal erwarten, dass sie die Leistungen dieser Bundesregierung auch einmal anerkennen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sozialabbau – nein danke!) Am Wahltag wird sich der Österreicher für die jetzige Bundesregierung entscheiden und sie wieder bestätigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Niederwieser: Höchste Steuerquote der Geschichte! – Abg. Heinisch-Hosek: Abzocker! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

10.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Gleiche Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

10.19

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Die Rede des Herrn Abgeordneten Gusenbauer war nichts Neues, wir haben sie schon oft gehört. (Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer. ) Aber die Vereinnahmung der 700 000 Unterzeichner dieses Volksbegehrens für die SPÖ und ihre Walzenpropaganda, meine Damen und Herren, haben sich die Unterzeichner nicht verdient. Das weise ich mit Schärfe zurück. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Unterzeichner dieses Volksbegehrens haben eine spannende Frage gestellt, mit der wir uns auseinander setzen müssen. Diese spannende Frage lautet: Wie können wir den Sozialstaat erhalten? – Das ist doch keine Frage, meine Damen und Herren, die Sie jetzt erfunden haben, dass wir den Sozialstaat durch Reformen erneuern müssen – das wissen wir und das praktizieren wir, lieber Herr Kollege Gusenbauer! (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie schaffen ihn ab!)  –, sondern wir müssen durch verschiedenste Maßnahmen – ich werde darauf eingehen – andere Konzepte auf den Tisch legen als in der Vergangenheit.

Wenn Sie den Schuldenberg, den Sie mit aufgebaut haben, heute anschauen, dann wissen Sie, mit Schulden, das heißt, damit, dass man Leistungen heute ermöglicht, die man morgen bezahlt, kann man einen Sozialstaat nicht aufrechterhalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Was zahlt Herr Prinzhorn für den Sozialstaat?)

Die Unterzeichner und Initiatoren haben ein Konzept dafür auf den Tisch gelegt, wie sie glauben, dass man den Sozialstaat erhalten kann (Abg. Dr. Mertel: Die ÖVP hat die Schulden gemacht! Am meisten hat der Herr Schüssel die Schulden gemacht!), nämlich durch eine Verankerung in der Bundesverfassung an einer sehr prominenten Stelle, gleich am Beginn, wo wir die Grundlagen dieser Republik klarlegen. Ich möchte mich daher zunächst damit auseinander setzen: Ist es rechtlich notwendig, dass wir in die Bundesverfassung tatsächlich einen solchen Passus aufnehmen? (Abg. Heinisch-Hosek: Seit Sie in der Regierung sind – schon!)

Meine Damen und Herren! Damit der Bürger einen Zugang zum Recht hat, ist es nicht notwendig. Damit er einen Zugang zum Verfassungsgerichtshof bekommt, ist es nicht notwendig. Diese Instrumente haben wir in der Verfassung. Wenn wir die Professoren und Experten dazu hören, dann muss ich sagen, es ist auch rechtspolitisch wahrscheinlich nicht der richtige Weg. Ich darf Herrn Professor Raschauer zitieren, der dazu sagt: "Die vorgeschlagene Formulierung wird keinen Juristen irgendwie bewegen." Ich darf Universitätsprofessor Mazal zitieren, der dazu sagt: "Der Begriff ,sozial’ ist von so großer Offenheit und wird leider weithin auch tagespolitisch missbraucht" – ich darf das gerade bei Kollegen Gusenbauer bestätigen –, "dass ich gravierende Bedenken habe, diesen Terminus in der Verfassung zu verankern."

Meine Damen und Herren! Das sind, so glaube ich, Argumente, die wir berücksichtigen müssen. Den Sozialstaat in der Verfassung in dieser Art zu verankern bringt für den Bürger keine neuen Rechte. Darum glaube ich, wir müssen auf diese Frage auch klar mit Nein antwor


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ten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. DDr. Niederwieser: Hast du das dem Dinkhauser auch gesagt?)

Die zweite Begründung der Initiatoren war, dass man aus Gründen, die heute eine Entwicklung in Europa darstellen, rechtspolitische Argumente ins Treffen führen muss, warum das heute mit einer solchen – ich würde meinen – Mahnung in der Bundesverfassung verankert gehört. Schauen wir uns dieses Argument näher an!

Sie begehren unter anderem in der Begründung dieses Volksbegehrens, dass endlich eine andere Linie kommen muss, und meinen, dass es in Österreich zurzeit eine Politik gibt, die den Sozialstaat verschärft, wie Sie es ausdrücken, dass es eine unsoziale Politik gibt. Meine Damen und Herren! Das halte ich nicht für differenziert genug, um das so stehen zu lassen. Das ist eine pauschale Verunglimpfung, auch der jetzt Regierenden, die man so nicht stehen lassen kann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollege Gaugg hat auf verschiedenste Leistungen in diesem Zusammenhang Bezug genommen. Ich darf das noch einmal klar sagen. Sie kritisieren unter anderem in der Begründung dieses Volksbegehrens, dass wir bei der Altersvorsorge Schnitte gemacht haben. Meine Damen und Herren! Wer in Österreich würde heute in der politischen Diskussion noch bezweifeln, dass das notwendig ist? Jeder hat das mittlerweile verinnerlicht, weil er weiß, wir haben eine steigende Lebenserwartung. – Gott sei Dank, aber mit allen Problemen, die die Altersvorsorge in sich birgt. Wir werden diese Probleme noch viel stärker zu spüren bekommen: Der Anstieg der Zahl der über 80-Jährigen wird uns in den nächsten zehn Jahren zu einem anderen Lebensalter bringen. Ich glaube daher, wir müssen bei dieser Frage rechtzeitig damit beginnen, diesen Sozialstaat auch in Fragen der Altersvorsorge dafür reif zu machen, dass wir diese Aufgaben auch in Zukunft bewältigen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie sprechen davon, dass die Kranken- und Unfallvorsorge geschwächt worden wäre. Meine Damen und Herren! Sehen Sie sich doch die heutige Lage an! Kollege Gusenbauer erzählt uns, wir haben in zwei Jahren eine Zwei-Klassen-Medizin erreicht. – Meine Damen und Herren! Dass es Klassepatienten gibt, wird Ihnen in der Vergangenheit wohl nicht fremd gewesen sein. Und dass sich jemand, der mehr Geld hat, natürlich auch im Ausland irgendwo eine ärztliche Versorgung holen kann, ist doch nichts Neues. Sie erzählen hier bereits längst bekannte Dinge und prangern das gegenüber der neuen Bundesregierung an, meine Damen und Herren! Das ist so unglaubwürdig, dass man es nicht mehr hören kann! Ich darf Sie bitten, hören Sie einmal mit dieser pauschalen Verunglimpfung auf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben Maßnahmen etwa dahin gehend gesetzt, dass Arbeiter zukünftig das gleiche Krankengeld wie Angestellte bekommen können. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Meine Damen und Herren! Ich darf in Erinnerung rufen, warum das mit Ihnen nicht möglich war, und zwar über viele Jahre. – Weil Sie diesen Grundsatz, dass man Arbeiter und Angestellte grundsätzlich gleich behandeln will, nie akzeptiert haben. Das haben wir vom ÖAAB immer in unsere Programmatik aufgenommen. Sie haben es immer abgelehnt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Der ÖAAB verlässt die Arbeitnehmer! Er lässt sie im Stich!)

Ich darf darauf hinweisen, dass wir auch in Fragen der drohenden Verarmung – diese Fragen nehmen wir sehr ernst – Maßnahmen gesetzt haben, die notwendig sind. Ich darf daran erinnern, dass gerade junge Familien mit mehreren Kindern immer stärker an diese Armutsgrenze gerückt sind. Wir haben ein Kinderbetreuungsgeld eingeführt, wir haben dafür gesorgt, dass es auch eine grundlegende finanzielle Förderung dieser Familien gibt. – Meine Damen und Herren! Mit Ihnen war das über viele Jahre nicht möglich. Das haben wir in der Zeit der jetzigen Bundesregierung durchgesetzt, und die Österreicher danken es uns auch. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Bei welcher Gelegenheit?)

Ich darf darauf hinweisen, dass wir diejenigen, die besonders belastet sind, Personen, Menschen, die Kinder bekommen, die behindert sind, die finanzielle Nöte haben, auch finanziell unterstützt haben, auch in der Richtung, dass es Pflegegeld gibt, und zwar ab dem ersten Tag,


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wenn jemand von solch einem Schicksalsschlag getroffen ist. Ich glaube, man kann dieser Bundesregierung wirklich nicht nachsagen, dass man bei den Fragen, die heute sozial relevant sind, nichts getan hätte.

Ich darf zu einem Grundsatz, zu einer rechtspolitischen Überlegung kommen, wie Sie es auch genannt haben, was das Grundprinzip der Eigenverantwortung betrifft. Sie führen als Begründung im Volksbegehren aus, dass Sie sich gegen eine Eigenversorgung, gegen Selbstbehalte aus grundsätzlichen Erwägungen stellen. – Meine Damen und Herren! Auch das ist eine Entwicklung, die wir so nicht bewältigen können. Eigenvorsorge im Sinne dessen, dass ich mich selbst auch um meine Altersversorgung und meine persönliche Situation kümmern muss, heißt natürlich auch, dass ich mit den anderen solidarisch sein muss, aber ich kann doch nicht alles auf den Staat überwälzen und glauben, man wird für mich für alle Zukunft vorsorgen. – Das ist eine grundfalsche Richtung, zu der wir nicht stehen können!

Ich darf daher auch die Maßnahme, die wir gestern beschlossen haben, in diesen Zusammenhang stellen. Eine "Abfertigung neu", die auf der einen Seite die Abfertigung sichert, aber auch eine Zusatzpension ermöglicht, geht in Richtung Eigenvorsorge. Ich muss für mich entscheiden, will ich das eine oder will ich das andere. Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt, viele junge Menschen, die heute in den Arbeitsprozess einsteigen, werden sich dafür entscheiden, eine Zusatzpension zu wählen, weil sie wissen, sie wollen auch einmal eine Altersversorgung haben, die es ihnen ermöglicht, jenen Lebensstandard zu halten, den sie gewohnt sind (Abg. Dr. Mertel: Weil sie es sich leisten können!); und das ist eine gute und richtige Maßnahme dafür. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich komme zum letzten Punkt, bei dem ich den Initiatoren in mancherlei Richtung Recht gebe: Das ist die Verankerung des Sozialstaates aus den Gründen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt heute Stück für Stück verloren geht. Das ist eine Problematik, die wir auch aufgezeigt haben. Der gesellschaftliche Zusammenhalt, die Solidarität stehen heute gegen die Singularisierung, die übersteigerte Individualität, und dagegen müssen wir auch grundsätzlich ankämpfen. Diesbezüglich bin ich mit Ihnen einer Meinung.

Aber ich glaube nicht, dass es notwendig ist, das in der Bundesverfassung zu verankern, sondern viel notwendiger ist es, dass jeder für sich in seiner Umgebung hinschaut, wo er helfen kann, auch konkret hilft, in der Nachbarschaftshilfe (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), dass er zu dem kommt, was wir unter dem Titel Bürgergesellschaft als ein Sinnbild einer Gestaltung der Zukunft auch immer in die Diskussion eingebracht haben. Ohne das werden wir zukünftig keinen Sozialstaat aufrechterhalten können. Wir wollen ihn aber, weil wir für einen breiten Mittelstand eintreten, weil wir wollen, dass wir zukünftig auch in Österreich einen sozialen Frieden in der Form haben, wie wir ihn heute haben. Durch Herrn Gusenbauer wird er auch nicht gefährdet, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

10.29

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Sehr geehrte Proponentinnen und Proponenten des Volksbegehrens! Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Vorweg: Ich werde mich etwas mehr mit den Ausführungen meines unmittelbaren Vorredners Spindelegger auseinander setzen, bei denen ich nur bedauere, dass Sie trotz etlicher Ansätze einer ernst zu nehmenden Debatte hier schon in der ersten Lesung eigentlich vorwegnehmen, dass Sie den Punkten des Volksbegehrens nicht folgen können.

An die Adresse des Abgeordneten Gaugg, der vorhin geredet hat, muss ich sagen: Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Volksbegehrens haben seine wilde Polemik und seine ausschließlich gegen die SPÖ gerichteten Angriffe nicht als Antwort auf ihre Unterschriften erwartet. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dass es auch unter den früheren Regierungen einerseits soziale Eingriffe gegeben hat, die meiner Meinung nach ungerecht waren, und andererseits Privilegien für die Reichen und Super


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reichen – Schlagwort: Stiftungsbegünstigung –, das stimmt so, aber bei der Polemik zu verharren, das geht meiner Meinung nach hier und heute als Antwort wirklich nicht an. (Abg. Dr. Martin Graf: Was sind "soziale Eingriffe"?)

Ich möchte noch ein Wort Herrn Abgeordneten Gaugg betreffend meinen eigentlichen Ausführungen voranstellen, zumal wir nun hier durch die Übertragung ein erhöhtes Auditorium haben, und zwar ist es mir wichtig, hier zu sagen: Wir haben gestern schon erörtert, ... (Abg. Dr. Martin Graf: Erklären Sie, was "soziale Eingriffe" bedeutet!)

Da nützen Ihre wilden Zwischenrufe gar nichts, Sie hören es immer wieder, nämlich: Die Bestellung des Herrn Abgeordneten Gaugg war gesetzwidrig! Die Wahl hat nicht zur erforderlichen Mehrheit geführt. § 538c ASVG ist gebrochen worden! – Vielleicht werden sich auch die Wissenschaft und die Medien noch damit auseinander setzen, wenn schon die Kontrolle des Ressorts hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit versagt hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Grüne Bildungswerkstatt!)

Meine Damen und Herren! Nun komme ich auf die einzelnen Punkte dieses Volksbegehrens und auf die Haltung der Grünen zu sprechen.

Herr Abgeordneter Spindelegger! Es besteht keine Gefahr einer Vereinnahmung dieses Volksbegehrens. Dazu war der Kreis der Personen und der Organisationen, die es getragen haben – das ging bis weit in den kirchlichen Bereich hinein, wie Sie wissen –, einfach viel zu breit. Also die Gefahr einer Vereinnahmung besteht nicht, sehr wohl aber die Notwendigkeit einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Verfassungsfrage.

Diesbezüglich war auch die ÖVP schon einmal einen Schritt weiter: Es gab in einer der früheren Regierungen schon einen fertigen Entwurf für die Verankerung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte in der Verfassung. Nur gab es damals ein Junktim mit anderen Grundrechten, und daher kam es leider nicht dazu.

Wenn Sie sich die Unterlagen zum Sozialstaat-Volksbegehren anschauen, etwa auch die wirklich hervorragende Darstellung im Internet, die ich allen nur ans Herz legen kann und die man unter "www.sozialstaat.at" finden kann, dann werden Sie in einem europäischen Vergleich sehen, dass nur im Vereinigten Königreich von Großbritannien und in Österreich gar kein soziales Grundrecht in der Verfassung verankert ist. Ansonsten gibt es da im europäischen Vergleich sehr große Unterschiede.

Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie sagen, dass eine Verankerung in der Verfassung allein noch keinen bestimmten einfachgesetzlichen Status und keine bestimmte einfachgesetzliche soziale Sicherung für bestimmte Menschen oder Gruppen gewährleistet, aber ich muss sagen, dass es schon ein Meilenstein wäre, denn wenn wir einen Kernbestand – und das müsste in etwa der heutige Bestand sein – in der Verfassung verankert hätten, dann wäre jede Einschränkung begründungspflichtig, dann müsste ausgeführt werden, warum beispielsweise Steuerbelastungen auch für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, Unfallrentenbesteuerung, Studiengebühren Ihrer Meinung nach keine sozial negativen Auswirkungen haben. (Abg. Dr. Krüger: Wie definieren Sie "sozial"?)

Wie man das definiert, das müsste sich nach den Auswirkungen richten. Genau das ist ja Gegenstand des Punktes 2 des Volksbegehrens. Allein der Umstand, dass Sie diese Fragen stellen, beweist, dass Sie sich nicht wirklich ernsthaft – leider! – damit auseinander gesetzt haben, vor allem nicht die Vertreterinnen und Vertreter der FPÖ, die offenbar nur Posten in der Sozialversicherung anstreben, aber nicht die soziale Sicherheit in diesem Staate. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Regierung legt im Vorspann zu jedem Gesetz dar – weil sie das tun muss –, wie es sich auf das Budgetdefizit auswirken könnte und wie das die Maastricht-Kriterien betrifft. In aller Form, meine Damen und Herren: Ich glaube, dass die österreichische Bevölkerung, dass vor allem diejenigen, denen es nicht so gut geht, ein Recht darauf haben, dass die sozialen Auswirkungen eines Gesetzes geprüft werden.


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Da kann es dann auch noch verschiedene Auffassungen geben, da werden Wissenschafterinnen und Wissenschafter ein Wort mitzureden haben, aber Sie müssten zumindest erklären, von welchen Annahmen Sie ausgehen. Sie müssen die Fragen beantworten: Welche Gruppen sind die betroffenen, und wie wirkt es sich bei ihnen aus? Wie wirkt es sich aus auf eine Familie mit drei Kindern, die studieren, wenn jetzt pro Kind und Semester 5 000 S an Studiengebühren anfallen? Wie wirkt es sich aus auf Leute, die eine Unfallrente beziehen, wenn diese Rente besteuert wird? – Sie können zu dem Schluss kommen, dass es vielleicht verkraftet werden kann, aber es wird im Rahmen einer Sozialverträglichkeitsprüfung auch herauskommen, dass es einige – nicht die Reichsten in dieser Gesellschaft – wahrscheinlich überproportional trifft. Daher ist diese Sozialverträglichkeitsprüfung meiner Meinung nach viel wichtiger als die Maastricht-Kriterien. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ein Punkt im Text des Volksbegehrens hat mich besonders beeindruckt, nämlich dass bei der Sozialverträglichkeitsprüfung ein besonderer Passus vorkommt, und zwar ein Passus betreffend die Auswirkungen auf Frauen und Männer. Es stimmt – und ich stehe nicht an, das zu sagen, und deswegen gibt es ja das Volksbegehren –, dass es in Österreich noch besser ist als in etlichen anderen Staaten. In Großbritannien ist im sozialen Bereich eine Kaputtspar-Politik betrieben worden. Es müssen mittlerweile Menschen aus Großbritannien, die dringend Operationen brauchen, in andere europäische Länder kommen – auch nach Österreich, und ich bedanke mich dafür, dass das möglich ist –, um sich lebensrettenden Operationen zu unterziehen. – Also das sollte kein Vorbild sein: die Nichtabsicherung sozialer Rechte in Großbritannien! (Abg. Dr. Krüger: Dort sind die Sozialdemokraten in der Regierung!)

Meine Frage ist: Wie wirkt es zum Beispiel auf Frauen? – Das ist ein Punkt, an dem sich diese Bundesregierung trotz einer bestehenden Verpflichtung auf europäischer Ebene immer wieder vorbeischwindelt. Es gab zwar schon zweimal eine Beschlussfassung im Ministerrat, dass es das Gender Mainstreaming zu passieren hat, hätte, sollte, nur geschieht es nicht. Ich lese immer wieder die Vorblätter zu den Gesetzesvorhaben, aber da steht nichts darüber, ob es sich auf Frauen und Männer unterschiedlich auswirkt und wie. Durchschnittswerte sagen nichts darüber aus, wie es einer Alleinerzieherin geht, wie sich diese vielleicht "durchwurstelt" und wie diese ganz anders von einer bestimmten Maßnahme getroffen wird als vielleicht jemand, der satte Rücklagen bilden konnte. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Letztes zur öffentlich-rechtlichen Sicherung der wesentlichen Punkte des Sozialstaates: Auch da hätte ich mir eine differenziertere Auseinandersetzung erwartet.

Na selbstverständlich, Herr Abgeordneter Spindelegger, soll und wird es möglich sein, auch privat Vorsorge zu treffen. Darüber reden wir nicht, sondern wir reden darüber, ob es nicht einen Kernbestand geben sollte, der eine öffentliche Aufgabe sein soll. Da erinnere ich Sie: Es gibt in Österreich keinen Mindestsockel, was den Lohn betrifft, keinen Mindestsockel, was die Arbeitslosenunterstützung und was die Notstandshilfe betrifft.

Es gibt Menschen, die beispielsweise deswegen, weil sie älter werden, weil sie nicht mehr ganz gesund sind, in eine Spirale kommen, wo sie immer tiefer sinken. Da geht es um Mindestsicherungen! Es geht auch darum, dass eine Mindestpension für alle Menschen nicht vom Dow Jones oder vom Nasdaq abhängen darf. Das darf nicht sein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Von dieser Mindestpension muss Mann oder Frau auch leben können – nicht irgendwie dahinvegetieren, sondern leben können! Wir wissen, dass im Alter die Aufwendungen in der Regel eher steigen, und daher sollten wir darüber reden, ob es als ersten Schritt in Richtung einer allgemeinen Grundsicherung nicht wenigstens eine Mindestpension – eine echte Mindestpension! – geben soll und nicht nur Ausgleichszulagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen, da die Redezeit bereits abgelaufen ist.)


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Ich lade Sie, meine Damen und Herren, vor allem jene von der ÖVP, ein, ernsthaft darüber zu verhandeln und hier in erster Lesung diese Forderungen nicht gleich abzutun. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Haupt. Die Redezeit ist ebenfalls mit 10 Minuten vereinbart. – Bitte, Herr Minister.

10.40

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich als Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen am Beginn meiner Ausführungen bei jenen engagierten Österreicherinnen und Österreichern bedanken, die damit, dass sie dieses Volksbegehren unterschrieben haben, deklariert haben, dass sie sich für die Weiterentwicklung der sozialen Sicherheit in diesem Staate stark machen.

Ich bedanke mich aber nicht bei jenen, die aus parteipolitischen Gründen dieses Volksbegehren unterstützt haben, um dann den Erfolg auf ihre Fahnen zu heften und damit auf die Bühne zu treten. Das haben jene Menschen, die sich wirklich der sozialen Probleme angenommen haben, nicht verdient. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Volksbegehren sind sehr viele Hoffnungen und Begehren geweckt worden, etwa dass mit der verfassungsmäßigen Absicherung der sozialen Rechte sehr vieles für die Zukunft erledigt sein könnte. Dieser Eindruck ist bei sehr vielen Menschen in Österreich erweckt worden.

Sehr geehrte Frau Kollegin Petrovic, wenn Sie sich jene 13 europäischen Staaten ansehen, die die sozialen Rechte in der Verfassung verankert haben, dann werden Sie feststellen können, dass Belgien und Holland im Unterschied zu Österreich mit der aktiven Sterbehilfe einen Weg beschritten haben, den ich in keinem einzigen Moment als sozialen Fortschritt betrachten möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das gibt es dort, obwohl die soziale Absicherung dort in der Verfassung verankert ist. Ich glaube, sehr viele ältere Menschen in Österreich würden sich dafür "bedanken", eine soziale Absicherung zu haben und dann einer aktiven Sterbehilfe zugewiesen zu werden.

Ich glaube, dass der soziale Grundkonsens, den dankenswerterweise alle vier Parlamentsparteien bewiesen haben, indem sie bereit waren, den österreichischen Weg zu gehen, nämlich die Sterbehospiz-Karenz einzuführen, palliativmedizinische Einrichtungen in diesem Staate zu stärken, ein Institut für Palliativmedizin und entsprechende Einrichtungen in den einzelnen Krankenanstalten für ältere Menschen zu implementieren, der sozialere Weg ist.

Was will ich damit sagen? – Der soziale Grundkonsens in einer Gesellschaft und hier im Hohen Hause ist ausschlaggebender als die reine Verankerung der sozialen Rechte in der Bundesverfassung. Frau Kollegin Petrovic! Sie werden mir, wenn Sie den Vergleich ziehen, Recht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat es in der kurzen Zeit, seit sie die Verantwortung für diesen Staat übernommen hat, zuwege gebracht, eine Reihe von sozialen Maßnahmen zu verabschieden, die mehr als ein Jahrzehnt in internationaler und nationaler Diskussion gestanden sind.

Ich bin dankbar dafür, dass hier am gestrigen Tag nach langen Diskussionen – beginnend beim Antrag der freiheitlichen Fraktion in der Salzburger Arbeiterkammer im Jahre 1985 über die ersten Anträge hier im Hohen Hause im Jahre 1990 – schlussendlich das Modell der Mitarbeiter-Abfertigung einvernehmlich verabschiedet werden konnte. Ich glaube, dass wir damit ein schwer wiegendes soziales Problem gelöst haben. Aber wir haben damit auch noch einen ersten Schritt dahin gehend gesetzt, gerade für Frauen, Frau Kollegin Petrovic, eine zusätzliche Chance für die Zukunft zu entwickeln.


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Ich darf Sie daran erinnern, Frau Petrovic, dass wir durch die Finanzierung aus dem Familienlastenausgleichsfonds den Frauen im Hinblick auf ihre soziale Absicherung und auf ihrem Weg zu einer eigenständigen, leistungsfähigen Pensionsabsicherung maßgeblich geholfen haben.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass diese Bundesregierung mit der von den Sozialdemokraten heftig umstrittenen Pensionsreform, die im letzten Jahr umgesetzt wurde, gerade die Bezieher von Einkommen mit Ausgleichszulage mit 2,9 Prozent Valorisierung der untersten Einkommen überproportional bedient hat.

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass es dieser Bundesregierung zum ersten Mal gelungen ist, die Armutsgrenze, die im Armutsbericht 1998 festgelegt ist, für allein stehende Pensionisten zu unterschreiten. Ich glaube, wenn man sich die Taten dieser Bundesregierung, die für die sozial Schwachen gesetzt wurden, ansieht, dann stellt man fest, dass wir uns dafür nicht zu genieren brauchen und dass wir gute Arbeit gerade für diese Gesellschaftsgruppe geleistet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben die Frage der Gleichbehandlung und das Gender Mainstreaming in die Diskussion gebracht. Wir haben 73,4 Prozent der österreichischen Frauen zwischen 20 und 45 Jahren in Beschäftigung. Wir liegen damit von 16 europäischen Staaten am dritten Platz, von jenen 13 Staaten, die ihre Daten abgegeben haben, sind wir am ersten Platz.

Wir erleben heute in der AHS bei den Mädchen mit 51 Prozent eine Bildungsexplosion, die in der Gesamtpopulation, wo es in dieser Altersschicht noch mehr männliche als weibliche Teilnehmer in unserem Staate gibt, das "weibliche Element" deutlich verbessert.

Wir haben den Zugang zur Bildung an den Universitäten verbessert. Es ist für mich immer ein Anliegen gewesen, dass auch an unseren Universitätskliniken, wo sehr viele Frauen habilitiert sind, diese auch endlich durch Wahl Ordinarien bekommen und nicht ewig im Mittelbau "verhungern" müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage das auch in aller Klarheit. Aber das ist nicht Angelegenheit der Bundesregierung, sondern das ist Angelegenheit der jeweils Agierenden in den Wahlgremien an den Universitäten. Das kann nicht die Bundesregierung verbessern, das müssen die Leute dort vor Ort verbessern.

Wir haben im Sozialbereich die leidige Frage der Angleichung des Sozialrechtes bei Arbeitern und Angestellten gelöst. Wir sind jetzt bei der Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und jener der Angestellten und werden damit – das wird weder von den Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitnehmer noch von jenen der Arbeitgeber bestritten – aus beiden Häusern ein jährliches Einsparungspotenzial von rund 400 Millionen Schilling lukrieren. Das bedeutet für die Pensionisten Österreichs pro Jahr 0,1 bis 0,2 mehr Pension, die wir ihnen auf Grund dieses Einsparungsmodells geben können. Das sind jene Maßnahmen, um die wir in der Vergangenheit oft heftig gerungen haben, und die Pensionisten sollen wissen, wozu all diese Einsparungsmodelle gut sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Dr. Gusenbauer, Sie haben die Ambulanzgebühr angeschnitten. Ich darf Ihnen die Alternative zur Ambulanzgebühr hier nochmals nachvollziehbar darstellen. Die Alternative zur Ambulanzgebühr, die aus Ihren Reihen kam, war eine durchschnittliche Beitragserhöhung. Diese durchschnittliche Beitragserhöhung in den Krankenversicherungen hätte auch all jene armen Menschen in diesem Land getroffen, die heute von den Rezeptgebühren, von den Ambulanzgebühren und von ähnlichen Dingen befreit sind.

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass jemandem mit 9 000 S oder 10 000 S eine Erhöhung seines Krankenversicherungsbeitrages – und zwar Monat für Monat, 14 Mal im Jahr – um 0,3 Prozent und dann sogar um 0,5 Prozent pro Monat, wie es zum Schluss dann Kollege Sallmutter verlangt hat, nicht zumutbar ist. Wir haben uns für die Ambulanzgebühr entschieden, weil die Ambulanzgebühr für die Bürger nach wie vor die kostengünstigere Variante ist. Es ist auch bereits der entsprechende Lenkungseffekt in den Ambulanzen merkbar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Es gab in der letzten Zeit einige Sendungen im österreichischen Fernsehen, in welchen in den Krankenanstalten befindliche Ärzte unbeeinflusst von den Parteien und auch unbeeinflusst von Standesvertretern gesagt haben, dass der Andrang in den Ambulanzen geringer geworden ist, es aber dort immer noch Patienten gibt, die eigentlich auf Grund des gesetzlichen Rüstzeuges, das für die Ambulanzen als Grundkonzept besteht, dort nicht sein sollten.

Wir haben auch das Argument, dass nunmehr die Menschen weniger zum Arzt gehen, auf dessen Wahrheitsgehalt überprüft und konnten feststellen, dass es nicht stimmt. Wir konnten in jenen Bereichen, die für die Ambulanzbesuche wichtig sind, etwa bei den praktischen Ärzten und Internisten, entsprechende Steigerungen der Inanspruchnahme registrieren. Ich glaube, dass sich bei den Ambulanzgebühren drei Dinge bewahrheitet haben: Ein Lenkungseffekt ist eingetreten, ein Finanzierungseffekt ist eingetreten, und die sozial Schwächsten fahren damit mit Sicherheit besser. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Gusenbauer! Ich hätte mir gewünscht, dass die Vertreterinnen und Vertreter, die auf der Seite der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer stehen und die hoffentlich auch auf der Seite der Finanzschwachen stehen, endlich auch die Härtefondsregelungen, die es in allen Krankenversicherungsträgern gibt, so bewerben, dass jene, die knapp außerhalb der Gebührenbefreiung liegen, endlich von diesem Instrument umfassend informiert worden wären.

Tatsache ist, sehr geehrte Damen und Herren, dass etwa die in letzter Zeit erfolgte Erhöhung der Transportkosten in Wien, die keine von dieser Bundesregierung gesetzte Maßnahme ist, die Menschen mehr belastet, als es die Ambulanzgebühren tun. Das möchte ich ganz klar sagen. Das haben nicht wir von der Bundesregierung beschlossen, sondern das haben Sie in Ihrem eigenen Wirkungsbereich allein beschlossen. Diese tägliche Belastung und diese jährliche Belastung sind deutlich höher als die Belastungen in jenem Bereich, in welchem wir sie festgesetzt haben, und sie trifft selbstverständlich vor allem die sozial schwachen Schichten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein wichtiger Wert ist die Sozialquote eines Staates. Wir haben mit 28,6 Prozent Sozialquote begonnen und liegen heute bei knapp über 30 Prozent Sozialquote.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dann, wenn die Sozialquote steigt, von einer Senkung des Sozialniveaus zu sprechen, das halte ich schlicht und einfach für kühn.

Ich bin dankbar dafür, dass die Maßnahmen dieser Bundesregierung, wie etwa die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, von der Europäischen Union auch im Hinblick auf die Armutsbekämpfung positiv bewertet worden sind. Damit ist uns auch auf internationaler Ebene bestätigt worden, dass das, was wir hier umgesetzt haben, auch eine deutliche Armutsbekämpfung, und zwar gerade für die Gruppe der Frauen, ist.

Sehr geehrte Frau Kollegin Petrovic! Ich glaube, auch dieser positive Effekt ist unbestritten!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Ich bitte, entweder die Rede zu beenden oder damit einverstanden zu sein, dass ich die Zeit, die Sie überziehen, dann der FPÖ abziehe. – Bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Abschließend: Ich bin mir dessen sicher, dass mir die sozial engagierten Menschen, wenn sie die Leistungen dieser Bundesregierung bewerten, Recht geben werden, wenn ich sage, dass diese Bundesregierung den Sozialstaat nicht gefährdet, sondern den Sozialstaat ausgebaut hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Oh-Rufe bei der SPÖ.)

10.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. Gleiche Redezeit. – Bitte.


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10.51

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Lieber Kollege Haupt! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Im Anschluss an die Ausführungen meines Kollegen Haupt (Abg. Dr. Gusenbauer: Märchenstunde zweiter Teil! – Abg. Böhacker  – in Richtung des Abg. Dr. Gusenbauer –: Brummender Kühlschrank! – Abg. Dr. Gusenbauer  – in Richtung Freiheitliche –: Wie bitte? – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dr. Gusenbauer –: Er hat gesagt: "Brummender Kühlschrank"!) möchte ich den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei zitieren, Herrn Dr. Gusenbauer, der heute am Beginn dieser Debatte gesagt hat, dass es in jenen Staaten, die einen entwickelten und ausgebauten Sozialstaat hätten und darstellten, ein besonderes Maß an Stabilität, Reichtum und Produktivität gäbe.

Ich kann Ihnen zu hundert Prozent beipflichten, Herr Gusenbauer. Sie haben allerdings eines nicht dazu gesagt: dass Sie heute im Hohen Haus von einem solchen Land sprechen, nämlich Österreich. Das ist ein Land mit einem hoch entwickelten ausgebauten Sozialstaat. Darauf sind wir stolz. Das war in der Vergangenheit so, das ist heute so, und das wird auch in Zukunft so sein, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen sind aus zwei Gründen für diese Debatte anlässlich der ersten Lesung zum Sozialstaat-Volksbegehren dankbar: erstens deshalb, weil es uns Gelegenheit gibt, auf die erarbeiteten Leistungen gerade der letzten Monate – ich möchte sogar sagen: der letzten Tage und Stunden – zu verweisen. Es ist nicht uninteressant, dass wir erst vor einigen Stunden – es sind noch nicht einmal 24 Stunden seither vergangen – eine der wichtigsten Reformen in sozialer und arbeitsmarktpolitischer Hinsicht gemeinsam, auf Basis einer Vierparteieneinigung, beschlossen haben, nämlich die Weiterentwicklung des alten Abfertigungssystems zu einem modernen System der Abfertigung für alle, zu einem System der Mitarbeitervorsorge. Das ist eine interessante Perspektive und Basis für diese Diskussion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin aber auch dankbar dafür, dass es möglich ist, nicht nur die erzielten Leistungen der letzten Monate herauszustreichen, sondern auch die wichtigen Unterschiede des Ansatzes: Wie steht diese Bundesregierung zur Weiterentwicklung des Sozialstaates, zu der sie sich bekennt, und wie stehen Sie dazu? aufzuzeigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erkennen und anerkennen, dass sich diese Welt verändert, dass letztlich auch ein Leistungsstaat erforderlich ist, um den Sozialstaat zu ermöglichen, und dass es notwendig ist, diese Veränderungen auch in sozialstaatlicher Hinsicht zur Kenntnis zu nehmen.

Herr Abgeordneter Spindelegger, du hast auf Folgendes verwiesen: Wer den Kopf in den Sand steckt und die demographische Entwicklung außer Acht lässt und nicht erkennt, dass unsere Gesellschaft eine immer ältere wird, und nicht einsieht, dass wir uns daher verstärkt um die Älteren kümmern müssen, dass wir uns natürlich auch um die Finanzierbarkeit des Pensionssystems kümmern müssen, der tut dem Sozialstaat nicht nur nichts Gutes, sondern etwas ausgesprochen Schlechtes. Wir erkennen das, und darin unterscheiden wir uns voneinander! Wir haben das vorzeitige Pensionsantrittsalter um 18 Monate erhöht. Wir haben dafür gesorgt, dass die sozialstaatsschädlichen Frühpensionierungen in Österreich endlich rückläufig sind, und haben deswegen etwas für den Sozialstaat getan. Sie nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer den Sozialstaat erhalten, ausbauen und weiterentwickeln will, der braucht Mut zur Veränderung. Da sind Maßnahmen zu nennen, wie zum Beispiel das Kindergeld. Wer nicht erkennen will, dass wir immer weniger Jugendliche, immer weniger Kinder in diesem Lande haben und dass das für unser Land schlecht ist und dass diejenigen heute nicht mehr geboren werden, die in zehn, 20, 30 Jahren die Träger auch dieses Sozialstaates, natürlich auch des Leistungsstaates Österreich sein sollten und sein müssten, der ignoriert die Erfordernisse des Sozialstaates, der steckt den Kopf in den Sand. (Abg. Parnigoni: Was tun Sie, wenn das Kindergeld nicht wirkt?)


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Wir tun anderes! Wir haben mit dem Kindergeld eine hochmoderne Maßnahme gesetzt, ein Maßnahmenpaket geschnürt, das es den Familien besser als bisher ermöglicht, Kinder zu haben, Kinder zu erziehen. Wir haben den Familien in diesem Land etwas mehr Gerechtigkeit gegeben, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es gibt – das ist mein dritter Ansatzpunkt – einen gravierenden Unterschied beim Weg, den wir als Regierungsfraktionen und den Sie von der Opposition hier gehen. Wer die Veränderungen des Arbeitsmarktes rund um Österreich ignoriert, wer ignoriert, dass in Österreich jährlich 1,2 Millionen Arbeitsverhältnisse gelöst werden – sei es vom Arbeitgeber, sei es vom Arbeitnehmer, Herr Präsident Verzetnitsch –, der wird wahrscheinlich auch nicht die Basis in sich und in seiner Fraktion dafür schaffen, eine bahnbrechende Reform wie die Reformierung des alten Abfertigungssystems mitzugestalten.

Sie haben diese Reform am Schluss doch mitgetragen. Ich bedanke mich sehr herzlich dafür. Ich bedanke mich auch bei den Sozialpartnern. Das ist letztlich eine der grundlegenden Reaktionen dieser neuen Bundesregierung, die letztlich die Hauptverantwortung für die "Abfertigung neu" und für die betriebliche Mitarbeitervorsorge trägt – als Antwort auf die Veränderungen des Arbeitsmarktes, auf die neue Dynamik, auf die immer kürzeren Dienstverhältnisse, auf die prinzipielle soziale Ungerechtigkeit, dass bis heute nur 15 Prozent der Arbeitnehmer dieses Landes tatsächlich eine Abfertigung erhalten haben, während in Zukunft 85 Prozent von dieser Leistung nicht ausgeschlossen werden sollen beziehungsweise wir die Abfertigung für alle, die Abfertigung für hundert Prozent der Arbeitnehmer dieses Landes haben wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bedanke mich bei meinem Kollegen Haupt und letztlich bei allen, die diese Aktivitäten mittragen, mit welchen wir Bahnbrechendes geleistet haben. So haben wir letztlich beziehungsweise im letzten Abdruck auf Basis einer Vierparteieneinigung in Sachen Hospizkarenz eine zutiefst österreichische Antwort auf die Herausforderung der aktiven Sterbehilfe à la Holland und Belgien gefunden.

Ich bedanke mich für die Initiative, dass wir jährlich 70 Millionen €, eine Milliarde Schilling mehr für behinderte Menschen aufwenden, dass es möglich ist, Pflegegeld für behinderte Kinder schon ab der Geburt zu zahlen und nicht mehr ab einem bestimmten höheren Lebensalter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! All das sind Initiativen, die klar beweisen, dass Minister Haupt und die Regierungsfraktionen vehement dahinterstehen, den Sozialstaat zu optimieren, den Sozialstaat weiterzuentwickeln, ohne aber dabei zu vergessen, dass das Ganze auch finanzierbar sein muss. Das ist auch einer der grundlegenden Unterschiede zwischen Ihnen und uns, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Sozial ist letztendlich das, was Arbeit schafft. Ich bekenne mich dazu, wie letztlich die meisten in diesem Lande, dass Sozialversicherungsbeiträge dann bezahlt werden, wenn Arbeitsverhältnisse vorliegen, dass jede Art von Beschäftigung in diesem Land sozialversicherungsbeitragspflichtig ist. Das finanziert die Krankenversicherung, das finanziert die Arbeitslosenversicherung, das finanziert letztlich auch die wichtige staatliche Säule der Pensionsversicherung. Dabei muss es bleiben, und wir haben manche Verbesserung erzielt und werden noch manch weitere Verbesserung erzielen.

Gerade deswegen ist es so wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir bei aller Problematik der Konjunktur, dass wir bei aller Problematik des Wachstums – niemand in diesem Hohen Hause ist mit 1 oder 1,2 Prozent Wachstum zufrieden; wir hoffen, dass es im nächsten Jahr wiederum zwischen 2,5 und 3 Prozent sein werden –, dass wir selbst in diesen schwierigen Konjunkturzeiten, dass wir selbst in diesen Zeiten, in welchen wir im Jahresabstand um etwa 30 000 Arbeitslose mehr haben – es gibt niemanden, der das mehr bedauert als ich, und ich weiß mich hier einer Meinung mit Herrn Präsidenten Verzetnitsch –, dass wir in dieser Phase trotzdem Rekordbeschäftigung haben.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir übereinstimmen bei der Akzeptanz der Prämisse "Sozial ist das, was Arbeit schafft", dann freuen wir uns doch gemeinsam über diese Entwicklung!

Meine Damen und Herren! Selbst in diesen schwierigen Zeiten haben wir im Jahresabstand um etwa 5 000 Beschäftigte, um etwa 5 000 Jobs mehr als im Vorjahr. Wenn die Verhältnisse in Wien nicht so besonders schwierig wären, dann würden es wahrscheinlich 15 000 oder 20 000 Beschäftigte mehr sein, die wir im Vergleich zum Vorjahr im Mai und im Juni dieses Jahres in Österreich hätten.

Sozial ist also vor allem das, was Arbeit schafft. Deswegen ist das Hauptaugenmerk dieser Bundesregierung darauf gerichtet, so rasch wie möglich wieder Wirtschaftswachstum in dieses Land zu bekommen. Dann geht die Arbeitslosigkeit zurück, dann können wir noch mehr Jobs schaffen, und dann können wir weitere Spielräume gewinnen, um das tun zu können, was uns heute besonders wichtig ist, nämlich diesen blühenden und gerechten Sozialstaat Österreich weiterzuentwickeln, weiter auszubauen, damit sich der Grad der Fairness und der sozialen Gerechtigkeit in diesem Lande weiterentwickelt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.00

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich richte mich sehr bewusst auch an die vielen Österreicherinnen und Österreicher, die heute bei dieser TV-Übertragung zusehen und mit ihrer Unterschrift dazu beigetragen haben, dass diese Debatte heute hier stattfindet. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Herr Abgeordneter Spindelegger, Sie haben in Ihrer Rede mehrfach die soziale Haltung und die soziale Verantwortung betont. Dazu gehört aus meiner Sicht auch, nicht Kindesweglegung zu betreiben. (Beifall bei der SPÖ.) Angesichts dessen, was Sie im Zusammenhang mit dem Budget tun – nicht nur Sie persönlich, sondern Ihre Fraktion tut das andauernd –, dass Sie nämlich sagen, 30 Jahre Schuldenpolitik wurde gestoppt, sei Ihnen noch einmal Folgendes in Erinnerung gerufen (der Redner stellt ein Balkendiagramm mit der Überschrift "Schuldenentwicklung seit 1970" vor sich auf das Rednerpult): Während Ihrer Beteiligung an der Bundesregierung war es so, dass der Schuldenberg explodiert ist – mit fast 1 000 Milliarden Schilling explodiert ist! Ich glaube, dass man das nicht vergessen soll. Sie sollten hier nicht Kindesweglegung betreiben, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Herr Bundesminister Bartenstein! Sie haben das jetzt gerade wieder getan. Ja, ich bin froh darüber, dass wir in der Abfertigungsfrage gestern einen Allparteienkonsens erzielen konnten und dass durch das Zusammenwirken aller – Regierung, Experten und Sozialpartner – ein gutes Produkt entstanden ist. Man sollte aber nicht so tun, als ob das, was die Regierung ursprünglich vorgehabt hat, jenem Ziel entsprochen hätte, das wir gemeinsam erreicht haben. Die Saisonniers wären in Ihrem Modell nämlich nicht enthalten gewesen, das wissen Sie ganz genau! Da war es unser Anliegen, alle Arbeitnehmerinnen und alle Arbeitnehmer mit einzubinden! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man sollte auch nicht so tun, als ob in den letzten zwei Jahren nichts zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer passiert wäre. Sie rühmen sich der Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten. Ich zitiere aus dem Wirtschaftsbericht für klein- und mittelständische Unternehmungen:

Es ist gelungen, die Entgeltfortzahlungsansprüche der Arbeiter im Krankheitsfall an jene der Angestellten anzugleichen. – In Ordnung, das ist gelungen. (Demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Donnerbauer. ) Aber: Gleichzeitig erfolgte eine Senkung der Lohnnebenkosten durch


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Maßnahmen wie Urlaubsaliquotierung bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses oder Entfall des Postensuchtages. Das bedeutet für die Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmer 2,3 Milliarden Schilling weniger in ihren Taschen. Das ist Ihre Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ihr eigener Bericht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Nürnberger. )

Ich kann das fortsetzen: Wie ist es denn mit der De-facto-Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages? – In Ihrer Regierungszeit beschlossen! Wie ist es mit der höheren Besteuerung von Urlaubsentschädigung? – In Ihrer Regierungszeit beschlossen! Wie ist es mit der höheren Besteuerung von Kündigungsentschädigungen? – In Ihrer Regierungszeit beschlossen! Wie ist es mit der höheren Besteuerung von Nachzahlungen aus Anlass arbeitsgerichtlicher Verfahren? – In Ihrer Regierungszeit beschlossen! Wie ist es mit der höheren Besteuerung von Zahlungen aus dem Insolvenzentgeltausfallsfonds? In Ihrer Regierungszeit beschlossen! (Abg. Nürnberger: Horch! Horch!)

Herr Bundesminister Haupt! Wenn Sie die Ambulanzgebühren anführen, dann muss ich Ihnen sagen: Ich warte wirklich auf die Diskussion hier im Hohen Haus darüber, welchen finanziellen Effekt, welchen Lenkungseffekt das bringen soll. (Ruf bei der SPÖ: Null!) Ich bin überzeugt davon, dass Sie, wenn wir uns ehrlich damit beschäftigen, wahrscheinlich mit dabei sein werden, diese unsozialen Ambulanzgebühren wieder abzuschaffen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn Sie hier über Arbeitnehmerentlastung reden, dann könnte ich diese Liste noch endlos fortsetzen: Denken wir nur an die Passgebühren oder an die Besteuerung von verschiedenen Heißgetränken! Es gibt niemanden, der von diesen Maßnahmen ausgenommen worden wäre. Es geht auch gar nicht anders! Nicht einmal Ihr Nulldefizit haben Sie damit erreicht! Tun Sie also nicht so, als ob Sie in den letzten zwei Jahren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht belastet hätten! Es geht uns darum, das hier klar und deutlich zu sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Von verschiedenen Koalitionsrednern ist heute der Sozialdemokratie der Vorwurf gemacht worden, dass sie beabsichtige, das Sozialstaat-Volksbegehren für sich zu vereinnahmen. In keiner Weise! (Abg. Dr. Spindelegger: Das ist ein ... für die Organisation! So habt ihr es gemacht!) Das sei in aller Klarheit gesagt. Aber eines tun wir nicht, Herr Abgeordneter Spindelegger, nämlich Anliegen von mehr als 700 000 Österreicherinnen und Österreichern nicht ernst nehmen. Wir unterstützen diese Anliegen, wir nehmen diese jedoch nicht in unsere eigene politische Repräsentanz. (Beifall bei der SPÖ.)

Worum geht es denn im Wesentlichen? – Die heutige Debatte hat gezeigt, dass wir uns, mit ganz wenigen Ausnahmen – Sie haben etwa in Ihrer Rede kurz darauf hingewiesen –, nicht der Frage nähern: Macht es Sinn, soziale Anliegen in der Verfassung zu verankern – ja oder nein? – Ich persönlich bin überzeugt davon, dass, wenn man sich mit Grundfragen dieses Staates auseinander setzt, wenn man sich mit dem auseinander setzt, was die Menschen in diesem Lande wollen – 700 000 Unterschriften sind nicht zu negieren, genauso wenig wie jene 800 000 Stimmen, die bei der Urabstimmung des ÖGB erzielt wurden –, dann muss man darin Signale an die Politik erkennen – die keine Partei für sich vereinnahmen kann, die aber jede Partei ernst nehmen muss und unterstützen soll, wenn sie das will.

Genau darum geht es letztendlich. Wir haben uns die Frage zu stellen: Freiheitsrechte? – Kein Einwand, dass diese in der Verfassung sind. Bildungsfragen? – Kein Einwand, dass diese in der Verfassung sind. Eigentumsrechte? – Kein Einwand, dass diese in der Verfassung sind. Aber bei den Sozialrechten erleben wir, dass auf einmal eingewandt wird: Was macht das für einen Sinn, so etwas in die Verfassung aufzunehmen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier geht es um Existenzfragen, um die soziale Existenz unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, um die Menschen, die in unserem Lande leben! Da, glaube ich, wäre es mehr wert denn je, diese Fragen auch in einem modernen Staatswesen zu


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berücksichtigen und zu sagen: Es ist uns auch wert, das in der Verfassung niederzuschreiben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es mutet ja seltsam an, dass wir zurzeit einen EU-Konvent erleben, in dem es um eine EU-Verfassung geht. Dort wird über die Aufnahme sozialer Grundrechte diskutiert, das wird unterstützt. Sie selbst sind mit dabei, in der Diskussion sind Sie mit dabei. Hier wenden Sie sich aber dagegen. Drücken Sie sich also nicht davor! Das Recht auf Arbeit, das Recht auf angemessene Arbeitsbedingungen, das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf sichere Pensionen – was spricht dagegen, das in die Verfassung aufzunehmen? Diesbezüglich wenden Sie ein: Das brauchen wir gar nicht.

Ich nenne Ihnen zwei Beispiele: Pflichtversicherung versus Versicherungspflicht. Wie sähe denn die Debatte aus, wäre das in der Verfassung? – Dann wäre das keine Debatte nach dem Motto: Eigentlich wollten wir sowieso nicht drüber reden, aber wir haben es eben probiert und werden es vielleicht wieder probieren. – Ich glaube, dass in diesem Punkt ein klarer Hinweis in der Verfassung eine andere Diskussion mit sich bringen würde. (Abg. Böhacker: Es gibt kein Denkverbot, Herr Präsident!)

Zweiter Punkt: Recht auf Arbeit. Glauben Sie, dass dann, wenn das in der Verfassung stünde, der Finanzminister auf die AMS-Mittel zugreifen könnte, so wie er es getan hat? – Ich glaube, dass das nicht stattfinden würde. Und genau darum geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren: um eine rot-weiß-rote Politik und nicht um eine schwarz-blaue! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.07

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Als "Schlächter der sozialen Sicherheit" hat der Gewerkschafter Rudolf Kaske diese Regierung bezeichnet.

Von Seiten der Sozialdemokratie wird uns seit Monaten stereotyp soziale Kälte vorgeworfen. Das hat sich jetzt durch die Causa Leikam ein bisschen relativiert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und dann kommt Frau Petrovic heraus und wirft uns Freiheitlichen Polemik vor. Ich möchte das seitens meiner Fraktion auf das Schärfste zurückweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bin natürlich auch der Meinung, dass dieses Volksbegehren politisch vereinnahmt wurde. – Schade darum!

Ich bin auch der Meinung von Stephan Schulmeister, der ursprünglich eine Million Unterstützungsunterschriften erwartet hat. Ich habe auch geglaubt, dass man diese Zahl erreichen könnte. (Abg. Öllinger: Sind Sie hingegangen? – Abg. Böhacker: Das geht Sie gar nichts an!) Aber es sind trotz Unterstützung durch die Arbeiterkammer mit beträchtlichen Mitteln, trotz Unterstützung durch die Gewerkschaft mit Gewerkschaftsgeldern, aber vielleicht gerade wegen der Unterstützung durch die SPÖ und die Grünen nur 717 000 Unterschriften geworden. (Abg. Reheis: "Nur"?) Ich gestehe den Initiatoren zu, dass sie thematisieren und warnen wollten; und das wollten sicher die 717 000 Unterzeichner auch.

Aber ich frage mich schon eines – und das geht wieder in Richtung Frau Petrovic –: Natürlich wird bestritten, dass es eine politische Vereinnahmung gegeben hat, aber warum hat heute Frau Petrovic als Erstrednerin der Grünen zu diesem Thema gesprochen? Hat das vielleicht nicht doch mit den anstehenden niederösterreichischen Landtagswahlen zu tun, dass sie auf einmal ihre soziale Ader entdeckt hat – denn der Sozialsprecher der Grünen ist ja Karl Öllinger? (Abg. Öllinger: Kommt schon!)

Ich frage mich aber auch, warum es bei der Unterzeichnung des Sozialstaat-Volksbegehrens ein so starkes Ost-West-Gefälle gegeben hat. In Tirol und in Vorarlberg hat es geringen Zu


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spruch gegeben, im Burgenland und in Wien war er am höchsten. Hat das vielleicht nicht doch mit den politischen Mehrheitsverhältnissen in diesen Ländern zu tun? Oder liegt es vielleicht auch an der Mentalität der dortigen Bevölkerung, dass sich eben Vorarlberger und Tiroler nicht so stark für Kampagnen vereinnahmen lassen? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Faktum ist jedoch, dass dieses Volksbegehren zwei zentrale Forderungen enthält. Die erste: dass man Österreich als Sozialstaat formuliert – wie auch immer – und dies verfassungsmäßig verankern möchte. Ich glaube, dass das überflüssig ist. Auch viele meiner Vorredner haben das schon argumentiert. Wir sind als Sozialstaat Spitze in Europa, Spitze in der Welt. Ich glaube aber auch, dass die zweite Forderung, nämlich eine Sozialverträglichkeitsprüfung aller Gesetze, so wie sie im Text gefordert wird, einfach realitätsfremd ist. Bei den Diskussionen über das Sozialstaat-Volksbegehren, denen ich beigewohnt habe, konnte mir zum Beispiel auch Frau Professor Rosenberger nicht erklären, wie sie sich die Umsetzung dieser Forderung in der Praxis vorstellt. Diese Forderung klingt zwar sehr gut, ist jedoch realitätsfremd.

Faktum ist auf der anderen Seite jedoch auch, dass es diese Regierung war, die in kurzer Zeit ganz gewaltige Verbesserungen im Bereich Sozialstaat Österreich durchgeführt hat. Ich kann das nur wiederholen: Diese Regierung war es, die die Sozialquote beträchtlich erhöht hat. Aber Sie von der Opposition wollen das ja nicht zur Kenntnis nehmen.

Nehmen wir das Kinderbetreuungsgeld! Das ist eine soziale Innovation, anerkannt auf EU-Ebene, anerkannt als Modell zur Armutsverringerung. Und eigenartigerweise wird gerade diese Forderung jetzt von sozialdemokratischen Parteien in ganz Europa als Wahlkampfthema forciert, zum Beispiel derzeit in der Slowakei und in Tschechien.

Als Nächstes die "Abfertigung neu", eine Jahrhundertreform, die sehr wohl und in einem hohen Maß der sozialen Sicherheit und der Stärkung der sozialen Sicherheit der Arbeitnehmer dient. Warum ist man diese Dinge nicht früher angegangen? – Es war diese Regierung, die das gemacht hat.

Die Beschäftigungsoffensive für die Behinderten, mehr Beschäftigungsmöglichkeiten in diesem Bereich. Ich frage die Sozialdemokratie: Warum hat man das nicht früher gemacht? (Abg. Dr. Mertel: Da müssen Sie die ÖVP fragen!)

Das Pflegegeld für behinderte Kinder ab Geburt. Das war eine freiheitliche Forderung seit 1992. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sozialdemokratische Sozialminister hatten dafür kein offenes Ohr – wir haben das umgesetzt.

Familienhospizkarenz kontra aktive Sterbehilfe. Das dient der sozialen Absicherung, das bietet soziale Absicherung.

Aber auch die Entschädigungszahlung an die Kriegsgefangenen ist der Sozialdemokratie nie eingefallen. Wir haben sie umgesetzt. (Abg. Öllinger: Was hat das mit sozialer Absicherung zu tun?)

Ich sage noch einmal aus meiner Sicht als Freiheitliche: Ich respektiere und anerkenne die Sorgen der Unterzeichner des Sozialstaat-Volksbegehrens. Ich vertraue aber auch auf die Vernunft und das Gespür der österreichischen Bevölkerung, die mehrheitlich weiß, dass der österreichische Sozialstaat mit dieser Regierung nicht in Gefahr ist, sondern dass gerade diese Regierung bereits eine Effizienzsteigerung bewirkt hat. (Zwischenruf der Abg. Binder. )

Ich schließe mit einem Zitat: Wer Gutes erhalten will, muss den Mut zu Veränderungen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Aber nicht zur Zerstörung!)


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11.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

11.15

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Werte Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich hat ein mustergültiges System der umfassenden sozialen Sicherheit, ein Drittel des gesamten Volkseinkommens wird dafür verwendet. Österreich liegt mit seinen Ausgaben für Familien über dem EU-Durchschnitt, die Armutsquote liegt weit unter dem EU-Durchschnitt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Selbst Deutschland können wir diesbezüglich auf einen Platz hinter uns verweisen. Diese Regierung mit der ÖVP, mit Bundeskanzler Schüssel steht für stark, schwarz und sozial! (Beifall bei der ÖVP.) Wir sind für einen Ausbau und eine Sicherung dieses Sozialstaates, und ich sage Ihnen auch, warum: weil die ökosoziale Marktwirtschaft unser Leitprinzip ist.

Die Volkspartei nimmt selbstverständlich diese 717 000 Unterschriften ernst. Wir nehmen sie ernster als die SPÖ: Wir haben Vorschläge, wir haben Reformen, die zum Wohle der Menschen sind, wir haben keine Phrasen so wie Sie (Abg. Dr. Mertel: Glauben Sie das selbst?), wenngleich wir der Meinung sind, dass der Ausgang dieses Volksbegehrens eine Absage an all jene darstellt, die sich gegen nötige Reformen im Sozialsystem stellen. Auch in Anbetracht dessen, dass an die 40 Millionen Schilling an Werbekosten aufgewendet wurden, halte ich dieses Ergebnis wahrlich für alles andere als berauschend. (Abg. Silhavy: Das ist aber sehr verächtlich, Frau Kollegin Steibl!)

Ich sage Ihnen auch, dass die Mehrheit der Bevölkerung – wenn Sie im Land unterwegs sind, in den Regionen, bei der Bevölkerung, dann wissen Sie das – den österreichischen Sozialstaat nicht in Gefahr sieht (Beifall bei der ÖVP), sondern die Bevölkerung sieht sehr wohl, dass diese Regierung mit Bundeskanzler Schüssel an der Spitze den Sozialstaat umbaut und nicht abbaut, ihn reformiert und ausbaut und dass wir mit Herzenswärme an diese Sache herangehen. (Abg. Dr. Mertel: Womit?) Wir wissen, was unsere Familien, unsere Kinder in Zukunft benötigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es wurde auch immer wieder von einer Verankerung in der Verfassung gesprochen. Ich sage: Eine zusätzliche, verfassungsmäßige Verankerung, wie im Volksbegehren gefordert, verändert gar nichts, weil erstens die im Volksbegehren verlangte Verfassungsbestimmung weder zur Erneuerung noch zur Sicherung des Sozialstaates beiträgt.

Zweitens: weil nur eine langfristige und umsichtige Sozialpolitik den Sozialstaat erhalten kann – und nicht eine Unterschrift für ein Volksbegehren.

Drittens: weil diese Regierung schon bisher für Sozialreform und nicht für Sozialabbau gestanden ist.

Und viertens: weil wir uns immer zum Sozialstaat bekannt haben. Zusätzliche Verfassungsbestimmungen und schwierige sozialpolitische Entscheidungen würden dann von Verfassungsrichtern und nicht von Sozialpolitikern getroffen werden.

Gelebte Sozialpolitik muss auch umgesetzt werden, meine Damen und Herren! Und wir machen die beste Sozialpolitik. Ich habe schon gesagt: stark, schwarz, sozial!

Ich möchte dazu nunmehr noch einmal einige Beispiele darstellen, damit Sie das auch wahrnehmen.

Erstens: die betriebliche Mitarbeitervorsorge, "Abfertigung neu". Der Nutzen: 3,1 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erhalten künftig eine Abfertigung. Bisher bekamen diese nur zirka eine Million ArbeitnehmerInnen.

Zweitens: die Künstler-Sozialversicherung. Der Nutzen: Mehr als 10 000 Künstler sind nun endlich sozialversicherungsrechtlich abgesichert.


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Drittens: das Kinderbetreuungsgeld. Der Nutzen: eine einheitliche Regelung für alle Mütter und Väter und mehr Geld für einen längeren Zeitraum für unsere Familien. Über 15 000 Mütter und Väter erhalten nun zusätzlich dieses Kinderbetreuungsgeld.

Viertens: die Erhöhung der Familienbeihilfe. – Man vergisst so schnell, was wir getan haben. Wir hören von der Opposition immer nur, was wir nicht tun, aber sonst kommen von ihr keine konkreten Vorschläge. (Beifall bei der ÖVP.)

Zurück zur Familienbeihilfe. Es gibt eine Erhöhung ab dem Jahre 2003. Der Nutzen: mehr Geld für die Familien.

Fünftens: das Pflegegeld ab Geburt eines behinderten Kindes. Der Nutzen: verbesserter Zugang zum Pflegegeld und eine weitere Unterstützung für Eltern von pflegebedürftigen Kindern. – Ich würde das gerne auch der Kollegin Haidlmayr sagen, aber bei solchen Themen ist sie leider nicht anwesend.

Sechstens: der Pakt für ältere Menschen. Der Nutzen: Menschen möglichst lange in Beschäftigung zu halten. Die Altersteilzeit bietet hiebei eine sehr flexible Lösung, einen gleitenden Übergang vom Beruf in die Pension.

Siebentens: die Angleichung von Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfall. Wir haben es aber auch geschafft, beim Arbeitslosengeld eine größere Fairness zu erreichen. Der Nutzen – auch das muss man einmal sagen –: Die Berechnung des Arbeitslosengeldes wurde letztendlich deutlich vereinfacht.

Achtens: die Familienhospizkarenz. Es gibt eine volle arbeits- und sozialrechtliche Absicherung bis zu sechs Monaten. Das ist in ganz Europa ein Paradebeispiel für soziale Arbeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Neuntens: die Ermöglichung von Gruppenpraxen. Das Gesundheitssystem wird von uns in dem Sinne reformiert, dass es den Menschen zugute kommt.

Meine Damen und Herren! Ohne Sozialreform gibt es keine soziale Sicherheit, das muss man wissen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ziel dieser Regierung ist die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Systems und nicht dessen Umbruch. Dieses System muss funktionieren.

Meine Damen und Herren! Wir stehen für Solidarität. Für uns heißt "Solidarität" "solidarisch sein", also im wörtlichen Sinn: "für jemanden einstehen", "zu jemandem halten". Unsere Politik orientiert sich am einzelnen Menschen und im Gesamten am Wohlergehen der Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silhavy: Sie wenden sich weder zur Jugend noch zum Alter!)

Liebe Kollegin Silhavy! Werte Opposition! Wir erneuern, um zu bewahren und um die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder zu sichern. Lassen Sie sich das bitte ins Stammbuch geschrieben haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

11.23

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe UnterstützerInnen, Förderer und Förderinnen des Volksbegehrens: Danke für das Volksbegehren! (Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

Ich glaube – und damit bin ich beim Punkt –, es ist heute so wie am Tag nach dem Volksbegehren. Bis zum Volksbegehren, bis zu dem Zeitpunkt, als die 717 000 Personen unterschrieben hatten, waren alle irgendwie für den Sozialstaat (Abg. Wochesländer: Wir leben ja in einem


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Sozialstaat!): die ÖVP, die FPÖ, Grüne und SPÖ und jene, die es unterstützt haben, natürlich sowieso.

Ab dem Tag nach dem Volksbegehren gab es dann eine Sozialschmarotzer-Serie in der "Kronen Zeitung", an der sich die Regierungsparteien durchaus propagandistisch und mit Applaus beteiligt haben.

Heute Vormittag diskutieren wir das Sozialstaat-Volksbegehren, und in unterschiedlichem Ausmaß – manchmal schon ziemlich tief, aber trotzdem – gibt es so etwas wie einen Konsens darüber, dass es den Sozialstaat schon geben soll. Heute Nachmittag diskutieren wir dann über die – unter Anführungszeichen – "Sozialschmarotzer" –, eine Diskussion, die wieder Sie eingefordert haben. Da muss dann wieder kriminalisiert und bestraft werden, in diesem Fall die Frühpensionisten und Frühpensionistinnen bei der Post, der Telekom und der Bahn. Es ist ein eigenartiger Kontrast, dass für Sie der Begriff "Sozialstaat" auf der einen Seite in Sonntagsreden durchaus noch vorkommt, auf der anderen Seite aber konkret nur mehr dazu verwendet wird, um im Sinne einer billigen, bösartigen Sozialschmarotzer-Debatte politisches Kleingeld zu machen.

Und da machen wir Grünen mit Sicherheit nicht mit! Das halte ich wirklich für unerträglich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist von einem Redner der ÖVP, vom Kollegen Spindelegger, der Vorschlag, den Sozialstaat in die Verfassung aufzunehmen, ablehnend beschieden worden. Das ist Ihr gutes Recht, Herr Kollege Spindelegger, nur bitte ich Sie, eines zu bedenken: Es gibt kaum eine Rechtsmaterie in Österreich, die so gröblich missachtet und in solchem Maße nicht umgesetzt wird wie das Sozial- und Arbeitsrecht. Mehr Missachtung von konkreten Rechten gibt es in keinem anderen Bereich. (Beifall bei den Grünen.)

Kollege Spindelegger! Versetzen Sie sich einmal in die Lage von jemandem, der Sozialhilfe beantragt, weil er arm ist und unter bestimmten Voraussetzungen ja einen Anspruch darauf hat, Sozialhilfe zu erhalten: Glauben Sie, dass irgendeiner von jenen, die Sozialhilfe beantragen, die Ablehnung seines Antrages auf Sozialhilfe als Bescheid erhält? Glauben Sie, dass wir in Österreich irgendwo in einer sozialrechtlichen Materie, was die konkreten Rechte betrifft, wirklich so gut abgesichert sind? – Wir hatten ja zuletzt bei der Ambulanzgebühr die Situation, dass sich die Regierungsparteien sogar darüber aufgeregt haben und es als einen Missbrauch dargestellt haben, wenn man über die vorgeschriebene Ambulanzgebühr beziehungsweise im Zusammenhang mit einem Einspruch gegen deren Vorschreibung die Ausstellung eines Bescheides verlangt.

Das ist keine Frage der Regierung von ÖVP und FPÖ alleine, das ist eine Frage des Sozialstaats insgesamt. Das ist es auch, was ich den Betreibern des Sozialstaat-Volksbegehrens so hoch anrechne: dass sie sich nämlich nicht auf die Polemik, ob das die ÖVP, die FPÖ, die SPÖ oder die Grünen gemacht oder zu verantworten haben, eingelassen haben, dass sie sich nicht auf dieses Niveau begeben haben, auf dem wir in dieser Debatte schon wieder angelangt sind.

Aber glauben Sie – um auf die Frage der Verankerung des Sozialstaats in der Verfassung zurückzukommen –, dass wir bei der Durchsetzung von sozialen Rechten wirklich so gut sind? Sprechen Sie mit den Experten, mit den Expertinnen, die damit zu tun haben, wie es mit der Durchsetzung von sozialen Rechten aussieht! – Schlecht, nach wie vor schlecht!

Ich nenne noch ein anderes Beispiel: Glauben Sie wirklich, dass es verfehlt wäre, eine Sozialverträglichkeitsprüfung etwa bei der Stiftungssteuer durchzuführen? Es wäre spannend, die Stiftungssteuer einer Sozialverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. (Abg. Dolinschek: Sehr aufwendig, Herr Kollege!) Derjenige oder diejenige, der oder die ein Sparbuch hat, muss sich die Zinserträge mit 25 Prozent besteuern lassen. Derjenige oder diejenige, der oder die eine Stiftung hat, kommt jedoch mit ein paar Prozent auf die Zinserträge davon. Glauben Sie wirklich, Herr Abgeordneter Khol, dass das sozial verträglich und ausgewogen ist?


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Ein anderes Beispiel – weil Sie mir ja in diesem Bereich nicht folgen werden –: Notstandshilfe. Warum unterwerfen wir die Notstandshilfe nicht einer Sozialverträglichkeitsprüfung? Glauben Sie wirklich, dass 2 000 S oder 3 000 S Notstandshilfe für eine Frau oder einen Mann ausreichend zum Leben sind, wenn man keinen Partner hat? – Da gibt es Tausende davon in Österreich! Glauben Sie wirklich, dass freie Dienstnehmer – ich habe heute einen getroffen, einen Journalisten übrigens, der gekündigt wurde und der überhaupt kein Chance hat, einen Job in seinem Fachbereich zu finden –, die innerhalb von einigen Monaten auf die Straße gestellt werden, manchmal auch innerhalb kürzerer Fristen, die keine soziale Absicherung haben, gut von unserem Sozialstaat versorgt werden? (Abg. Böhacker: Wer hat das eingeführt?)

Glauben Sie wirklich, meine Damen und Herren, dass wir nicht doch eine Grundsicherung bräuchten – sowohl für diese Personengruppen als auch im Alter zumindest dann, wenn jeder in diesem Land, jede Bürgerin und jeder Bürger versteht, dass jeder ältere Mensch ein Recht auf eine eigene Grundversorgung hat? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Glauben Sie nicht, dass es unerträglich ist, dass derzeit 400 000 oder 500 000 Frauen diesen Anspruch auf eine eigenständige Altersversorgung nicht haben?

Glauben Sie nicht, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, dass es eigentlich eine Zumutung, ein Ausfluss von zynischer Arroganz und Zumutung ist, wenn Frauenförderung – ich erlebe das jetzt gerade im Untersuchungsausschuss – mit dem Hinweis darauf, dass da die Männer nicht gleichbehandelt werden, von Vertretern Ihrer Partei politisch abgelehnt wird, Herr Khol? Wir reden Gott sei Dank darüber, auch in dieser Debatte, dass Frauen lohnmäßig nach wie vor benachteiligt sind, dass sie, was die Bildung betrifft, zwar den Männern gleichgestellt sind, dass sie aber, was die sozialen Rechte und ihr Einkommen betrifft, nach wie vor benachteiligt werden. Und da sagt dann ein ÖVP-Abgeordneter, das ist gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn Frauen gefördert werden? – Das ist der Stand der Debatte zum Sozialstaat Österreich, und darum brauchen wir eine ernsthafte Debatte über das Volksbegehren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.31

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich möchte vorerst den Initiatoren des Sozialstaat-Volksbegehrens wirklich dafür danken, dass sie mit ihrem Einsatz auch dafür gesorgt haben, dass wir hier heute diese Grundsatzdebatte führen können. Ich danke auch den über 700 000 Unterzeichnern dieses Volksbegehrens. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Man braucht ja nur einen Blick hier auf die Regierungsbank und auf das Präsidium zu werfen, und man kennt sich schon aus. Wer das Stiftungsrecht kennt, muss sich die Frage stellen, ob Herr Prinzhorn und Herr Bartenstein überhaupt noch Steuer zahlen, während wir gleichzeitig die höchste Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte der Zweiten Republik haben. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Pensionisten werden geschröpft – und jene, die es sich richten können und gerichtet haben, sitzen hier oben, wie Herr Minister Bartenstein und Herr Präsident Prinzhorn! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wo ist die Forderung von Minister Bartenstein, dass endlich die Medikamentenpreise heruntergehen? Damit könnte er nämlich seinem Kollegen Haupt, der neben ihm sitzt, bei der Sanierung der Sozialversicherung helfen. Das wäre einmal eine Forderung, mit der er an Glaubwürdigkeit gewinnen könnte! Da könnte die FPÖ mit darauf einsteigen, wenn sie wirklich die Interessen der so genannten kleinen Leute vertreten möchte. Aber davon hören wir nichts!

Wer war der erste Sprecher der beiden Regierungsparteien, als es hier um das Sozialstaat-Volksbegehren gegangen ist? – Gaugg! Ein Symbol für diese Regierung, ein Symbol dafür, dass diese Regierung nicht für soziale Gerechtigkeit steht, nicht für Chancengleichheit steht, sondern diese Regierung steht dafür, dass ein Protektionskind wie Gaugg, der immer noch Sozialsprecher der FPÖ ist, hier herausgeht, hier zum Sozialstaat-Volksbegehren redet, jetzt


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schon wieder draußen ist und Skripten büffelt, damit er endlich die Prüfungen nachmachen und so zu seinem 200 000-€-Job in der Pensionsversicherung der Arbeitnehmer gelangen kann. – Das ist die Wahrheit, vor der wir heute hier stehen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wenitsch. )

Herr Gaugg wird mit Ihrer Protektion soziale Barrieren überwinden können, denn er hat eine politische Schubkraft hinter sich, damit er auch das wird. Zusammengenudelt, zusammengemauschelt hat er gerade noch ein 12 zu 11 in einem höchst fragwürdigen Vorgang zusammengebracht, damit er stellvertretender Generaldirektor werden kann. Aber Sie stehen für eine Gesellschaft, in der es künftig soziale Barrieren im Gesundheitswesen geben soll, in der es soziale Barrieren im Bildungswesen geben soll und in der sich in Wirklichkeit die Pensionisten die Frage stellen müssen, ob sich nicht die Kräfte in ÖVP und FPÖ durchsetzen, die in Zukunft dafür sorgen wollen, dass Pensionsbeiträge Spekulationsobjekte an den Börsen sind! Das ist es in Wahrheit! Eine Unsicherheitsregierung sind Sie! Sie stehen für soziale Ungerechtigkeit und Unsicherheit! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Denken wir daran, wie er hier gestanden ist, der Herr Abgeordnete Gaugg: Zittrig hat er hier noch die letzten eigenständigen Positionen, die er hier vertreten hat, als er noch gegen die Privilegien der Bonzen aufgetreten ist, aufgegeben, um dann selbst ein Bonze zu werden. Zittrig hat er hier gewimmert um die Zustimmung von Schwarz und Blau, damit er endlich zu seinem Lebensjob mit einem Einkommen von 200 000 € als stellvertretender Generaldirektor kommt. (Abg. Böhacker: Das ist die Unwahrheit, was Sie da sagen!) Und Sie machen bei all dem mit! Für Sie und die Lächler in der ÖVP, die hier flächendeckend die Postenschacherstrategien entwickeln, wo täglich Schwarze in Positionen kommen, weil Sie sich diese Republik persönlich aufgeteilt haben, ist die Republik nichts anderes als Privateigentum. Zuschanzen den Freunderln, lautet die Devise. Während wir ein Ansteigen der Arbeitslosenquote zu verzeichnen haben, während bei uns um die Arbeitsplätze gezittert wird, während wir die höchste Steuer- und Abgabenquote haben, haben Sie nichts anderes im Kopf, als Ihre blauen und schwarzen Protektionskinder in Spitzenpositionen hineinzuheben. Sie sollten sich schämen dafür, dass Ihnen nichts anderes einfällt als diese Politik! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die 700 000 waren die Spitze einer Protestbewegung. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Ich hoffe, dass am nächsten Wahltag endlich das passieren wird, was Sie verdienen: Abgewählt gehören Sie, abgewählt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Laut der in der Präsidiale getroffenen Redezeitvereinbarung beträgt die restliche Redezeit pro Redner bis 12 Uhr 7 Minuten. (Abg. Dr. Khol: Da ist der Cap eingerechnet!)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

11.36

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Herr geschäftsführender Klubobmann Cap, das, was Sie jetzt von sich gegeben haben, ist wohl unterste Schublade. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Anstatt auf das Sozialstaat-Volksbegehren Bezug zu nehmen, lassen Sie sich hier über einen Menschen aus und verbreiten Unwahrheiten, etwa dass er über Einkünfte von 200 000 € und so weiter verfügt. Tatsache ist, dass Kollege Gaugg als Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt zurzeit 2 069 € monatlich verdient. Das ist die Tatsache! Nehmen Sie das zur Kenntnis und verbreiten Sie keine Unwahrheiten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Nachgewiesen ein Lügner!)

Wenn man jetzt das Sozialstaat-Volksbegehren mit Ihren Aussagen vergleicht, dann muss ich mich schon wundern. In einem Rechtsstaat wie Österreich muss es eigentlich jedem gestattet sein, sich um einen Posten zu bewerben, auch einem Freiheitlichen, bitte! Das sollten Sie in die Verfassung schreiben, geschätzte Damen und Herren!


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Aber jetzt zum Sozialstaat-Volksbegehren. Mich wundert es, dass die SPÖ nicht vor Jahren die Gelegenheit ergriffen hat – es ist schon drei Jahre her, dass Sie die Hauptverantwortung hier im Staat getragen haben –, die Forderungen, die in diesem Sozialstaat-Volksbegehren enthalten sind – es ist ja von vielen Ihrer ehemaligen Minister unterzeichnet und befürwortet worden –, umzusetzen. Wieso haben Sie es nicht getan? Wieso nicht? Wieso gerade jetzt? Wieso jetzt? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Reheis. ) Sie hätten die Möglichkeit gehabt.

Aber jetzt einmal zum Sozialstaat-Volksbegehren. Ich habe mich sehr eingehend damit auseinander gesetzt, weil ich eigentlich gedacht habe: Vielleicht ist es gar nicht so ungeschickt, dass man das in die Verfassung schreibt. Ich habe mir Gedanken darüber gemacht. Aber – Kollege Cap hat ganz kurz etwas von Sozialverträglichkeitsprüfung gesagt, und Kollege Öllinger hat dieses Thema auch angeschnitten – eine Sozialverträglichkeitsprüfung wäre schon sehr schwierig. Was ist eigentlich "sozial verträglich"?

Die Definition von Sozialverträglichkeit ist total unterschiedlich. Es gibt verschiedene Zugänge dazu. Bevor man die Sozialverträglichkeit definiert, müsste man nach Kriterien suchen. Ein Landwirt würde unter "sozial verträglich" andere Maßnahmen verstehen als ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger. Dieser hat einen ganz anderen Zugang zu Sozialverträglichkeit als ein Angestellter. Da gibt es ja verschiedene Voraussetzungen. (Abg. Dr. Petrovic: Genau das soll man prüfen!) Man kann nicht so undefinierte Schlagworte, wie Sie sie hier verwendet haben, einfach in eine Bundesverfassung hineinnehmen. Sie haben dort meiner Meinung nach überhaupt nichts zu suchen.

Im Sozialstaat-Volksbegehren ist auch die Absicherung im Fall von Krankheit, Unfall, Behinderung, Alter, Arbeitslosigkeit und Armut enthalten. Weiters heißt es darin: Die Finanzierung der Staatsausgaben sollte sich am Grundsatz, dass die in Österreich lebenden Menschen einen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage angemessenen Beitrag leisten, orientieren.

Selbstverständlich, es passiert ja nichts anderes. Aus dem Sozialbericht aus dem Jahre 1999 – dieser stammt eigentlich aus einer Zeit, als es noch einen sozialistischen Sozialminister gegeben hat – geht hervor, dass Österreich ein sozialer Staat ist. Das steht so im Sozialbericht.

Die Sozialausgaben haben in Österreich im Jahre 1998 745 Milliarden Schilling oder 48,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. Seit 1980 erhöhte sich die Sozialquote um 1,3 Prozentpunkte. Jene, die der unteren Einkommenshälfte zuzurechnen sind, lukrieren zirka 70 Prozent des Sozialtransfers in Österreich und jene, die der obere Einkommenshälfte zuzurechnen sind, zirka 30 Prozent. Österreich ist also ein Sozialstaat.

Das bedeutet, dass die Forderungen dieses Volksbegehrens eigentlich in höchstem Maße umgesetzt werden. Durch die Maßnahmen, die durch diese Bundesregierung seit dem Jahr 2000 gesetzt wurden, wird dieser Anteil noch erhöht. Ich erinnere Sie: Das Kindergeld wurde eingeführt, die "Abfertigung neu" wurde gestern hier im Hohen Haus beschlossen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich bin sehr froh darüber, obwohl Sie alle sich jetzt mit diesen Federn schmücken. Die Behindertenmilliarde wurde geschaffen, die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Das haben Sie in jener Zeit, als Sie die Hauptverantwortung hier im Staate Österreich getragen haben, auch nicht zustande gebracht. Ab 2003 wird die Familienbeihilfe erhöht. Eine Entschädigungszahlung für die Kriegsgefangenen von Ost und West ist erfolgt. Es wurde auch das Pflegegeld ab der Geburt eines behinderten Kindes durchgesetzt. Ein Sozialpaket für NS-Opfer wurde verabschiedet.

Das logische Ergebnis ist, dass uns sogar die Europäische Union dafür lobt. Sie lobt uns für ein vorbildliches Vorgehen bei der Armutsbekämpfung in Österreich. Österreich hat ein vorbildliches Familienförderungssystem und eine der höchsten Frauenbeschäftigungsquoten in Europa. (Abg. Parnigoni: Das ist nicht das Verdienst dieser Regierung!)

Herr Kollege Parnigoni, dieses Volksbegehren haben zwölf Leute unterstützt, die eine Vergangenheit haben, wie Johanna Dohnal, ehemalige Frauenministerin in Österreich, Karl Blecha,


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ehemaliger Innenminister, Dr. Helmut Zilk, ehemaliger Bürgermeister und Unterrichtsminister, Erich Haider, Landeshauptmann-Stellvertreter von Oberösterreich, Irmgard Schmidtleitner, ehemalige Frauenvorsitzende des ÖGB, Ferdinand Lacina, ehemaliger Finanzminister, Walter Geppert, Manfred Lackner, Abgeordneter zum Nationalrat, Hans Sallmutter, Johann Maier, Abgeordneter zum Nationalrat, Mitarbeiter der Arbeiterkammer Salzburg, Rudolf Kaske – das war jener Mann, der gesagt hat, die Republik muss brennen – und Melitta Trunk, Bundesrätin aus Kärnten. (Abg. Parnigoni: Ist das verboten, oder was?)

Dieses rote Dutzend hat dieses Volksbegehren unterzeichnet und darauf vergessen, dass sie vor Jahren die Hauptverantwortung getragen haben und das längst umsetzen hätten können. Ich sage Ihnen eines: Schlagworte und Worthülsen haben in einem Verfassungsgesetz nichts zu suchen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Restliche Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

11.43

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Jawohl, meine Damen und Herren, wir bedanken uns bei allen Österreicherinnen und Österreichern, die für den Sozialstaat Österreich eintreten, ausdrücklich auch bei jenen, die das Volksbegehren nicht unterschrieben haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich denke da vor allem an die Caritas Österreich, die ganz wesentliche Beiträge zum Sozialstaat Österreich leistet und das Volksbegehren aus ganz klaren Gründen offiziell nicht unterstützt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist zynisch, Herr Kollege!)

Ich bedanke mich bei allen, die ehrenamtlich tätig sind, denn ich bin der Meinung, dass wesentlich mehr als 700 000 Österreicherinnen und Österreicher den Sozialstaat Österreich wollen, am Sozialstaat Österreich mitarbeiten, ihn aufbauen und weiterentwickeln, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir sollten uns heute hier nicht in ein Lagerdenken zurückziehen, sondern gemeinsam diesen Sozialstaat weiterentwickeln. Ich meine schon, dass die Entscheidung unserer Bundesregierung, die gesagt hat, wesentliche Voraussetzung für den Sozialstaat Österreich ist ein Wegkommen vom Schuldenmachen, ganz entscheidend war. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist schon richtig, was Präsident Verzetnitsch gesagt hat: Mit der SPÖ war es nicht möglich, vom Schuldenmachen wegzukommen. Mit der FPÖ, mit Bundeskanzler Schüssel und Finanzminister Grasser war dies möglich. Ich betrachte das als eine ganz wesentliche Voraussetzung für unseren Sozialstaat Österreich, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jeder Euro Schuld bedeutet für die künftige Generation eine Belastung. Es gibt dann weniger finanzielle Möglichkeiten, die sozialen Anliegen einer künftigen Generation zu erfüllen. Deshalb ist dieser Schritt eine ganz entscheidende Maßnahme und eine ganz wesentliche Voraussetzung für unseren Sozialstaat Österreich, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Lichtenberger: Abfangjäger!)

Ich bin auch der Meinung, dass es zulässig sein muss, gewisse Dinge zu hinterfragen. Es muss zulässig sein, zu hinterfragen, ob es möglich ist, dass jeder und jede zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, nämlich schon mit 50, 52 Jahren, in Pension geht, oder ob nicht für alle gleiches Recht gelten sollte, ob die Sozialgesetzgebung nicht für alle gleich sein soll. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Wir brauchen soziale Gerechtigkeit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Wer soziale Gerechtigkeit beiseite schiebt, der


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verkennt die Bedeutung von Solidarität, der verkennt die Bereitschaft zur Solidarität, die wir alle wollen und die wir weiterentwickeln wollen, meine Damen und Herren!

Wichtig ist für mich, dass wir die Sozialquote, die wir erreicht haben, von der viele Vorredner gesprochen haben, erhalten können. Wir werden daran arbeiten, dass es zu keiner Veränderung der Sozialquote, die jetzt 30 Prozent beträgt, kommt. 30 Prozent der gesamten Leistungen unserer Wirtschaft, der arbeitenden Menschen geben wir für die soziale Sicherheit aus, und das soll so bleiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es soll so bleiben, meine Damen und Herren, dass wir Nummer eins, was Fragen der Gesundheit betrifft, sind. 99 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben eine gesetzliche Sozialversicherung. Nennen Sie mir ein Land, wo es ähnlich ist, wo jeder jedes Krankenhaus besuchen kann, wo jeder Zugang zu den besten Krankenhäusern hat! Das ist in Österreich der Fall.

Wir wollen die soziale Absicherung der älteren Menschen erhalten. Im Prinzip haben alle Menschen, alle Österreicherinnen und Österreicher – abgesehen von ein paar kleinen Gruppen, die im System nicht drinnen sind – bei Erreichung des 65. Lebensjahres Anspruch auf eine Pension, ob es sich um Alleinstehende oder um Ehepaare handelt. Meine Damen und Herren! Damit ist eine Einkommenssicherung verbunden. Der allein stehende Pensionist hat eine Mindesteinkommenssicherung von 640 € im Monat. Der Pflegebedürftige hat, ohne dass er Beiträge bezahlt, ohne Versicherung, Anspruch auf Pflegegeld bis zu einer Höhe von 1 140 € im Monat. Alle anderen Länder haben eine Pflegeversicherung. Bei uns gibt es ein Pflegegeld für jeden Österreicher und für jede Österreicherin, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bin froh, dass wir uns mit diesen Anliegen des Sozialstaates in den nächsten Wochen und Monaten auseinander setzen können.

Aber genauso wichtig wie dieses Volksbegehren ist mir auch das Sozialwort der 14 christlichen Kirchen Österreichs. Ich betrachte den Beitrag, den die 14 christlichen Kirchen Österreichs derzeit erarbeiten – ihre Bemühungen wären gegenüber dem Sozialstaat-Volksbegehren beinahe untergegangen –, als eine wichtige Initiative. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Da sind wesentlich mehr Menschen engagiert, viel mehr: beinahe alle Österreicherinnen und Österreicher, die sich zu einer christlichen Kirche bekennen. Ich bin zuversichtlich, dass unser Sozialstaat durch gemeinsame Bemühungen erhalten, weiterentwickelt und gesichert werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut!)

11.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Die Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.

11.50

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Gäste auf der Galerie und Initiatoren des Volksbegehrens! Ich bin vom Sozialstaat-Volksbegehren eingenommen und nicht vereinnahmt. Und wenn ich mir zweieinhalb Jahre Gesundheitspolitik der Bundesregierung anschaue, dann würde ich doch meinen, dass man die Motive und die Notwendigkeit dieses Sozialstaat-Volksbegehrens wirklich verstehen sollte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es fällt auf, dass Gesundheit und die Errungenschaften des Sozialstaates politisch gesehen eigentlich immer nur als Kostenfaktor vermittelt werden, und das halte ich für schlecht und auch für gefährlich. Es wird übersehen, dass Gesundheit zu den zentralsten Bedürfnissen der Bevölkerung gehört. Das sagen alle Umfragen. Die Umfragen sagen aber ebenso, dass Angst vor Krankheit, Leid und Tod zu den zentralen Ängsten gehört. Da hätte ich gerne eine Antwort darauf gehört, die über Floskeln, Phrasen und Versprechungen deutlich hinausgeht.


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Ich glaube, dass Gesundheitspolitik so wirklich zur Nagelprobe eines sozialen und humanistischen Handelns wird und auch zum Prüfstein einer Gesinnung, die ich jetzt gerne hier am Rednerpult hinterfragen möchte.

Was passiert nämlich? – Das Defizit oder die roten Zahlen der Kassen einerseits und ein relativ phantasieloses und wenig klug gedachtes Spardenken andererseits führen bei der Bundesregierung primär dazu, dass es einfach zu unqualifizierten Rundumschlägen kommt, zu Fehlinterpretationen, Missdeutungen, Mythen und Märchen über eine zukünftige Unfinanzierbarkeit der Gesundheitspolitik. Diese sollen alle ÖsterreicherInnen bereit machen für Selbstbehalte, für eine Erhöhung der privaten Kosten am Gesundheitssystem und zum Beitritt zu diesem republikanischen Sparverein nötigen, sage ich jetzt einmal.

Sie unterstellen der Bevölkerung – und das sind Worte, die ich immer wieder höre – nacktes Konsumdenken und sprechen von "Vollkasko-Mentalität" der Versicherten, so als ob jemand ins Krankenhaus kommen und sagen würde: Bitte, nehmen Sie mir doch meine Brust ab, amputieren Sie mir meine Brust! Könnte ich heute eine Herzklappe haben, weil mir gerade danach ist? Oder weil es gerade dem Biorhythmus entspricht: Bitte geben Sie mir ein künstliches Hüftgelenk, denn mein Freund hat auch eines! – So eine Diskussion ist ja aberwitzig! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nicht sparsam sind Sie aber, wenn Sie sich selbst beweihräuchern, sich selbst überschätzen und überhaupt keine Selbstkritik zeigen. Wenn Sie hier am Rednerpult sagen, die Ambulanzgebühren hätten einen signifikanten Lenkungseffekt, dann könnten Sie auch behaupten, dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet. Sie werden aber sehen, das wird nicht passieren. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was Sie aber wirklich tun mit diesen Selbstbehalten, die ja nur die Kranken betreffen ... (Abg. Böhacker: An Überheblichkeit nicht mehr zu überbieten!) Herr Bartenstein, Sie schütteln so oft den Kopf, dass Ihre Halswirbelsäule langsam eine Sache für die Orthopädie wird. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. ) Wegen mir schütteln Sie den Kopf? Herr Minister Bartenstein, dass Sie nicht hinter mir stehen, weiß ich, aber auch hinter mir sitzend sind Sie mir keine Hilfe, wenn Sie dauernd in meinen Nacken sprechen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich frage mich in dieser Debatte – und das sage ich schon zur christlich-sozialen ÖVP –: Wo bleibt da der Gedanke Caritas? Was sind Solidarität und Gerechtigkeit? – Ist das wirklich nur das Gestammel von Linken, Träumern und Gutmenschen? Oder wo sind Argumente? Wo ist Tiefgang in der Debatte? Wo nehmen Sie wissenschaftliche Studien, in denen meist das Gegenteil von dem gesagt wird, was Sie hier behaupten, ernst? Sind auch Argumentation und Tiefgang sozusagen nur eine Sache oder ein Hobby von irgendwelchen Freizeitsportlern und Intellektuellen? – Ich glaube nicht.

Die Gesundheitspolitik würde dieses Nachdenken verlangen und auch, dass Sie endlich Daten und Fakten anerkennen.

Ihr Gesundheitssprecher sagt öffentlich bei einer großen Veranstaltung "Medizin Weltstadt Wien – wie lange noch?" – mit einem freundlichen Fragezeichen dahinter –: Natürlich wird die Gesundheitspolitik mehr kosten. – Das sagen auch andere Leute hier im Raum. Wenn man allerdings hier heraußen steht und dasselbe wie Ihre Leute sagt, dann wird man geprügelt und belächelt, und Sie sagen nein. Und dieses Nein heißt, dass Sie Leuten, insbesondere chronisch Kranken, Alten und Schwerkranken, in Zukunft Leistungen vorenthalten.

Die Einhebung von Ambulanzgebühren ist auch nicht klug, weil sie äußerst ungerecht ist. Es gibt für Leute mit bestimmten Erkrankungen keine andere Möglichkeit, als Spezialambulanzen aufzusuchen. Bei schwer Zuckerkranken, schweren Hormonstörungen, bei Kontrolle von Herzklappen, auch bei der Einstellung mit Medikamenten bei schwersten Depressionen sind lückenlose Kontrollen erforderlich, die in der freien Praxis nicht durchgeführt werden können. Das sollten Sie als Gesundheitsminister wissen. Sie sollten auch wissen, dass die größte diesbezüg


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liche Studie, die in Innsbruck durchgeführt wurde, ganz klar ergibt, dass ein minimaler Rückgang bei den Ambulanzen bereits wieder egalisiert wurde und dass in der freien Praxis die PatientInnen nicht vor den Türen der Fachärzte und Praktiker stehen. Das stimmt doch alles nicht!

Sie übersehen etwas, und ich komme damit noch einmal zum Sozialstaat-Volksbegehren zurück – ich habe es Ihnen mehrfach erklärt, aber es will anscheinend nicht in Ihre Köpfe hinein –: Wenn man die Faktoren ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Wieso tun Sie immer so oberlehrerhaft?) – Ich tu’ nicht oberlehrerhaft! Aber wenn Sie meinen, dass die Weisheit von Ihnen gepachtet wurde, dann ist der Heilige Geist vielleicht auch auf Pflegekarenz gegangen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Achatz. )

Ich komme noch einmal zu folgender Aussage zurück: Wenn man die Faktoren Einkommen, Bildung und Beruf nimmt, dann muss man feststellen, dass gerade das unterste Fünftel der Bevölkerung in jedem Lebensalter das doppelte Risiko trägt, schwer zu erkranken und zu sterben. Und gerade jene mit dem höchsten Krankheitsrisiko treffen Sie mit den Selbstbehalten, das ist überhaupt nicht schwer zu verstehen. Herr Rasinger versteht das. Er sagt draußen auch, dass ich Recht habe. Hier sagt er das allerdings nicht.

Ich weiß nicht, wie weit Ihre Macht geht, Herr Khol. Sie verstehen es ja auch. Warum sagen Sie den Leuten, dass nichts mehr kosten darf, aber nicht, was es sie wirklich kostet: nämlich die Gesundheit und ein höheres Risiko!? – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bures. Frau Abgeordnete, 2 Minuten Ihrer Redezeit fallen noch in die Fernsehübertragungszeit gemäß der Vereinbarung in der Präsidiale. – Bitte.

11.57

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte hat klar gezeigt: Das Sozialstaat-Volksbegehren war ein Votum für einen starken Sozialstaat, und es war der klare Protest gegen die Sozialdemontage durch diese Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diese Bundesregierung hat Unfallrenten besteuert, Pensionen gekürzt, die Lebenssituation älterer Menschen massiv verschlechtert und auch Ambulanzgebühren eingeführt. Und Sie stellen sich heute hier her und reden von Sozialstaat und sozialer Sicherheit. Diese Bundesregierung hat vor zwei Tagen auch noch zusätzliche Arztgebühren beschlossen, mit denen sie die Österreicherinnen und Österreicher belastet. (Abg. Dr. Trinkl: Vor zwei Tagen war keine Sitzung!) Der Ministerrat hat Arztgebühren beschlossen, hat aber nicht den Mumm, diese Belastungspolitik der Bevölkerung auch mitzuteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie reden von Rotweißrot und meinen blau-schwarze Belastungspolitik. Sie sprechen von Reformen und meinen Postenschacher, den Sie tagtäglich betreiben. (Abg. Mag. Schweitzer: Was ist passiert?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, Ihre Politik hat die Menschen hart getroffen – nicht alle, aber die Bevölkerung hat es getroffen. Es hat nicht den Herrn Prinzhorn getroffen, es hat nicht den Herrn Bartenstein getroffen, und es hat nicht den Herrn Gaugg getroffen. Es hat die Familien, die älteren Menschen und die Jugend in diesem Land getroffen, und das ist schändlich! Sie verwechseln Österreich mit einem Selbstbedienungsladen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie bereichern sich auf Kosten der Menschen in diesem Land. Dieser Postenschacher, den Sie hier eingeleitet haben, wird ja munter fortgesetzt. Heute ist es Herr Gaugg, morgen wird angeblich Abgeordneter Firlinger beim Postbus einen hoch bezahlten Posten bekommen. Vielleicht will er auch wie Herr Gaugg 200 000 € Jahresgehalt haben. – Das ist das Einzige, was Sie interessiert! Die Probleme und Anliegen der Menschen in diesem Land sind Ihnen völlig egal. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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So gehen Sie mit Menschen um, die sich in diesem Land eingesetzt haben, hoch qualifiziert in der Pensionsversicherung, in Betrieben in dem Land tätig waren, hoch qualifizierten Managern, Gendarmerie-Generaldirektoren, anerkannten Persönlichkeiten, um sie gegen willfährige Parteigänger auszutauschen. Das ist der Vorwurf, den man Ihnen machen muss! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 717 000 Menschen sind nur die Spitze eines Protestes. Die wahre Ablehnung dieser unsozialen Politik werden Sie am Wahltag erfahren, und das ist auch gut so. Es ist ein Kurswechsel angesagt! (Beifall bei der SPÖ.)

Das harte Umgehen mit der Bevölkerung und mit den Problemen und Anliegen der Menschen ist natürlich auch zum Ausdruck gekommen, als der Herr Sozialminister davon gesprochen hat, wie sich die Sozialquote in Österreich entwickelt hat. Einen Teil der Sozialquote machen die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung aus. Der Anstieg der Sozialquote kommt dadurch zustande, weil wir in Österreich auch einen massiven Anstieg der Zahl an arbeitslosen Menschen haben. Die sind Ihnen völlig egal! Sie rühmen sich einer Sozialquote auf dem Rücken von 210 000 arbeitslosen Menschen in unserem Land – und das ist verwerflich! Und so etwas nennt sich Sozial minister! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist bezeichnend, dass gerade in einem Sozialministerium an oberster Stelle nicht die sozialen Belange und Bedürfnisse der Bevölkerung stehen, sondern an oberster Stelle der eigene Postenschacher steht. Herr Bundesminister Haupt, Sie haben sehr lange versucht zu verschleiern, dass Sie in einer Mauschel-Sitzung dafür gesorgt haben, dass Herr Gaugg, der überhaupt keine Qualifikation für so eine verantwortungsvolle Funktion hat, diese Funktion bekommt. Mit der Brechstange haben Sie dafür gesorgt! (Abg. Böhacker: Welche Qualifikation haben Sie?)

Aber das ist ja nicht das Einzige, was Sie, Herr Bundesminister, in Ihrem Ministerium machen. Sie haben als neuesten Sündenfall dem Landtagsdirektor Tscharnutter der FPÖ-Wien eine sehr lukrative Funktion zukommen lassen. Er ist nämlich seit zwei Tagen Geschäftsführer des Privatkrankenanstaltenfonds mit einer Monatsgage von 6 500 €. Das ist Ihnen wichtig – die arbeitslosen Menschen in diesem Land sind Ihnen völlig egal! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Sie haben mit der Brechstange und in Mauschel-Sitzungen gegen alle Ausschreibungskriterien dafür gesorgt, dass Herr Gaugg 200 000 € im Jahr verdienen wird. Sie haben dafür gesorgt, dass Landtagsdirektoren lukrative Posten bekommen. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum fiebern Sie? Gestern waren Sie noch ganz gesund, heute haben Sie Fieber!) Auch Ihr Landtagsabgeordneter Günther hat bei Ihnen eine neu geschaffene Funktion übernommen, nämlich die des Stabschefs. FPÖ-willfährige Parteiengänger sind das! Und das, Herr Bundesminister, ist eine ungeheuerliche Vorgangsweise!

Ihre Aufgabe wäre es, sich um die arbeitslosen Menschen in diesem Land zu kümmern. Denen kürzen Sie die Gelder und die Bezüge, diese Familien haben durch Ihre Politik von Tag zu Tag weniger in der Tasche. Und Sie sorgen dafür, dass die Pfründe verteilt werden, dass Privilegienwirtschaft in einem großen Ausmaß herrscht und dass Abkassierer in Ihren Reihen sind. Sie decken das und Sie ermöglichen das auch, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dolinschek: ... so einen Blödsinn daherquatschen!)

Man ist es ja gewohnt, dass Sie es mit der Wahrheit nicht ganz ernst nehmen. Ich höre jetzt immer wieder, der arme Herr Kollege Gaugg hat keinen Vertrag, der arme Herr Kollege Gaugg weiß nicht, was er arbeiten soll, er weiß nicht, wo er seinen Arbeitsplatz auffinden kann – er weiß nur, er will 200 000 €. Wissen Sie, was mir zu Ohren gekommen ist – und das finde ich besonders verwerflich –: Der Herr Gaugg hat sich herausgenommen, selbst zu formulieren, wie sein Vertrag aussehen wird! Der Herr Gaugg hat angeblich zugesagt, dass er bis morgen seinen Wunschvertrag, sein Wunschgehalt und besondere Wünsche wie Sonderkonditionen, Dienstwagen et cetera abgeben wird. Übernehmen Sie die Verantwortung für den Skandal, und versuchen Sie nicht immer, die Schuld auf die anderen abzuschieben! Der Herr Gaugg wird morgen seine Sonderwünsche und seinen Sondervertrag selbst vorlegen, und es liegt an ihm,


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dass dieser Vertrag noch nicht vorliegt. Das ist mir zu Ohren gekommen, und das ist die Unwahrheit, was Sie in diesem Zusammenhang immer sagen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Aber Ihnen geht es um Abkassieren, Ihnen geht es um Privilegienwirtschaft, und Ihnen geht es um Postenschacher. Das steht im Mittelpunkt Ihrer Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese 717 000 Unterschriften, die die Spitze des Protestes sind, haben das ja auch zum Ausdruck gebracht. Die Politik von ÖVP und FPÖ, was den Sozialstaat betrifft, ist unglaubwürdig. (Abg. Dolinschek: Es ist sehr kalt geworden in der SPÖ!) Es ist eine unsoziale Politik, die von den Menschen nicht zur Kenntnis genommen wird, und sie ist ungerecht! Es ist eine Politik der Zwei-Klassen-Gesellschaft: Sie richten es sich, und der Großteil der Bevölkerung bleibt auf der Strecke. Dafür werden Sie eine Abfuhr bekommen. (Abg. Wochesländer: Ja, reden Sie es sich nur ein!) Es ist Zeit für einen Kurswechsel! (Beifall bei der SPÖ.)

12.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

12.06

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Der Redner sieht den ehemaligen Abgeordneten Andreas Wabl auf der Besuchergalerie sitzen.)  – Ja, da schau her, der Herr Kollege Wabl! Er sei von hier aus gegrüßt! Es freut uns, einen alten Parlamentarier wieder zu sehen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ, der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Bures! Auch der Kollege Wabl hat ob Ihrer Darbietung den Kopf geschüttelt und gesagt: Wie tief ist das Niveau bei der SPÖ gesunken! Als ich noch da war ... (Andreas Wabl verlässt die Besuchergalerie. – Heiterkeit.) Früher hat es da noch Fuhrmänner und Kostelkas gegeben. Aber gut, was soll’s?

Auch Kollege Cap versucht, mit der Unwahrheit zu punkten. Kollege Cap, du hast gestern ausgesendet – ich muss da anknüpfen, wo Kollegin Bures aufgehört hat –, Kollege Gaugg beziehe 200 000 €, verfüge über einen Dienstwagen mit Chauffeur. Das hast du gestern in einer OTS-Meldung, die Gott sei Dank niemand übernommen hat, weil alle wissen, dass das die Unwahrheit ist, ausgesendet.

Man sollte nicht versuchen, mit Unwahrheit Politik zu machen, Herr Kollege Cap, vor allem dann, wenn man Klubobmann der größten Oppositionspartei in diesem Hause ist. Ich glaube, man sollte zumindest das untere Maß an Fairness gelten lassen und nicht so ungeheuerliche Behauptungen, die mit der Realität aber überhaupt nichts zu tun haben, noch dazu über einen Pressedienst, der Öffentlichkeit mitteilen. Kollege Cap, das ist nicht nur traurig, das ist bedauerlich. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Das, was Sie da in den letzten Tagen und auch heute wieder von sich geben, entspricht in etwa dieser Qualität. Und deswegen schüttelt ja er (zur Besuchergalerie gewandt, auf der Andreas Wabl nun wieder sitzt) mit dem wallenden Haar, der jetzt auch die Reife hat, das Ganze anders zu beurteilen, weil er das ein bisschen aus der Distanz sieht, so den Kopf über die Performance dieser SPÖ, die offensichtlich nichts anzubieten hat. Sie haben dem Sozialstaat in der Zeit, wo Sie Regierungsverantwortung getragen haben, nichts angeboten! Sie haben für diesen Sozialstaat in Wahrheit nichts getan! Sie haben die Probleme vor sich hergeschoben!

Es gibt eine prominente Unterstützerin dieses Sozialstaat-Volksbegehrens – ich habe gemeinsam mit ihr und Dr. Vogt debattiert –: die ehemalige Frau Ministerin Dohnal, die Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Frauen. (Abg. Dolinschek: Jetzt ist es ja kalt geworden in der SPÖ!) Dann sind andere gekommen: Konrad hat sie geheißen, wenn ich mich recht erinnere. Sie ist mir in Erinnerung geblieben mit einem T-Shirt, auf dem "halbe-halbe" gestanden ist. Und dann haben wir die Frau Kollegin Prammer gehabt. Und unter all diesen "hervorragenden" sozialdemokratischen Frauenministerinnen ist es nicht gelungen, den Frauen gleiches Recht


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zukommen zu lassen, wenn es um das Kindergeld geht. (Abg. Dolinschek: Es war damals schon sehr kalt in der SPÖ!)

Ja, warum haben Sie das nicht getan, Frau Dohnal, wo immer Sie sind, Frau Konrad, wo immer Sie sind?! Frau Prammer – Sie sind hier –, warum haben Sie die Frauen nicht gleich gestellt? (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) Warum haben damals Selbständige, Studentinnen, Bäuerinnen und andere dieses Kindergeld nicht bekommen? Jetzt, wo Sie nichts zu reden haben, schreien Sie, was alles noch getan werden muss, weil Sie es nicht getan haben!? Wir tun es! Es gibt dieses Kindergeld, Herr Vogt, Gleichberechtigung für die Frauen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber das ist nur ein wunderschönes Beispiel einer ganz kurzen Zeit, in der diese Regierung unter freiheitlicher Anleitung sehr, sehr viel für den Sozialstaat getan hat. (Zwischenruf des Abg. Nürnberger. ) – Herr Multifunktionär und Oberverdiener Nürnberger! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) 180 000 S Monatsgage – sozial bedürftig bist du nicht! (Abg. Nürnberger: Das ist falsch! ...) Aber du hast für die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten nichts getan, solange du in der Regierungsverantwortung warst. Diese Partei, nämlich die Freiheitliche, musste Regierungsverantwortung übernehmen, dass für die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten etwas geschehen ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Frau Kollegin Silhavy, Frau Sozialsprecherin! Sie haben nichts erreicht in Sachen Behindertenmilliarde. – Die Behindertenmilliarde geht auf das Konto dieser Regierungspartei, der FPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Erhöhung der Familienbeihilfe, Kollegin Silhavy: nicht die SPÖ – die FPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nächstes Thema: Familienhospizkarenz. Sie haben diesbezüglich nichts erreicht! Hier sitzen die (in Richtung der Freiheitlichen), die zu verantworten haben, dass die Familienhospizkarenz Realität geworden ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kriegsgefangenenentschädigung, Pflegegeld ab der Geburt, Vertriebenenentschädigung, Zwangsarbeiterentschädigung – alles Dinge, die Sie ungelöst auf einem sozialdemokratischen Trümmerhaufen hinterlassen haben. All das wurde, seit es die FPÖ in dieser Regierung gibt, verwirklicht.

Was haben Sie gemacht, Herr Kollege Edlinger? – Sie grinsen verschämt in sich hinein (Abg. Edlinger: Nein, ich lache Sie aus!), weil Sie wissen, dass Sie in der Zeit, wo Sie am Hebel gesessen sind, diesen Hebel nicht bedienen konnten. Ihre "Erfolge" kennen wir schon – Sie haben nicht einmal rechnen können: Aus null wurden 103 Milliarden, Herr Kollege Edlinger! (Abg. Dr. Martin Graf: Provozier nicht seine Zwischenrufe, die sind gefährlich!) Und dann sind Sie zu Rapid gegangen – und das Ergebnis ist bekannt! Das Ergebnis ist bekannt! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Er ist zu klein, um mich zu provozieren!)

Das ist das, was ich an dieser SPÖ nicht ertrage: Wenn sie die Möglichkeit hätte, dann kann sie nicht! Und wenn sie keine Möglichkeit mehr hat, dann will sie, wissend, dass sie nicht kann, wenn sie die Möglichkeit wieder bekommt. Und deswegen werden wir dafür sorgen, dass Sie die Möglichkeit nicht mehr bekommen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.


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12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Nürnberger zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, beginnen Sie bitte mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen, und stellen Sie dieser Behauptung den berichtigten Sachverhalt gegenüber.

12.13

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schweitzer hat behauptet, ich hätte für die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten nichts getan (Abg. Mag. Schweitzer: Nichts erreicht!), nichts erreicht. – Dies ist natürlich, wie so oft bei Herrn Abgeordneten Schweitzer, unwahr! (Ruf bei den Freiheitlichen: Wer hat es denn beschlossen?)

Dort, wo ich tätig bin, habe ich sogar mehr als die Regierung, nämlich die tatsächliche Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten auf Punkt und Beistrich, erreicht: Industrie-Kollektivvertrag. (Beifall bei der SPÖ.)

12.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. Ihre Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.14

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Die Debatte zeigt ganz klar: Diese Reformregierung sichert den Sozialstaat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Erst seit diesem Kurswechsel, den es ja zweifelsohne gegeben hat, gibt es auch mehr soziale Gerechtigkeit.

Die Zwei-Klassen-Gesellschaft, die heute Ihr Parteivorsitzender als eine Art Gespenst in den Raum gestellt hat, hat es nämlich bei Ihnen immer gegeben. (Abg. Gradwohl: Sie haben das missverstanden! Diese Regierung ist kein Gespenst, sie ist Realität!) Sie haben nämlich vor der "Abfertigung neu" 85 Prozent der Arbeitnehmer vom Prinzip Hoffnung leben lassen! Die haben überhaupt nie eine Abfertigung bekommen! Sie haben beim Karenzgeld ganz wichtige Gruppen, die Studentinnen, die Hausfrauen, die Bäuerinnen, ausgeschlossen. Damit haben Sie kein Problem gehabt. Also wer da immer Trennlinien zwischen den verschiedenen Klassen gezogen hat, wird in dieser Diskussion, glaube ich, sehr deutlich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Volksbegehren, über das wir heute in einer ersten Lesung diskutieren, muss ich sagen: Man muss jedes Volksbegehren ernst nehmen, und ich glaube, hier wurde viel mit Ängsten, mit Ängsten vor Sozialabbau agiert. Über 700 000 Menschen haben gesagt: Der Sozialstaat ist mir ein Anliegen.

Ich muss dazu sagen: Dieser Bundesregierung ist er auch ein Anliegen. Der ÖVP war er immer ein Anliegen. Wir von der ÖVP haben zum Beispiel extra eine Sozialcharta ausgearbeitet, in der wir zum Ausdruck bringen, dass wir die sozialen Rahmenbedingungen festsetzen müssen. (Abg. Dr. Mertel: Haben Sie sie unterschrieben?)

Die Einbringer müssen natürlich zur Kenntnis nehmen, dass es für die Regierung gerade bei solch einer Debatte legitim ist, nicht Ängste zu schüren, sondern zu sagen: In dieser kurzen Zeit, in der wir die Verantwortung tragen, ist so viel passiert wie in vielen Jahren zuvor nicht! Kein einziges positives Sozialgesetz ist in Frage gestellt worden. Wir haben zusätzlich viel Neues geleistet! Ich möchte an dieser Stelle schon anmerken, dass Österreich derzeit das Land mit der höchsten Qualität in seiner Gesundheitsinfrastruktur auf der Welt ist. Wir sind hier Nummer eins, wir sind Weltspitze! Das muss man in dieser Debatte auch unterstreichen, gerade weil Kollege Grünewald in besonderer Weise auf das Gesundheitssystem eingegangen ist.

99 Prozent unserer Bürger sind krankenversichert, sie können jederzeit kostenlos ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Wir sind das Land Nummer eins, was die allgemeine Lebensqualität betrifft, und da spielt der soziale Bereich sehr hinein.

Wenn man die Sozialpolitik ernst nimmt, dann muss man eben auch reformieren, ständig reformieren. Das heißt aber noch lange nicht, dass Sozialabbau betrieben wird, so wie Sie es immer darstellen. Ich glaube, die neue Sozialpolitik muss Lücken finden, auf die neue Zeit eingehen, Fairness und Gerechtigkeit leben und schauen, wo es Benachteiligungen gibt. Und es hat – das habe ich am Anfang schon ausgeführt – wirklich viele Benachteiligungen gegeben, die genau diese Regierung, diese Reformregierung, sofort ausgeräumt hat, eben mit dem Kindergeld.


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Die Familienpolitik ist für uns auch ein Teil der Sozialpolitik, ein wichtiges Herzstück einer modernen Sozialpolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Dazu gehört natürlich auch, dass das Pflegegeld für behinderte Kinder von Geburt an gezahlt wird. Das zu erreichen war damals, als wir die Pflegevorsorge eingeführt haben, nicht möglich. Es ist jetzt möglich, weil wir eben wissen, dass diese Eltern besonders benachteiligt sind.

Dass es das Familienhospizkarenz-Modell gibt, ist auch etwas, was zeigt – der Herr Bundesminister Haupt hat das ja ausgeführt –, dass es eben nicht reicht, wenn in der Verfassung ein Sozialrecht festgeschrieben ist, so wie das in Belgien und in Holland der Fall ist, aber auf der anderen Seite die älteren Menschen nicht wissen, ob sie bis zum Schluss wirklich betreut werden und ob der soziale Druck nicht so groß auf sie wird, dass sie vorzeitig den Wunsch äußern müssen, aktive Sterbehilfe zu erhalten. – Unser Familienhospizkarenz-Modell ist wirklich eine österreichische Lösung, mit dem wir weltweit vorbildlich sind!

Ich möchte auch noch auf die Behinderten-Milliarde zu sprechen kommen. In anderen Ländern gibt es zwar eine Verankerung des Sozialstaats in der Verfassung – man muss aber auch dazusagen, dass die Verfassungen miteinander nicht vergleichbar sind –, aber diese anderen Länder haben kein Pflegegeld, diese anderen Länder haben keine "Abfertigung neu" für alle, diese anderen Länder haben kein Kinderbetreuungsgeld für alle, keine hohe Unterstützung im Falle von Karenz, und sie haben kein Familienhospizkarenz-Modell.

Ich glaube, Sozialpolitik heißt ständig handeln und ständig auf die neuen Bedingungen der Zeit eingehen. Das tut diese Bundesregierung, und das wird sie auch weiterhin tun! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.19

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Kollege Schweitzer hat behauptet, dass mein Vorgänger, der grüne Ex-Abgeordnete Kollege Wabl, seine Haarpracht geschüttelt habe, und zwar aus Irritation darüber, welch schlechte Performance die SPÖ hier bietet. – Das ist unrichtig!

Ich habe mich soeben in einem Gespräch mit Kollegen Wabl überzeugen können, was er wirklich gemeint hat. (Abg. Böhacker: Das ist eine Information aus dritter Hand! Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Herr Kollege Wabl – ich zitiere es wörtlich, damit Sie seinen Wortlaut haben – hat seine wallende Haarpracht aus Irritation darüber geschüttelt, wie aus einer einst oppositionellen Kampftruppe ein solch handzahmer Postenschacher-Verein werden konnte.

Im Übrigen lässt er sich aber für die Begrüßung durch Herrn Schweitzer herzlich bedanken. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

12.21

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es war uneingeschränkt notwendig, dass es dieses Sozialstaat-Volksbegehren gegeben hat. Jetzt ist endlich wieder Bewegung drinnen, und die Leute lassen sich nicht mehr alles gefallen, was diese Bundesregierung den Menschen an den Kopf schmeißt.

Herr Bundesminister Bartenstein, Sie als Wirtschaftsminister haben natürlich vom Sozialstaat keine Ahnung, denn Sie gehören nicht zu jenen – und haben wahrscheinlich nie zu denen gehört –, die auf den Sozialstaat angewiesen sind, die darauf angewiesen sind, Leistungen der Allgemeinheit zu bekommen. Dass Sie, Herr Minister, dafür kein Verständnis haben, ist mir


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vollkommen klar. Ich hätte es auch nicht, wenn ich aus einer völlig anderen Welt käme. Aber Sie müssen ja das Verständnis nicht haben, Sie müssen nur bereit sein, das zu unterstützen, was sozial schwache Menschen verlangen – und nicht dagegen reden und sagen: Das ist gar nicht notwendig, wir haben das eh schon alles! Sie sollten sich aufklären lassen darüber, wie es wirklich ausschaut und dass es noch sehr viele Menschen gibt, denen es bei weitem nicht so gut geht wie Ihnen, Herr Minister. Das sollten Sie nicht vergessen, Sie sollten da endlich einmal hinhören! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Bundesminister Dr. Bartenstein: Das habe ich auch nicht vergessen und werde ich auch nie vergessen!)

Wenn heute gesagt wurde, jetzt auch wieder von Frau Gatterer, wie gut wir überall seien, welch gute medizinische Versorgung wir hätten und dass wir Spitzenreiter seien: Frau Gatterer und meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben vergessen, dass die Ambulanzgebühren eingeführt worden sind und dass diese für sehr viele ein Problem sind, weil sie sich ganz einfach diese Kosten, zusätzlich zu den Selbstbehalten, die sie ohnehin schon haben, nicht mehr leisten können. (Abg. Dr. Trinkl: Welche Selbstbehalte?)

Diese Wahlfreiheit des Arztes, die Sie jetzt wieder propagiert haben, gibt es nicht! Was machen Sie denn auf dem Land, wenn Sie keine öffentlichen Verkehrsmittel haben, um zum Arzt Ihrer Wahl zu kommen? Was machen Sie, wenn Sie alt oder behindert sind und nicht den dritten Stock, in dem sich die Arztpraxis befindet, erreichen können? Wo bleibt denn da die Wahlfreiheit? Die haben Sie nicht! Sie müssen dorthin gehen, wo es für Sie möglich ist, und das ist in der Regel die Ambulanz, weil die Ambulanzen in der Regel stufenlos erreichbar sind.

Das alles wissen Sie anscheinend nicht, und das zeigt ganz deutlich, dass Sie schon lange nicht mehr wissen, was sich wirklich im alltäglichen Leben von Menschen abspielt, von Menschen, die nicht da herinnen sitzen, von Menschen, die nicht der Gruppe der Bartensteins und Prinzhorns angehören, sondern von einfachen Menschen, die jeden Tag arbeiten gehen müssen oder keine Arbeit mehr haben, von alten Menschen, die nicht diesen sozialen Standard haben, den wir alle hier herinnen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Setzen Sie sich doch einmal mit dieser Gruppe auseinander! Schauen Sie einmal in die großen Siedlungen, und sehen Sie, was dort abläuft! Dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, würden Sie erkennen, wenn Sie wollen, dass es noch keinen Sozialstaat gibt, der wirklich für alle Menschen – ich meine: für alle Menschen – Umstände schafft, unter denen man zumindest halbwegs lebenswert leben kann.

Frau Gatterer und andere haben heute schon die so genannte Behindertenmilliarde erwähnt. Diese "Behindertenmilliarde" wird seit eineinhalb Jahren wie ein Schutzschild vor sich hergetragen, und was sich dahinter versteckt, das wollen Sie natürlich nicht herzeigen. Sie tragen diese "Behindertenmilliarde" vor sich her, weil jeder, der "Behindertenmilliarde" hört, denkt: Na, so schlecht kann diese Regierung nicht sein, sonst täte sie ja für die Behinderten nichts!

Die behinderten Menschen werden aber von Ihnen teilweise missbraucht (Abg. Achatz: Das ist eine Frechheit! Das ist wirklich eine Frechheit! Das ist ja unerhört, was Sie sich da erlauben! Wirklich unerhört! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), missbraucht, damit Sie die Einschränkungen, die Sie beschlossen haben, rechtfertigen können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was die "Behindertenmilliarde" für arbeitslose behinderte Menschen gebracht beziehungsweise nicht gebracht hat, zeigen die ersten Zahlen, die jetzt auf dem Tisch liegen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Mit 31. Dezember 2001 waren um 1 811 mehr behinderte Menschen arbeitslos als ein Jahr zuvor – und das trotz "Behindertenmilliarde"!

Da frage ich mich, ob Sie Ihr Ziel erreicht haben, das Sie sich gesteckt haben, nämlich bereits im ersten Jahr 2 500 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist Ihnen nicht gelungen! Sie haben 1 811 Arbeitsplätze vernichtet und keine zusätzlichen geschaffen! (Abg. Murauer: Jetzt müssen Sie nur mehr sagen: mutwillig! Das geht noch ab!)


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Wenn das Ergebnis dieser "Behindertenmilliarde" so gut wäre, wie Sie es jetzt wieder zu propagieren versuchen, dann frage ich mich: Warum sind Sie denn nicht bereit, einen Bericht über das erste Jahr der "Behindertenmilliarde" zu machen? Da ist doch irgendetwas im Busch! Wenn das Ergebnis so gut wäre, wie Sie es jetzt wieder zu verkaufen versuchen, dann würden Sie doch die Ersten sein, die ihr angeblich gutes Ergebnis sofort präsentieren würden. Das machen Sie natürlich nicht, weil das Ergebnis Ihre Erwartungen nicht erfüllt hat – und die Erwartungen der behinderten Menschen ohnehin nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Noch ein paar Sätze zur Unfallrentenbesteuerung. Dass das einer der größten finanziellen Einschnitte für Menschen mit Behinderung war, die aus dem Arbeitsleben haben ausscheiden müssen, weil sie einen Arbeitsunfall erlitten haben, ich glaube, das ist inzwischen unumstritten, auch bei den Regierungsparteien. Sie sagen jetzt, es gibt ja einen so genannten Härteausgleichsfonds, wo man um Geld ansuchen kann, aber, Herr Dr. Feurstein, da handelt es sich nur um eine Kann-Bestimmung.

Behinderte Menschen brauchen in diesem Land einklagbare Rechte, und deshalb brauchen wir in Österreich auch ein Behindertengleichstellungsgesetz, um endlich zu gewährleisten, dass behinderte Menschen in dieser Republik nichtbehinderten Menschen gleichgestellt sind, und zwar in allen Bereichen des täglichen Lebens! Sie müssen die Aufhebung ihrer Diskriminierung, da sie noch immer vorhanden ist, einklagen können. Das muss das Ziel sein!

Nächstes Jahr haben wir das europäische "Jahr der behinderten Menschen", und ich hoffe, dass es gelingen wird, endlich auch in Österreich ein Behindertengleichstellungsgesetz zu erwirken, das behinderten Menschen endlich Rechte gibt, die sie einklagen können, denn nur Menschen, die Rechte haben, werden in einem Land als gleichwertige Menschen anerkannt und haben auch dieselben Chancen – sonst nicht!

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie, besonders Sie von den Regierungsparteien: Geben Sie behinderten Menschen einklagbare Rechte, und schaffen wir in Österreich ein Behindertengleichstellungsgesetz! Ich werde dafür kämpfen und werde nicht aufhören zu kämpfen. Ich rolle für die Schwachen in unserem Land, und da ich diese Aufgabe ernst nehme, werde ich so lange nicht aufhören zu rollen, bis wir in Österreich die Chancengleichheit gesetzlich abgesichert haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

12.29

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! – Herr Kollege Kopf (Abg. Kopf spricht mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Dr. Bartenstein), ich denke, dass Sie sicher etwas Wichtiges mit dem Minister zu besprechen hätten, aber es ist hier in diesem Haus an sich doch üblich, den Rednerinnen und Rednern zuzuhören. – Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie haben ein Problem, und dieses Problem ist, dass Ihre Politik Verunsicherung schafft, dass Ihre Politik den Menschen in Österreich Angst macht.

Es gibt nahezu zeitgleich drei Aktionen, drei Aktivitäten von sozial engagierten Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, nämlich erstens: das Sozialwort der 14 christlichen Kirchen Österreichs, zweitens: die Urabstimmung der Gewerkschaftsmitglieder, und drittens: das Volksbegehren "Sozialstaat Österreich". Meine Damen und Herren! Es ist kein Zufall, dass sich das zeitlich so ergibt, sondern das ist eine Konsequenz jener Politik, die Sie in dieser blau-schwarzen Bundesregierung machen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Mut zu Veränderungen, wie er von einigen Rednerinnen und Rednern von FPÖ und ÖVP angesprochen worden ist, bereitet vielen Menschen Zukunftssor


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gen, Zukunftsängste. Die Diskussion der Bundesregierung, sich von der solidarischen Sozialversicherung zu verabschieden, macht den Menschen Zukunftsangst. Die Menschen wollen im Falle einer Krankheit nicht allein gelassen werden, die Menschen wollen unser solidarisches Gesundheitssystem. Die jungen Menschen wollen auch in späteren Jahren eine Pension haben, und die ältere Generation wünscht sich für ihre Kinder und Enkelkinder Arbeit und Existenzsicherung.

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Das, was Sie machen, ist kein Zusammenschweißen dieser Solidarität – das, was Sie machen, ist ein bewusstes Auseinandersprengen dieser Generationensolidarität, ein Auseinanderdividieren zwischen Jung und Alt! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Noch etwas: Wenn es um Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht, wenn es um Rechte der Versicherten geht, Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen, dann reden Sie von ÖVP und FPÖ so gerne von Missbrauch, von Sozialschmarotzern oder von der sozialen Hängematte. Wenn es darum geht, gegen Schwarzunternehmertum etwas zu tun, also um Sozialbetrug am Einzelnen und an der Gemeinschaft, dann schauen Sie weg, das ignorieren Sie als Kavaliersdelikt. Aber das, meine Damen und Herren, durchschauen die Menschen. Diese Politik ist leicht nachvollziehbar, denn auch Sie werden an Ihren Taten und nicht an Ihren Worten gemessen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich will nicht auf alle Details eingehen, denn ich glaube, dass diese Debatte heute etwas grundsätzlicher zu führen wäre, nämlich: Welche Rechte und Pflichten sind wir als Gemeinschaft bereit, den Einzelnen in unserem Staat zuzugestehen? Wo, denken wir, kann sich der Staat dieser Verpflichtungen entledigen? In diesem Zusammenhang werden so gerne der Staat und der einzelne Bürger gegeneinander ausgespielt. Meine Damen und Herren! Wer ist denn bitte der Staat? – Der Staat sind wir alle zusammen, jeder Einzelne und jede Einzelne von uns, und daher kann es kein Ausspielen zwischen Einzelnen und Staat geben, wie Sie das gerade machen! (Beifall bei der SPÖ.)

Gestatten Sie mir aber doch, ein paar Details aufzuzählen. Sie rühmen sich auch heute wieder der Einführung der Familienhospizkarenz. Ich will nicht wieder den Elternschaftsstreit von gestern beginnen, aber ich muss schon fragen – so gut diese Familienhospizkarenz hätte sein können –: Warum verhindern Sie, dass die Menschen sie sich auch leisten können? Warum gönnen Sie die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit nur jenen, die das nötige Geld haben und das machen können? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl. )  – Dieser Zynismus, Herr Kollege, kann nur von jemandem stammen, der nicht weiß, was es heißt, mit wenig Geld auskommen zu müssen. Das ist Ihre Politik, Sie wissen nicht, was das für die Menschen bedeutet! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ambulanzgebühren, Unfallrentenbesteuerung, Ihre steuerlichen Maßnahmen zeigen genau, was dahinter steht: Sie kassieren von jenen Menschen ab, die in Wirklichkeit Unterstützung seitens des Staates brauchen, um unter jenen zu verteilen, die es sich leisten könnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Bartenstein! (Abg. Steibl: Bundesminister Bartenstein!) Wenn Sie heute vollmundig erklären: Sozial ist, was Arbeit schafft!, dann würde ich Ihnen einmal grundsätzlich Recht geben. Aber ich frage Sie: Warum machen Sie eine andere Politik? Warum benutzen Sie diesen Satz zynischerweise dazu, um einen Missbrauch zu betreiben, um eine Umverteilung von unten nach oben durchzuführen und um den sozialen Staat auszuhöhlen? (Abg. Steibl: Das geht aber ein bisschen zu weit!) Das frage ich Sie schon, und da sollten Sie uns Rede und Antwort stehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Meine Redezeit ist zu kurz, aber wir werden das Sozialstaat-Volksbegehren ja noch ausführlich hier im Haus behandeln, sofern Sie von den Regierungsparteien nicht auch wieder diese Diskussion abwürgen. Herr Kollege Feurstein! Sie kennen meine Kritik an Ihrer Politik auch bei den Ausschussberatungen, denn diese sind meistens nicht öffentlich, aber nicht einmal dort sind Sie bereit, über Dinge ernsthaft zu diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das möchte ich hier bei der ersten Lesung anführen, und ich erwarte mir, dass wir zu einer Einigung kommen, was die Vorgangsweise im Sozialausschuss anlangt. Ich erwarte, dass wir ausführlich und ernsthaft über diese schwerwiegende Materie reden können.

Meine Damen und Herren! Viele Menschen haben Angst vor Ihrer Politik (Abg. Steibl: Weil ihr Angst macht!), das ist offensichtlich. Viele Menschen haben Zukunftsängste vor der Politik, die Sie machen wollen. Die Menschen wollen einen rot-weiß-roten Sozialstaat, sie wollen keine schwarz-blaue Mauschelei. Daher danke ich nochmals den Initiatoren für dieses Volksbegehren und allen für Sozialpolitik engagierten Menschen in Österreich für ihr Engagement. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen und der ÖVP.)

12.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

12.35

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Silhavy, ich kann Ihre rote Schwarzmalerei schon nicht mehr hören. (Abg. Dr. Mertel: Dann gehen Sie hinaus!) Österreich ist betreffend Sozialleistungen führend in ganz Europa. (Abg. Dr. Mertel: Wir können Ihr dummes Geschwätz nicht hören!) Seit dem Jahre 2000, seit diese Reformregierung Österreichs Geschicke lenkt, ist die Sozialquote von 28,6 Prozent auf über 30 Prozent angehoben worden. (Abg. Dr. Mertel: Ein dummes Geschwätz!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist auch mit ein Grund dafür, dass erst gestern Sozialminister Haupt von der demokratischen Mehrheit dieses Hauses das Vertrauen ausgesprochen wurde, eben weil die Sozialpolitik so großen Anklang findet und weil wir echte Reformen machen. (Abg. Dr. Jarolim: Misstrauensminister!) Das Vertrauen wurde ihm ausgesprochen, der Misstrauensantrag fand keine Mehrheit. Somit ist das wohl eine klare Sache, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Sozialstaat-Volksbegehren hat nur sehr mäßige Beteiligung erfahren, obwohl es von der gesamten SPÖ, von den Grünen, von vielen Medien unterstützt wurde. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Es wurde von dem Altsechziger Arztkollegen Dr. Vogt unterstützt, der in einem Boot sitzt mit den Altsechzigern Gusenbauer und Cap, also eine rein sozialistische Partie. Ich sage Ihnen eines: Ein Sozialstaat-Volksbegehren ist kein sozialistisches Staatsvolksbegehren! Das verwechseln Sie offensichtlich. (Weiterer Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Sozialstaat heißt nicht sozialistischer Staat – damit soll in Österreich ein für alle Mal Schluss sein!

Gerade in Bezug auf das Gesundheitswesen haben wir ja Kenntnisse darüber, wie es in einem sozialistischen Staat in Europa in diesem Bereich zugehen kann. In Großbritannien etwa, wo der liebe Tony Blair mit seinen Sozialisten regiert, können wir das sehen. Die Großbritannier, die es sich leisten können, fahren in andere europäische Länder, um lebensnotwendige Herzoperationen durchführen zu lassen. Lebensnotwendige Operationen sind im sozialistischen Großbritannien nicht mehr möglich.

Derartige Zustände wollen wir nicht. Wir sind europaweit die Nummer eins, was die Gesundheitsleistungen anlangt. Nummer eins – darauf können wir stolz sein, und so soll es auch bleiben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist die Rede von der Dringlichen von gestern, Herr Kollege!) Da redet der Richtige! Sie schauen nicht auf die sozialen Bedürfnisse der Bürger. Sie schauen, dass Herr Verzetnitsch 194 000 S oder 14 000 € im Monat bekommt. Frau Csörgits, die 15 000 auf oder ab gar nicht registriert, hat 188 000 S, und so geht es weiter. (Abg. Huber: Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Leute!)

Eine halbe Partie Ihrer Alt-Vordersten wurde rechtskräftig bestraft, weil sie sich beim Staat bedient haben. (Abg. Reheis: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!) Der Alt-Finanzminister Androsch, der Finanzminister von der SPÖ, wurde wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt; ebenso Charly Blecha und viele andere; Helmut Braun, Leopold Gratz, um nur einige Ihrer Leute zu nennen, die rechtskräftig verurteilt worden sind. – Und jetzt


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machen Sie den Mund auf und setzen sich für den Sozialstaat ein! (Abg. Reheis: Blaues Glashaus! Sie sitzen in Ihrem eigenen Scherbenhaufen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sorgen Sie dafür, dass die Privilegien und die Korruption in Ihrer Partei abgeschafft werden! Das ist es nämlich in Wirklichkeit, was Sie aufregt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Regierung hat, was das Sozialwesen anlangt, Pionierleistungen erbracht. Ich erinnere an das Kindergeld, das heute schon vielfach erwähnt wurde. Ich erinnere an die Behindertenmilliarde. – Das ist eine soziale Leistung, eine Offensive von unserem Bundesminister Haupt für die behinderten Menschen in unserem Land! Bereits 13 500 Behinderte haben allein im Jahre 2001 davon profitiert.

Wir haben die soziale Absicherung, die Sozialversicherung ist saniert, fast zur Gänze saniert. Wir haben ohne Beitragserhöhungen, ohne Leistungskürzungen und ohne Selbstbehalte beim niedergelassenen Arzt die Schulden der Sozialversicherungen halbiert, während die Sozialisten laufend Beiträge erhöht haben und immer mehr Schulden angehäuft haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Folgendes zum Abschluss noch: Die größte Sozialleistung ist, dass soziale Leistungen budgetär leistbar bleiben! Daher muss das Budget saniert sein. Ein saniertes Budget ist die beste Garantie dafür, den Sozialstaat aufrechterhalten zu können, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Huber: Aber Abfangjäger kaufen!)

Daher ist es so wichtig, dass wir nicht wie die SPÖ 30 Jahre lang pro Minute 100 000 S neue Schulden angehäuft haben. Das waren insgesamt 2,3 Billionen Schilling Schulden in 30 Jahren mit dem Effekt, dass Sie Sozialleistungen streichen mussten. Sie haben die Kinderbeihilfe gekürzt, Sie haben den Selbstbehalt bei Schülerfreifahrten eingeführt, Sie haben das Pflegegeld gekürzt, Sie haben die Geburtenbeihilfe gestrichen, Sie haben die Notstandshilfe gekürzt und haben den Staat verschuldet. – Diesen Weg wollen wir nicht gehen, meine Damen und Herren! Diese Regierung beschreitet jetzt den richtigen sozialpolitischen Weg. – Glück auf, weiter so! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)

12.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.41

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren auf der Galerie, die Sie mit großer Aufmerksamkeit diese Diskussion zu einem überaus wichtigen Thema verfolgen! Eine Sozialdebatte geht nie ohne Emotionen ab, das ist einmal so. Was mir dabei aber weh tut, ist, dass heute so oft und immer wieder persönliche Attacken geritten werden, Ausgrenzungsrituale inszeniert werden, Angriffe gegen Personen geführt werden. Ich denke, das sollte nicht die Kultur dieses Hauses sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollegin Haidlmayr hat in ihren heutigen Ausführungen Minister Bartenstein angesprochen. Es ist ihre Sache, wie sie ihre Rede anlegt, aber eines möchte ich ihr schon sagen: Ein Sozialstaat, der funktioniert, braucht zwei, nämlich einen, dem er dienen soll – das sind viele –, und einen, der ihn bedient! Seien wir stolz darauf, dass wir in diesem Land noch Menschen haben, die Steuern zahlen, die ihre Leistungen in den Staat einbringen, damit der Staat auch seine Leistungen erfüllen kann! – Das muss einmal gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine Sozialdebatte braucht auch soziale Kultur. Grundsätzlich ist das Ergebnis ernst zu nehmen, keine Frage, und man soll sich wirklich mit der ganzen Thematik auseinander setzen, aber es braucht dazu eine objektive Beurteilung. Sozialpolitik und ein sozialer Staat, das ist uns allen ein Anliegen, dieser Regierung im Besonderen. Das haben wir mehrmals unter Beweis gestellt, und diesen Weg werden wir nicht verlassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Die Ankündigung, dass dieses Sozialstaat-Volksbegehren die größte Bürgerbewegung der Republik sein wird, hat sich nicht erfüllt. Warum? Es wurden sehr viele Diskussionen geführt, es wurde sehr viel Kritik an der Regierung geübt, aber in Wirklichkeit haben die Menschen eines sehr deutlich gespürt: Es geht nicht nur um die Sache bei diesem Volksbegehren. Es geht sehr wohl um Themen, aber es geht im Wesentlichen um Parteiinteressen, um parteipolitische Ziele und gegen diese Regierung. Und das, glaube ich, ist das wenig Positive an dem Volksbegehren, wiewohl ich nochmals sage, dass wir uns im Ausschuss – Kollege Feurstein wird dafür sorgen – sehr ernst mit den Inhalten und Fragen auseinander setzen werden.

Sozialpolitik braucht auch klare Antworten, meine Damen und Herren! Da Sie heute alles kritisieren, verweise ich auf das Jahr 1995, ein Wahljahr. Wir haben damals gesagt, wir brauchen eine Pensionsreform. Unser damaliger Koalitionspartner hat gemeint, das brauche man alles nicht. Es gab einen Brief vom damaligen Bundeskanzler: Wenn ich Kanzler werde, gibt es keine Reform. – Das war nicht richtig! Die Regierung war gewählt, und die Partei hat gewonnen, und zwei Jahre später gab es eine sehr einschneidende Reform, die sein musste. (Abg. Silhavy: Wir sind im Parlament, nicht im Schauspielhaus!) Deshalb ist es richtig, wenn man zeitgerecht mit den Menschen redet – auch Sie, Frau Kollegin Silhavy, ob Sie wollen oder nicht.

Mich wundert, Frau Kollegin, dass es nach 30 Jahren sozialistischer Regierung, Alleinregierung, Koalition mit den Freiheitlichen, Koalition mit uns, überhaupt noch soziale Fragen in diesem Land zu lösen gilt. Sie haben ja 30 Jahre Zeit gehabt, alles aufzuarbeiten, alle Probleme zu lösen, das soziale Paradies auf dieser Welt zu schaffen. Warum haben Sie das nicht gemacht?, frage ich Sie. Das ist eigentlich das Thema, worüber wir reden sollten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich denke, dass all diese Themen, die heute mehrmals angesprochen wurden – Kinderbetreuungsgeld für jede Familie, "Abfertigung neu" und alle anderen Leistungen –, herzeigbare Reformen sind, positiv wirken und uns im Ranking Europas und der Staatengemeinschaft wieder einmal deutlich nach vorne bringen. Darauf sollen alle Österreicher stolz sein, dass wir in einem Land leben, wo das Sozialsystem funktioniert. Wir alle sind gefordert, das mit Phantasie, aber auch mit Sensibilität weiterzuentwickeln, anstatt Polemik zu betreiben, ständig Vorhaltungen zu machen und Besserwisser sein zu wollen. Das ist nicht die Lösung.

Eines darf ich Ihnen noch sagen: Wenn Herr Kollege Gusenbauer heute früh sagte, die Situation sei deshalb so fürchterlich, weil es keine Budgetspielräume mehr gebe, dann sei, mit Verlaub, gefragt: Warum gibt es denn keine? – Weil wir zu viel für die Aufarbeitung der Vergangenheit brauchen und zu wenig Geld für die Gegenwart und die Zukunft haben. Das ist aber nicht die Schuld dieser Regierung, sondern dafür müssen Sie selbst geradestehen, wenn Sie ehrlich sind!

Ein Zweites: Sie kritisieren das Nulldefizit, zum anderen verlangen Sie die verfassungsmäßige Festsetzung des Nulldefizits. (Zwischenrufe der Abg. Silhavy. )  – Frau Kollegin Silhavy, das geht nicht, das passt nicht zusammen!

Sie sprechen von sozialer Kälte, und gleichzeitig spielen Sie die Menschen gegeneinander aus. Das ist nicht die feine Art, die die Politik braucht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Es gibt in Österreich noch immer 300 000 Menschen, die Pensionen mit Ausgleichszulage haben. Sie waren nie dazu bereit, hier ehrlich mit uns über eine Weiterentwicklung zu diskutieren und Verbesserungen herbeizuführen. Das ist bedauerlich und zeugt nicht von sozialem Engagement, von Qualität oder Gefühl.

Oder: Der Sozialbericht des Jahres 1999 zeigt auf, dass wir in Österreich etwa eine Million Menschen haben, die armutsgefährdet sind.

Noch etwas zum Nachdenken: Wer die Pensionsdiskussion meidet, versündigt sich an der Jugend. Wer die Pensionsdiskussion meidet, sagt den Bürgerinnen und Bürgern, sagt der Jugend nicht die Wahrheit und verdient es auch nicht, anerkannt, gewählt oder geschätzt zu


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werden. Wir haben diese Diskussion zu führen, denn sie ist wichtig, damit wir das System auch nachhaltig finanzieren können. (Beifall bei der ÖVP.)

Nicht an Ihren Worten, meine Damen und Herren, sollen sich die Bürger orientieren, sondern an unseren Taten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Das werden sie tun!) Wir brauchen eine neue Bewegung, wir brauchen mehr Sensibilität, wir brauchen eine neue sozialpolitische Ausrichtung – Sie können dabei sein, wenn Sie wollen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

12.48

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Im Vorfeld des Volksbegehrens habe ich eigentlich mit Freude und auch Verständnis zur Kenntnis genommen, dass auch das Thema "Bildung" eine nicht unwesentliche Rolle im Rahmen der Bekanntmachung der Inhalte des Volksbegehrens gespielt hat, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Auswirkungen budgetärer Sparmaßnahmen im Bereich des Bildungssystems auf die soziale Gleichstellung, worüber wir schon oft diskutiert haben.

Zwei Aspekte scheinen mir besonders relevant zu sein. Der eine Aspekt war im Vorfeld, nämlich im Jahr davor, die Einführung der Studiengebühren. Dazu muss man wohl eindeutig sagen: Wenn schon zuvor mehr als die Hälfte der Studierenden in Österreich gezwungen gewesen sind, einer Arbeit nachzugehen, um ihr Studium zu finanzieren, dann kann die Einführung von Studiengebühren mit Sicherheit nicht der sozialen Chancengleichheit gerecht werden, und auch all das, was an Begleitmaßnahmen gekommen ist, ist sicherlich ein sozialer Rückschritt im Bereich der Universitäten gewesen.

Der zweite Aspekt, der mir aber auch im Schulbereich sehr relevant zu sein scheint, ist, dass es da nicht nur, wie schon erwähnt, um Fragen budgetärer Einsparungen geht, sondern dass man das Bildungssystem im Gesamten betrachten und fragen sollte, inwiefern ein solches System zu dem, was im Volksbegehren steht, nämlich zur Berücksichtigung der sozialen Sicherheit und vor allem der Chancengleichheit, beiträgt oder eben nicht beiträgt.

Dazu muss ich sagen, und das haben auch internationale Studien in jüngster Vergangenheit gezeigt, dass das österreichische Bildungssystem im Unterschied zu anderen Erfahrungen, im Unterschied zu anderen Möglichkeiten eines ist, in dem soziale Selektivität ein ganz wesentliches Kriterium ist. Wir brauchen nur im Pisa-Bericht nachzulesen, wo für Österreich und Deutschland festgestellt wird, dass das die beiden Länder sind, in denen die Fragen, aus welcher Familie man kommt, aus welchem sozioökonomischen Status man kommt, sehr relevant sind. Es wird auch empfohlen, dass Österreich darüber nachdenken sollte.

Da geht es um mehrere Punkte. Da geht es unter anderem um die Frage Integration. Integration wird in Österreich auf die Pflichtschule beschränkt, es gibt keine Möglichkeit der Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in den weiteren Schulen. In der neunten Schulstufe ist sie auf die Polytechnische Schule beschränkt. – Eine Maßnahme, die ganz klar belegt, dass nicht versucht wird, soziale Sicherheit, soziale Chancengleichheit zu gewähren.

Klar ist auch, dass es kaum ein anderes Land gibt – in Deutschland herrschen ähnliche Verhältnisse –, in dem das Bildungsniveau der Eltern in diesem Ausmaß relevant ist für die Reproduzierung von Bildungsniveaus, für den erreichbaren Bildungsstatus von Kindern und Jugendlichen. Man braucht sich nur die internationalen Vergleiche anzuschauen. Man sieht, wie es beispielsweise skandinavischen Ländern gelingt, hier ausgleichend zu wirken, sodass auch Kindern aus sozial weniger begüterten Familien die Möglichkeit zur Bildung geboten wird; dass Bildung ein Kriterium für soziale Sicherheit ist, steht wohl außer Streit. In Österreich erfolgt meiner Meinung nach, unserer Meinung nach dieser Ausgleich in viel zu geringem Ausmaß.


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Ich hoffe daher, dass im Rahmen der Diskussion im Sozialausschuss auch der Aspekt sozialer Gleichstellung berücksichtigt wird, dass es nicht nur um rein ökonomische Fakten geht, die wichtig, aber nicht alles sind, sondern auch gerade der Aspekt der Bildung eine besondere Berücksichtigung erfährt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Hartinger.

12.52

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Für die Sozialdemokraten gibt es im Rahmen des Sozialstaat-Volksbegehrens drei Grundpfeiler des Sozialsystems: ein gerechtes Gesundheitssystem, ein gutes Bildungswesen und ein gesichertes Pensionssystem. – Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Wir haben das beste Sozial- und Gesundheitssystem (Abg. Edlinger: Wer hat es geschaffen?), das wird auch international bescheinigt, wir haben ein ausgezeichnetes Bildungswesen zur Sicherung unserer Zukunft, und wir haben auch ein gesichertes Pensionssystem. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp. – Abg. Dr. Mertel: Wer hat es gemacht?)

Das alles haben unsere Regierung, unsere Minister geschafft, und zwar unter schwersten Bedingungen, nämlich unter hohem finanziellem Druck, der durch Ihre Budgetpolitik verursacht wurde. (Abg. Huber: So lächerlich müssen Sie sich nicht unbedingt machen!)

Wir machen eine verantwortungsvolle Politik. Wir haben ein Nulldefizit und ein sozialpolitisches Wachstum erreicht. Das ist das Verdienst unserer Regierung, unserer Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Dass dies keine leeren Worte sind, möchte ich Ihnen kurz darstellen. Allein im Wirkungsbereich unseres Ministers Haupt – Entschuldigung, Herr Minister Bartenstein, selbstverständlich ist es auch Ihr Verdienst, aber in erster Linie wollte ich für Herrn Bundesminister Haupt sprechen, für das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen – wurde seit Februar 2000 ein Leistungsspektrum bearbeitet, das so vielfältig, inhaltsvoll und weitreichend ist, dass ich eigentlich Stunden bräuchte, um es Ihnen zu erläutern.

Es wurden in 14 verschiedenen Themenbereichen – Familie, Kinder, Jugend, Altern in Würde, Hilfe in Krankheit, Sicherheit, bessere Gesundheit, Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, Engagement für die Freiwilligkeit, dem Bürger Verwaltung näher bringen – insgesamt 104 Punkte umgesetzt. 104 Punkte seit Februar 2000, meine Damen und Herren! Was haben Sie in 30 Jahren Sozialpolitik geleistet? Das frage ich mich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte vor allem die Sozialversicherung herausgreifen. (Abg. Silhavy: Wir haben aufgebaut!)  – Frau Kollegin Silhavy, hören Sie zu, vielleicht lernen Sie noch etwas!

Stichwort Sozialversicherung. Was haben Sie hier geleistet? (Abg. Reheis: 30 Jahre Aufbau bauen Sie in zwei Jahren ab! 30 Jahre sozialdemokratische Aufbauarbeit wird von Ihnen zerstört innerhalb kürzester Zeit!) Sie wollten ein faires Gesundheitssystem, und Sie wollten keine Zwei-Klassen-Medizin. Ich frage mich, meine Damen und Herren: Wer hat denn seit 30 Jahren Zwei-Klassen-Medizin betrieben? Wer hat denn nie aufgezeigt, welche unterschiedlichen Leistungshonorierungen die einzelnen Kassen für die Versicherten haben? Alle Versicherten zahlen je nach Einkommen gleich viel Beiträge, bekommen aber – und das wissen Sie genau, es wurde nur nie transparent dargestellt – je nach Bundesland oder zugehöriger Berufskasse unterschiedliche Leistungen. Ist das solidarisch, ist das gerecht? Ich frage Sie! (Abg. Silhavy: Sie haben die freiwilligen Leistungen gestrichen, Frau Kollegin Hartinger!)

Sie haben 30 Jahre lang nichts anderes gemacht, als diese Daten zu verschleiern! – Wir Freiheitlichen wollen, dass jeder Versicherte in Österreich für seinen Beitrag die gleiche Leistung und die gleiche Qualität bekommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Solange das nicht der Fall ist, meine Damen und Herren, brauchen wir über irgendwelche Beitragserhöhungen überhaupt nicht zu sprechen.


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Ihre Sozialversicherungspolitik bestand nur in Beitragserhöhungen. Welche Leistungen die Versicherten bekommen und welcher Qualität diese waren, war Ihnen völlig egal. Das ist nur Einnahmenpolitik, was Sie hier betreiben wollten, aber keine Sozialpolitik. Wir stehen für eine sichere und soziale und menschliche Politik – eine Politik mit Herz und Verstand, und das verstehen die Bürger. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)

12.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Amon. Sie kennen die Bestimmungen des § 58 Abs. 2 GOG. – Bitte.

12.56

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Brosz hat in seinen Ausführungen behauptet, es gebe in Österreich keine Integration von behinderten Kindern über die Pflichtschule hinaus. – Diese Behauptung ist unrichtig!

Körper- und sinnesbehinderte Kinder sind im österreichischen Bildungssystem vollkommen integriert (Abg. Haidlmayr: Stimmt überhaupt nicht!), das heißt nicht nur in der Pflichtschule, sondern auch in allen höher bildenden Schulen, im Lehrbereich ebenso wie an den Universitäten. Und für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gibt es auch über die Pflichtschule hinaus laufende Schulversuche. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter DDr. Niederwieser zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.57

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Hartinger hat erklärt, Österreich habe das beste Sozialsystem. Dagegen hätten wir nichts einzuwenden. Sie haben aber auch dazu gesagt, das habe Ihr Sozialminister gemacht. – Dieser zweite Teil der Behauptung ist unrichtig!

Österreich hat ein ausgezeichnetes Sozialsystem, das ist richtig. Aufgebaut haben es – angefangen bei Ferdinand Hanusch, also nicht erst in den letzten 30 Jahren, sondern seit 1918 – sozialdemokratische Sozialminister in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kiermaier: Das weiß sie ja nicht, sie hat ja keine Ahnung! Ahnungslos! Die reden von etwas, was sie nicht verstehen!)

12.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. Ihre Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.58

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Initiatoren des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich" haben in ihrer Begründung im ersten Satz folgende Formulierung gewählt:

"Mit dem Hinweis auf wirtschaftliche Zwänge läuft in Europa seit Jahren eine Offensive zur Schwächung des Sozialstaates."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, diese Formulierung birgt zwei wesentliche Missverständnisse in sich. Ich möchte sogar behaupten, dass die Initiatoren des Volksbegehrens diese Formulierung bewusst so gewählt haben, um schon in ihrer Begründung mögliche Schuldige zu identifizieren.

Ich möchte aber zu diesen beiden Missverständnissen wie folgt Stellung nehmen. Zum einen: Die Wirtschaft zwingt niemanden zu etwas. Die richtige Formulierung wäre natürlich: Die Wirtschaft läuft nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten ab. Und jede Regierung, die diese Gesetzmäßigkeiten kennt und danach regiert und danach handelt, wird auch den Sozialstaat besser absichern können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Ich rufe in Erinnerung: Der Wettbewerb im gemeinsamen Europa hat für die Bürger der europäischen Länder dazu geführt, dass es ein größeres Angebot an Produkten gibt und dass viele Produkte wesentlich billiger wurden. Ich möchte behaupten, dass wir den heutigen Wohlstand, den wir alle haben, der Tatsache verdanken, dass die Dinge des täglichen Lebens heute nur mehr einen Bruchteil dessen kosten, was sie bei ihrer Markteinführung gekostet haben. Auch das ist natürlich ein Ergebnis eines deutlich verschärften Wettbewerbs, der den Bürgern aber deutliche Vorteile bringt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das zweite Missverständnis, die zweite falsch formulierte Behauptung ist die, dass es in Europa eine Offensive zur Schwächung des Sozialstaates gäbe. Meine Damen und Herren! Das Gegenteil ist der Fall! Europa setzt alle Maßnahmen zur Angleichung und sogar Erhöhung der sozialen Standards in den einzelnen Ländern.

Ich möchte auch hier erwähnen, dass in allen Berichten Österreich als der Mitgliedstaat mit den höchsten sozialen Standards und der höchsten sozialen Sicherheit erwähnt ist. Die Europäische Union hat schon im Jahre 1961 in der Europäischen Sozialcharta soziale Standards festgelegt, und 22 Länder haben diese Sozialcharta unterschrieben. Ich erinnere auch an die Ergebnisse des Europäischen Rates in Stockholm vom März 2001, wo eindeutig festgehalten wird: Die Mitgliedstaaten bekennen sich uneingeschränkt zum Ziel der Vollbeschäftigung, und nur durch die Vollbeschäftigung können die Probleme einer älter werdenden Bevölkerung gelöst werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch noch kurz einen Vergleich der europäischen Länder bezüglich der Sozialgesetzgebung anstellen. Frau Abgeordnete Petrovic hat das Modell Österreich schon erwähnt, aber ich möchte auch die Modelle der anderen Länder erwähnen, weil das wichtig ist, um diese Modelle einordnen zu können, um sich eine Meinung bilden zu können.

Es gibt Länder mit einer umfangreichen sozialen Gesetzgebung in der Verfassung, wie Italien, Griechenland, Spanien, Portugal. Es fällt schon auf, dass das Länder sind, die auf der einen Seite eine verfassungsmäßige Absicherung von sozialen Rechten haben, auf der anderen Seite aber eher niedrige Sozialstandards haben. Es wird im Vergleichsbericht sehr wohl festgestellt, dass diese Rechte in Wirklichkeit nicht einklagbar sind, dass genau dort das Problem liegt und dass bei Nichterfüllung nicht einmal eine Verfassungsbeschwerde des Einzelnen eingebracht werden kann. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt gemäßigte Modelle, und dann gibt es das Modell Österreich: Da gibt es praktisch keine sozialen Rechte in der Verfassung, sondern diese sind in den anderen gesetzlichen Regelungen festgehalten. Aber – und darauf kommt es doch an, und das ist das Erfreuliche – Österreich gehört zu den Ländern mit der größten sozialen Sicherheit und liegt an der ersten Stelle, was Gesundheit angeht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich hätte Angst davor, die Verantwortung für den Sozialstaat wieder in Ihre Hände zu legen, weil Sie die Säulen, auf denen der Sozialstaat, die Finanzierung des Sozialstaates beruht, ins Wanken brächten.

Diese Regierung tut viel, um den Sozialstaat abzusichern:

Sie reduziert die Neuverschuldung, denn nur wer wenige Zinsen zahlt, kann sich mehr Sozialstaat leisten.

Sie sichert den Wirtschaftsstandort, denn nur wer Vollbeschäftigung schafft, sichert auch den Sozialstaat.

Sie reduziert Kosten durch eine Verwaltungs- und Pensionsreform und sichert dadurch auch in der Zukunft den Sozialstaat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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107. Sitzung / Seite 79

13.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brugger. – Bitte.

13.03

Abgeordneter Bernd Brugger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Beginnen wir mit Fakten! Da muss ich an die linke Seite dieses Hauses gerichtet schon sagen, dass das Ergebnis des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich" trotz massivster Unterstützung der SPÖ und des ÖGB mit 717 000 Unterschriften weit unter den Erwartungen gelegen ist. Man hatte sich wesentlich mehr Unterschriften erwartet. Ich würde das als Flop bezeichnen, als "Missergebnis".

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn das Ergebnis etwas gezeigt hat, dann ist das Folgendes: Der Sozialstaat Österreich liegt bei dieser Bundesregierung in besten Händen. Den Betreibern und Unterstützern des Volksbegehrens ist es nur um eines gegangen: um Mobilisierung, um Hetze gegen eine erfolgreiche Bundesregierung. – Das ist Faktum. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! In zweieinhalb Jahren ist es dieser Regierung gelungen, mehr als große Schritte zu setzen. Dazu hätte die SPÖ 30 Jahre Zeit gehabt – aber es ist in dieser Zeit nie zu solch großen Schritten gekommen.

Das Sozialstaat-Volksbegehren, muss ich ganz offen sagen, war ein Schlag ins Wasser. Warum? – Weil die Freiheitlichen seit über zwei Jahren dafür einstehen, dass in Österreich sozial gerechte Politik gemacht wird, meine Damen und Herren! (Abg. Reheis: Warum bauen Sie dann Sozialleistungen ab?)

Herr Kollege Reheis, Sie müssen mir jetzt erklären, was an Ihrer unverantwortlichen Schuldenpolitik – ich nehme nur die letzten 17 Jahre her, in denen pro Jahr 100 Milliarden Schilling zusätzliche Schulden angehäuft worden sind – sozial ist! Ich glaube, sozial ist, wenn man Schulden nicht auf die zweite und dritte Generation verlagert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte hier nur zwei Errungenschaften unserer Fraktion, der FPÖ, erwähnen: zum einen die "Abfertigung neu", auf die wir sehr stolz sind (Abg. Reheis: Die habt ihr allein gemacht?), und zum anderen die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten.

Sie von der SPÖ hatten drei Jahrzehnte lang Zeit, diese Themen anzugehen, haben es aber nicht getan. Das ist auch der Grund, warum die Menschen in Österreich den grün-roten Agitatoren nicht auf den Leim gegangen sind.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Bildungs-Volksbegehren, das ebenfalls von der SPÖ heftigst beworben worden ist, war das Sozialstaat-Volksbegehren die zweite deutliche Absage der Bevölkerung an diese rot-grüne Panikmache. Die Menschen zeigen damit, dass sie sich nicht durch linke Gräuelpropaganda verunsichern lassen. – Ich danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

13.07

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch ich zolle den 717 000 Unterzeichnern des Sozialstaat-Volksbegehrens Respekt; ich bin aber schon skeptischer, was die Initiatoren und die unterstützenden Parteien betrifft. Es waren drei Parteien, die dieses Volksbegehren unterstützt haben: die SPÖ, die Grünen und die KPÖ, die zumindest in ihrer Finanzkraft nicht zu unterschätzen ist. (Abg. Dr. Khol: Kreisky, schau oba!)

Sie haben anderes mit diesem Volksbegehren vorgehabt, und ich werde Ihnen das in Kürze anhand von drei Beispielen und Argumenten begründen.


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Erstens: Sie wollen den Eindruck erwecken, der Sozialstaat wäre in Österreich gefährdet. – Das ist falsch! Das ist politische Taktik, um einer Bundesregierung, einer Reformkoalition, die ihr Hauptaugenmerk auf die soziale Reform gelegt hat, gerade auf diesem entscheidenden Feld zu begegnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Pension, Familienhospizkarenz, "Abfertigung neu", Kinderbetreuungsgeld, Künstlersozialversicherung – all das wurde heute schon genannt. (Abg. Dr. Mertel: Unfallrentenbesteuerung, Ambulanzgebühren ...!) Ich glaube, nebenbei bemerkt, nicht, dass auch nur eines dieser Vorhaben mit Zweidrittelmehrheit in diesem Haus beschlossen werden hätte können. Sie von der Opposition wollen nicht den sozialen Fortschritt, Sie wollen bestenfalls für wenige, ja für immer weniger Leute Erworbenes absichern. Was mit den nächsten Generationen ist, ist Ihnen im Wesentlichen egal! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt – auch das wurde heute schon erwähnt –: Die Initiatoren dieses Volksbegehrens schreiben: In allen Verfassungen Europas, außer England, ist der Sozialstaat verankert. – Ich sage: Na und? Was nützt es dem Alten und Kranken in Holland oder in Belgien, wenn er zur Entsorgung ansteht, dass der Sozialstaat in der Verfassung steht? – Es nützt ihm nichts, und ich verwahre mich dagegen, dass uns die Verfassungs- und Rechtsordnungen dieser Länder als Vorbild für die sozialstaatliche Gestaltung dienen sollen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich denke, wir haben hier eine bessere, eine andere Antwort in Form der Familienhospizkarenz gefunden, eine Antwort auf wirklich christlich-abendländischem Fundament. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das dritte Argument ist ein demokratiepolitisches. Ich habe es schon erwähnt: Ich glaube nicht, dass irgendeines der von mir genannten großen Projekte hier mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden hätte können.

Ich möchte auch nicht – und ich habe das hier schon einmal gesagt –, dass die sozialpolitische Diskussion aus dem Parlament und aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit hinter irgendwelche Polstertüren verlagert wird und nicht mehr einsichtig ist. Und ich behaupte, dass die Verfasser dieses Volksbegehrenstextes – nicht die Unterzeichner und auch nicht alle Unterstützer – da auch noch anderes im Auge hatten.

Es ist, wenn man über Jahrhunderte das Problem der Sozialismen aller Richtungen mit der Gewaltenteilung und mit dem demokratischen Meinungsbildungsprozess verfolgt, immer ein Anliegen gewesen, neben der Gewaltentrennung und neben dem Parlament ein übergeordnetes und kontrollierendes soziales Organ zu haben, vom Wohlfahrtsausschuss bis zum Zentralkomitee. Wie erklären Sie mir, dass ausgerechnet im Herzstück unserer demokratischen Verfassung gleichrangig der Sozialstaat stehen soll?

Ich glaube, dass gerade die Spitzen der unterstützenden Parteien, und vor allem auch Herr Professor Talos, Verfassungs- und Politiklehrer der Linken, prominent seit Jahrzehnten, wissen, dass hier das alte sozialistische Motto "Demokratie, das ist nicht viel. Sozialismus heißt das Ziel!" unter neuen Gesichtspunkten wieder eingebracht werden soll. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und aus diesen drei Gründen – aus demokratiepolitischen, aus ethischen, und weil wir für den sozialen Fortschritt stehen – werden wir mit allem Respekt und mit hohem Verantwortungsbewusstsein diesen Volksbegehrenstext im Sozialausschuss behandeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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13.12


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107. Sitzung / Seite 82

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Wochesländer. – Bitte.

13.12

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich habe gerade vorhin einen Anruf von einem, ich muss leider sagen, enttäuschten Zuhörer dieser Debatte bekommen – enttäuscht nicht von den Beiträgen der Regierungsfraktionen, sondern von Ihren Beiträgen. (Ruf bei der SPÖ: Ein guter Schmäh!)

Dieser Zuhörer hat sich von Ihnen aufhetzen lassen, dieses Sozialstaat-Volksbegehren zu unterschreiben, und jetzt ist er dahinter gekommen, dass es eigentlich nur miese Propaganda und Hetze war, denn er weiß mittlerweile sehr genau, Österreich ist ein Sozialstaat. Nehmen Sie das bitte endlich auch einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Und er hat sich bei Ihnen entschuldigt?)

Ich verstehe diesen Zuhörer, denn was Sie die ganze Zeit hier geboten haben, nämlich eine Diskussion über 200 000 € – ja oder nein? –, hat mit dem Sozialstaat nichts zu tun, sondern da gibt es für mich nur eine Definition. Wie definiere ich das Wort "Lüge"? – Notlüge, schwere Lüge, und die dritte Form: Cap, Bures und Konsorten, die nur mehr lügen und nicht mehr wissen, wovon sie reden! (Abg. Dr. Mertel: Herr Präsident! "Lüge"! "Lüge"! ) Definieren darf man! Ich habe ja niemandem etwas gesagt, ich habe nur definiert.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich habe den Ausdruck nicht gehört, ich kann daher jetzt nicht unmittelbar darauf reagieren. Frau Abgeordnete, Sie können es wahrscheinlich selbst beurteilen. Wenn es geschäftsordnungsmäßig nicht zuträglich war, würde ich darum ersuchen, das zurückzunehmen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie, Frau Mertel, haben gesagt, der Pumberger ist ein Halbdebiler!)

Abgeordnete Jutta Wochesländer (fortsetzend): Gut, aber jetzt bin ich am Wort! Tun wir weiter! Also: Ich nehme das Wort "Lüge" zurück. Ich weiß aber, dass es eine Definition gibt, die so gehandhabt wird. Diese habe ich so gesagt, und die nehme ich nicht zurück.

Meine Damen und Herren! Es gibt eine Studie, die im Juni dieses Jahres erschienen ist und die ich mir zufällig angeschaut habe. Da heißt es: Mit einem Anteil von annähernd 30 Prozent des BIP für Sozialausgaben ist Österreich hinsichtlich dieses Anteils ein ganz normaler Sozialstaat. Im Unterschied zum Durchschnitt der EU-Staaten wird hier jedoch etwas mehr für die Alten, die Witwen und die Familien ausgegeben. Mehr als ein Drittel der Österreicher erhalten derzeit Sozialleistungen, die ihrer Existenzsicherung dienen. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das ist keine Studie von einem Wissenschafter, der der freiheitlichen oder der ÖVP-Linie zugeneigt ist. Nein! Ich kann Ihnen gerne den Namen nennen: Es ist Mag. Karl Wörister, und ich glaube, Herr Cap oder auch Herr Gusenbauer wissen genau, welche Farbe dieser Herr hat.

Ich glaube, es ist keine Rede davon, dass es notwendig wäre, wie im Sozialstaat-Volksbegehren verlangt, das Recht auf Sozialstaat in die Verfassung aufzunehmen.

Was mir natürlich auffällt: Sie wehren sich zum Beispiel gegen das Kindergeld – eine absolut soziale Einrichtung! Das wollen Sie gleich wieder abschaffen. Das prognostizieren Sie doch ständig! Ich kann nur sagen: Gott behüte, dass diese Partei noch einmal an die Regierung kommt! Das wäre schlecht für Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abg. Silhavy. )

Meine Damen und Herren! Sie verlangen die schriftliche Verankerung des Sozialstaates in der Verfassung – wahrscheinlich als Vorsichtsmaßnahme, damit unsere Kinder und Kindeskinder einmal den Begriff "Sozialstaat" kennen. Wenn Sie an der Regierung wären, würde es diesen Sozialstaat nämlich bald nicht mehr geben. Die Mehrzahl der Österreicher weiß ganz genau, dass sie mit dieser Regierung in eine abgesicherte Zukunft blickt.

Bei Ihrer Finanzpolitik, meine Damen und Herren von der SPÖ, gerade bei der des Herrn Edlinger, hätte es wahrscheinlich kein Volksbegehren für den Sozialstaat gegeben, sondern es hätte ein Volksbegehren zum Begriff "Schuldenstaat" geben müssen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die Rednerliste ist erschöpft.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich weise das Volksbegehren "Sozialstaat Österreich" (1161 der Beilagen) dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

2. Punkt

Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (1136 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1163 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Ich erteile es ihm.

13.17

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Im Familienausschuss wurde über einen Teil der Finanzierung der Pflegekarenz bei Sterbenden gesprochen. Sie können sich erinnern, dass es vor Monaten nach mühsamem, aber letztlich doch fairem Ringen zu einer Vier-Parteien-Einigung gekommen ist, die erfreulich war. Ich stehe nicht an, diese Familienhospizkarenz als einen großen Fortschritt und einen großen ersten Schritt in eine bessere, humanere Zukunft zu bezeichnen, aber die Freude bleibt nicht ungetrübt.

Trotz Vereinbarungen, trotz In-Aussicht-Stellung von Bemühungen über die finanzielle Absicherung jener, die sich um Sterbende bemühen, die sich dafür karenzieren lassen, konnte nicht erreicht werden, dass deren Löhne und Gehälter in irgendeiner Art gesichert sind. Das ist deshalb ein Ärgernis, weil Sie wissen müssen, dass nicht jeder, der mit Gefühl, Anstand und Solidarität Sterbenden gegenübersteht, in der Lage ist, Monate oder auch nur Wochen auf Löhne und Gehälter zu verzichten. Das ist eine schwere, für viele nicht überwindbare Nagelprobe und ein ungeheurer Gewissenskonflikt.

Da hätte ich mir mehr erwartet, und auch die Hospizbewegung hätte sich mehr erwartet. Es kann nicht sein – ich bitte, wirklich darüber nachzudenken –, dass jene, die sich auf Grund ihres Einkommens schon ein besseres Leben und eine bessere Gesundheitsversorgung leisten können, ausschließlich auch diejenigen sein werden, die sich ein besseres, humaneres, durch Angehörige, Freunde und Freundinnen betreutes Sterben leisten können. Das wäre massiv ungerecht und ein massives Ärgernis.

In Österreich sterben im Jahr zirka 80 000 Menschen, und es fehlt noch viel dazu, dass einem signifikanten Teil von ihnen eine humane, hospizmäßige Betreuung zuteil wird. Es genügt nicht, Anstand, Religiosität, Humanismus, Solidarität am Revers zu tragen, solange man sich über Holland und Belgien empören kann, aber selbst noch keinen Finger rühren muss, keinen Budgettopf öffnen muss.

Das ist nicht der Gipfel des Anstandes, sondern man müsste sich auch dazu bekennen, Konsequenzen zu ziehen.

Es sind noch viele Begleitmaßnahmen notwendig beziehungsweise wurden solche zu spät ergriffen, um die Hospizbewegung in den Bundesländern auch abzusichern, indem die leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung auch dem Rechnung trägt, dass so etwas mit Gesundheit und Krankheit zu tun hat und nicht nur unter pflegerischen Aspekten zu sehen ist. Die Länder –


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und es gibt genügend Beweise dafür – werden sich so lange dagegen sperren, Akutbetten in palliativmedizinische Betten umzuwandeln, solange diese humane und auch medizinische Leistung nicht entsprechend bepunktet, das heißt bezahlt wird. In dieser Hinsicht ist noch relativ wenig geschehen, um diesen Anreiz, Betten umzuwidmen, auf Länderebene auch zu nutzen.

Es ist vielleicht auch für die Zuhörer auf der Galerie erschreckend und gleichzeitig interessant, dass man mit Sterbenden nicht nur immer alte Leute meinen kann, sondern es sterben auch Säuglinge, Kinder, junge Erwachsene. Gerade im Alten-Bereich aber gibt es massive Lücken. Mehr als ein Drittel der alten Menschen stirbt nach der Einweisung in Alten- und Pflegeheime innerhalb des ersten Halbjahres. Das macht deutlich, dass es bei der Betreuung von alten Menschen ungeheure Lücken gibt, und wir wären dazu verpflichtet, auch diese zu schließen.

Es geht auch nicht an, die Liebe zu den Alten, Gebrechlichen, Schwachen und Sterbenden nur so lange zu entdecken, solange man nicht auch Opfer bringen muss. Es genügt nicht, immer an die Bürgergesellschaft zu appellieren. Ich würde darum bitten, dass man das eigene Gewissen einem Appell aussetzt, hier noch ein wenig mehr zu tun.

Ich wiederhole aber: Es ist einiges getan worden. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr enttäuschend ist für mich aber die Beantwortung eines Schreibens des Dachverbandes Hospiz Österreich, der sich zur Koordination aller Länderaktivitäten zur Fort- und Weiterbildung an das Sozialministerium gewandt hat, mit der Bitte, die Finanzierung einer  – ich betone: einer!  – Halbtagskraft zu ermöglichen, einer "halben" Kraft, um diese Aufgabe zu bewerkstelligen.

Wie aber heißt es in diesem Antwortbrief? – Auf Grund Ihres Leistungsschwerpunktes Hospizeinrichtung ist dieser Schwerpunkt dem pflegerischen Bereich zuzuordnen und daher für Vorhaltung und Finanzierung in der Zuständigkeit der Länder. – Zitatende.

Wenn Sie den Föderalismus und die Liebe zum Föderalismus so lange predigen, bis man die Verantwortung der Regierung relativ locker den Ländern zuschiebt und nicht bereit ist, diese Gesetze zu überdenken, wenn Föderalismus in Zukunft so weit gehen wird, dass man sagt: Auch im Sterben herrscht Eigenverantwortung!, dann frage ich mich schon, was da noch gemacht werden soll.

Die Bürgergesellschaft kann sich nicht darin erschöpfen, dass Pfadfinder und andere für alte Leute einkaufen gehen, sondern es braucht auch Professionalität dazu. Und diese muss finanziert werden. Ich bitte Sie, anzuerkennen, dass niemand aus Jux und Tollerei stirbt, niemand auch infolge strahlender Gesundheit, sondern dass diese Leute krank sind, und es ist nicht einzusehen, dass diese Leistungen einfach in den pflegerischen Bereich ausgeblendet werden. Das sind zum guten Teil auch medizinische Leistungen, und dafür liegen die Zuständigkeiten nicht allein bei den Ländern.

Ich bitte Sie, darüber nachzudenken und der Hospizbewegung vielleicht doch eine halbe Stelle zu finanzieren. Alles andere hielte ich schlichtweg für beschämend. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

13.25

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei dieser Gesetzesvorlage um gesellschaftliche Bereiche, die mit großer Sensibilität, Sorgfalt und vor allem großem Einfühlungsvermögen für die Betroffenen behandelt werden müssen. Ich sage ganz klar: Wir von der Sozialdemokratie unterstützen grundsätzlich diese wichtigen und sensiblen Materien.

Vorweg sage ich auch, dass für die SozialdemokratInnen die Zustimmung zu einer Regelung selbstverständlich ist, die bundesweit einheitliche Kriterien für die Untersuchung zur Erlangung


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der erhöhten Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder festlegt, denn das Ziel dieser einheitlichen Kriterien ist eine Verbesserung der Rechtssicherheit der Antragsteller.

Allerdings wollen wir zwei Voraussetzungen erfüllt sehen – die sind für uns entscheidend und maßgeblich; das habe ich auch in der Ausschusssitzung thematisiert, und in einer gemeinsamen Ausschussfeststellung wurde das festgehalten –, nämlich die Sicherstellung der regionalen Erreichbarkeit der Ärzte, damit Eltern mit behinderten Kindern keine zu langen Anfahrtswege haben, und die rasche Überarbeitung der Richtsatzverordnung.

Was die langen Anfahrtswege betrifft, hat uns Herr Staatssekretär Waneck, der Sie, Herr Minister, im Ausschuss vertreten hat, versichert, dass die Zahl der begutachtenden Ärzte auf 450 aufgestockt wird, dass eine ausreichende Zahl von Sachverständigen für die Untersuchungen in den Regionen vorhanden sein wird, dass also eine dichte regionale Streuung der ärztlichen Untersuchungsmöglichkeiten gegeben sein wird. Er betonte auch die mobilen Dienste des Bundesamtes.

Was die Richtsatzverordnung betrifft, meine Damen und Herren, mit der der Grad der Behinderung eingeschätzt wird: Diese Richtsatzverordnung stammt aus den fünfziger Jahren und wurde für kriegsgeschädigte Erwachsene erlassen; dadurch wird der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit festgesetzt. Meines Erachtens kann diese Richtsatzverordnung für behinderte Kinder nicht angewendet werden, noch viel weniger bei Kindern, die eine geistige Behinderung aufweisen.

Wir sind für eine Neudefinition der Kriterien, mit denen die Schwere der Behinderung festgesetzt werden soll. Herr Staatssekretär Waneck hat eine rasche Überarbeitung dieser Verordnung zugesichert, und wir, die Sozialdemokraten, haben einer Ausschussfeststellung der Regierungsparteien zugestimmt.

Der nächste Bereich ist die Familienhospizkarenz. Da geht es konkret darum, dass nahe Angehörige von Sterbenden, auch schwersterkrankter Kinder, während der Zeit der Familienhospizkarenz in besonderen Härtefällen Geldzuwendungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds, also aus dem Härteausgleichsfonds erhalten sollen, wenn sich diese Angehörigen von ihrer Arbeitsstelle freistellen haben lassen und ein gänzlicher Entfall des Arbeitsentgeltes gegeben ist.

Meine Damen und Herren! Auf diese Geldzuwendung besteht aber kein Rechtsanspruch, und wir wissen auch nicht, was ein besonderer Härtefall sein wird, wie das gewertet werden wird. Noch einmal: Wir unterstützen diese Materie und begrüßen diese Regelung als wirklich wichtigen Schritt, aber es geht uns auch um die materielle Absicherung der Betroffenen, um die materielle Absicherung der Existenz der Betroffenen. Wer kann denn auf sein Arbeitseinkommen verzichten und monatelang einen Sterbenden betreuen, ein schwer krankes Kind betreuen? Was machen denn Familien mit geringem Einkommen? Können sie plötzlich auf einen Zusatzverdienst verzichten? Was machen allein erziehende Frauen?

Ich glaube, der Verzicht auf ein Arbeitseinkommen ist in vielen Fällen nicht möglich, und wir müssen gerade jenen Personen, die Angehörige begleiten, in einer so schwierigen, psychisch belastenden Situation eine materielle Absicherung geben. Wir treten daher dafür ein, dass ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Geldzuwendung aus dem Härtefonds eingeräumt werden muss.

Wir treten auch dafür ein, dass die geplante Arbeitsgruppe so schnell wie möglich zusammentritt und die Richtlinien für die Beurteilung der Härtefälle erarbeitet.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Im Interesse der Betroffenen appelliere ich an Sie, unseren Antrag zu unterstützen und sozusagen den letzen Baustein, die letzte Lücke für dieses Gesetz zu schließen.


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Herr Dr. Michael Landau, Direktor der Caritas Wien, hat ja das Parlament für die beschlossene Familienhospizkarenz belobigt, aber er hat auch gesagt: Nicht auf den Schlussstein des Gebäudes vergessen! Nächste Schritte sind wichtig.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel, Mag. Barbara Prammer und GenossInnen betreffend Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (1136 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1163 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (1136 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1163 der Beilagen), wird wie folgt geändert:

In Z. 2 lautet § 38j Abs. 2 wie folgt:

"(2) Auf die Gewährung von Geldzuwendungen nach Abs. 1 besteht abweichend von § 38a Abs. 4 ein Rechtsanspruch."

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

13.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ausreichend unterstützt ist, in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt und damit in Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung steht.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

13.32

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir beschließen heute zwei Änderungen im Bereich des Familienlastenausgleichsgesetzes. Eine betrifft den Familienhärteausgleichsfonds, eine den Familienlastenausgleichsfonds.

Wir haben bereits gestern eine Maßnahme beschlossen, die den Familienlastenausgleichsfonds finanziell belastet, und zwar im Bereich der Beschlussfassung zur "Abfertigung neu". Diese Maßnahme macht es möglich, den Kinderbetreuungsgeldbezieherinnen, den Familienhospiz-Karenzierten und den Menschen, die in Bildungskarenz gehen, weiter die Beiträge aus dem Familienlastenausgleichsfonds zu bezahlen. Die Kosten für diese Maßnahme werden schätzungsweise 12,1 Millionen € betragen.

Wir beschließen im Bereich des Familienlastenausgleichsgesetzes aber auch eine soziale Absicherung für soziale Härtefälle im Bereich der Familienhospiz, und zwar, dass es in Härtefällen die Möglichkeit gibt, diese Kosten aus dem Familienhärteausgleichsfonds retourniert zu bekommen. Diese Ausgaben sind auch gedeckt.

Außerdem beschließen wir im Bereich des Familienlastenausgleichsgesetzes die einheitliche Durchführung der Untersuchung zur Erlangung der erhöhten Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder, die letztlich mit 600 000 € veranschlagt wird. Dem haben die Sozialdemokraten dankenswerterweise zugestimmt.


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Wir sind im Bereich der Begutachtung mit Ausschussfeststellungen auf die Kritik eingegangen, und wir konnten uns da in einem weiten Bereich einigen.

Nicht einigen konnten wir uns jedoch im Bereich der Familienhospizkarenz. Ich meine, natürlich wäre es schön, wenn es einen Rechtsanspruch dafür gäbe, aber wir gehen einen anderen Weg. Wir glauben, dass man zuerst schauen und evaluieren muss, wie diese Maßnahme greift, wie sich die Kosten letztlich auswirken, und dass man erst dann noch einmal darüber beraten und die entsprechenden Schritte setzen sollte.

Frau Mertel, Sie haben im Ausschuss und auch heute wieder anklingen lassen, dass Sie sich irgendwie Sorgen um die Finanzierbarkeit im FLAF machen. Daher bin ich ja so ausführlich auf die Kosten eingegangen. Der Rechtsanspruch würde ja bewirken, dass diese Kosten letztlich aus dem FLAF zu bezahlen sind.

Ich sehe das alles im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld, mit der Erfolgsgeschichte des Kinderbetreuungsgeldes, dem Sie von den Sozialdemokraten nicht zugestimmt haben, wodurch Sie jetzt auf verlorenem Posten stehen und das zusehends bemerken.

Letztlich hoffen Sie doch darauf, dass Ihnen das letzte Argument – nämlich das der Nichtfinanzierbarkeit aus dem FLAF – noch bleibt. Ich kann Sie aber beruhigen, Frau Kollegin Mertel: Das Kinderbetreuungsgeld wird trotz einer explosionsartigen Inanspruchnahme finanzierbar bleiben. Dafür ist gesorgt! (Abg. Dr. Mertel: Mit sehr viel Defizit ...!)

Frau Kollegin Mertel, gerade Sie als Sozialdemokratin sagen das, wo doch die SPÖ für ganz andere Maßnahmen Zugriffe auf den Familienlastenausgleichsfonds über Jahrzehnte hinweg betrieben hat. Jahrzehnte hindurch haben Sie das gemacht, und jetzt versuchen Sie, den Spieß umzudrehen, Frau Kollegin Mertel! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sollten Ihre Sorgen echt sein, kann ich Ihnen zusichern, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Sie brauchen sich auch keine Sorgen zu machen, wenn es jetzt so scheint, als ob tatsächlich die Geburtenrate wieder im Ansteigen begriffen wäre.

Die "Kronen Zeitung" von gestern führt das zwar auf "Mehr Babys nach dem 11. September" zurück. Aber wenn man neun Monate zurückrechnet, dann geht das auch konform mit der Beschlussfassung über das Kinderbetreuungsgeld. Wir werden ja sehen, wie sich die Entwicklung weiter darstellt. Hätten wir tatsächlich eine Zunahme der Geburten zu verzeichnen, dann hätten wir natürlich einen ganz wichtigen Punkt erreicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen, Frau Kollegin Mertel: Wir werden finanziell eines sicherstellen, und unsere Bundesminister Haupt und Reichhold haben sich bereits darauf geeinigt: Wir werden versuchen, den FLAF nicht zusätzlich mit den Postbus-Streiktagen zu belasten! (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Der Familienlastenausgleichsfonds zahlt derzeit 65,4 Millionen € jährlich an Fahrpreisersatz für den Transport von 170 000 Schülern, was nicht mehr gesichert ist, sollten die Postbusse wirklich streiken. (Abg. Jung: Die Postgewerkschaft!)

Das ist wieder Ihr Bereich, meine Damen und Herren von der SPÖ. Da kann ich Ihnen nur sagen: Frau Mertel, setzen Sie sich dafür ein, dass das nicht kommen wird, dass dieser Streik nicht auf dem Rücken von Schülerinnen und Schülern ausgetragen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber sollte Ihnen das von sozialdemokratischer Seite aus nicht gelingen, dann haben unsere beiden Minister bereits vorgesorgt, mit privaten Unternehmungen gesprochen und versucht, diesen Bereich abzudecken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist ein bisschen eigenartig. Die Sozialdemokratie hat eigentlich jahrzehntelang mit ihrer Politik eher dafür gesorgt, dass Familien zerbrechen, und nicht dafür, dass sie existieren. (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ.)  – Natürlich!


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Frau Mertel! Mit Ihren Argumenten versuchen Sie jetzt nur mehr, aus der Opposition heraus die Kurve zu kratzen. Aber Ihnen wird man ernsthafte Familienpolitik auch in Zukunft nicht abnehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Gut!)

13.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Langreiter. – Bitte.

13.39

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir verhandeln heute zwei Änderungen des Familienlastenausgleichsgesetzes, die das Konvolut der bis dato von den Regierungsparteien gesetzten großartigen familienpolitischen Leistungen nahtlos fortsetzen.

Die Familienhospizkarenz – wir alle wissen das; da sind wir unisono einer Meinung – ist wirklich ein Quantensprung in der europäischen Sozialpolitik, auf den wir mit Recht stolz sein können. Schwer kranke Menschen sollen damit die realistische Chance erhalten, von vertrauten Familienmitgliedern gepflegt zu werden. Ich betrachte das als einen Schulterschluss zwischen der gesunden Generation und den wirklich benachteiligten kranken Menschen.

Heute setzen wir einen weiteren Schritt. Wir wollen dafür sorgen, dass erheblich behinderte Menschen künftig einfacher und unbürokratischer zur erhöhten Familienbeihilfe kommen. Bis dato war das nur über viele Bescheinigungen möglich, die durchaus auch schwer erhältlich waren. Viele Fachdienststellen haben da einfach einen Riegel vorgeschoben.

Wenn künftig das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen für diese Bescheinigungen zuständig ist, dann ist sicherlich eine Einheitlichkeit gegeben und damit auch eine im Vollzug gerechtere Lösung. Dieses Institut ist natürlich auch mit langjähriger Erfahrung bestückt und hat sicher auch eine einheitliche Spruch- und Beurteilungspraxis.

Ein wesentliches Merkmal dieser Novelle ist auch, dass gerade, was den ländlichen Raum betrifft, Familien mit behinderten Kindern keine unnötige und beschwerliche Mobilität auferlegt werden soll, indem sie etwa weit fahren müssen, indem sie vielleicht Sachverständige oder Personen, die dafür zuständig sind, über lange Wege aufsuchen müssen. Ich finde, es dient auch einer einheitlichen Beurteilungspraxis, wenn die Sachverständigen vor Ort mit der Erreichbarkeit dieser Menschen nicht viel Zeit verlieren.

Es mag sein, dass die Richtsatzverordnung, die den Grad der Behinderung festlegt, unter Umständen einer Änderung bedarf, wie Frau Kollegin Mertel gesagt hat. Die Behinderten-Felder, wenn ich das so nennen darf, dürften sich inzwischen auch geändert haben. Letztendlich zählen aber die einheitliche Anwendung und auch der einheitliche Vollzug.

Ein weiterer Baustein ist die Gewährung einer Geldzuwendung aus dem Familienhärteausgleichsfonds für jene Menschen, die sich während der Familienhospizkarenz nur ganz schwer die Sterbebegleitung leisten können.

Auch wenn der Angelpunkt der ist, dass es keinen Rechtsanspruch auf die Gewährung dieser Geldzuwendung gibt, kann man trotzdem davon ausgehen, dass bei Entsprechung gemäß den Richtlinien, die von beiden Ministerien noch entworfen werden, eine Geldzuwendung auf jeden Fall erfolgt: zum einen, weil die finanzielle Bedeckung gegeben ist, und zum anderen, weil es insgesamt eine gute Sache ist.

Meine Damen und Herren! Noch ein Wort zum Rechtsanspruch: Wir wollen keine prinzipielle Verteilung, sondern eine treffsichere Unterstützung, eine soziale Treffsicherheit, und zwar dort, wo sie am meisten benötigt wird. Das ist der Weg, der Budgetkonsolidierung und soziale Sicherheit nicht ausschließt. – Das ist das Entscheidende. (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Wir erwarten natürlich mit Spannung die Richtlinien, die entworfen werden. Uns von der ÖVP liegt viel an den Bedürfnissen der Familien, besonders auch in schwierigen Zeiten.

Die Opposition ist anscheinend bemüht, immer hinten nach zu hängen. Das war beim Kinderbetreuungsgeld so, das war bei der Familienhospizkarenz der Fall, der erst in dritter Lesung von ihr zugestimmt wurde, und das war auch bei der "Abfertigung neu" so, die auch nur mit Hängen und Würgen mitbeschlossen wurde.

Wir von der ÖVP haben uns schon immer für die Familien eingesetzt, und ich glaube, wir werden uns auch künftig für die Familien einsetzen. Das ist ein gangbarer Weg, den die Koalitionsparteien auf jeden Fall gehen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

13.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

13.44

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Eines möchte ich zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Haller schon sagen: Die 30 Jahre Erfolgsgeschichte Familienpolitik mit der SPÖ können Sie uns nicht wegnehmen! Da können Sie noch so oft hier herausgehen, noch so oft reden: Das bleibt im Bewusstsein der Menschen! (Beifall bei der SPÖ.) Aber Sie setzen eben alles daran, sehr vieles von dem retour zu drehen, was die Menschen sich wirklich rechtmäßig erarbeitet und verdient haben.

Noch etwas, Frau Abgeordnete Haller: Ganz kann ich Ihrer Logik nicht folgen. Auf der einen Seite sagen Sie, Sie haben wie Frau Kollegin Mertel Angst um die Finanzierbarkeit des FLAF (Abg. Haller: Nein! Nein! Drehen Sie mir nicht das Wort im Mund um!), aber auf der anderen Seite sagen Sie – praktisch gleichzeitig –, weil Sie sich Sorge um die Finanzierbarkeit des FLAF machen, darum gibt es keinen Rechtsanspruch.

Was leite ich daraus ab? – Ich leite daraus ab, dass Sie natürlich nicht im Traum daran denken, jenen Menschen, die wirklich aus dem Härtefonds notwendige Unterstützungen brauchen, wenn sie in die Sterbekarenz gehen wollen, diese Mittel zur Verfügung zu stellen.

Das haben wir bereits im Ausschuss diskutiert. Heute haben Sie hier im Plenum den Wahrheitsbeweis angetreten. Sie denken nicht im Traum daran, allen Menschen die Möglichkeit zu geben, in die Sterbekarenz zu gehen, sondern Sie denken nur daran, einem Teil der Menschen diese Möglichkeit zu eröffnen.

Noch etwas: Sie erwähnen immer wieder – das kann ich so nicht im Raum stehen lassen, Frau Abgeordnete Haller –, Sie sagen allen Ernstes, die Menschen hätten nach der Beschlussfassung des Kindergeldes plötzlich die Entscheidung getroffen, Kinder zu zeugen. – Ich kann Ihnen versichern: Die Menschen, die Eltern in Österreich sind wesentlich verantwortungsbewusster, als dass sie einen derartigen Beschluss gebraucht hätten, um zu entscheiden, ob sie ein Kind haben wollen oder nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie schaffen zwei Gruppen von Menschen, gerade bei der Sterbekarenz. Wir haben schon einmal im Plenum darüber diskutiert. Es wäre wesentlich, dass es eben nicht auf die eigene Brieftasche ankommt, wenn man die Entscheidung treffen muss, ob man seinen sterbenden Angehörigen begleiten kann oder nicht.

Aber Sie entscheiden genau in die Richtung, dass es eine bestimmte Gruppe von Menschen geben wird, die nicht in die Möglichkeit versetzt werden, Sterbekarenz in Anspruch zu nehmen. Dabei geht es um die allein erziehenden Frauen und Männer, es geht um die allein stehenden Menschen, deren Aufwendungen einfach weiterlaufen, die nicht die dicke Brieftasche haben, die nicht die Möglichkeit haben, einfach drei Monate oder sogar ein halbes Jahr lang auf ihr Einkommen zu verzichten.


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Ich möchte hier einen Punkt noch einmal erwähnen. Das haben Sie das letzte Mal schon "sehr erfolgreich" – unter Anführungszeichen – beschlossen: Sie schließen auch die homosexuellen Menschen aus. Sie denken offensichtlich, dass diese Menschen keine Gefühle haben, dass sie nicht auch das Bedürfnis haben, ihren Lebensgefährten, ihre Lebensgefährtin in dieser schweren Zeit zu begleiten.

Ich bedauere das zutiefst. Wir haben lange genug versucht, eine gemeinsame Lösung, einen gemeinsamen Weg zu finden. Die Sterbekarenz an sich ist ja wirklich eine gute und wesentliche Sache, aber solange Sie nicht im Vorhinein klar stellen, wie das bei den erwähnten Gruppen finanziell funktionieren soll, so lange werden Sie einem Großteil dieser Menschen diese Sterbekarenz nicht ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Haller zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

13.48

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine anwesenden Damen und Herren! Ich muss Frau Kollegin Prammer, meine Vorrednerin, in zwei Punkten berichtigen.

Erstens: Frau Kollegin Prammer hat tatsächlich behauptet, ich hätte mir Sorgen um die Finanzierung des FLAF gemacht. – Ich muss sie tatsächlich berichtigen: Ich habe Frau Kollegin Mertel beruhigt, die sich Sorgen um den FLAF macht. (Abg. Mag. Prammer: Nein! Das können Sie nachlesen!)

Zweitens: Frau Kollegin Prammer, Sie haben gesagt, ich hätte behauptet, dass der derzeitige Geburtenanstieg auf das Kinderbetreuungsgeld zurückzuführen sei. (Abg. Haidlmayr: Das haben Sie gesagt!) – Ich weise das zurück!

Ich habe die Möglichkeit in den Raum und die Frage gestellt. Aber bei Ihnen, Frau Kollegin Prammer, ist es immer so, dass Sie einem das Wort im Mund umdrehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

13.50

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Sozialminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf jenen Bereich eingehen, der mir ganz besonders aufstößt, und zwar auf die Änderung bei der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder.

Herr Minister, Sie wissen ja genauso gut wie ich, dass nicht jeder Arzt befähigt ist, jede Behinderung auch wirklich einschätzen zu können, und zwar dahin gehend, ob ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe vorliegt oder nicht. Das kann in der Praxis nur der Facharzt, der behandelnde Arzt des Kindes. Wenn das jetzt von so genannten Sachverständigen übernommen wird, dann, meine Damen und Herren, wird es zu sehr bedenklichen Ergebnissen kommen, die wir uns heute noch nicht wirklich vorstellen können.

Herr Minister, Sie wissen, dass ein Sachverständiger nicht alles weiß und kann, was zur Feststellung einer Behinderung dazugehört. Ein Sachverständiger kann, wie Sie wissen, unter Umständen auch ein Augenarzt oder ein HNO-Arzt sein – und der soll plötzlich zum Beispiel über Osteogenesis imperfecta oder über das Down-Syndrom oder über andere Behinderungen Bescheid wissen? – Herr Minister! Das kann er nicht, und das wird er auch nie können. Er ist aber jener, dem es jetzt plötzlich obliegt, festzustellen, ob die Behinderung ausreicht, um einen Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe zu begründen.


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Ich habe diesbezüglich auch Herrn Staatssekretär Waneck im Ausschuss gefragt, wie er sich das vorstellt, und er hat darauf geantwortet: Ja, wir werden jetzt die Sachverständigen schulen. – "Schulen", Herr Minister! Glauben Sie wirklich, dass jemand, der Sachverständiger ist und geschult ist, dann den Facharzt ersetzen kann? – Dann bräuchten wir ja keine Fachärzte mehr, sondern wir bräuchten alle nur mehr irgendwie zu "schulen", und jeder wüsste alles und könnte für alles zuständig sein.

Da könnte ich mich dann auch melden, denn ich kann mich auch schulen lassen, dieses Recht steht mir auch zu. Aber ich würde wahrscheinlich trotz Schulung niemals den Aufgabenbereich wahrnehmen können, der es erfordert, über alle Behinderungen, die es gibt, wirklich Bescheid zu wissen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... der Arzt auch nicht! Der muss ... geschult werden!) Ich weiß über eine kleine Gruppe – natürlich über jene, zu der ich selbst gehöre – gut Bescheid, aber ich würde mir niemals das Recht herausnehmen, als Sachverständige zum Beispiel die Entscheidung über ein durch Down-Syndrom behindertes Kind zu treffen. Dieses Wissen habe ich nicht, auch nicht im Rahmen meiner Eigenkompetenzen auf Grund meiner Behinderung.

Jetzt aber hat ein Sachverständiger, der in der Regel überhaupt keine Behinderung hat, plötzlich als HNO-Arzt die Befähigung, über Behinderungen, die er wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben sieht, zu entscheiden! Das, Herr Minister – und Sie werden mir da wahrscheinlich zustimmen –, halte ich wirklich für bedenklich.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jetzt zu einer gerechteren Einstufung bei erheblich behinderten Kindern kommen wird, sondern es wird zu gar keiner Einstufung mehr kommen, weil der HNO-Arzt nicht behirnt, sage ich jetzt einmal – er braucht es auf Grund seiner Ausbildung auch nicht zu behirnen –, wie zum Beispiel Osteogenesis imperfecta oder das Down-Syndrom aussehen und welche Folgen et cetera diese Behinderungen nach sich ziehen.

Deshalb lehne ich es ab, dass irgendein Sachverständiger zu irgendeinem behinderten Kind kommen und irgendein Gutachten erstellen kann, in dem irgendetwas steht, das aber überhaupt nicht mit der Realität in Einklang steht, weil dieser Arzt ja gar nicht die Kompetenz hat, das auch wirklich zu erkennen und entsprechend begutachten zu können. Das können eben nur Fachärzte, und dafür haben wir auch Fachärzte, und die sollten das in Zukunft auch weiterhin tun – und nicht irgendein Arzt mit irgendeiner Ausbildung! (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte aber auch noch einige Anmerkungen zum Härteausgleichsfonds im Zusammenhang mit der Familienhospizkarenz machen. – Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So ist es nicht, wie Sie von den Regierungsparteien es heute darzustellen versuchen, dass jetzt mehr oder weniger ein jeder um Mittel aus dem Härteausgleichsfonds ansuchen kann. So ist es ganz einfach nicht! Erstens gibt es keinen Rechtsanspruch, und zweitens wurden viele Gruppen von Menschen, die Pflegehospiz leisten, von dieser Leistung ausgeschlossen – ich denke da zum Beispiel an in gleichgeschlechtlichen Beziehungen lebende Personen und auch an AusländerInnen. Diese sind in einem solchen Fall nicht berechtigt, einen Antrag zu stellen – unabhängig davon, ob sie auf Grund der Höhe ihres Einkommens einen Anspruch hätten oder nicht.

Frau Haller hat im Ausschuss zu mir gesagt: Wir können das am Anfang nicht gleich für alle machen! – Meine Frage ist nur: Warum denn dann gerade für jene Gruppen nicht, die Sie nicht in Ihr traditionelles Familienbild hinein haben wollen oder die für Sie nicht zu den traditionellen Österreicherinnen oder zu den traditionellen Österreichern gehören?! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber zuerst dürfen wir es schon für die Österreicher machen? – Abg. Achatz: ... die Österreicher ...! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das dürfen wir schon, dass wir es zuerst für die Österreicher machen?)

Das ist das Problem, das Sie haben: dass es eben für ausländische Personen, die Pflegehospizkarenz leisten (Abg. Öllinger  – in Richtung der Abg. Dr. Partik-Pablé –: Die zahlen ein!), keine Möglichkeit gibt, aus dem Härteausgleichsfonds Leistungen zu bekommen und dass es auch für die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen lebenden Personen diese Möglichkeit nicht gibt. (Abg. Öllinger: Die zahlen ein! Das ist nicht Ihr Geld, Frau Partik-Pablé! Die zahlen!)


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Und das, Frau Partik-Pablé, kommt ja nicht von irgendwoher, sondern es ist ganz einfach Ihre Gesinnung, dass Sie für diese Menschengruppe das nicht übrig haben (Abg. Freigaßner: Das ist eine Unterstellung, Frau Haidlmayr, und das verbitte ich mir heute schon zum zweiten Mal!), und deshalb sind diese Menschen in diesem Gesetz auch nicht berücksichtigt! (Beifall bei den Grünen.)

Hätten Sie nämlich an diese Menschengruppen gedacht, dann wären sie selbstverständlich im Gesetz berücksichtigt worden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie werden uns ja hoffentlich noch unsere Gesinnung lassen wollen!) Vielleicht haben Sie daran gedacht – Entschuldigung! – und haben es nur verdrängt? (Abg. Achatz: Sie haben Ihre Gesinnung, und wir unsere!) Aber das ist nicht minder schlimm, wenn Sie es verdrängt haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie werden uns ja hoffentlich noch unsere Gesinnung lassen!) Tatsache ist: Sie sind nicht drinnen. Und es ist auch eine ideologische Frage, warum sie nicht drinnen sind. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Achatz: Eine Diktatur haben wir nicht, Frau Haidlmayr! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Einen Gesinnungsterror wollen wir nicht haben, und Sie hoffentlich auch nicht!)

Wir werden daher dieser Vorlage nicht zustimmen, erstens, wie gesagt, weil die Einstufung durch irgendwelche Sachverständige aus meiner Sicht – und ich hoffe, auch aus Ihrer Sicht, Frau Partik-Pablé – nicht korrekt ist, und zweitens, weil Sie Menschengruppen von den Leistungen aus dem Härteausgleichsfonds ausgeschlossen haben, die unbedingt das Recht haben müssten, auch mit eingeschlossen zu sein. (Beifall bei den Grünen.)

13.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

13.57

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich zunächst bei allen vier Fraktionen dafür bedanken, dass es letztendlich doch möglich war, die Familienhospizkarenz hier gemeinsam zu beschließen. Ich glaube auch, dass dem, was die Vorredner gesagt haben, nichts hinzuzufügen ist, dass nämlich die mit der Ausgestaltung der entsprechenden Richtlinien befasste Arbeitsgruppe möglichst bald über den Sommer zusammentreten soll, sodass auch diesbezüglich das, was wir auf politischer Ebene vereinbart haben, gemeinsam zu einem guten Ende gebracht werden kann, dass also die Richtlinien letztlich auch tatsächlich für alle vier Fraktionen nachvollziehbar sind, sowohl, wenn es um die Mitsprache bei ihrer Ausgestaltung, als auch, wenn es um ihre Umsetzung geht.

Ich meine, man sollte angesichts der Argumente, die heute in der Diskussion vorgebracht wurden, auch nie vergessen, welchen Zustand wir heute haben: Es gibt keine arbeitsrechtliche Absicherung, es gibt null Absicherung – ganz egal, ob jemand reich oder arm ist. Es kann jemandem durchaus auch als Angehörigem des Mittelstandes passieren, dass, wenn er sich um die Pflege seines Kindes oder um die Pflege eines älteren Angehörigen kümmert, auf einmal sein Arbeitsplatz weg ist und er dann in existentielle Nöte kommt.

Ich denke, es war unbestritten – und ich habe in der Diskussion daran auch nie einen Zweifel gelassen –, dass das, was aus dem Familienhärteausgleichsfonds zu erwarten ist, nicht die Welt ist, um das klar zu sagen. Aber die Grundvorstellungen, was diese Zahlungen betrifft, richteten sich ja auch auf Beträge etwa in Höhe des Kinderbetreuungsgeldes – derzeit also von 6 000 S –, und die durchschnittlichen Zahlungen aus dem Familienhärteausgleichsfonds liegen heute bei etwa 36 000 S. Da die maximale Dauer der Familienhospizkarenz sechs Monate beträgt, kommen wir im Endeffekt in etwa auf jene Zahlen.

Ich sage dazu in aller Klarheit auch Folgendes: Es leisten sich auch heute schon sehr viele Menschen – auch, oder vielleicht sogar in erhöhtem Ausmaß, jene Menschen, die den finanziell weniger gut gestellten Bevölkerungskreisen angehören – die Erbringung dieser Hospizleistungen, weil sie einfach die moralische Verpflichtung verspüren und weil es ihnen auch ein Anliegen ist, ihre betreuungsbedürftigen Angehörigen in dieser schwierigen Situation aus dem Krankenhaus zu sich nach Hause zu nehmen, um sie dort bis zu ihrem Sterben zu betreuen.


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Ich glaube daher, dass Direktor Landau Recht hat, wenn er sagt, dass dieses Gesetz für alle eine eindeutige Verbesserung gebracht hat und dass es ein Meilenstein ist. Ich glaube auch, dass es Sinn macht und als durchaus positiv zu werten ist, dass wir nach einer Evaluierungsphase von zwei Jahren, so wie es auch vom Gesetzgeber versprochen wurde, auch die Rahmenbedingungen im sozialrechtlichen Bereich, über die wir heute hier diskutieren und zu deren gemeinsamer Ausarbeitung wir uns bereit gefunden haben, einer Regelung zuführen werden.

Ich glaube darüber hinaus, dass jene Fragen, die Frau Kollegin Haidlmayr releviert hat, aus ihrer Sicht als Angehörige dieses Hohen Hauses mit einer Behinderung durchaus ernst zu nehmen sind. Aber ich bitte auch Sie, Frau Kollegin Haidlmayr, einmal die heutige Situation zu betrachten:

Heute sind die Gutachter die Amtsärzte der Bezirksverwaltungsbehörden. Herr Professor Grünewald wird mir, in Kenntnis der Zusammensetzung der Amtsärzte der österreichischen Bezirksverwaltungsbehörden, Recht geben, wenn ich sage, dass unter ihnen sehr viele Allgemeinmediziner und einige wenige Fachleute sind. Es ist nicht daran gedacht, einen Facharzt für Augenheilkunde orthopädische Belange hinterfragen und diese Fragestellungen beantworten zu lassen, und es ist auch nicht daran gedacht, einen Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenerkrankungen Probleme, die eindeutig im Bereich von internistischen oder neurologischen Erkrankungen liegen, begutachten zu lassen.

Ich glaube, dass, bei aller Vorsicht, die man auch in der Einschätzung des ärztlichen Begutachtungswesens und der von den Ärzten in diesem Bereich zu bewältigenden Problemstellung – der Durchführung einer fairen Begutachtung nach bestem Wissen und Gewissen, unter Beachtung der gesetzlichen Richtlinien und im Einklang mit den jeweils geltenden Rahmenbedingungen – walten lassen sollte, dennoch unübersehbar ist, dass wir heute mit einer Reihe von Beschwerden im Bereich der ärztlichen Begutachtungen konfrontiert sind. Die Volksanwälte – wir wissen es aus den Fernsehsendungen –, die entsprechenden Ombudsleute der Tageszeitungen und andere Stellen in dieser Republik, wie etwa die Patientenanwaltschaften, haben in diesem Bereich sehr vieles an Beschwerden zu verzeichnen. Auch von Seiten der Organisationen, die die behinderten Menschen vertreten, kommen solche Beschwerden, und es fühlen sich auch sehr viele Menschen, die eine Invaliditätspension erlangen wollen, bei den Begutachtungen häufig sehr ungerecht und oftmals auch unmenschlich behandelt.

Ich habe das immer ernst genommen, und ich habe mir auch immer gewünscht, dass wir in diesem Bereich gemeinsam mit den Fachleuten und mit den Ärzten zu einer besseren Regelung kommen, als wir sie heute haben.

Wir haben derzeit etwa 2 500 Österreicherinnen und Österreicher, die einer Begutachtung nach einem neuen Verfahren unterzogen werden, das von einem damit befassten Kreis in meinem Hause unter Beteiligung von maßgeblichen Fachleuten aus allen relevanten Bereichen einvernehmlich ausgearbeitet worden ist, und wir werden nach Ablauf der hiefür vorgesehenen Frist sehen, ob wir in der Lage sind, dieses Umfeld humaner zu gestalten, als dies heute der Fall ist.

Ich glaube daher, dass sich in diesem Bereich unter Einsetzung der mobilen Dienste und von qualifizierten Sachverständigen in Österreich, gemeinsam mit den Bundesländern, durchaus einiges zum Besseren verändern lässt. Eine endgültige Beurteilung werden wir alle erst dann vornehmen können, wenn es funktioniert.

Ich sage auch in aller Klarheit: Wir wissen auch, dass wir auf Grund der Situation im niedergelassenen Bereich in Österreich manche Regionen und manche Verwaltungsbezirke haben, in denen wir nicht über eine ausreichende Zahl von Fachleuten verfügen, heute nicht und vielleicht – auch auf Grund der Engpässe in manchen Bereichen der Facharztausbildung – auch morgen noch nicht. In diesen Gebieten wird sicher zu überlegen sein, ob nicht unter Umständen das regionale Krankenhaus mit seinen dortigen Fachleuten und Konsiliarärzten im Rahmen gesonderter Verträge hier mit einzubeziehen ist, damit diese Lücke geschlossen werden kann.


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All diese Dinge sind aus meiner Sicht bei der Ausarbeitung zu berücksichtigen, und ich glaube, der Herr Staatssekretär hat, wie auch mehrfach angesprochen wurde, all diese Überlegungen im Ausschuss offensichtlich in der entsprechenden Form vertreten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass hier ein wichtiger Bereich angesprochen worden ist. Ich selbst als Bundesminister bin angesichts der vielen Schwierigkeiten, die in diesem Bereich auftreten – sei es durch die Legistik, durch die nicht adäquate Nachvollziehung etwa der entsprechenden Begutachtungsrichtlinien, sei es im Rahmen der täglichen Praxis –, mit der heutigen Situation nicht zufrieden. Ich nehme daher all diese Dinge ernst und hoffe, dass wir durch die Umsetzung der Richtlinien hier gemeinsam zu einem besseren System gelangen werden, das es nicht erforderlich macht, die Behinderten in Österreich zu irgendwelchen Zentralstellen zu schicken, sondern das es erlaubt, diese Begutachtungen möglichst nahe an ihrem Wohnort durchzuführen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Freigaßner. – Bitte.

14.05

Abgeordnete Evelyn Freigaßner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Über die Kompetenzen der Sozialdemokraten möchte ich gar nicht mehr sprechen. (Abg. Dr. Mertel: Das ist günstig! Da sind wir nicht böse!) Darüber lasse ich mich gar nicht mehr aus (Abg. Dr. Mertel: Nein, da sind wir nicht böse!), denn wir haben ja gesehen: In den letzten 30 Jahren ist nichts Gescheites passiert. – Wir machen es jedenfalls besser! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu Frau Haidlmayr muss ich Folgendes sagen: Frau Haidlmayr! Sie haben heute hier bewusst die Unwahrheit gesagt. (Abg. Öllinger: Oh!) Ja, das muss ich Ihnen leider wirklich sagen! Sie haben gesagt, die Begutachter, die 450 ausgesuchten Sachverständigen, die 15 000 Begutachtungen im Jahr durchführen, würden nicht geschult. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Das stimmt überhaupt nicht! Herr Staatssekretär Waneck hat gesagt, sie werden bereits geschult, und er hat auch Folgendes gesagt: Die Einschulung der Ärzte – so habe ich es wortwörtlich aufgeschrieben – durch das Bundessozialamt ist gegeben. – Da gibt es also eine spezielle Einschulung für diese Ärzte, und vor allem werden zusätzlich auch noch Kinderärzte und Psychologen beigezogen! Das muss ich Ihnen sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Wie lange dauert denn die Schulung? – Abg. Weinmeier: Ausreichend! – Abg. Öllinger: Wissen Sie, wie lange diese Schulung dauert? – Abg. Weinmeier: Ausreichend! – Abg. Haidlmayr: ... einen geschulten Arzt mit einem Facharzt!)

Die Schulung ist durchaus ausreichend. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Da gibt es bis dato überhaupt keine Probleme. (Abg. Dr. Mertel: Eingesagt! Eingesagt!) Und sollte es sich als anders erweisen, so wird sie sich verlängern. Auch das hat Herr Waneck zum Ausdruck gebracht. (Abg. Haidlmayr: ... nicht einen geschulten Arzt mit einem Facharzt ...!)

Es ist ein großer Vorteil, wenn die Behinderten oder die Kranken nicht zu den einzelnen Fachärzten fahren müssen, sondern in der Nähe, an ihrem eigenen Wohnort untersucht werden können. Ich muss Ihnen auch sagen, dass es auch Möglichkeiten des Einspruchs gibt, mit dem der unabhängige Finanzsenat befasst wird, der auch weitere Gutachten einholen lässt und dann entscheidet. Ich weiß nicht, wo Sie da die Probleme sehen! – Ich sehe keine. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Ich kann Ihnen nur Folgendes sagen, wie ich es auch vorher schon gesagt habe und wie es auch der Herr Minister gesagt hat: Die Richtlinien werden ausgearbeitet. Jeder kann um Familienhospizkarenz ansuchen. (Abg. Haidlmayr: Sie haben nicht verstanden, worum es geht! Das ist Ihr Problem!) Sie können heute noch gar nicht wissen, ob überhaupt irgendjemand von dieser Familienhospizkarenz ausgeschlossen sein wird, und Sie können heute auch noch gar nicht wissen, ob Sie aus dem Familienlastenausgleichsfonds Härtezulagen beziehungsweise


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Ausgleichszulagen bekommen können. (Abg. Dr. Mertel: Darum geht es ja!) Das können Sie heute nicht wissen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Darum geht es ja!)

14.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadler. – Bitte.

14.08

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nach der vorliegenden Regierungsvorlage werden in Zukunft die Untersuchungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe bei erheblich behinderten Kindern bundeseinheitlich vom Bundessozialamt durchgeführt werden. Diese Untersuchung kann nun auch von den mobilen Diensten durchgeführt werden. Das verkürzt den Anfahrtsweg für die Familien mit einem behinderten Kind wesentlich, da die meisten mobilen Dienste rasch und kostensparend direkt vor Ort sein können. Das heißt zusammenfassend: Zum einen ist die Beurteilungsgrundlage für die erhöhte Familienbeihilfe diese Untersuchung, und zum zweiten werden ärztliche Sachverständigen-Gutachten erstellt, und das gilt für alle Betroffenen in gleicher Weise. Durch die Ausweitung auf die mobilen Dienste ist zudem sichergestellt, dass es keine unnötigen und beschwerlichen Anreisen geben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In der letzten Plenarsitzung haben wir die Familienhospizkarenz beschlossen, und in dritter Lesung hat sich die SPÖ doch dazu durchringen können, dieses Gesetz – einen gesellschaftspolitischen Meilenstein – mit zu beschließen.

Frau Kollegin Mertel, Sie haben im Zusammenhang mit der Familienhospizkarenz gemeint, dass dabei ein letzter Baustein fehlen würde. – Ich finde es gut, dass unsere Bundesregierung dieses "Haus" Familienhospizkarenz gebaut hat, und es mag auch sein, dass der eine oder andere Baustein noch fehlt, nur: Mit der SPÖ gäbe es dieses "Haus" nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Deshalb stimmen wir zu?! Das ist interessant: Im Ausschuss haben wir zugestimmt, ...!) Das freut mich sehr, Frau Mertel! (Abg. Dr. Mertel: ... und Sie sagen, mit uns hätte es dieses "Haus" nicht gegeben! Merken Sie nicht, dass Sie sich da in einen Widerspruch hineinreden?)

Sie hätten diese Familienhospizkarenz schon 30 Jahre lang schaffen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Die ÖVP/FPÖ-Regierung hat diese Familienhospizkarenz beschlossen, und Sie haben zugestimmt!

Mit dieser Regelung ist es notwendig geworden, besondere Härtefälle, vor allem für junge Familien, abzufedern, und zwar mit den Geldern aus dem Härtefonds plus dem Pflegegeld.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Familienhospizkarenz ist ein riesengroßer gesellschaftlicher Schritt. Sie ermöglicht Sterbebegleitung nach dem Motto: Begleiten statt Töten.

Frau Kollegin Prammer ist nicht mehr im Saal. Sie hat gemeint, es kann nur ein Teil der betroffenen Menschen in Karenz gehen, um Sterbebegleitung durchzuführen. – Ich darf sie daran erinnern: Bis jetzt gab es diese Möglichkeit überhaupt nicht!

Ich bin auch sehr froh darüber, Frau Kollegin Mertel, dass die SPÖ ihren Weitblick anscheinend doch nicht ganz verloren hat und dass sie gerade zur Familienhospizkarenz nun doch ihre Zustimmung gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

14.11

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die zur Debatte stehende Regierungsvorlage betrifft Änderungen des Familienlastenausgleichsgesetzes. Wie wir von den Vorrednern bereits gehört haben, sollen erheblich behinderte Kinder künftig bundesweit und einheitlich durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen untersucht werden.


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Ich denke, diese Vorgangsweise ist akzeptierbar, sie ist sicherlich in Ordnung. Die geschätzten 15 000 Untersuchungen im Jahr werden wahrscheinlich überwiegend vor Ort durch die bestellten Amtssachverständigen erfolgen, und es gibt aus meiner Sicht kein Misstrauen, dass das nicht in der vorgesehenen Art und Weise über die Bühne gehen könnte, dass das nicht ordentlich organisiert würde. Für den Fall, dass wir erkennen, dass das eine oder andere Problem auftritt, kann man ja darüber reden. – Hiezu also eine positive Botschaft.

Im Zusammenhang mit der Familienhospizkarenz möchte ich noch einmal daran erinnern, dass der Entfall des Arbeitsentgeltes in manchen Fällen zu erheblichen Belastungen führen wird, dass in der bisherigen Diskussion leider keinerlei Art einer Entgeltfortzahlung oder Unterstützung durchsetzbar gewesen ist und dass der Härtefonds zwar helfen kann, aber dass dazu eigentlich auch ein Rechtsanspruch notwendig wäre. Deshalb haben wir auch unseren Abänderungsantrag eingebracht.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin sicher, wir werden in absehbarer Zeit die Diskussion über diesen Härteausgleich, über eine Unterstützung oder Entgeltfortzahlung wieder aufnehmen, und ich möchte schon jetzt einen Vorschlag in die Diskussion einbringen.

Wir haben eine ähnliche Situation, wenn es in schwierigen wirtschaftlichen Situationen, nämlich bei Kurzarbeit in den Betrieben, zu einem Ausfall von Arbeitsstunden kommt. Da werden Ausfallstunden der Wirtschaft und den Arbeitnehmern durch Unterstützungen abgegolten. Ich denke, bei Inanspruchnahme der Familienhospizkarenz ist die Situation eine ähnliche: Da fallen Ausfallstunden aus familiären Gründen an, und deshalb könnte man vielleicht das Modell der Kurzarbeitsunterstützung auch in diesem Fall zur Diskussion stellen. Ich möchte das hiermit als Lösungsvorschlag oder als mögliche Lösungsvariante in die Diskussion einbringen.

Das Familienhospizkarenzgesetz ist ein gutes Gesetz, aber leider noch kein vollständiges Werk, da eben die Existenzsicherung für jene, die Sterbebegleitung leisten, nicht vorgesehen wurde.

Sehr verehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir abschließend noch eine Bemerkung zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Haller von der Freiheitlichen Partei, nämlich eine Antwort auf ihre Aufforderung an die SPÖ, dafür zu sorgen, dass bei der Post nicht gestreikt wird.

Sehr verehrte Damen und Herren von den Freiheitlichen! Wenn Sie eine Politik machen, die Streikgründe setzt, die Streiks rechtfertigt, dann wird gestreikt werden! (Abg. Haller: Wer hat denn die Basis für den Streik gelegt?) Also machen Sie eine Politik, mit der Sie keine Streikgründe setzen, dann wird auch nicht gestreikt! So einfach ist das im Leben, Frau Haller! (Beifall bei der SPÖ.)

Setzen Sie mit Ihrer Politik keine Gründe, dann wird nicht gestreikt, und dann brauchen Sie die Sozialdemokraten nicht aufzufordern, hier in irgendeiner Weise Einfluss zu nehmen. (Abg. Haller: Wir können nicht alles reparieren, was ihr falsch gemacht habt! Wir können nicht in zwei Jahren alles reparieren!)

Die SPÖ – nehmen Sie das zur Kenntnis! – wird nie einen Streik von Arbeitnehmern, der vom ÖGB unterstützt wird, verhindern. So einfach und klar ist die Antwort, die Sie, glaube ich, verdient haben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Knerzl. – Bitte.

14.15

Abgeordneter Anton Knerzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes sieht vor, dass es wieder viele Erleichterungen für behinderte Kinder zur Erlangung erhöhter Familienbeihilfen geben wird. Auch dieses Beispiel zeigt einmal mehr: Freiheitliche Familienpolitik steht in jeder Hinsicht europaweit führend, vorbildlich da! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Seit 1. Jänner 2002 steht den österreichischen Familien Kinderbetreuungsgeld zur Verfügung: Versprochen – gehalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Erstmals haben Frauen – egal, ob Studentin, Bäuerin, Unternehmerin oder Hausfrau – als Mütter per Gesetz Anspruch auf die monatliche Zuwendung von 6 000 S beziehungsweise 430 €. Damit wurden nunmehr auch jene Gruppen erfasst, die bis jetzt von jeder entsprechenden Förderung ausgeschlossen gewesen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

Erstmals ist eine jährliche Zuverdienstgrenze von 14 535 € kein Hindernis mehr für die Erlangung von Kinderbetreuungsgeld. Somit kann jede Hausfrau oder berufstätige Mutter für sich eine freie Entscheidung zwischen Berufswahl und Kindererziehung treffen, ohne dass sie gezwungen wird, aus finanziellen Gründen in andere Richtungen zu wechseln.

Die Zielsetzung des Kinderbetreuungsgeldes geht vor allem in zwei Richtungen: Erstens wird die Familieneinkommenssituation sehr positiv beeinflusst. Allein dieser Kaufkraftzufluss zeigt bereits erste erfreuliche Auswirkungen. Aber nicht nur einzelne Familien sind Nutznießer des Kinderbetreuungsgeldes, sondern auch die Wirtschaft in den einzelnen Gemeinden und ganze Regionen profitieren von dieser neuen Regelung.

Das Kinderbetreuungsgeld ist eine Investition in unsere Zukunft. Es sichert Familieneinkommen, es sichert neue Arbeitsplätze und letztendlich auch unsere Pensionen.

Allen, die sich für die Verwirklichung dieser Regelung eingesetzt haben, besonders Herrn Bundesminister Haupt, Herrn Landeshauptmann Dr. Haider aus Kärnten und Frau Abgeordneter Edith Haller, möchte ich im Namen aller österreichischen Familien dafür danken. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.

14.18

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Novellierung des Familienlastenausgleichsgesetzes führt zu zwei wesentlichen Änderungen im Sozialbereich. Einerseits werden Härtemittel für die Familienhospizkarenz bereitgestellt, andererseits kommt es zu einer einheitlichen Untersuchungspraxis zur Erlangung der erhöhten Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder.

Vorweg stelle ich dazu fest, dass diese Änderungen zu mehr sozialer Gerechtigkeit, Transparenz und zu einer Verwaltungsvereinfachung führen. Meine Damen und Herren! Wir stehen für eine reale Sozialpolitik: Kinderbetreuungsgeld für alle, für Vollhausfrauen, Schülerinnen, Studentinnen, das Pflegegeld ab Geburt eines behinderten Kindes, die gestern beschlossene "Abfertigung neu" oder der Pakt für ältere Menschen sind nur einige Beispiele dafür.

Bei der letzten Plenarsitzung im Mai haben wir mit dem Beschluss der Familienhospizkarenz noch einen weiteren Meilenstein im österreichischen Sozialwesen gesetzt. Erstmals können sich Arbeitnehmer für die Sterbebegleitung von Angehörigen sowie für die Betreuung schwerst erkrankter Kinder karenzieren lassen.

Da für diese Betreuungszeit das Arbeitsentgelt wegfällt, ist es möglich, dass es zu finanziellen Engpässen kommt. Um dabei Härtefälle zu vermeiden, können künftig für die Zeit des Entfalls des Arbeitsentgeltes Mittel aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen bereitgestellt werden. Damit haben wir wieder einen wichtigen Schritt zur finanziellen Absicherung der neuen Familienhospizkarenz gesetzt.

Die Details werden in einer Arbeitsgruppe, an der Experten des Wirtschafts- und des Sozialministeriums teilnehmen, ausgearbeitet. Sie können sicher sein, dass diese Richtlinien so ausfallen, dass wirklich jene Personen Geldzuwendungen erhalten, die durch die Betreuung ihrer Kinder beziehungsweise ihrer Angehörigen in finanzielle Not geraten können.


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Dies beinhaltet, dass jeder einzelne Fall genauestens geprüft wird und die Gelder dort ausbezahlt werden, wo sie hingehören. Für jene 500 Personen, die voraussichtlich den Härteausgleich erhalten werden, ist dies auf jeden Fall eine wesentliche Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die zweite Änderung, die wir heute beschließen, führt zu einer größeren Nachvollziehbarkeit der Sachverständigengutachten und zu einer wesentlichen Verwaltungsvereinfachung, verbunden mit einer Kosteneinsparung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesen Änderungen setzen wir weitere wichtige Schritte in der Sozialgesetzgebungsreform. Wir beweisen damit einmal mehr, dass wir Politik im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

14.21

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte mich in meinem heutigen Beitrag zum Familienlastenausgleichsgesetz auf die Thematik der behinderten Kinder beschränken. Es sollen von nun an die Bundessozialämter als einzige begutachtende Stelle für Eltern mit behinderten Kindern zuständig sein. – Das ist gut so. Wichtig ist auch – wie schon viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner betont haben –, dass nicht die Eltern und die Kinder mobil sein sollen, sondern die Sachverständigen, dass also von Seiten der Familien keine Tour durch die Bundesländer stattfinden muss, sondern dass die Sachverständigen vor Ort sind, wo die Eltern mit ihren Kindern wohnen.

Da nun die Bundessozialämter mit dieser Aufgabe betraut werden, möchte ich Sie, Herr Minister, an das Bundessozialämterreformgesetz erinnern, das dem Hohen Haus auch schon vorliegt und bezüglich dessen Sie uns in Gesprächen verschiedene Zusagen dahin gehend gemacht haben, dass wir noch weiter darüber sprechen werden. Von Ihrer Seite ist aber nichts gekommen, und mich würde interessieren, in welche Richtung es weitergehen soll.

Anhand der Regierungsvorlage, die dem Hohen Haus vorliegt, kann man feststellen, dass noch immer mehr als 1 400 Arbeitsplätze für behinderte Menschen in unserem Land gefährdet sind und durch diese Neuänderung im Reformgesetz abgeschafft werden sollen. Hier müssen Maßnahmen gesetzt werden. Die Politik der Regierung ist immer nur darauf beschränkt, Geld auszuschütten und Sozialleistungen immer jenen Zielgruppen zu gewähren, die sich brav und nett verhalten. Ein Beispiel ist das Kinderbetreuungsgeld für Kinder bis zum dritten Lebensjahr.

Es ist natürlich so, dass die Situation immer schwieriger wird, wenn Kinder größer und schließlich zu Jugendlichen werden, und dass sich die Erwachsenenwelt mit den Kindern auseinander setzen, mit ihnen diskutieren und ihnen ganz einfach den Stellenwert in unserer Gesellschaft einräumen muss, den sie verdient haben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl. )

Der nächste Punkt ist die Frage nach dem weiteren Lebensweg behinderter Kinder und nach der schulischen Integration. Da kann man im bundesländerweiten Vergleich feststellen, Wien macht es besser, denn so viele Integrationsklassen wie in Wien gibt es im gesamten Bundesgebiet nicht.

Auch bei Fragen der Berufsausbildung für behinderte Jugendliche sind in anderen Bundesländern sehr wenige Maßnahmen gesetzt worden. Ich weiß schon, dass von Ihrer Seite als Argument die von Ihnen viel gepriesene "Behindertenmilliarde" kommen wird, die im Vorjahr nur eine halbe Milliarde war und in diesem Jahr nur eine Dreiviertelmilliarde ist. Dadurch wird aber überhaupt nicht gewährleistet, dass behinderte Kinder und Jugendliche eine Berufsausbildung und einen gesellschaftlichen Stellenwert bekommen, der sie mit anderen Menschen in unserer Gesellschaft gleichberechtigt.


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Ich denke, gegen diese Maßnahmen muss man kämpfen, denn Eltern mit behinderten Kindern und behinderte Kinder und Jugendliche haben ein Recht darauf, in unserer Gesellschaft akzeptiert zu werden, auch wenn sie älter werden. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier. – Bitte.

14.25

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Über diese positive Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes, insbesondere über den Härteausgleich für die Familienhospizkarenz, haben meine Vorredner schon alles gesagt, und ich kann mich dem Lob nur anschließen.

Es ist dies ein zweiter wesentlicher Schritt für das europaweit vorbildliche Modell unserer humanen Sterbebegleitung. Da zu dieser Härteausgleichsregelung schon alles gesagt wurde, möchte ich noch etwas zur Familienpolitik im Allgemeinen sagen, denn der Aufholprozess, den diese Bundesregierung in der Familienpolitik leistet, ist in der Tat eine Erfolgsstory und die einzig richtige Antwort auf die dramatisch sinkende Geburtenzahl in Österreich.

Ich möchte die ganze lange Liste nicht komplett vorlesen, denn dazu würde meine Redezeit nicht ausreichen, aber man muss es doch immer wieder wiederholen, speziell für die Opposition, denn nur der Vergleich macht Sie wirklich sicher, wer die bessere Sozial- und Familienpolitik macht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich erwähne daher nur im Telegrammstil: Anhebung des Mehrkindzuschlages, Erhöhung der Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Pflegegeld ab Geburt, Anzeigepflicht bei Kindesmissbrauch, Ausbau der Familienberatungsstellen, Erhöhung und Zuschlag der Familienbeihilfe auch für Behinderte, Familienhospizkarenz, Fortzahlung der Abfertigungsbeiträge während der Kindererziehungszeiten und so weiter. – Insgesamt sind es 21 Punkte. Das ist in der Tat eine familienpolitische Erfolgsstory.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Was haben Sie gemacht? – Sie haben in der Familienpolitik nur gekürzt, gekürzt und gekürzt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte noch auf folgenden Punkt zu sprechen kommen, der mir wirklich ein Anliegen ist: Es wurde von dieser Bundesregierung bereits sehr viel zur Verbesserung der sozialen Absicherung und der Altersvorsorge von Müttern und Frauen getan. Ich erwähne als Beispiele nur die pensionsbegründenden Zeiten für die Kindererziehung und die Möglichkeit zur Fortzahlung der Abfertigungsbeiträge während der Kindererziehung.

Es gibt aber trotzdem noch immer sehr viele Frauen mit fehlender oder schlechter Altersvorsorge. Dieses Problem ist auch eine sozialpolitische Altlast, die uns überlassen wurde und für die eine Lösung anzustreben ist. Es fehlen diesen Frauen in der Pension meistens die Zeiten, in denen sie während der Kindererziehung zu Hause geblieben sind. Ich erwähne dazu als Beispiel nur einen Brief, der in unserem Bürgerbüro vor kurzem eingelangt ist, in dem uns eine Frau schreibt, sie habe acht Kinder großgezogen, sei jetzt 60 Jahre alt und habe keine adäquate Altersvorsorge für ihren Lebensabend. – In dieser Beziehung muss auch etwas geschehen. Es muss ein Ziel sein, auch für Mütter eine Altersvorsorge zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie machen Sozialvolksbegehren , wir machen vorbildliche Sozialpolitik. Sie kritisieren, wir setzen um. Der heutige Tag ist ein weiterer guter Tag für die Familienpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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107. Sitzung / Seite 99

14.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder. – Bitte.

14.29

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Weinmeier, Sie unterliegen einem Irrtum, wenn Sie von "kürzen, kürzen und kürzen" reden und das den Oppositionsparteien zuschreiben. Diese blau-schwarze Regierung ist im Jahre 2000 mit diesem Slogan angetreten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haller: Haben Sie das Sparpaket 1995/96 vergessen?)

Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns mit Veränderungen im Familienlastenausgleichsfonds. Bei beiden zu behandelnden Themen geht es um die Begleitung von Menschen, nämlich zum einen um die Begleitung in das Leben und zum anderen um die Begleitung aus dem Leben. Diese Begleitung muss uns etwas wert sein, vor allem auch finanziell.

Die beschlossene Familienhospizkarenz ist ein erster Schritt, die finanzielle Absicherung dafür ist aber nicht gegeben. Richtlinien und Kriterien für die Gewährung von finanziellen Zuwendungen aus dem Ausgleichsfonds fehlen und müssen daher unbedingt nachgeholt werden. Sie sind unbedingt notwendig, um dadurch eine gewisse Planbarkeit und Berechenbarkeit für jene Menschen zu gewährleisten, die diese Familienhospiz in Anspruch nehmen.

Die Ablehnung des Rechtsanspruches durch die Regierungsparteien ist für mich nicht nachvollziehbar und auch nicht verständlich.

Zum zweiten Punkt der Veränderung: Die Übertragung der notwendigen Untersuchungen für erheblich behinderte Kinder zur Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe an die Bundessozialämter ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn erstens einheitliche Richtlinien festgelegt werden, zweitens die regionale Erreichbarkeit von Sachverständigen möglich und gewährleistet ist und drittens mobile Gutachter eingesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Bundeseinheitliche Richtlinien sind wichtig und notwendig, denn nur sie sind für die Betroffenen nachvollziehbar, berechenbar und vor allem gerecht. Deshalb ist auch die Forderung nach einem bundeseinheitlichen Rahmengesetz mit Qualitätskriterien für die Kinderbetreuung mehr als gerecht und zu unterstützen, denn unsere Kinder haben ein Recht darauf. (Beifall bei der SPÖ.)

14.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, ich gehe davon aus, dass Ihnen die Bestimmungen bekannt sind. – Bitte.

14.32

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Hohes Haus! Frau Abgeordnete Binder hat behauptet, die Regierung sei unter dem Slogan "kürzen, kürzen, kürzen" angetreten. – Diese Behauptung ist falsch!

Ich berichtige: Diese Regierung ist unter dem Slogan angetreten, Österreich aus dem Chaos, das die sozialistischen Finanzminister hinterlassen haben, herauszuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.  Abg. Binder: Also, Herr Präsident! – Abg. Mag. Stoisits: Wenn das eine tatsächliche Berichtigung war, dann weiß ich nicht! Abg. Dr. Mertel  – in Richtung der Abg. Dr. Partik-Pablé –: Lesen Sie die Geschäftsordnung!)

14.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass das nicht unbedingt den allgemeinen Vorstellungen von einer tatsächlichen Berichtigung entsprochen hat, weil es zu viele Wertungen enthalten hat.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornegger. – Bitte. (Abg. Eder  in Richtung Freiheitliche : In Wien haben Sie alles verloren, aber da reden Sie!)

14.33

Abgeordneter Franz Hornegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist es uns wieder einmal gelungen, einen weiteren positiven Schritt in der Familienpolitik zu setzen.


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107. Sitzung / Seite 100

Ich gehe auf den fachlichen Bereich nicht mehr im Detail ein, weil heute diesbezüglich hier vom Rednerpult aus schon sehr viel gesagt wurde.

Meiner Überzeugung nach ist der Punkt sehr wichtig, dass man Familien, die behinderte Kinder zu betreuen haben, entgegengekommen ist und eine Begutachtungspraxis eingeführt hat, die gleiche Bedingungen für alle schafft.

Meine Damen und Herren! Die Einwände von Frau Abgeordneter Haidlmayr, die sie auch schon im Ausschuss vorgebracht hat, dass sehr viele Sachverständige verrückte Entscheidungen treffen, weisen wir selbstverständlich auf das Schärfste zurück. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin der Meinung unserer Familiensprecherin Haller, die auch für einen Rechtsanspruch eintreten würde. – Das würden wir alle ganz gerne, aber wir haben immer noch das Problem, Ihre Schulden aufzuarbeiten. Darum können wir alles, was sich im finanziellen Bereich bewegt, nicht sofort beschließen. (Abg. Silhavy: ... mit 1,8 Millionen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn Frau Abgeordnete Prammer ans Rednerpult kommt, dann gibt es nur eines: Retourdrehen, retourdrehen! Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich auch gerne vieles retourdrehen. (Rufe bei der SPÖ: Aha! Abg. Eder: "Zurück drehen" heißt das! Abg. Dr. Mertel: Stammel, stammel!)

Frau Kollegin Prammer! Wir Freiheitlichen mit unserem Bundesminister Herbert Haupt drehen nicht zurück, wir reden nicht nur über vieles, sondern wir setzen Sozialpolitik und Familienpolitik auch um! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir machen Sozialpolitik für unsere Bürgerinnen und Bürger!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sogar sehr froh darüber, dass Frau Kollegin Mertel, die Obfrau des Familienausschusses, im Ausschuss auch für die Behindertenbeihilfe gestimmt hat. (Abg. Dr. Mertel: Familienbeihilfe! Sie kennen sich überhaupt nicht aus!)  – Das ist sehr positiv, das muss man hervorstreichen, aber immer dann, wenn etwas im Hohen Haus zu beschließen ist, schaut die Sache wieder ganz anders aus!

Ich lade Sie alle dazu ein, solche Punkte, die nur im Sinne der Schwächeren sind, einstimmig zu beschließen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1163 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Mertel, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 2 § 38j Abs. 2 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. (Abg. Silhavy: Na, was ist jetzt, Frau Kollegin Haller?)  – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.


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Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle eine Mehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

3. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1116 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002) (1147 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz – ElWOG) (1148 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Georg Oberhaidinger. Ich erteile es ihm hiemit.

14.38

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zur Erläuterung zu dem, wie ich glaube, mittlerweile von vier Parteien unterzeichneten Rücküberweisungsantrag aus meiner Fraktion:

Ich weiß nicht, ob Sie das alle wissen: Wir haben uns erlaubt, die Verhandlungen zum Gaswirtschaftsgesetz mit einer "Ökostromförderung neu" für ganz Österreich zu junktimieren. Unsere Fraktion hat sich bis gestern Abend, 23.10 Uhr, bemüht, zu einer Einigung zu kommen. Diese Einigung wurde auch erzielt. Es wurde schlussendlich übereingekommen, dass diese Vereinbarung, die für die weiteren Verhandlungen und für die legistische Umsetzung dieser Ökostromregelung eine Mindestnorm dargestellt hätte, heute von den drei Parteien, die das verhandelt haben, unterzeichnet wird.

Leider musste ich feststellen, dass der ÖVP-Klub – laut Information meines Verhandlungspartners, Herrn Kollegen Karl-Heinz Kopf – diese Vereinbarung nicht unterschreiben kann. Grund dafür – so wurde mir gesagt – ist die fehlende Zustimmung des Landes Niederösterreich. Landeshauptmann Pröll hat sich geweigert, dem zuzustimmen. (Abg. Dietachmayr: Aha!)

Ich möchte für meine Fraktion Folgendes klarstellen: Eines der von dieser Regelung am meisten betroffenen Bundesländer, nämlich Wien, das gestern in dieser Materie politisch vertreten war und auch mitverhandelt hat, hätte – ich habe mich noch einmal vergewissert – diesem Kompromiss die Zustimmung erteilt.


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Es tut mir Leid, dass es so gekommen ist. Das ist aber meiner Meinung nach kein Malheur. Wir werden das Thema im Wirtschaftsausschuss weiterverhandeln und dann im Juli beide Materien gemeinsam so beschließen. – So weit meine Erklärung dazu. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Dietachmayr: Der Herr Pröll bestimmt, was im Parlament beschlossen wird!)

14.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

14.41

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Oberhaidinger hat bereits erwähnt, dass es zu einer Rückverweisung des Gaswirtschaftsgesetzes kommen wird. Parallel dazu hat es Verhandlungen zur Ökostrom-Regelung gegeben.

Ich verhehle nicht, dass ich das, wie ich meine, ausverhandelte Gaswirtschaftsgesetz gerne heute im Plenum behandelt hätte. Wir wissen, dass auch wirklich eine gewisse Dringlichkeit gegeben ist, in diesem Bereich – nämlich in der Gaswirtschaft – eine tatsächliche Liberalisierung zu erreichen. Andererseits ist es so, dass auch eine bundesweite Ökostrom-Regelung getroffen werden sollte. Diese Einigung konnte noch nicht erzielt werden, es wird daher weitere Gespräche geben müssen.

Ich denke allerdings auch, dass die Zahlen, die im Zusammenhang damit genannt wurden, warum es keine Zustimmung eines Bundeslandes zu dieser bundeseinheitlichen Ökostrom-Regelung gibt, nicht ganz richtig sein dürften und dass in den kommenden Gesprächen eine Klarstellung erfolgen wird.

Insofern sollen und werden die beiden Anträge heute hier im Parlament dazu führen, dass es zu einer Rückverweisung an den Wirtschaftsausschuss kommt, der diese Thematik am 27. Juni wieder aufgreifen wird, mit der Hoffnung, dass es bald zu einer neuen und guten Liberalisierungsregelung und Ökostrom-Regelung kommen wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

14.43

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister!  Meine Damen und Herren!  Wir haben vor nicht allzu langer Zeit in diesem Haus das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz beschlossen und den Konsumenten in Österreich durch den Wettbewerb, der in diesen Bereich Einzug hält, Ersparnisse von etwa 1 Milliarde € beschert. (Abg. Dr. Jarolim: Die hat keiner gesehen! Abg. Dietachmayr: Hat noch keiner gespürt!)

Nunmehr steht die an sich ja schon beschlossene Öffnung des Gasmarktes zur Präzisierung an, da ja ab 1. Oktober dieses Jahres alle Kunden – auch die Haushaltskunden – von der Marktöffnung im Gasbereich profitieren sollen. Dazu bedarf es aber einer Präzisierung und entsprechender Rahmenbedingungen in Form eines so genannten Gaswirtschaftsgesetzes.

Wir konnten erfreulicherweise zwischen allen vier Fraktionen dieses Hauses Konsens über die Ausgestaltung dieses Gesetzes erzielen. Das Gesetz liegt beschlussreif hier im Haus. Ich bedanke mich bei allen Fraktionen dafür, dass es zu dieser Einigung gekommen ist. Herr Kollege Oberhaidinger hat aber schon erwähnt, dass seine Fraktion, von ihm als Sprecher angeführt, dies mit einer Lösung im so genannten Ökostrom-Bereich junktimiert hat.

Nun ist die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern, wie ich meine, ein Anliegen aller vier Fraktionen dieses Hauses. Wir haben diese Regelung ja bereits damals ins ElWOG aufgenommen, haben allerdings eine länderweise Umsetzung dieser Regelung vorgesehen.

Es stellt sich jetzt in der Praxis heraus, dass diese länderweise Vorgangsweise nicht die allereffizienteste ist, die man sich vorstellen kann, sondern dass man – umgekehrt gesagt – die


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Öko-Ziele, die damit verbunden sind, mit einer bundeseinheitlichen Regelung effizienter und kostengünstiger erreichen kann. – Das ist unsere Absicht.

Wir haben dazu sehr eingehende Verhandlungen sowohl zwischen den Fraktionen als auch mit den Bundesländern geführt, da Letztere ihre Kompetenz ja abgeben müssten und natürlich auch Verschiebungen in den Zahlungsflüssen zwischen den einzelnen Bundesländern stattfinden würden.

Wir haben gestern eine Lösung gefunden, bezüglich der uns heute einige Bundesländer mitgeteilt haben, dass sie noch Verhandlungsbedarf sehen und deshalb von einer heutigen Beschlussfassung beziehungsweise Unterzeichnung einer Vereinbarung, die für uns natürlich bindend sein sollte, abraten. Wir haben das aufgegriffen und, um den Wünschen dieser Bundesländer Rechnung zu tragen, die anderen Fraktionen darum gebeten, dass wir – da diese beiden Materien miteinander verbunden sind – beides noch einmal im Ausschuss verhandeln.

Ich gehe davon aus, dass das Gaswirtschaftsgesetz keiner Nachverhandlung bedarf, dass wir aber – so wie es ohnedies vorgesehen war – die Beschlussfassung über das Ökostrom-Gesetz im Juli im Plenum vornehmen können, nachdem wir es am 27. Juni im Wirtschaftsausschuss – wie es ohnedies geplant war – endverhandelt haben werden. Das heißt, es wird beim Ökostrom zu keinerlei Verzögerungen kommen, da ohnedies geplant war, das Gesetz erst im Juli zu beschließen. Ich bin auch zuversichtlich, dass wir das hinkriegen werden.

Beim Gas gibt es durch die Junktimierung eine Verzögerung von einem Monat. Das ist bedauerlich, weil wir die Vorbereitungszeit für den 1. Oktober bräuchten. Ich meine aber, dass wir insgesamt die Vorbereitungen für diese für die Konsumenten so wichtigen Neuerungen und Reformen im österreichischen Energiewesen trotzdem noch rechtzeitig zu Stande bringen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

14.47

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Rückverweisung, die ja von uns mit eingebracht wurde, ist durch die Junktimierung der Liberalisierung des Gasmarktes mit der so genannten Ökostrom-Regelung bedingt. Ich persönlich muss sagen, dass es mir sehr wichtig gewesen wäre, dass im Gaswirtschaftsgesetz vor der Vollliberalisierung eine wichtige Voraussetzung geschaffen wird, die wir schon beim Gaswirtschaftsgesetz 2000 eingefordert haben, nämlich ein unabhängiger Regulator.

Ich kann mir liberalisierte Märkte nur dann gut funktionierend vorstellen, wenn es einen unabhängigen Regulator gibt – eine Behörde, die den Markt beaufsichtigt, kontrolliert und bestimmte Interessen, wie zum Beispiel die der Kleinverbraucher, mit einer gewissen Missbrauchsaufsicht ausgestattet, wahrnehmen kann.

Dass jetzt noch einmal neu verhandelt wird, ist – wie bereits berichtet – durch die Verknüpfung der Verhandlungen über das Ökostrom-Gesetz und die Gasmarktliberalisierung bedingt. Die grüne Fraktion kann sich vorstellen, dem Gaswirtschaftsgesetz zuzustimmen, sofern diese wichtige Voraussetzung eines unabhängigen Regulators im Gasbereich geschaffen wird. Dazu ist eine Verfassungsmehrheit notwendig, und dazu ist es wiederum notwendig, dass auch die stärkste Fraktion im Haus ihre Zustimmung gibt.

Einige Worte zum Ökostrom-Gesetz: Uns ist es selbstverständlich sehr wichtig, dass sich insgesamt die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien und Ökostrom massiv verbessern. Das, was jetzt der Fall ist, ist jedenfalls zu wenig. Wir werden unter den gegebenen Voraussetzungen weder die selbstgesetzten Ziele – die Ökostrom-Quotenziele – noch die von der EU vorgegebenen Ziele im Stromgesetz verwirklichen können. Das heißt, es besteht ein dringender Anpassungsbedarf.


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Ohne unbescheiden wirken zu wollen, muss ich bemerken, dass wir bereits bei der Gesetzwerdung des ElWOG 2000 kritisiert haben, dass die Verländerung der Ökostrom-Rahmenbedingungen kein Vorteil ist. (Beifall bei den Grünen.)

Wir sind mit einer bundesweiten Regelung sehr zufrieden, wir würden sie auch unterstützen, allerdings darf es zu keiner Verschlechterung der Rahmenbedingungen kommen. Im Gegenteil: Es muss zu einer deutlichen Verbesserung, vor allem der Einspeisebedingungen für Ökostrom, kommen. (Beifall bei den Grünen.)

14.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Mir liegt ein Antrag der Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen vor, und zwar auf Rückverweisung des Berichtes und Antrags des Wirtschaftsausschusses (1148 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz), an den Wirtschaftsausschuss gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 der Geschäftsordnung.

Der Nationalrat wolle beschließen, dass dieser Bericht an den Wirtschaftsausschuss verwiesen wird.

Wenn es dagegen keinen Einwand gibt, nehme ich jetzt die Abstimmung über diesen Antrag vor, bevor wir über die weiteren Anträge abstimmen.

Ich ersuche all jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und weitere Gesetze geändert werden, an den Wirtschaftsausschuss rückzuverweisen, um ein Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Ferner liegt hinsichtlich des Gesetzentwurfes betreffend Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann, Oberhaidinger, Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, den Entwurf betreffend Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz an den Wirtschaftsausschuss rückzuverweisen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

*****

Wir haben an sich noch ausreichend Zeit, um die nächsten Tagesordnungspunkte zu eröffnen, bevor wir in die Behandlung der Dringlichen eingehen.

5. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1117 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Berufsausbildungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden, und

über den Entschließungsantrag 629/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die geplante Änderung der Gewerbeordnung 1994 und deren mögliche Auswirkungen auf den Jugendschutz (1149 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Postsparkassengesetz 1969, das Alkoholsteuergesetz und das Genossenschaftsrevisionsgesetz geändert wird und zur Ergänzung von Übergangsbestimmungen im HGB (1150 der Beilagen)


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7. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Entschließungsantrag 534/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtssetzende Maßnahmen auf dem gewerblichen Sektor für das Tätowieren und Piercen durch Nichtmediziner (1151 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1037 der Beilagen): Internationales Kaffee-Übereinkommen von 2001 samt Anhang (1152 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1038 der Beilagen): Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen von 1999 samt Anlagen (1153 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen damit zu den Punkten 5 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Zum Vorbringen einer Druckfehlerberichtigung zum Tagesordnungspunkt 9 erteile ich der Berichterstatterin, Frau Abgeordneter Dr.  Baumgartner-Gabitzer, das Wort.

14.53

Berichterstatterin Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer: Herr Präsident! Ich bringe folgende Druckfehlerberichtigung zum Ausschussbericht 1153 der Beilagen betreffend Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen: Im Titel des Abkommens ist der Ausdruck "samt Anlagen" durch den Ausdruck "samt Anhängen" zu ersetzen.

14.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Danke sehr für diese Druckfehlerberichtigung.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Kubitschek. Ich erteile es ihr.

14.54

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Bartenstein! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg möchte ich klarstellen – damit dann in der späteren Diskussion keine Missverständnisse aufkommen –: Die SPÖ befürwortet grundsätzlich einen erleichterten Zugang zum Gewerbe, und zwar deshalb, weil dadurch die Gründung von Unternehmen gerade im mittelständischen Bereich angeregt wird, weil dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden können beziehungsweise weil durch einen fairen Wettbewerb anstelle von Marktabschottungen letztendlich auch mehr Vorteile für die Beschäftigten, für die Wirtschaft und auch für die Konsumenten herauskommen. Ich bin durchaus der Meinung, dass ungerechtfertigter Konkurrenzschutz in der Gewerbeordnung beseitigt werden soll und dass auch Regulierungen auf ein notwendiges Maß zu reduzieren sind. – Ich glaube, bis zu diesem Punkt sind wir uns wahrscheinlich ziemlich einig.

Dieser grundsätzlich positive Zugang zu einer weiteren Liberalisierung der Gewerbeordnung bedeutet jedoch auf der anderen Seite nicht, dass wir dadurch auch gleichzeitig und sozusagen automatisch dem vorliegenden Entwurf der Gewerbeordnung zustimmen werden. Wir tun das deshalb nicht, meine Damen und Herren, weil dieser Entwurf unserer Auffassung nach noch immer eine Reihe von Kritikpunkten enthält.

So hat sich beispielsweise ganz offensichtlich niemand wirklich die Mühe gemacht, die Gewerbeordnung systematisch nach ungerechtfertigtem Konkurrenzschutz zu durchforsten. Das heißt, letztendlich ist es wieder einmal so, dass sich einzelne Interessengruppen durchsetzen, andere hingegen auf der Strecke bleiben. Die Zahnärzte etwa haben sich wieder einmal gegenüber den


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Zahntechnikern durchgesetzt. Die Rauchfangkehrer lobbyieren ganz offensichtlich besser als beispielsweise die Bestatter; die Ernährungsberater oder auch die Mechatroniker müssen offenbar überhaupt einen Rückschritt in Bezug auf Liberalisierung hinnehmen. – Das, um nur einige Beispiele zu nennen. Das heißt: Wer besser lobbyiert, setzt sich offensichtlich durch. Und das ist etwas, was wir von der SPÖ nicht unterstützen wollen.

Unser Hauptkritikpunkt geht allerdings in eine andere Richtung, meine Damen und Herren: Die besondere Herausforderung einer weiteren Liberalisierung der Gewerbeordnung liegt vor allem darin, dass die Gewerbeordnung mit einer Reihe anderer Rechtsmaterien verknüpft ist. Besonders krass zeigt sich dieser Zusammenhang am Beispiel der Lehrlingsausbildung: Wird nämlich der Zugang zur Ausübung eines Gewerbes völlig freigegeben, dann fallen damit auch Qualifizierungsvoraussetzungen für die Ausbildung von Lehrlingen beim Unternehmer weg. Als einziges Kriterium bleibt dann praktisch die Ausbildungsprüfung, die nach dem Berufsausbildungsgesetz abgelegt werden muss; diese stellt aber derzeit einen reinen Formalakt dar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind nicht bereit – noch dazu in einer Zeit, in der die Qualität der Ausbildung der Schlüssel zum beruflichen Erfolg ist, in einer Zeit, in der eine gute Ausbildung geradezu Bedingung ist, um auf dem Arbeitsmarkt überhaupt eine Chance zu haben –, einer Maßnahme zuzustimmen, mit der die stets eingeforderte Qualität der Berufsausbildung systematisch untergraben wird! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aus genau demselben Grund sind wir auch nicht bereit, einer Maßnahme zuzustimmen, durch die es in Zukunft möglich sein wird, Lehrlinge in einem Teilgewerbe auszubilden. Wir werden nicht zustimmen, wenn Jugendliche auf Grund der katastrophalen Lage auf dem Arbeitsmarkt praktisch dazu gedrängt werden, eine Lehrausbildung zu machen, bei der sie lernen, wie man Autoradios einbaut oder Feuerlöscher prüft. Wir werden nicht zustimmen, wenn Jugendlichen damit eine Scheinausbildungsschiene eröffnet wird, die letztendlich in eine berufliche Sackgasse münden muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht nicht darum, weiterhin Zugangsbeschränkungen für die Gewerbeausübung aufrechtzuerhalten, sondern es geht darum, dass Begleitmaßnahmen gesetzt werden sollen, um unerwünschte Auswirkungen von an sich sinnvollen Liberalisierungsmaßnahmen zu vermeiden. Das heißt, es geht darum, sicherzustellen, dass die Berechtigung zur Ausbildung von Lehrlingen an fachliche Anforderungen geknüpft wird, um eben zu vermeiden, dass es zu einem Absinken der Qualität der Ausbildung kommt.

Es geht also darum, nicht nur den Gewerbetreibenden und den Unternehmern, sondern auch den Jugendlichen, den Lehrlingen eine neue Chance zu bieten – indem man diesen eben garantiert, dass sie eine qualifizierte, hochwertige Ausbildung bekommen, mit der sie dann den hohen Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht werden können.

Genau das ist es, Herr Minister Bartenstein, was wir uns von einem Minister erwartet hätten, der erstmals für Wirtschaft und Arbeit zuständig ist. Ich glaube, man kann von Ihnen erwarten, dass Sie mit demselben Engagement, mit dem Sie auf der einen Seite Schritte in Richtung Liberalisierung setzen, auf der anderen Seite auch für die Chancen von Jugendlichen und Lehrlingen eintreten. – Genau diesen Anspruch haben Sie, Herr Bundesminister Bartenstein, mit der vorliegenden Novelle zur Gewerbeordnung jedoch nicht erfüllt.

Das ist auch das Hauptargument, warum wir von der SPÖ dieser Novelle nicht zustimmen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

14.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Da es jetzt beinahe 15 Uhr ist, unterbreche ich die Verhandlungen über die Punkte 5 bis 9 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung der Dringlichen Anfrage geschäftsordnungsgemäß um 15 Uhr stattfinden kann.

(Die Sitzung wird um 14.59 Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wieder aufgenommen. )


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Präsident Dr. Heinz Fischer
(den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Theresia Zierler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend ungerechtfertigt hohe Anzahl an krankheitsbedingten Ruhestandsversetzungen bei den staatsnahen Unternehmen, insbesondere bei den ÖBB (4026/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 4026/J.

Die Interpellation ist verteilt worden; es erübrigt sich daher eine Verlesung durch einen Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

In jüngster Zeit wurde über verschiedenste Medienberichte bekannt, daß die Anzahl der krankheitsbedingten Ruhestandsversetzungen insbesondere in den ÖBB und in anderen staatsnahen Unternehmen in den letzten Monaten und Jahren eklatant zugenommen hat.

Es ist wohl nicht erklärbar, daß ausgerechnet in diesen Unternehmen mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen frühpensioniert werden müssen. Zum Vergleich sind im ASVG-Bereich im Vorjahr ca. 20,5 % krankheitsbedingt in den Ruhestand getreten, bei den Bundesbeamten waren dies 23 %. Bei den ÖBB hingegen waren dies im Jahr 2001 immerhin 73 %.

So gab es bei den ÖBB im Jahr 2001 insgesamt 1 461 Ruhestandsversetzungen, davon 1 190 aus gesundheitlichen Gründen. 320 Mitarbeiter haben ihre krankheitsbedingte Pensionierung selbst beantragt, 870 wurden vom Unternehmen krankheitshalber in den Ruhestand versetzt. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter bei den ÖBB betrug im letzten Jahr somit 52,2 Jahre. Auffallend ist dabei insbesondere die Häufung der Frühpensionierungen mit Erreichen der für den vollen Pensionsanspruch erforderlichen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit.

Bei der Österreichischen Post AG lag das durchschnittliche Antrittsalter der Pensionisten noch 1999 bei 57,6 Jahren, im Jahr 2001 jedoch bereits bei 53 Jahren. Das durchschnittliche Pensionsalter bei den 127 Postbeamten, die im Jänner heurigen Jahres in den Ruhestand gingen, betrug 51,9 Jahren. Bei den 106 Neupensionisten der Österreichischen Post AG im Monat Februar lag das durchschnittliche Alter bei 51,7 Jahren und bei den 107 Ruhestandsversetzungen im Monat März nur mehr bei 48,2 Jahren. Dabei hat immerhin ein Fünftel der 340 Postbediensteten, die in diesen ersten drei Monaten des heurigen Jahres in den Ruhestand traten, das gesetzliche Pensionsalter von 60 Jahren erreicht. 80% wurden teilweise in sehr jungen Jahren krankheitshalber pensioniert. Dies bedeutet in Wahrheit, daß eine große Anzahl an Postbediensteten bereits in jungen Jahren in den Ruhestand versetzt worden sein muß. Die Unternehmensführung argumentiert mit angeblich gesteigertem Leistungsdruck und erhöhtem Arbeitspensum sowie erweiterten Verantwortungsbereichen im Rahmen der Restrukturierung. Demgegenüber ist den Medienberichten zu entnehmen, dass sehr wohl von der Unternehmensführung planmäßiger Druck auf die Bediensteten in Richtung Frühpension ausgeübt wurde ("Mobbing").

Im Jahr 2000 waren bei der Telekom Austria AG von 541 Ruhestandsversetzungen 130 wegen Dienstunfähigkeit erfolgt. Das durchschnittliche Pensionsalter lag in diesem Jahr noch bei einem Alter von 58 Jahren. Im Jahr 2001 erfolgten allerdings bereits 1 155 Pensionierungen, davon 763 wegen Dienstunfähigkeit. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter betrug im Jahr 2001 nur mehr 53 Jahre. In den ersten vier Monaten des Jahres 2002 hat sich das durchschnittliche Pensionsantrittsalter auf nur mehr 52,5 Jahre verringert. In diesem Bereich häufen


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sich die Informationen, dass Frühpensionierungen mit Gehaltserhöhungen gekoppelt werden, die für die Betroffenen erhebliche finanzielle Verbesserungen bewirkten, um auf diese Weise Einkommenseinbußen durch die Abschläge im Zusammenhang mit der Pensionierung zu vermeiden. Zu hinterfragen wäre auch die Rolle einzelner Arbeitnehmervertreter, ob diese nicht im Gleichklang mit den Interessen der Arbeitgeber bereit waren, auch ungerechtfertigte Frühpensionen auf Kosten des Steuerzahlers zu ermöglichen.

Demgegenüber ist das durchschnittliche Pensionsantrittsalter der anderen Bundesbeamten allein vom Jahr 2000 zum Jahr 2001 von 58,4 auf 58,9 Jahre gestiegen, das entspricht dem durchschnittlichen Pensionsantrittsalter in der Pensionsversicherung nach dem ASVG. Hier kommt klar zum Ausdruck, dass im Bundesdienst die Arbeitsleistung auch der älteren Berufsbeamten in der Hoheitsverwaltung offenbar aufgrund des besonders anzuerkennenden Treueverhältnisses zur Republik Österreich mehr geschätzt wird als in ÖBB, Post oder Telekom.

Da die Kosten für diese Frühpensionisten bei den ÖBB zur Gänze der Steuerzahler trägt, können die ÖBB die Kosten für krankheitshalber frühpensionierte Mitarbeiter auf diesen überwälzen. Dies ist vor allem auch deshalb bedenklich, da der Gesamtaufwand des Bundes allein im Jahr 2000 für die damalige Anzahl von 72 448 ÖBB-Pensionisten (Quelle: Statistisches Jahrbuch 2002) eine stolze Summe von 1 694,6 Mio. EURO bzw. über 23 Mrd. Schilling betrug. Ähnliches gilt bei der Österreichischen Post AG. Hier betragen die hochgerechneten Zusatzkosten des Bundes laut Berechnungen des BMÖLS die stolze Summe von 56,6 Mio. Euro.

Verschiedenen Medienberichten zufolge soll es auch zur Ausübung von Druck von Seiten der Unternehmensführungen sowohl auf die Bediensteten als auch auf begutachtende Ärzte gekommen sein. Das Ziel war es offensichtlich, Bedienste gegen ihren Willen auf Kosten des Steuerzahlers in den krankheitsbedingten Ruhestand zu versetzen. Solche Berichte wurden vom Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer bestätigt, der sich bereits im Vorjahr an die Unternehmensführung und die Dienstnehmervertretung der Post AG gewandt hat, um auf die untragbaren Zustände in diesem Zusammenhang hinzuweisen. Die aktuellen Zahlen belegen, dass sich die Unternehmensführung von dieser Kritik nicht beirren ließ und unverändert Mitarbeiter auch gegen ihren Willen in Frühpension geschickt wurden. Welcher Druck auf einzelne Mitarbeiter ausgeübt wurde, ist einzelnen Schreiben an Zeitungsredaktionen und Regierungsbüros zu entnehmen. Besonders plakativ zeigt sich die Vorgangsweise der Unternehmensleitung am Fall eines Bediensteten der zwischenzeitig seine Zwangpensionierung erfolgreich vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft hat.

Offensichtlich findet hinsichtlich der Überprüfbarkeit von Frühpensionierungen bei den Bundesbeamten der Hoheitsverwaltung und den Bediensteten in staatsnahen Unternehmen nicht der gleiche Maßstab Anwendung. So werden nämlich die Beamten der Hoheitsverwaltung beim Bundespensionsamt ärztlich begutachtet, wohingegen diese Überprüfung bei staatsnahen Unternehmen Ärzte vornehmen, welche in einem Auftragsverhältnis zur Unternehmensführung stehen und somit deren Druck ausgesetzt sind.

Als äußerst bedenklich ist auch jener Umstand zu bewerten, wonach es durch die Einrechnung der Allgemeinen Nebengebührenpauschale als fixen Gehaltsbestandteil bei den ÖBB per 1.1.2002 zu indirekten Gehalts- und Pensionserhöhungen um 2,9 Prozent gekommen ist. Dadurch erhöhen sich in den nächsten 15 Jahren die vom Bund zu tragenden Kosten für die ÖBB-Pensionen um 200 Mio. EURO (Quelle: "Kurier", vom 7.6.2002).

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Dringliche Anfrage:

1. Wie hat sich bei den öffentlich Bediensteten in der Bundesverwaltung in den letzten beiden Jahren sowie in den ersten Monaten dieses Jahres das durchschnittliche Pensionsantrittsalter entwickelt?


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2. Wie lauten diese Zahlen bei den staatsnahen Unternehmen, insbesondere den ÖBB, der Österreichischen Post AG und der Telekom Austria AG?

3. Welche Maßnahmen werden Sie vorschlagen, damit für die Bediensteten staatsnaher Unternehmen ähnlich transparente und objektive Untersuchungserfordernisse gelten, wie beim Bundespensionsamt für die Bundesbeamten?

4. Wie hoch ist der Anteil der Frühpensionen an allen Ruhestandsversetzungen im besagten Zeitraum?

5. Seit wann sind Ihnen bedenkliche Vorgänge im Zusammenhang mit Frühpensionierungen bei der ÖBB und im PT-Bereich bekannt?

6. Was haben Sie angesichts dieser Vorgänge unternommen?

7. Was hat Sie dazu bewogen, zusätzlich zum Rechnungshof auch die Staatsanwaltschaft einzuschalten?

8. Welche Kosten entstehen dem Steuerzahler durch die ungerechtfertigte Vorgangsweise dieser Unternehmen, Bedienstete frühzeitig krankheitsbedingt in den Ruhestand zu versetzen, anstatt die gesetzesmäßige Möglichkeit des Vorruhestandes in Anspruch zu nehmen?

9. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit nicht der Steuerzahler für diesen Schaden aufzukommen hat?

10. Sind Ihnen Fälle bekannt, bei denen offenbar von Dienstgebern oder von Vorgesetzten gesetzeswidriger Druck auf Bedienstete bzw. Ärzte in Richtung krankheitsbedingter Ruhestandsversetzungen ausgeübt wurde?

11. Wie im Mai dieses Jahres bekannt wurde, ist die Allgemeine Nebengebührenpauschale (ANP) der ÖBB-Bediensteten in einen pensionsbegründenden Gehaltsbestandteil umgewandelt worden. Was bedeutet das konkret?

12. Welche Mehrkosten entstehen dem Steuerzahler durch diese Maßnahme?

13. Halten Sie diese Mehrkosten für legitim und angemessen?

14. Wenn nicht, was werden Sie unternehmen, um diese Mehrbelastung für den Steuerzahler rückgängig zu machen?

15. Halten Sie die Befugnis des ÖBB-Generaldirektors, mit der Eisenbahnergewerkschaft Vereinbarungen zu treffen, die direkt oder indirekt das Budget belasten, für akzeptabel?

16. Gibt es auch im Postbereich solche Befugnisse der Unternehmensleitungen?

In formeller Hinsicht wird beantragt, diese Anfrage gem. § 93 Abs. 1 GOG NR als dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erster Anfragesteller ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Seine Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.02

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! In den vergangenen Tagen ist – in erster Linie durch Berichte der Zeitung "Die Presse" (der Redner hält ein Exemplar der genannten Zeitung in die Höhe) – bekannt geworden, dass die Zahl krankheitsbedingter Ruhestandsversetzungen, also Pensionierungen, insbesondere bei den Österreichischen Bundesbahnen, aber auch bei Post und Telekom, in den letzten zwei Jahren ganz eklatant zugenommen hat.


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Es ist nicht rational erklärbar (Abg. Öllinger: O ja!), dass ausgerechnet in diesen drei Unternehmen mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen frühpensioniert werden müssen. – Der Vergleich macht uns ja auch sicher: Im ASVG-Bereich sind im Vorjahr nur zirka 20 Prozent der Mitarbeiter krankheitsbedingt in den Ruhestand versetzt worden. Bei den Bundesbeamten waren es nur 23 Prozent – bei den Österreichischen Bundesbahnen hingegen verblüffende 73 Prozent, meine Damen und Herren! Da kann es doch wohl nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen sein! (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Von insgesamt 1 461 Ruhestandsversetzungen bei den ÖBB waren allein 1 190 aus gesundheitlichen Gründen verursacht, also genau diese 73 Prozent – und zwei Drittel davon wurden vom Unternehmen krankheitshalber in den Ruhestand versetzt. (Abg. Murauer: So ein "Zufall"! – Gegenruf bei der SPÖ.) Meine Damen und Herren! Das muss untersucht und geprüft werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Edler. )

Auffallend ist dabei die Häufung der Frühpensionen mit Erreichung der dafür notwendigen Dienstzeit. Wie der "Zufall" so spielt: Krankheit und Berufsunfähigkeit treten genau bei diesem Alter ein!

Aber diesen "Zufall" – und das zu Lasten der Allgemeinheit! – wird man wohl noch einmal vom Rechnungshof überprüfen lassen müssen, denn es besteht kein Zweifel daran, dass diese Unternehmen bei dieser üblen Praxis mitgespielt haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Kosten für diese Frühpensionen trägt zur Gänze der Steuerzahler. Die ÖBB haben die Kosten für krankheitshalber frühpensionierte Mitarbeiter einfach auf den Steuerzahler überwälzt! Damit steigt der Gesamtaufwand des Bundes für die ÖBB ständig: Allein im Jahre 2000 betrug der Aufwand für die Pensionisten rund 23 Milliarden Schilling! Das ist so viel, wie zum Beispiel heuer für das gesamte Verteidigungsbudget ausgegeben wird. (Abg. Edler: Heißt das, die sollen sterben, damit Sie Abfangjäger kaufen können? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Genauso viel wird allein für die Pensionisten der Österreichischen Bundesbahnen ausgegeben! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Edler. )

Deshalb kann man wohl verlangen, dass auch in diesem Bereich sparsam mit dem Steuergeld umgegangen wird! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Diese Unternehmen und sozialistische Gewerkschafter – Kollege Edler, bitte aufpassen! – spielen in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Rolle, verteidigen sie doch auf Kosten der Steuerzahler diesen Sonderstatus, diese Privilegien der ÖBB-Bediensteten, weil sie sich davon parteipolitische Vorteile erhoffen! Das wird aber von den übrigen Arbeitnehmern weder verstanden noch akzeptiert – und wird in Zukunft in dieser Form wohl auch nicht mehr finanziert werden können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Unternehmen ÖBB wird überhaupt stärkere Reformanstrengungen machen müssen, wurde doch in der letzten Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstitutes festgestellt, dass die Deutsche Bahn eine um 25 Prozent höhere Produktivität als die ÖBB, gemessen an der Zahl der Mitarbeiter, aufweist. Die Schweizerischen Bundesbahnen weisen sogar eine um 60 Prozent höhere Produktivität auf, meine Damen und Herren! (Abg. Edler: Diese Statistik ist zehn Jahre alt!)

Beim Pensionsantrittsalter hingegen sind die Österreichischen Bundesbahnen Spitzenreiter! Das Pensionsantrittsalter der Bediensteten der Schweizerischen beziehungsweise der Deutschen Bundesbahnen beträgt 65 Jahre, das heißt, die ÖBB-Bediensteten gehen um mehr als zehn Jahre früher in Pension als ihre Kollegen in Deutschland und in der Schweiz! (Abg. Dr. Cap: Warum applaudiert bei Ihnen niemand?)

Bei den Schweizerischen Bundesbahnen beträgt die Pension nur 60 Prozent des Letztbezuges, bei den Österreichischen Bundesbahnen hingegen zumindest 80 Prozent.


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Die Österreichischen Bundesbahnen kennen auch keine Ruhensbestimmungen für ihre Pensionisten. Dazu ein reales Beispiel: Ein ÖBB-Abteilungsleiter geht mit 54,5 Jahren und 75 000 S in Pension, arbeitet danach weiter in einem anderen Unternehmen mit 60 000 S brutto und verdient damit rund 135 000 S.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Das hat überhaupt nichts mit Schüren von Neidkomplexen zu tun, sondern das empfinden alle anderen Arbeitnehmer und alle anderen Pensionisten schlicht und einfach als unfair und ungerecht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die sozialdemokratischen Gewerkschafter haben das aber immer verteidigt – und haben nicht erkannt, dass ihr stures Festhalten an solchen Sonderregelungen zu Lasten der Allgemeinheit geht und dass es angesichts der jährlich rund 50 Milliarden Schilling, die aus dem Bundesbudget für die Bundesbahnen ausgegeben werden, wenig Verständnis für diese Praxis gibt! (Abg. Dr. Cap: Schon wieder kein Applaus ...! – Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Eine ähnliche Entwicklung lässt sich jedoch auch bei anderen staatsnahen Unternehmen feststellen: Anstatt der Anwendung so genannter Vorruhestandsmodelle, deren Kosten von den Unternehmen zu tragen sind, werden die Leute einfach "krankheitsbedingt" in den Ruhestand versetzt – und dazu gibt es Medienberichte zuhauf! Wenn Sie in den letzten Tagen beispielsweise die Zeitung "Die Presse" gelesen haben, dann haben Sie sich sicherlich auch über all diese Missstände, die dort angeprangert wurden, informiert.

Da kommt es nämlich auch zur Ausübung von Druck seitens der jeweiligen Unternehmensführung, und zwar wird Druck sowohl auf die Bediensteten als auch auf die Ärzte ausgeübt! Ziel ist es offensichtlich, Bedienstete gegen ihren Willen, aber auf Kosten des Steuerzahlers in einen krankheitsbedingten Ruhestand zu drängen. – Das ist eine Praxis, die wir nicht akzeptieren können und die wir vom rechtlichen, vor allem aber auch vom moralischen Standpunkt aus nicht für vertretbar halten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Sie sind mir der richtige Moralapostel!)

Meine Damen und Herren! Auch bei der Österreichischen Post AG lag das durchschnittliche Pensionsantrittsalter 1999 noch bei 57 Jahren; bei den Ruhestandsversetzungen im Monat März des heurigen Jahres betrug es gar nur noch 48 Jahre. Nur ein Fünftel der Postbediensteten, die in diesen drei Monaten in den Ruhestand traten, hat überhaupt das gesetzliche Pensionsalter erreicht, meine Damen und Herren!

Deshalb meinen wir auch – und in diesem Zusammenhang möchte ich das ebenfalls festhalten –, gerade der letzte Postbusstreik war unangebracht, und die diesbezüglichen Ankündigungen, die es bereits für einen nächsten Streik gibt, haben keinerlei moralische Legitimation. Sie schaden auch den Bediensteten selbst, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da hat der Postbetriebsrat offensichtlich auch das wirtschaftliche Verständnis verloren, denn die schweren Verluste, die dort gemacht wurden, mussten in den letzten Jahren mit Steuergeldern abgedeckt werden. Die Postbus AG hat durch Betriebsverluste und Abwertungen in den letzten zwei Jahren zirka 50 Millionen € an Eigenkapital verloren. Auch für das heurige Jahr wird ein Verlust von 9 Millionen € prognostiziert.

Meine Damen und Herren! Es ist daher eine Zumutung, dass nicht daran gedacht wird, wie auch in diesem Bereich gespart werden kann. Es ist auch eine Zumutung, dass der Gewerkschaftsboss Wurm Verhandlungen ablehnt und zuerst eine Aufhebung des Ministerratsbeschlusses über den Verkauf verlangt. (Abg. Öllinger: Sind Sie gegen den Streik oder gegen Frühpensionierungen?) Eine solche Vorgangsweise stößt angesichts der wirtschaftlichen Lage des Postbusses bei der betroffenen Bevölkerung sicherlich auf kein Verständnis. Das wird dort ganz sicherlich nicht verstanden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Auch bei der Telekom AG liegen die Verhältnisse nicht anders. Das durchschnittliche Pensionsalter lag im Jahre 2000 noch bei rund 58 Jahren (Abg. Öllinger: Das war vor dem Börsengang!), in den ersten vier Monaten des heurigen Jahres hat es sich auf 52,5 Jahre verringert – ein großer Teil durch Pensionierung wegen Dienstunfähigkeit! In vielen Fällen waren diese Frühpensionierungen mit entsprechenden Gehaltserhöhungen gekoppelt, die für die Betroffenen erhebliche finanzielle Verbesserungen bewirkten, um auf diese Weise Einkommenseinbußen durch Abschläge zu kompensieren.

Meine Damen und Herren! Zu hinterfragen wäre hier auch die Rolle der einzelnen Arbeitnehmervertreter. Offensichtlich waren es gerade diese Arbeitnehmervertreter, die im Gleichklang mit den Interessen der Arbeitgeber bereit waren, auch ungerechtfertigte Frühpensionen auf Kosten der Steuerzahler zu ermöglichen! Gerade die Namen beziehungsweise die Fälle, die heute in den Medien, in der Zeitung "Die Presse" und in der "Kronen Zeitung", genannt werden, betreffen allesamt sozialistische Funktionäre. Das muss in diesem Zusammenhang ebenfalls gesagt werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es hat dort die Ausübung von Druck der Unternehmensführungen sowohl auf die Bediensteten als auch auf die begutachtenden Ärzte gegeben. Das Ziel war es offensichtlich, Bedienstete gegen ihren Willen auf Kosten des Steuerzahlers in den krankheitsbedingten Ruhestand zu versetzen. Diesem Verdacht werden wir auf den Grund gehen, da können Sie sicher sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Berichte wurden auch vom Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer bestätigt. Er hat sich bereits im Vorjahr an die Unternehmensführung und an die Dienstnehmervertretung der Post AG gewandt, um auf die untragbaren Zustände hinzuweisen. Die aktuellen Zahlen belegen aber, dass sich die Unternehmensführung von dieser Kritik nicht beirren ließ und unverändert Mitarbeiter auch gegen ihren Willen in die Frühpension geschickt hat. Bedienstete mussten ihre Zwangspensionierung – Gott sei Dank in einigen Fällen sogar erfolgreich – vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfen.

Meine Damen und Herren! Alle Anzeichen deuten also darauf hin: Bundesbahn, Post und Telekom haben versucht, ihre Finanznot dadurch aufzubessern, dass sie viele Mitarbeiter durch zweifelhafte Gutachten so genannter Vertrauensärzte in die Frühpension geschickt haben. Damit haben sich die zum Teil ohnedies von enormen Zuschüssen abhängigen Betriebe noch einmal aus den Taschen der Steuerzahler bedient, denn es zahlen nicht mehr Post, Bahn und Co, sondern es zahlt jeder österreichische Steuerzahler diese krankheitsbedingten Frühpensionen. Wer aber glaubt, dass es darauf nicht mehr ankommt, der irrt gewaltig, denn genau auf diese Weise kommen zwangsweise die hohen Pensionskosten, kommen die Budgetzuschüsse zu den Pensionen und kommt die hohe Steuerabgabenquote zustande.

Meine Damen und Herren! Wir alle – jeder österreichische Steuerzahler! – werden damit geschädigt und davon benachteiligt. Die Justiz muss sich jeden Fall, jeden einzelnen Punkt, jede einzelne Sachlage, jeden einzelnen Betrieb und auch jeden dieser Vertrauensärzte genau ansehen. Diese Ärzte, die sich zum Missbrauch hergeben, genießen nämlich bestenfalls das Vertrauen der mutmaßlich Begünstigten, also der sie bezahlenden Firmen, aber nicht derjenigen, die das ganze Schlamassel zahlen – und das sind die österreichischen Steuerzahler!

Es sind auch die Aufsichtsräte dieser Unternehmen gefordert, nach den Rechtsgrundlagen und nach der Korrektheit der Vorgangsweise zu forschen. Vor allem werden wir uns hier im Hohen Haus intensiv mit dem Sonderbericht des Rechnungshofes befassen müssen, dessen Erarbeitung von der Regierung und von der zuständigen Vizekanzlerin veranlasst wurde. Wir werden nach der rechtlichen, moralischen und politischen Verantwortung fragen müssen, die diese Missstände hat einreißen lassen und sie entsprechend begünstigt hat, und zwar dann, wenn die Verfahren entsprechend bei Gericht abgeschlossen sein werden und wenn der Sonderbericht des Rechnungshofes hier im Hohen Hause vorliegen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Jedenfalls hat die Bevölkerung, die bis 60 oder gar 65 Jahre arbeiten muss, von solchen Praktiken längst die Nase voll, denn selbst dann, wenn, wie heute alle Verantwortlichen treuherzig behaupten, alles korrekt und gemäß den Gesetzen über die Bühne gegangen ist, sollen diese uns doch erklären, weshalb ausgerechnet die Bediensteten von Bahn, Post und Telekom, wo ja der Turbo-Kapitalismus gewiss nicht erfunden wurde, mit 50 Jahren im Schnitt so krank sind, dass sie dienstunfähig sind und in Pension gehen müssen!

Meine Damen und Herren! Dort wurde und wird ganz einfach in gigantischem Ausmaß auf Kosten der Allgemeinheit gelebt. Das können und das sollten wir alle nicht mehr hinnehmen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ungerechtfertigte Frühpensionen – und in besonderem Maße dann, wenn sie von Unternehmen veranlasst werden, damit sich diese finanziell entlasten können (Abg. Öllinger: Das haben Sie schon gesagt!)  – müssen endlich als das gelten, was sie sind, nämlich praktisch ein Diebstahl an der Allgemeinheit.

Meine Damen und Herren! All diese Unternehmen und ihre Frühpensionspraktiken müssen deshalb überprüft werden. Damit wären nicht nur die Pensionskassen auf einen Schlag saniert, sondern es würden endlich auch in diesem Bereich wieder das Gesetz und der Gleichheitsgrundsatz respektiert und somit Fairness und Gerechtigkeit gegenüber allen anderen privaten Unternehmen und vor allem deren Mitarbeitern hergestellt werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage gelangt unseren Regelungen entsprechend die Frau Vizekanzlerin zu Wort. Die Redezeit soll gleichfalls 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Vizekanzlerin.

15.20

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte, damit nicht der Eindruck entsteht, dass es sich hier um eine theoretische Debatte handelt, Ihnen eingangs einen konkreten Fall über genau dieses Problem, das wir heute diskutieren, schildern, nämlich den Fall des Postbediensteten Josef Horky.

Herr Horky wurde 1946 geboren und ist seit 1965 im Postdienst tätig. Am 14. März des vergangenen Jahres, des Jahres 2001, wurde ihm mitgeteilt, dass seine Pensionierung in Aussicht genommen wurde, da er – ich zitiere – "seine dienstlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen" könne. Herr Horky war nicht dieser Auffassung, sondern war sehr wohl der Meinung, dass er seine dienstlichen Aufgaben erfüllen kann. Er hat sich auch gesundheitlich dazu in der Lage gefühlt und wollte diese Tätigkeit weiter ausüben.

Grundlage für diese in Aussicht gestellte Pensionierung war das Gutachten eines gewissen Herrn Dr. Greiner, Anstaltsarzt bei der Post. Dieses Gutachten war ein einseitiges, handschriftlich ausgefülltes Formblatt. Auf diesem Formblatt war unter anderem zu lesen: Es handelt sich bei Herrn Horky um eine affektlabile Persönlichkeit. Die zykloide Persönlichkeit trete wiederholt in Erscheinung mit herabgesetzter ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin, darf ich nur die Frage stellen: Ist das ein Original? (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Herr Horky hat mich ermächtigt, das hier zu sagen! Es ist kein Original, es ist auch in der Zeitung gestanden! – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Kann man das Mikrofon aufdrehen?)

Bitte setzen Sie fort, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer (fortsetzend): Erstens bin ich von Herrn Horky ermächtigt, das hier zu erzählen. Zweitens ist all das schon in der Zeitung gestanden. Drittens ist es ein Akt beim Verwaltungsgerichtshof, wo es auch eine Entscheidung darüber gegeben hat. Ich werde das jetzt weiter ausführen.


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In diesem handschriftlichen Zettel des Herrn Dr. Greiner ist weiter gestanden: Die zykloide Persönlichkeit trete wiederholt in Erscheinung mit herabgesetzter Reizschwelle, er könne seine Arbeit nicht mehr ausüben, weil ihm geistig verantwortungsvolle Tätigkeiten und überdurchschnittlicher Zeitdruck neben den üblichen körperlichen Aufbraucherscheinungen nicht mehr möglich seien.

Herr Horky hat sich an die Gewerkschaft und an die Arbeiterkammer gewandt und hat von dort keine Hilfe bekommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie so oft!) Er hat sich dann an das Bürgerservice in meinem Büro gewandt. Wir haben ihm geraten, Einspruch gegen diesen Pensionsbescheid zu erheben. (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist das eigentlich für eine Arbeitnehmervertretung?) Er hat dann wiederum die Gewerkschaft und die Arbeiterkammer ersucht, ihm bei der Erstellung dieses Einspruches behilflich zu sein. Die Gewerkschaft hat sich aber erst nach meiner Intervention bereit erklärt, das Gutachten zu bezahlen, das für den Einspruch notwendig war, hat aber gleichzeitig Herrn Horky dazugesagt, sie seien bereit, das Gutachten zu bezahlen, aber nur unter der Bedingung, dass er seinen Kontakt zum Büro der Vizekanzlerin einstellt. (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ist ja eigentlich ein Skandal!)

Dieses zweite Gutachten, das von Frau Dr. Schmidl-Mohl erstellt wurde, bescheinigte Herrn Horky volle Dienstfähigkeit und enthält daher auch die Feststellung, dass er imstande ist, seinen Beruf weiter auszuüben. Trotz dieses Gutachtens, das dann auch die Gewerkschaft bezahlt hat, wurde am 16. Mai 2001 die Versetzung in den Ruhestand vorgenommen.

Die Arbeiterkammer, die wir um Rechtsbeistand für Herrn Horky ersucht haben, um das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof führen zu können, hat diesen Fall wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg abgelehnt. Diese Mitteilung hat Herr Horky einen Tag vor Fristablauf bekommen. Ich sage nur, die Kosten für die Arbeiterkammer wären bei 18 000 S gelegen, und einen Tag vor Fristablauf hat die AK mitgeteilt: Wegen mangelnder Aussichten auf Erfolg wird das nicht unterstützt.

Wir haben es ermöglicht, dass Herr Horky eine Verfahrenshilfe bekommen hat. Er hatte in der Zwischenzeit noch ein nettes Schreiben von der Post bekommen, dass man ihm für seine Mitwirkung und für seine Einsatzbereitschaft in der Arbeit dankt. Am 7. März 2002 – und jetzt wird es besonders interessant – wurde vom Verwaltungsgerichtshof die Zwangspensionierung des Herrn Horky aufgehoben, weil sie unrechtmäßig war. Das ist genau der entscheidende Punkt! Die Post muss jetzt völlig zu Recht das Gehalt für die ganze Zeit, in der er zu Unrecht in Pension geschickt war, nachzahlen. Wir werden auch dafür sorgen, dass Herr Horky eine Klage auf entgangene Nebengebühren und eine Entschädigung für das Mobbing, das er in dieser Zeit erfahren hat, einbringen kann.

Das ist einer von sehr vielen Fällen! Das ist einer, der sich gewehrt hat! Das ist einer, der gesagt hat: Ich spiele bei diesen Methoden nicht mit!, und der wie viele tausend andere Mitarbeiter von Post, Telekom und ÖBB hat erfahren müssen, dass sie entweder überredet werden, in Pension zu gehen, oder in die Pension gemobbt werden oder gezwungen werden, in Pension zu gehen. Das alles sind Leute zwischen 30 und 50 Jahren.

Einige Statistiken hat Herr Abgeordneter Kukacka schon genannt, und die Zahlen sprechen für sich, meine Damen und Herren! Die Österreichische Post AG hatte im Jahre 2001 ein Durchschnittspensionsalter von 53 Jahren. (Abg. Huber: Wer ist der zuständige Minister?) Im Jänner des heurigen Jahres ist es auf 51,9 Jahre gesunken, im Februar auf 51,7 und im März auf 48,2 Jahre (Abg. Huber: Wer ist verantwortlich?)  – unter dem Management des Herrn Direktor Wais, der von Ihrer früheren Regierung eingesetzt wurde (Abg. Huber: Wer ist verantwortlich?), Frau Kollegin von den Sozialdemokraten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Marizzi, was sagst du dazu? Ein Skandal!)

Das heißt, dass überhaupt nur noch ein Fünftel der Post-Pensionisten das gesetzliche Pensionsalter erreicht haben, während 80 Prozent, teilweise in sehr jungen Jahren, krankheitshalber pensioniert wurden. Ähnlich ist die Situation bei der Telekom und bei den Österreichischen Bundesbahnen. Es häufen sich in diesem Bereich Informationen, die wir jetzt auch an


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die Staatsanwaltschaft und an den Rechnungshof weitergeleitet haben, dass das folgendermaßen passiert: Kurz vor der Pensionierung findet eine Gehaltserhöhung für diese Leute statt – interessanterweise handelt es sich hauptsächlich um sozialdemokratische Personalvertreter in diesem Bereich –, wegen dieser Gehaltserhöhung kommt es zu einer höheren Pension, und gezahlt wird das alles samt und sonders vom Steuerzahler.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der Skandal an dieser Geschichte, dass alles immer nach demselben Muster abläuft: Ein Arzt des Unternehmens erstellt ein Gutachten: "arbeitsunfähig", die Gewerkschaft schweigt dazu oder ist überhaupt aktiv beteiligt. (Abg. Eder: Wer ist der Minister ...?) Es ist eine Schande, Herr Kollege, dass diejenigen, die die Interessenvertretung der Mitarbeiter wahrzunehmen haben, diesen Mitarbeitern nicht beistehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein Megaskandal ist das!)

Dass die roten Personalvertreter in diesen drei Unternehmen nicht auf der Seite der Mitarbeiter (Zwischenrufe der Abgeordneten Huber und Eder ), sondern bei diesen schmutzigen Praktiken auf der Seite der Unternehmensführung stehen, Herr Kollege, das ist der eigentliche Skandal an dieser Geschichte! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Menschenverachtend ist das in Wirklichkeit! – Abg. Eder: Wer sitzt in der Regierung?)

Die durchschnittlichen Kosten für einen Frühpensionierungsfall allein bei der Post liegen bei 180 000 € an Folgekosten, die für den Steuerzahler entstehen. Beispiele dafür gibt es sonder Zahl, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ein 42-jähriger Postbeamter wird krankheitshalber frühpensioniert und ist Stürmer und Spielertrainer bei einem Regionalliga-Fußballverein. Eine Frau Ende 30 wird wegen eines Bandscheibenleidens pensioniert und betätigt sich jetzt in ihrer Freizeit als Bergsteigerin. Ich könnte Ihnen unzählige solche Beispiele nennen, bei denen Ihre roten Personalvertreter geschwiegen oder sogar aktiv mitgeholfen haben. Das ist der eigentliche Skandal! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Skandal und der Fehler, den Sie in der früheren Regierung gemacht haben, ist der, dass Sie diese Unternehmen ausgegliedert und alle Mitwirkungsrechte aufgegeben haben, sodass Sie den Managern in diesen Unternehmen, die nicht auf das Wohl der Mitarbeiter und schon gar nicht auf das Wohl des Steuerzahlers achten, freie Hand gegeben haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das ist der Fehler, der gemacht wurde! (Abg. Eder: Wer ist in der Regierung?) Entschuldigen Sie, das war Ihre Regierung! Ich weiß, dass Ihnen alles, was vor dem 4. Feber 2000 passiert ist, sehr unangenehm ist, es ist aber trotzdem die Wahrheit, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein evidenter Gewerkschaftsskandal!)

Was sich hier abspielt, ist, wie der Chefredakteur der Zeitung "Die Presse" vor kurzem geschrieben hat, der "größte politische Kriminalfall seit langem". Es ist Ausdruck einer wirklich skrupellosen Gesinnung, die davon ausgeht, dass 80 Prozent der Bevölkerung Ihrer Auffassung nach offenbar weiterhin die Privilegien für die restlichen 20 Prozent mitbezahlen sollen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ist mit uns ganz sicher nicht zu machen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben daher folgende Veranlassungen getroffen. Ich habe am 29. April dieses Jahres einen Antrag auf Sonderprüfung durch den Rechnungshof an den Rechnungshofpräsidenten gestellt, mit dem Ersuchen, sowohl bei der Post und bei der Telekom als auch bei den Österreichischen Bundesbahnen diese gesetzwidrigen Praktiken zu untersuchen. Ich habe darüber hinaus nach der Aussage des Ärztekammerpräsidenten Pjeta, der selbst bestätigt hat, dass Ärzte von den Unternehmen unter Druck gesetzt werden, Gefälligkeitsgutachten zu erstellen, auch Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet und alle Unterlagen, die uns vorliegen, sowie alle Meldungen, die uns in den letzten Wochen zugegangen sind, dorthin übermittelt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich begrüße es außerordentlich, dass das Hohe Haus heute eine gesetzliche Änderung vorschlagen wird, wonach in Zukunft auch Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt genau wie


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bei den Privatangestellten durchgeführt werden müssen, bevor eine Pensionierung erfolgt. Diese Ungleichbehandlung ist eigentlich die Crux an der Sache, dass Unternehmensärzte, die vom Unternehmen bezahlt werden, im Sinne des Unternehmens entsprechende Pensionierungsgutachten erstellen. (Zwischenruf des Abg. Dobnigg. ) Diese Praxis wird abgestellt werden, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir werden auch dafür sorgen, dass nach Vorliegen der Prüfungsergebnisse sowohl der Staatsanwaltschaft als auch des Rechnungshofes alle, die daran eine Mitschuld tragen, zur Verantwortung gezogen werden: die Manager der Unternehmen, die Personalvertreter und die Gewerkschaftsvertreter, die dort aktiv an gesetzwidrigen Aktionen mitgewirkt haben, und auch die Ärzte, die solche Gefälligkeitsgutachten erstellt haben. Das kann ich Ihnen garantieren, diese Dinge bleiben nicht ungesühnt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme jetzt zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage.

Zur Frage 1:

Im Bereich des Bundes greift die Pensionsreform 2000 ebenso wie im Bereich der ASVG-Pensionisten. Das durchschnittliche Antrittsalter für die Pensionen zwischen 2000 und 2001 – da möchte ich jetzt meine lieben Freunde von der sozialdemokratischen Fraktion um besondere Aufmerksamkeit ersuchen, weil das ja immer ihre Behauptung ist –, das durchschnittliche Pensionsalter bei den Beamten, den Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, ist von 2000 auf 2001 von 58,4 auf 58,9 Jahre gestiegen. Es ist gestiegen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Das ist der Unterschied! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Zahlen der Frühpensionierungen gehen ebenso stark zurück wie die Zahlen der Pensionierungen insgesamt.

Zur Frage 2:

Das durchschnittliche Pensionsalter hat sich von durchschnittlich 57,61 Jahren im Jahr 1999 bei all diesen Unternehmen reduziert, und zwar bei der Österreichischen Post AG auf 53,54 Jahre, bei der Telekom auf 54,3 Jahre, bei der Postbus AG auf 56,9 Jahre und bei den ÖBB auf 52,2 Jahre im Jahr 2001 reduziert. Im Jahr 2002 ist es noch weiter gesunken: bei der Post auf 48,2 Jahre im März 2002, wie ich schon erwähnt habe, und bei der Telekom auf 51 Jahre im März 2002. Insgesamt ist die Zahl der Frühpensionierungen im Post-Telekom-Bereich enorm stark angestiegen, und zwar von 755 auf 2 473 Pensionierungen; das ist ein Plus von 325 Prozent! Das ist eine wirklich Besorgnis erregende Entwicklung, der man entschieden entgegenwirken muss. (Abg. Edlinger: Sie sind in der Regierung!)

Entschuldigen Sie, den Fehler haben Sie gemacht! Sie haben ausgegliedert und Ihre Mitwirkungsrechte aufgegeben; ich hätte das an Ihrer Stelle niemals gemacht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das war von vornherein ein Fehler. Sie wissen, dass es bereits 1997 eine Regelung gab, dass sehr wohl die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten für die Überprüfung der Pensionsgutachten zuständig war. Das wurde 1997 aufgehoben, und Sie haben es verabsäumt, eine Nachfolgeregelung zu treffen. 1997 – das sollten Sie einmal nachlesen, da waren Sie und nicht ich in der Regierung, wenn Sie sich vielleicht daran noch erinnern können! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Warum ist denn jahrelang nichts passiert?)

Zur Frage 3:

Die Vereinheitlichung und Standardisierung der ärztlichen Begutachtung durch die Beauftragung einer geeigneten Stelle hat sich bisher gut bewährt. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Daher sind in Zukunft auch für Beamte von Post, Telekom und ÖBB ärztliche Gutachten nicht mehr von Betriebsärzten durchführen zu lassen, sondern die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wird ersucht werden, die Pensionierungsuntersuchungen auch für diese Beamten durchzuführen und damit eine Gleich


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stellung mit den Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft herzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Frage 4  – wie hoch ist der Anteil der Frühpensionen an allen Ruhestandsversetzungen im besagten Zeitraum? –:

Der Anteil der Frühpensionisten an den Ruhestandsversetzungen im Jahr 2002 hat bei der Post 88 Prozent, bei der Telekom 74 Prozent und bei den ÖBB 73 Prozent betragen. Zum Vergleich: 1999 betrug der Anteil der Frühpensionen im Postbereich noch 31 Prozent und ist, wie gesagt, in der Zwischenzeit dermaßen angestiegen. Das ist auch eine Entwicklung, aus der hervorgeht, dass das Unternehmen damit einfach versucht, sich finanzielle Vorteile auf Kosten des Steuerzahlers zu verschaffen. Es wird uns niemand erklären können, dass es einen derartigen Unterschied zur Privatwirtschaft gibt, da zum Beispiel im Bund der Anteil der Frühpensionierungen bei 23 Prozent und im ASVG-Bereich bei 20,5 Prozent liegt. Das ist ein Zustand, der in dieser Form allein schon aufzeigt, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Frage 5  – seit wann sind Ihnen bedenkliche Vorgänge im Zusammenhang mit Frühpensionierungen bei der ÖBB und im PT-Bereich bekannt? –:

Ich habe schon gesagt, dass sich Herr Horky – das ist ein Einzelfall – im vergangenen Jahr an uns gewandt hat und dass wir diesen Fall bis zum Verwaltungsgerichtshof durchgekämpft haben. Zu dem Zeitpunkt – und das ist auch interessant –, zu dem Herr Horky dieses Verfahren gewonnen hat, sind viele Mitarbeiter von Post, Telekom und ÖBB an uns herangetreten und haben uns gesagt: Uns ist es genauso ergangen, wir haben genau dasselbe wie Herr Horky mitgemacht! – Wir sind all diesen Einzelfällen nachgegangen und haben sie, wie gesagt, sowohl an den Rechnungshof als auch an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Zur Frage 6:

Der Bundesminister für Finanzen und ich haben, wie gesagt, am 29. April den Rechnungshof um eine Sonderprüfung zur Frühpensionierungspraxis bei Post, Telekom und ÖBB ersucht, weil sich eben die Meldungen bedenklicher Fälle durch besorgte Bürgerinnen und Bürger in den letzten Wochen gehäuft haben.

Zur Frage 7  – was hat Sie dazu bewogen, zusätzlich zum Rechnungshof auch die Staatsanwaltschaft einzuschalten? –:

Ich habe schon gesagt, am 5. Juni dieses Jahres hat der Präsident der Ärztekammer Österreichs, Pjeta, Folgendes ausgeführt:

Die Ärzte, die diese Untersuchungen gemacht haben, haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass es sich hier um augenscheinlich gesunde Personen handelte. Insofern wurden wir verständigt und sind auch damals tätig geworden, indem wir einen Brief an die Post und an die Postgewerkschaft geschickt haben. – Zitatende.

Durch diese Aussagen hat sich unser Verdacht erhärtet. Daher habe ich am 6. Juni 2002, also am Tag nach dieser Aussage, bei der Staatsanwaltschaft die Einleitung von Vorerhebungen angeregt und darum ersucht, insbesondere in Richtung von Amtsmissbrauch, Betrug und Nötigung zu ermitteln.

Mir sind auch Informationen zugegangen, wonach die Frühpensionierung mit vorherigen Aufwertungen verbunden wurde, um auf diese Weise die Abschläge, die durch die Frühpensionierung entstehen, auszugleichen und mit 100 Prozent der Bezüge in Pension zu gehen. Wir haben Hinweise darauf, dass es einzelne Fälle gibt, in denen Mitarbeiter, die frühpensioniert wurden, in der Frühpension einen höheren Bezug haben, als sie ihn als Aktive hatten. Ich erwarte mir dadurch eine Aufklärung darüber, ob tatsächlich strafrechtlich relevante Handlungen in der Vollziehung erfolgt sind, und allenfalls auch eine adäquate Bestrafung aller darin involvierten Verantwortlichen.


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Ergänzend darf ich erwähnen, dass ich angeregt habe, die von mir dargelegten Verdachtsmomente durch Einvernahme des Verdächtigtenkreises aus der Unternehmensleitung, den Betriebsräten, den Dienstnehmervertretern und den Betroffenen entsprechend abzuklären.

Zur Frage 8:

Auf Grund des vorhandenen Datenmaterials war es uns bisher nur für den Bereich Post möglich, diese Berechnungen exakt vorzunehmen. Dort entsteht pro Frühpensionierungsfall ein durchschnittlicher Mehraufwand von 180 700 €. Allein durch die Frühpensionierungen im Postbereich in den ersten drei Monaten dieses Jahres, also von Jänner bis März dieses Jahres, werden somit dem Bund Folgekosten von rund 56,2 Millionen €, umgerechnet 800 Millionen Schilling, entstehen.

Das ist eine Sanierung der Unternehmen auf Kosten der Steuerzahler, die nicht tragbar ist, die wir nicht hinnehmen werden und bei der wir auch dafür Sorge tragen werden, dass die Unternehmen dafür die Verantwortung zu übernehmen haben, und bei der wir prüfen lassen werden, ob der Schaden, der dem Steuerzahler aus dieser Praxis entstanden ist, entsprechend wieder gutgemacht werden muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Frage 9:

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass heute ein Initiativantrag eingebracht wird, der sicherstellen soll, dass auch die Mitarbeiter von Post, Telekom und ÖBB in Hinkunft von den Ärzten der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten untersucht werden und diese Untersuchungen auch Grundlage für die Pensionsentscheidung sein werden. Weiters möchte ich sagen, dass, wie gesagt, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen. Sollten dort der konkrete Schaden, der entstanden ist, und die Schädigungsabsicht nachgewiesen werden, dann werden entsprechende zivilrechtliche Schritte folgen.

Zur Frage 10:

Unter den Schreiben, die von mir an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden, befinden sich eine Reihe von konkreten Namensangaben von Betroffenen und Ärzten, die uns übermittelt wurden. Auch die nun laufend eintreffenden Schreiben werden samt und sonders an Rechnungshof und Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Zu den Fragen 11 bis 13:

Die allgemeine Nebengebührenpauschale, die jährlich zwischen 1 308,50 € und 1 582,32 € beträgt, soll als pensionsbegründender Gehaltsbestandteil ausgezahlt werden. Um 83 Prozent dieser Beträge, also um 1 086 € bis 1 313 €, erhöht sich für die Betroffenen daher auch die Pension.

Das ist der Punkt eines Strukturpakets, das der ÖBB-Generaldirektor mit der Eisenbahnergewerkschaft im Rahmen eines Paketes ausgemacht hat. Im Gegenzug werden Zulagen Gehaltsbestandteil und somit in die Pension eingerechnet.

Zahlen muss das alles der Steuerzahler, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zusätzlich zu den ohnehin beträchtlichen und stark steigenden Ausgaben für ÖBB-Pensionen entsteht dadurch für die kommenden Jahre ein Mehraufwand von rund 220 Millionen € jährlich. Diese Mehrkosten konterkarieren die Bemühungen der Bundesregierung, die ausufernden Pensionskosten in den Griff zu bekommen.

Daher haben auch – das ist die Beantwortung der Fragen 14 und 15  – der Verkehrsminister und der Finanzminister die Unternehmensleitung beauftragt, dieses Abkommen zu korrigieren und gleichzeitig ein Konzept vorzulegen, wie diese Mehrkosten des Bundes durch Entlastungen in anderen Bereichen entsprechend kompensiert werden können.


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Weiters prüfen wir derzeit die Möglichkeiten, wieder verstärkte Kontrollrechte von Bundesorganen und Berichtspflichten der Unternehmensorgane vorzusehen, weil es ja nicht so sein kann – und das ist das Übel bei all diesen Punkten –, dass Unternehmen solche Schritte setzen, für die der Steuerzahler sozusagen die Ausfallshaftung zu übernehmen beziehungsweise die Kosten zu tragen hat, ohne irgendeine Mitsprache der Eigentümervertreter, ohne die Aufsichtsräte zu befassen, ohne den Bund als Eigentümer auch nur im Geringsten darüber zu informieren.

Zur Frage 16:

Auch bei Post, Telekom und Postbus gibt es Gehaltserhöhungen der Beamten in diesem Bereich, die von den jeweiligen Vorständen und der Postgewerkschaft ausgehandelt wurden und die direkt in die vom Bund zu tragenden Pensionen einfließen. Da gilt dasselbe wie für die Österreichischen Bundesbahnen: Solche Befugnisse sind bedenklich, und unsere Zielsetzung ist es daher, dafür zu sorgen, dass es nicht mehr im alleinigen Wirkungsbereich der Unternehmen liegt, solche Entscheidungen zu treffen.

Ich glaube, dass die Zahlen, die uns jetzt vorliegen und die wir uns sehr mühsam zusammenkratzen mussten, doch aussagekräftig sind. Die Unternehmen sind größtenteils – das möchte ich auch sagen – nicht sehr kooperativ in diesem Bereich. Es war einzig und allein der Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahnen, der mir geschrieben hat und der sich zur Mitwirkung bei der Aufklärung dieser Fälle bereit erklärt hat, alle anderen handelten sehr zögerlich. Von der Telekom habe ich bis heute nichts gehört. Die Österreichische Post AG und der Generaldirektor haben mir mitgeteilt, dass sie in Abrede stellen, dass es solche Vorfälle überhaupt gegeben hat.

Nichtsdestotrotz werden sowohl der Rechnungshof wie auch die Staatsanwaltschaft Licht in dieses Dunkel bringen, und wir werden dafür sorgen, dass dem Steuerzahler jeder Cent vergütet wird und dass hier keinerlei Kosten entstehen, schon gar nicht auf gesetzwidrige Weise, und dass alle, die dafür die Verantwortung tragen, auch zur Verantwortung gezogen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Van der Bellen hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet, wie ich annehme. – Bitte.

15.43

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich habe den Ausführungen der Frau Vizekanzlerin mit großem Interesse zugehört und halte fest, dass ich in dieser Dringlichen Anfrage und in der Beantwortung der Dringlichen Anfrage ein Präjudiz dafür sehe, dass erstens die Frage, ob ein Minister, eine Ministerin überhaupt zuständig ist für die Fragen, die gestellt werden, ob sie in deren Zuständigkeitsbereich fallen, und zweitens die Frage, ob es sich um Angelegenheiten der Vollziehung handelt, in Hinkunft sehr großzügig behandelt werden. Sehr großzügig!

Zumindest in einem Teil dieser Fragen ist in meinen Augen ... (Abg. Dr. Khol: Das ist ein Redebeitrag, kein Beitrag zur Geschäftsbehandlung!) Das gehört zur Geschäftsbehandlung. Ganz sicher! (Abg. Ing. Westenthaler: Dringliche Anfragen müssen beantwortet werden! Laut Geschäftsordnung!) Es kann nicht, Herr Kollege Klubobmann Westenthaler, im Belieben von Regierungsparteien stehen, ihre Anfragen nach politischer Opportunität auszurichten, anstatt nach den Bestimmungen des Bundesministeriengesetzes. Eine großzügige Behandlung ist in Ordnung, aber dann muss es für alle gelten! (Beifall bei den Grünen.)

Beispiel: Soweit die Frau Vizekanzlerin hier Missstände aufgedeckt hat, handelt es sich zweifellos – teilweise wenigstens! – um den Zuständigkeitsbereich des Finanzministers. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Sie können mir nicht die Zuständigkeit absprechen, Missstände aufzuzeigen!) Die Post AG ist eine ausgegliederte Unternehmung, ressortiert zur ÖIAG, die ihrerseits zum Finanzministerium ressortiert. Das ist völlig eindeutig!


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Herr Präsident! Ich erwähne das unter anderem deswegen, weil der Herr Klubobmann Westenthaler vor drei Tagen laut APA erklärt hat:

"Die Vizekanzlerin soll im Parlament ausführlich Stellung nehmen können, sei doch sie", und so weiter, "es gewesen, die diesen ‚Pensionsskandal‘ aufgedeckt habe." (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Bravo!)

Das mag schon sein, aber es ist völlig irrelevant, wer hier was aufgedeckt hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Hat das eigentlich noch etwas mit der Geschäftsordnung zu tun? Das ist ungeheuerlich!) Wenn die Frau Vizekanzlerin einen Skandal – ich weiß es ja nicht, nehmen wir es einmal an – im Ressortbereich des Finanzministers aufgedeckt hat, dann ist das in Ordnung. So eine großzügige Interpretation muss dann aber auch für alle Anfragen – schriftliche Anfragen und mündliche Anfragen der Oppositionsparteien – gelten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Was will der Van der Bellen zudecken? – Abg. Dr. Martin Graf: Das ist Missbrauch der Geschäftsordnung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

15.46

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich glaube, man wird hier doch wohl in Ruhe eine Geschäftsordnungswortmeldung abgeben können, ohne dass störende Zwischenrufe geäußert werden.

Nach unseren Betrachtungen dieser Fragen kommen wir zu dem Schluss, dass Sie, Frau Vizekanzlerin, eigentlich nur für die erste Frage zuständig sind. Für die Fragen 2 bis 15 sollten eigentlich der Verkehrsminister oder der Finanzminister da sein. Also wenn man das wirklich so auslegt – und so muss man es auslegen, wenn man die gesetzliche Grundlage dafür ernst nimmt –, dann heißt das aber ab heute – und ich lege daher größten Wert darauf, dass das auch Eingang in das Protokoll findet –: Das ist heute ein Präzedenzfall! Ab heute, bitte, sind ähnliche Dringliche Anfragen dann auch so zu behandeln. Da kann es dann nicht die Ausflucht: Ich bin nicht zuständig, das lassen wir nicht zu!, oder sonst irgendetwas geben. Darauf, das festzuhalten, legen wir heute Wert.

Wenn auf Zuruf des Klubobmannes Westenthaler die Frau Vizekanzlerin genötigt ist, zu diesem blau-schwarzen Frühpensionsskandal Stellung zu beziehen (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP), dann soll sie das tun, aber bitte nicht vergessen: Es gibt eine gesetzliche Grundlage, deshalb sollte mindestens eine Kette anderer Minister hier anwesend sein. Es kann nicht so sein, dass das hier so quasi eine fraktionspolitische Stellungnahme ist. (Abg. Mag. Schweitzer: Bist du auch bei der Post in Frühpension?), nämlich: Die FPÖ-Chefin gibt hier für die beiden anderen FPÖ-Minister eine Stellungnahme ab. Das kann es nicht sein! (Abg. Mag. Schweitzer: Die Redezeit ist zu Ende!)

Aber ab jetzt ist das ein Präzedenzfall. Sie sind auf die Fragen eingegangen, Frau Vizekanzlerin, Sie haben jetzt darauf geantwortet, ab heute ist das daher immer anders zu behandeln. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

15.47

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Erstens, Herr Präsident, kann man eine Dringliche Anfrage immer nur an ein Regierungsmitglied richten.

Zweitens kann sich jedes Regierungsmitglied zur Beantwortung aller Fragen kundig machen.

Drittens sind die gestellten Fragen in der Bundesregierung behandelt worden, das heißt also, die Frau Vizekanzlerin ist die zuständige Ministerin. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)


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Für mich ist nur eines sehr aufschlussreich: Normalerweise beschwert sich ein Abgeordneter darüber, dass er keine Antworten auf seine Fragen bekommt. – Sie beschweren sich darüber, dass Sie Antworten auf Fragen bekommen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Wir beschweren uns nicht! Wir stellen es freudig fest!) Was wollen Sie zudecken, meine Damen und Herren? Das nennt man die individuelle Betroffenheit derjenigen, die man erwischt hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Das Niveau des Khol wird immer niedriger!)

15.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Westenthaler, bitte.

15.48

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Jeder Beobachter und alle Abgeordneten wundern sich, in einer einmaligen Situation sein zu können, dass die zwei Oppositionsführer hier aufstehen und sich beschweren, dass sie Antworten bekommen haben. (Abg. Gradwohl: Eben nicht!) Jeder fragt sich, warum das so ist.

Ist es beim Kollegen Cap, der als einziger schon einmal von seinem Chef in die Frühpension geschickt worden ist, vielleicht deshalb so, dass er dieses System verteidigt? Oder was haben Sie zu verbergen, Herr Kollege Van der Bellen? Hier stehen zwei Systemverteidiger auf, die ein menschenverachtendes Frühpensionierungssystem, ein Mobbing verteidigen, das vielen, vielen Menschen geschadet hat und das den Steuerzahler Geld kostet. (Abg. Mag. Kogler: Ist das eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung? Das ist nur Polemik!) Das ist verachtenswürdig und das entlarvt Sie. (Abg. Gradwohl: Nehmen Sie das Wort "Geschäftsordnung" wenigstens einmal in den Mund, Herr Klubobmann! Nur ein einziges Mal!)

Die Frau Vizekanzlerin hat völlig korrekt geantwortet, und die Anfrage war völlig geschäftsordnungskonform. Sie wollen zu decken, wir wollen auf decken Das ist der Unterschied! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Van der Bellen, Sie wollten noch einmal das Wort haben (Abg. Dr. Khol: Das geht nicht!), aber das kann ich Ihnen nicht erteilen, außer für den einen Satz: Sie beantragen eine Debatte, weil ... (Abg. Mag. Schweitzer: Sie können ihm doch keine Vorschläge machen, was er tun soll!) – Wir haben die ständige Regelung, dass zu einem Geschäftsordnungsproblem jede Fraktion eine Wortmeldung macht. Darüber hinausgehende Wortmeldungen ... (Abg. Ing. Westenthaler: Sind Sie der Klubordner von den Grünen, der keine Ahnung hat von der Geschäftsordnung? – Weitere lebhafte Zwischenrufe und Gegenrufe.)

Herr Abgeordneter Westenthaler, Sie haben nicht das Wort, und Sie kennen offensichtlich auch nicht die Geschäftsordnung, welche vorsieht, dass mehrere Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung nur im Falle eines Beschlusses des Nationalrates möglich sind! Auf diesen Sachverhalt weise ich hin! (Abg. Ing. Westenthaler: Aber Sie können vom Präsidium aus keine Ratschläge erteilen, was jemand tun soll!)

Es ist auch richtig – egal, ob Sie das wissen oder nicht –, dass ich ein zweites Mal das Wort nur dann erteilen kann, wenn es sich nicht um eine Wortmeldung handelt, sondern um einen Antrag. Um dies klarzustellen, lasse ich mir vom Klubobmann der Freiheitlichen Partei bei der Führung der Aufgaben im Präsidium nicht das Wort verbieten! – Das zum Ersten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Lebhafte Zwischenrufe und Gegenrufe. – Abg. Ing. Westenthaler: Das, was Sie da oben aufführen, sind die Worte eines stellvertretenden Parteivorsitzenden, aber nicht eines Präsidenten dieses Hauses!)

Herr Abgeordneter Westenthaler! Wenn Sie jetzt weiter Kritik an der Vorsitzführung üben, dann wissen Sie, welchen Schritt ich setzen werde? (Abg. Ing. Westenthaler: War das jetzt eine Drohung?)


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Ich erteile Ihnen jetzt einen Ordnungsruf, Herr Abgeordneter Westenthaler, denn ich lasse mich nicht an der Vorsitzführung hindern! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja unglaublich! Das ist ein Skandal!)

Zu der Sache, die Herr Professor Van der Bellen angeschnitten hat, möchte ich Folgendes sagen: Nach ... (Abg. Ing. Westenthaler: Einen Ordnungsruf vom stellvertretenden Parteivorsitzenden nehme ich gerne zur Kenntnis!)

Ich unterbreche jetzt die Sitzung und bitte die vier Klubvorsitzenden, zu mir zu kommen.

(Die Sitzung wird um 15.52 Uhr unterbrochen und um 15.58 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich gebe bekannt, dass wir den Gegenstand dieser Auseinandersetzung jetzt erörtert haben. Zur Wortmeldung des Herrn Klubobmannes Van der Bellen, der die Frage thematisiert hat, ob die Beantwortung der Dringlichen Anfrage im Hinblick auf die Kompetenzlage geschäftsordnungsgemäß war, möchte ich feststellen – wie ich das auch jetzt hier im Gespräch klargestellt habe und auch im Begriffe war zu sagen, wenn wir nicht diese Unterbrechung gehabt hätten –, dass jeder Abgeordnete mit einer bestimmten Unterstützung berechtigt ist, Dringliche Anfragen an ein Regierungsmitglied zu stellen, dass das betreffende Regierungsmitglied verpflichtet ist, die Anfrage zu beantworten – Klammer auf: eventuell eine Stellungnahme zum Gegenstand abzugeben, Klammer zu –, und dass daher das Regierungsmitglied auch berechtigt ist, zu Fragen Stellung zu nehmen, die allenfalls nicht in den Wirkungsbereich des Regierungsmitgliedes fallen, wobei andererseits ein Regierungsmitglied aber das Recht hätte, zu sagen, bezüglich der Frage X oder der Frage Y bin ich nicht zuständig, daher kann ich diese Frage nicht beantworten.

Ich mache darauf aufmerksam, dass wir bei einer nicht unähnlichen Geschäftsordnungssituation in der Fragestunde regelmäßig auch so vorgehen, dass ein befragtes Regierungsmitglied, selbst wenn die Frage nicht in seinem Kompetenzbereich liegt oder nicht im Zusammenhang mit der Hauptfrage steht, von der Möglichkeit Gebrauch macht, dennoch eine inhaltliche Antwort zu geben.

Daher ist zu dieser Sache aus meiner Sicht nichts Weiteres zu veranlassen.

Wir können nun in die Debatte eingehen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass in dieser Debatte nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Zierler. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

16.00

Abgeordnete Theresia Zierler (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, anhand dieser Geschäftsordnungsdebatte oder auch anhand der Debattenbeiträge, die wir vorhin gehört haben, hat man eines klar und deutlich erkannt: dass es bei dieser Diskussion, die wir heute hier führen, für einige Kollegen natürlich Probleme gibt. Es ist eine schmerzhafte Diskussion, es ist ein schmerzhaftes Thema für die Kolleginnen und Kollegen der SPÖ. Vor allen Dingen ist es für sie ganz besonders schmerzhaft, dass diese Missstände, dass diese Skandale von unserer Vizekanzlerin, von unserer Beamtenministerin Susanne Riess-Passer aufgedeckt wurden. Das tut weh. Ich verstehe das. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich verstehe, dass die Situation für Sie von der SPÖ äußerst unangenehm ist. Es ist nicht schön, wenn man mit Tatsachen konfrontiert wird, mit vielen Tatsachen, und wenn man weiß, dass man die Öffentlichkeit nicht mehr täuschen kann.


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Doch während wir über Missstände und Skandale wie etwa die Frühpensionen bei ÖBB, Post und Telekom diskutieren, geht übrigens etwas anderes bei den ÖBB ganz munter weiter, und zwar ganz unauffällig. Während Herr Gusenbauer zum Beispiel heute hier sagt, bei der FPÖ gebe es neue Karrieren, während er zum Beispiel zu wissen glaubt, dass unser Verkehrssprecher Reinhard Firlinger der neue Bahn-Post-Bus-Chef wird – der Herr Firlinger weiß nichts davon, aber die Qualifikation hätte er übrigens ganz bestimmt, meine Damen und Herren (Beifall bei den Freiheitlichen)  –, während er das also annimmt, geht der rote Postenschacher bei den Österreichischen Bundesbahnen munter weiter.

Da hatten wir etwa einen unrühmlichen Abgang der ÖBB-Kommunikationschefin Viktoria Kickinger. Sie verfügt über ein SPÖ-Parteibuch, aber ich meine, das ist ohnehin klar. Sie ging zur Werbeagentur "Publico" und taucht jetzt als Sprecherin der ÖIAG auf. Der einflussreiche Posten bei den ÖBB ist allerdings wieder in SPÖ-Händen geblieben, nämlich bei Herrn Mag. Michael Hlava. – Das also zur ÖBB-Kommunikation.

ÖBB-Güterverkehr: Dr. Scharinger, SPÖ. – "Sehr" verwunderlich! ÖBB-Personenverkehr: Mag. Zöchmeister, SPÖ. ÖBB-Finanzen, Rechnungswesen: Mag. Lutschinger, SPÖ. – Und weitere SPÖ-Postenbesetzungen gehen hinunter bis zu den Abteilungsleitern. (Abg. Dr. Mertel: Von Ihren Stellenbesetzungen schließen Sie auf andere!)

Und das, meine Damen und Herren, macht man ganz unauffällig von hinten, indem man versucht, die Freiheitlichen zu diffamieren (Abg. Binder: Sie diffamieren die Kollegen!) und über unsere Abgeordneten Gerüchte in den Raum zu stellen; nicht nur Gerüchte über irgendwelche Gagen, die Sie erfunden haben, sondern auch Gerüchte darüber, wo Sie bereits die nächsten Karrieren sehen. – Das ist eine Politik, die untragbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Mertel! Ich habe schon gesagt, ich weiß, es tut weh. Aber ich finde es toll, dass Sie heute in keinem Reisekatalog blättern, sondern dass Sie wirklich einmal der Debatte folgen. (Abg. Dr. Mertel: Ich höre Ihnen ganz aufmerksam zu!) Ich sage ja, Sie blättern heute nicht. Danke! Das finde ich wirklich ganz, ganz toll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schauen wir uns aber noch etwas anderes bei den ÖBB an: Während dem ausführenden Betriebsdienst mit stillschweigender Duldung der Gewerkschaft der Eisenbahner Nebenzeiten gestrichen werden und ein beinharter Einsparungskurs gefahren wird, der das Personal an die absoluten Leistungsgrenzen in der Schichtarbeit bringt, hat die ÖBB-Kommunikation sehr viel Geld, und zwar so viel Geld, um 45 000 Mitarbeiter mit einem neuen Video über die neue Weblinie der ÖBB zu beglücken. Übrigens ganz zufällig auch ein nettes Nebeneinkommen für den Moderator Josef Broukal, der mit großer Begeisterung durch dieses Video führt. (Abg. Dr. Jarolim: Das sollten Sie sich anschauen! Da könnten Sie etwas lernen! – Abg. Dietachmayr: Schämen Sie sich nicht?)

Was auch noch sehr interessant ist, ist überhaupt das rote Netzwerk der ÖBB. Da gibt es eine Firma, die Firma Wellcon. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ich weiß, aber schauen Sie, es hat keinen Sinn, wenn ich noch öfter sage, dass es weh tut. Sie wollen es nicht hören, ich sage es aber trotzdem, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Da gibt es also die Firma Wellcon. Das ist eine Gesellschaft für Prävention und Arbeitsmedizin. Es ist übrigens eine sozialistisch dominierte Organisation, die folgendermaßen aufgeteilt ist: 58 Prozent Eisenbahner-Pensionsversicherung, 34 Prozent ÖBB, 8 Prozent ÖGB.

Und da gibt es einige interessante Fakten. Faktum ist, dass im Zeitraum zwischen 1993 und 2002 zum Vorteil des Unternehmens und mit Zustimmung der im Aufsichtsrat vertretenen Gewerkschaft der Eisenbahner rund 17 000 Mitarbeiter abgebaut wurden. Seit dem Jahre 1993 ist Gewerkschaftsboss Wilhelm Haberzettl Mitglied des Zentralausschusses der GdE. Diese Einsparungen waren möglich, da die Gewerkschaft mit dem Management ein Stillhalteabkommen vereinbarte und andererseits so genannte NPO-Prämien an Führungskräfte verteilt hat. Dabei


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geht es übrigens um Prämien in der Höhe von zwischen 18 000 € und 65 000 €, und das natürlich zusätzlich zum Monatsgehalt. – Ich glaube, es wird also sehr interessant sein, sich mit diesem roten Netzwerk, mit dieser Firma Wellcon ein bisschen genauer zu beschäftigen.

Es sind skandalöse Missstände, die da aufgetreten sind: bei den Frühpensionen bei der Post, bei der Telekom und bei den ÖBB. Kerngesunde Mitarbeiter werden krankheitshalber in Frühpension geschickt. – Ich finde es ja schön, dass Sie jetzt sprachlos sind. Jetzt haben die Fakten Sie überzeugt, meine Damen und Herren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Weil es sich bei diesen Mitarbeitern um Beamte handelt, muss, solange sie aktiv im Dienst sind, natürlich das Unternehmen bezahlen. Aber sobald sie in Pension sind, zahlt das der Steuerzahler über das Budget. Daher hat unsere Vizekanzlerin eine Rechnungshofprüfung in Auftrag gegeben. (Abg. Edler: Sie machen Notstandsunterstützte aus den Leuten!)

Was Sie natürlich auch immer wieder verabsäumen, ist, darüber nachzudenken, dass es hier auch um sehr viele menschliche Schicksale geht. Es gibt die einen, die sehr gerne eine Frühpension in Anspruch nehmen, und dafür habe ich hier noch zwei Beispiele.

Der ÖBB-Bedienstete – der Name ist bekannt – wurde auf Grund eines Gefälligkeitsgutachtens in Frühpension geschickt. Das Gutachten wurde auf Grund seiner Intervention erstellt. Dieser Bedienstete trat erst im Alter von 25 Jahren in den Dienst der ÖBB ein. Sechs Monate vor seiner Pensionierung – man höre und staune! – bekam er noch eine Beförderung, und zwar zum Büroleiter. Diese Funktion übte er jedoch auf Grund seines Dauerkrankenstandes nicht aus, stattdessen bekam er noch eine Bezugszuerkennung der Gehaltsgruppe IXa. – Beispiel Nummer 1.

Beispiel Nummer 2: Ein Mann, der mit 27 Jahren in den Dienst der ÖBB getreten ist, wurde ebenfalls knapp vor seiner Pensionierung in die Gehaltsgruppe VIII befördert. Diese Beförderung hatte zur Folge, dass ihm die Bezüge der Gehaltsgruppe IXa zuerkannt wurden. Kurz nachdem er diese erhalten hatte, ging er in den Dauerkrankenstand. Einige Zeit später verabschiedete er sich in die Frühpension, die derzeit – noch in Schilling – zirka 30 000 S ausmacht.

Es ist auf jeden Fall ein Skandal. Es ist ein Fass ohne Boden, und ich bin sehr froh, dass diese Dinge jetzt in Österreich zu einem Thema geworden sind.

Wie ich vorhin gesagt habe, geht es natürlich auch um die menschlichen Aspekte. Da haben wir zum Beispiel einen Brief von einem Mitarbeiter, der an den Herrn Generaldirektor Dr. Wais geschrieben hat:

Vor etlichen Jahren ließen Sie die Post von einer Beratungsfirma auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüfen. Das Ergebnis war klar und lag auf der Hand: zu viel Personal. Das hätten Sie übrigens auch anders erfahren können. Was war die Folge? Sie haben ein Vorruhestandsmodell eingeführt. Aber Sie beschäftigen sich nicht mit den Mitarbeitern. Mitarbeiter sind es nicht wert, menschlich behandelt zu werden. – Zitatende.

Ein anderer schreibt, er traut sich nicht einmal mehr in den Krankenstand zu gehen, denn da wartet dann ja schon die Anstaltsärztin auf ihn und schickt ihn in den Vorruhestand.

Etwas ist vielleicht auch ganz bezeichnend, meine Damen und Herren, vor allen Dingen meine Damen und Herren von der SPÖ. Das ist nämlich ein Skandal, den Sie hätten aufdecken können. Da haben wir einen Brief von einem Mitarbeiter, und dieser Mitarbeiter hat von diesen Praktiken gewusst und hat seinerzeit auch informiert, und zwar den Herrn Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger – Herr Rudolf Edlinger hat auch geantwortet, allerdings hat es nichts gebracht –, aber er hat auch an Minister Einem geschrieben. Das heißt, das ist ein Skandal, den Sie sehr wohl während Ihrer Regierungstätigkeit hätten aufdecken können, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Unglaublich!)

Aber die Skandale häufen sich ja. Wir haben den Skandal bei der Postgewerkschaft gehabt, wir haben jetzt einen neuen Skandal, und es wird noch sehr lange dauern, bis wir alle Skandale


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aufgearbeitet haben, die in 30 Jahren sozialdemokratischer Regierung passiert sind. (Abg. Dr. Moser: Fangen Sie bei sich selber an! – Abg. Reheis: Gaugg sage ich ja schon gar nicht mehr!)

Frau Kollegin Bures, Sie brauchen nicht zu lächeln. Es ist furchtbar traurig, aber mit unserer Hilfe wird es in Österreich so etwas nicht mehr geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. Maximale Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.10

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Zierler, ich verstehe nicht, dass Sie sich darüber mokieren, dass Herr Broukal in einem Video vorkommt. Ist es die Angst, diesen Auftrag nicht bekommen zu haben? – Ich weiß nicht, warum Sie das hier in diesem Zusammenhang erwähnen. Vergessen Sie bitte nicht, dass das Video im Auftrag der Geschäftsleitung und nicht im Auftrag der Personalvertretung produziert worden ist.

Wir haben es heute mit einer Dringlichen zu tun, einer Dringlichen, die sich mit menschlichen Existenzen im weitesten Sinn des Wortes beschäftigt. Ich meine, es ist wichtig, in diesem Zusammenhang auch ein bisschen die Entwicklung aufzuzeigen.

Diese Koalitionsregierung ist mit der Forderung nach 15 000 Beamten weniger angetreten. Personalabbau bei Bahn, Post und in den öffentlichen Bereichen hat Herr Kukacka erst heute wieder gefordert. Fünf Minuten später beklagt Frau Zierler das. Also wie hätten Sie es denn gerne? Mehr oder weniger Beschäftigte? – Ich sage: Beschäftigte effizient einzusetzen und nicht gegen Beschäftigte zu polemisieren, das muss das Ziel sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Neben diesen beiden Aspekten: Personalabbau in allen der öffentlichen Wirtschaft unterliegenden Bereichen, dies auch auf Ihre Anweisung hin, auf Ihren Druck auf das Management hin. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keiner der Pensionsfälle ist auf Grund eigener Entscheidung zustande gekommen, sondern in jedem Fall war zumindest ein fachärztliches Gutachten und auch ein Amtssachverständiger notwendig. (Abg. Kopf: Nein, eben nicht! – Abg. Dr. Fekter: Nein, das war es ja!) Wenn Sie das beklagen wollen, dann werden Sie ganz konkret. Zeigen Sie diese Fälle auf! Wir werden dazu im Rahmen meiner Rede später noch die Gelegenheit haben.

Frau Vizekanzlerin! Eines muss ich schon feststellen. Sie haben Zahlen zitiert. Wenn ich das noch richtig im Ohr habe: 1999 31 Prozent Frühpensionsfälle, im Jahr 2001 über 70 Prozent Frühpensionsfälle. Wer trägt denn in dieser Zeit die Verantwortung? Die Sozialdemokraten oder diese Bundesregierung? – Ich glaube, das sollte man in diesem Zusammenhang schon noch einmal klar und deutlich darstellen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Was hier stattfindet, ist aus meiner Sicht so: Schuld sind für Sie die Beschäftigten, nicht das Management, nicht die politisch Verantwortlichen. Es ist ja auch bezeichnend, dass zum Beispiel Herr Kukacka auch die Frage des Postbusses angesprochen hat. Seien wir doch konkret: Es gab wieder eine Geheimsitzung! Herr Firlinger hat ein konkretes Konzept dafür ausgearbeitet, wie diese Koalitionsregierung den Postbus öffentlich veräußern will, wie diese Koalitionsregierung den Postbus als Wahlkampfmunition benützen will.

Die beim Postbus Beschäftigten haben ein Recht darauf, zu wissen, was mit ihrem Unternehmen passiert. Fahrgäste, die den Postbus benützen, müssen wissen, wie es weitergeht, und dürfen nicht mit einer so nebulosen Erklärung abgespeist werden, wie sie im Ministerratsbeschluss vorkommt. Seien Sie ehrlich: Es geht Ihnen wieder nur darum, einen Posten zu besetzen, und nicht um die Beschäftigten bei der Post, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Diese Linie setzt sich fort: Sie machen Opfer zu Tätern. Das kann man feststellen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das endet dann in weiterer Folge bei der Konsequenz – und Sie haben es ja auch angesprochen –: Das Pensionssystem ist nicht mehr finanzierbar. (Abg. Gaugg: Nein!) Schaffen wir doch Arbeitsplätze! Schaffen wir Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer, und sagen wir nicht: Zu alt für den Arbeitsmarkt, aber zu jung für die Pension! – Gegen diese Politik muss man auftreten, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Frau Vizekanzlerin! Ich bin beim Nennen von Namen eher vorsichtig, wenn ich dazu nicht befugt bin. (Vizekanzlerin Dr.  Riess-Passer: Ich bin befugt, er hat es mir erlaubt!) Hören Sie mir zu: wenn ich dazu nicht befugt bin! Sie haben aber aus einem Urteil zitiert, das bereits veröffentlicht ist. Ich meine, dass es das wirklich wert wäre, sich diesen Fall in jeder Einzelheit anzusehen, denn es ist – zumindest nach den mir zugegangenen Informationen zum Verwaltungsgerichtshofurteil, soweit das in der Kürze der Zeit möglich war – im Urteil nicht die Ursache der Frühpensionierung kritisiert worden, sondern ein Formfehler hat dazu geführt, dass der Verwaltungsgerichtshof das Urteil aufgehoben hat. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Im selben Urteil steht nämlich auch, dass der Herr, den Sie genannt haben, 180 Krankenstandstage hintereinander hatte, und auch deswegen eine Frühpensionierung angedacht worden ist. (Abg. Dr. Cap: Ein blau-schwarzer Skandal! – Abg. Bures: Skandal! – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Das ist menschenverachtend! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Sie sehen, wie weit man kommen kann, wenn man hier einen Fall zitiert. Das steht im öffentlichen Urteil.

Frau Vizekanzlerin! Ich würde Sie bitten, diesen Fall zum Anlass für einen Untersuchungsausschuss zu nehmen, und damit komme ich zu dem, was ich Ihnen empfehlen würde. Sie machen heute eine Dringliche Anfrage. Was war denn gestern am Abend hier Gegenstand von Debatten? War es nicht Gegenstand von Debatten, dass die Sozialdemokratie einen Antrag eingebracht hat, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen?

Setzen wir einen Untersuchungsausschuss ein, der konkret die objektive Untersuchung gewährleistet, wie es bei diesen Frühpensionierungsaktionen zugeht! Wir wollen die Öffentlichkeit informieren! Wir wollen notwendige Vorschläge machen, damit es nicht zu einer solchen Entwicklung kommt. Untersuchen wir doch gemeinsam! Ein Vorschlag dazu liegt vor, und ich werde das heute auch wieder als Antrag stellen. Untersuchen wir die Ursachen der Frühpensionierungen bei Bahn, Post und Telekom. Wer ist dort wie und wofür zuständig? Machen wir das gemeinsam! Gestern hätten Sie schon die Chance dazu gehabt. Heute erhalten Sie von uns die zweite Chance. Dann wird man sehen, wie Sie hier vorgehen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Untersuchen wir aber auch die Ablöse von Vorständen, von Aufsichtsräten im verstaatlichten Bereich, im staatsnahen Bereich. Dann werden wir sehen, welche Wirkungen das hat. Wenn Sie den Steuerzahler schützen wollen, dann sollten Sie auch bekannt geben, dass 100 Millionen Schilling für die Ablöse dieser Personen notwendig waren. Das war eine Schädigung des Steuerzahlers, weil es nicht notwendig war. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.  – Abg. Mag. Kukacka: Kreiskys Verstaatlichtenpolitik hat uns 100 Milliarden Schilling gekostet! – Abg. Dr. Cap: Ein blau-schwarzer Skandal!)

Das können wir fortsetzen, auch mit dem von Ihnen unter dem Titel "Chance 55" initiierten Frühpensionierungsprogramm. Das ist in Wahrheit menschenverachtend: zu wissen, dass es Menschen gibt, die noch eine Arbeitsleistung erbringen könnten, aber Sie schicken sie in Pension. Und wenn sie sich nicht entscheiden, dann werden sie zwangspensioniert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist nicht die richtige Politik. Machen wir nicht auf dem Rücken der Betroffenen Politik! Treten Sie unserem Antrag bei, dann lösen wir auch das Problem. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Cap: Bravo!)

16.17


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107. Sitzung / Seite 127

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten, 10 Minuten Obergrenze. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Ein blau-schwarzer Frühpensionsskandal ist das! – Ironische Heiterkeit und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Ich habe mehr Vertrauen zum Rechnungshof und zum Gericht!)

16.17

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Vizekanzler! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war vorhin schon die Rede von diesem Versuch, mit dem Ruf "Haltet den Dieb!" davon abzulenken, was wirklich in diesem Fall passiert ist, und Kollege Cap probiert es gerade noch einmal. Lieber Kollege Cap, es wird auch dir nicht gelingen, davon abzulenken, wer wirklich die Schuldigen an diesen skandalösen Vorgängen sind.

Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, und es kommt viel zu häufig vor, dass Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen vor dem Erreichen des Pensionsalters in den Ruhestand treten müssen. Gott sei Dank ist es uns in vielen Fällen in den Betrieben gelungen, die betriebsbedingten Erkrankungen zurückzudrängen, auch die Arbeitsunfälle zurückzudrängen, aber trotzdem gibt es diese Fälle.

Allerdings: Im Bereich des ASVG, auch bei Vertragsbediensteten und bei Beamten des Bundes werden nach ganz klaren Kriterien Untersuchungen von Fachärzten durchgeführt, und zwar oft nicht nur von einem, sondern von mehreren, und erst dann wird die Genehmigung für eine Pensionierung aus gesundheitlichen Gründen erteilt.

Ich selbst war einige Jahre lang Laienrichter an einem Arbeits- und Sozialgericht, und habe selbst mitverfolgen können, wie streng die Richtlinien und die Kriterien waren, die beide Pensionsversicherungsanstalten bei den unselbständig Beschäftigten angelegt haben, und viele mussten sich ihr Recht, in Pension zu gehen, weil sie nicht mehr arbeiten konnten, erst vor Gericht erstreiten.

Was passiert auf der anderen Seite? – Es wird ein System aufgebaut, bestehend aus einem aus der Gewerkschaft und dem Betriebsrat stammenden stellvertretenden Personalchef, und aus Gewerkschaftern, die flächendeckend Leute animieren, sich an diesem System zu beteiligen. Menschen werden mit einem einfachen, handgeschriebenen betriebsärztlichen Attest in Pension geschickt, ohne besondere Qualität, ohne jegliche Überprüfung durch einen Zweiten. Sie werden in einem Ausmaß in Pension geschickt, das dazu führt, dass das durchschnittliche Pensionsalter bei Telekom, Post und ÖBB um die 50 herum zu liegen kommt.

Meine Damen und Herren! Es kann doch nicht möglich sein, und die Einzelfälle, die schon aufgedeckt worden sind, beweisen es auch: Es kann doch nicht sein, dass die Mitarbeiter von Telekom, ÖBB und Post gesundheitlich so viel schlechter dran sind als die Mitarbeiter in der Privatwirtschaft, in der die Bedingungen und die Anforderungen bekanntlich auch keine einfachen sind. Das kann doch wohl nicht sein! Daher sind die bereits bekannten und aufgedeckten Einzelfälle Beweis genug für die Tatsache, dass von einem von roten Gewerkschaftern durchsetzten System der Staat systematisch geschädigt wird durch diese vorzeitigen, in verwerflicher Art vorgenommenen vorzeitigen Pensionierungen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren, ein Zweites: Es gehört zur Normalität des Geschäftslebens, dass es nicht nur neue Unternehmen gibt, die gegründet werden. Es gehört auch zur Normalität, dass ganze Branchen strukturelle Probleme haben, dass dann auch Unternehmen in diesen Branchen strukturelle Probleme haben und dass diese Probleme bewältigt werden müssen. Dazu müssen die Unternehmen der Privatwirtschaft selbst herhalten. Wenn man als Unternehmer Personalabbau betreiben muss und hiebei eventuell Vorruhestandsregelungen und so weiter in Anspruch nehmen will, muss man das selbst bezahlen. (Abg. Öllinger: Und was ist mit der Altersteilzeit?)

Sie haben völlig Recht, Herr Kollege Öllinger: Der Staat hat hier mitgeholfen. Wir haben beschlossen, dass wir Unternehmen in ganz bestimmten Fällen unterstützen. Bei der Altersteilzeit


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und auch bei den Vorruhestandsregelungen mit dem AMS gemeinsam gibt es Regelungen, die hier im Hohen Haus beschlossen worden sind. Sie können legal von jedem Unternehmen in Anspruch genommen werden, und für viele Unternehmen der Privatwirtschaft sind das die einzigen Hilfestellungen, die sie in Anspruch nehmen können, wenn sie Restrukturierungsbedarf haben.

Im gegenständlichen Fall hingegen schaffen sich Unternehmen ihre eigenen Spielregeln. Sie nützen gesetzliche Möglichkeiten aus, indem sie sich von einem Arzt – oft einem Betriebsarzt, der sich in Abhängigkeit befindet – ein Gutachten beschaffen, und schicken Mitarbeiter vorzeitig in Pension.

Diese Möglichkeiten haben die Unternehmen der privaten Wirtschaft nicht. Deren Mitarbeiter werden von den Pensionsversicherungsanstalten zu einer zweiten Untersuchung, zu einer dritten Untersuchung geschickt, vor eine Kommission gestellt. Möglicherweise müssen sie sich ihre Pension aus gesundheitlichen Gründen sogar vor Gericht erstreiten. (Abg. Marizzi: Die Wirtschaftskammer!)  – Die zahlt sich das selber! (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Im gegenständlichen Fall bildet ein von roten Gewerkschaftern durchsetztes Unternehmen an der Legalität vorbei ein System und beutet und nützt uns alle, die Steuerzahler in ganz Österreich, aus, denn all das zahlt der Steuerzahler, der damit belastet wird. Dieses System ist eine bodenlose Frechheit und ist zu verurteilen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Neuerliche Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Frau Vizekanzlerin hat die richtigen Maßnahmen gesetzt, sie hat sie schon genannt. Der Rechnungshof wird eine Sonderprüfung durchführen, und es gibt Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft. Es werden alle Fälle, die vorliegen, neuerlich untersucht und auch Kommissionen zugeführt, und ich meine, es muss verlangt werden, dass auch jene, die zu Unrecht diese Pension in Anspruch nehmen, wieder rückgeführt werden in den Arbeitsprozess. (Beifall der Abg. Dr. Fekter.  – Abg. Öllinger: Jetzt wird es aber zynisch!)

Zu guter Letzt ist sofort ein gleiches System der Überprüfung und Kontrolle im ärztlichen Sinne für die Mitarbeiter solcher Unternehmen zu schaffen, wie es für Bundesbeamte und wie es auch für Mitarbeiter der privaten Wirtschaft gilt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zu gelten hat, meine Damen und Herren: Wenn jemand krank ist in Österreich, und zwar so krank, dass er nicht mehr in der Lage ist, seiner Beschäftigung nachzugehen, dann muss er die Möglichkeit haben, in Pension zu gehen. Aber krank und krank hat dasselbe zu sein. Ein roter Kranker ist kein besserer Kranker – besserer im Sinne von früher pensionierbar – als jemand, der nach dem ASVG oder bei der Beamtenversicherung versichert ist. (Abg. Reheis: Das ist geschmacklos!)

Meine Damen und Herren! Sie von der Sozialdemokratie haben ein System aufgebaut, das uns allen in Österreich, den Steuerzahlern, in einer verwerflichen Art und Weise in die Tasche greift. (Abg. Reheis: Geschmacklos! – Abg. Edler: Machen Sie doch ...!) Sie hätten die Gelegenheit gehabt, das abzuschaffen. Sie haben es nicht getan, Sie haben das System sogar noch begünstigt! Wir, die schwarz-blaue Koalition, wir werden mit diesem System sofort Schluss machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Redezeit gleichfalls 8 Minuten. – Bitte.

16.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn noch ganz kurz auf die Geschäftsordnungsdebatte eingehen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Zur Sache!) Unser Klubobmann hat sich über die Anfragebeantwortung nicht beschwert. Unser Klubobmann hat das begrüßt! Umso be


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fremdlicher, Herr Westenthaler ... (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das zur Sache? Ist das jetzt zur Sache, Herr Präsident? – Abg. Mag. Schweitzer: Zur Sache!)  – Sie werden mich hier nicht korrigieren und mir sagen, was ich zu sagen habe. Dazu sitzen Sie nicht hier! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie sind nicht der Reservehäuptling in diesem Verein! Bei Ihnen, in Ihrem Verein vielleicht, aber da sind Sie es auch nicht mehr lange.

Umso befremdlicher, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es – und das, Frau Vizekanzlerin, ist an Ihre Adresse gerichtet –, wenn eine Kollegin von uns – es handelt sich konkret um Frau Kollegin Moser – eine Anfrage an das Infrastrukturministerium stellt, damals Frau Forstinger, und an den Finanzminister, das ist immer noch Herr Grasser. Beide Anfragen betrafen die sozialen Auswirkungen durch die Umstrukturierung der Telekom Austria. Die Anfragen stammen aus dem Jahr 2001, vom Juli.

Was sagen die beiden Minister? – Sie sagen, das geht uns nichts an, wir sind nicht zuständig, wir waschen unsere Hände in Unschuld. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Die sind auch für den öffentlichen Dienst nicht zuständig, das kann Ihnen nicht entgangen sein, wenn Sie das Bundesministeriengesetz gelesen haben!)

Selbstverständlich gab es die Zuständigkeit auch des Finanzministeriums zu diesem Zeitpunkt auch für die Telekom Austria beziehungsweise für die Beamten in der Telekom Austria, und das wissen Sie auch, weil die in der TAP drinnen waren. Um die geht es ja in der Anfrage, und trotzdem sagt der Finanzminister: Ich bin nicht zuständig. Und auch die Infrastrukturministerin sagt: Ich bin nicht zuständig.

Was sagen Sie uns heute, Frau Vizekanzlerin? – Sie sagen uns heute: Etwas, was Sie seit 15 Monaten gewusst haben, sei ein Skandal. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Was? Das ist ja nicht wahr!)  – Seit 15 Monaten wissen Sie das! Sie haben die Daten dieses Herrn genannt. Seit 15 Monaten sind Sie mit dem Fall befasst und wissen daher, wie das System läuft. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Ein Fall! Ein einziger!)

Frau Vizekanzlerin! Ich zitiere mich nicht gerne selbst, aber Herr Westenthaler hat damals durch eifrige Zwischenrufe geglänzt, während ich auf die Telekom und auf die Situation bei der Telekom hingewiesen habe, und darum mache ich es. Ich habe damals zum Sozialminister – neben ihm saß der Wirtschaftsminister – gesagt:

"Wenn Sie schon den Anwalt der kleinen Postbediensteten, der kleinen Eisenbahner abgeben möchten, dann würde ich Sie genauso wie den Herrn Finanzminister und den Herrn Bundeskanzler ersuchen" – die waren auch dabei –, "eine klare Äußerung gegen das brutale Mobbing, das derzeit im Bereich der Telekom stattfindet, hier zu machen."

Weiters sagte ich in dieser Sitzung: "Tausende Menschen bei der Telekom werden derzeit – durch die Politik Ihrer Bundesregierung verursacht – gemobbt, aus dem Job gemobbt, denen wird von einem Tag auf den anderen der Arbeitsplatz weggenommen, und denen werden Tausende Schilling Zulagen gestrichen. Auch das betrifft Soziales, Herr Westenthaler!" – Zitatende.

Das war die Antwort! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das war im März 2001, und Sie haben alle weggehört, weil Sie weghören wollten, denn damals war der Börsegang der Telekom in Vorbereitung, und deswegen wollten Sie nichts wissen von dem, worüber Sie sich heute beschweren und bei dem Sie so tun, als ob Sie nicht verantwortlich wären.

Selbstverständlich waren Sie verantwortlich! Kollege Verzetnitsch hat schon darauf hingewiesen, dass Sie sich im Jahr 2000 und 2001 damit gebrüstet haben, dass Sie 15 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst einsparen werden, und Sie haben in dem Zusammenhang auch Bahn, Post und Telekom genannt.

Jetzt stellen Sie sich hier heraus und bejammern, dass diese Personen nicht einfach von der Bildfläche verschwunden sind, sondern sich noch erdreistet haben, in Pension zu gehen, genau


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das zu machen, was Sie von ihnen haben wollten, damit der Herr Finanzminister Ruhe hat, denn der wollte ja mit seinen Beamten nichts mehr zu tun haben! – So sieht die Realität in diesem Land aus! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Und dann kommen Sie mit dieser absolut widerlichen, ungustiösen und geschmacklosen Variante von Vernaderung ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Öllinger, ich bitte Sie dringend um eine andere Diktion! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist der Öllinger, der kann sagen, was er will!)

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Gut, ich werde dringend gebeten, mich zurückzunehmen, aber diese Aufforderung, Herr Präsident, war an die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ gerichtet – (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) meine Aufforderung! –, denn wenn Personen, die keine andere Wahl hatten, als irgendwo eine Existenz, eine Geldquelle für sich zu suchen, vernadert werden, wenn sie beschuldigt werden, kriminelle Handlungen gesetzt zu haben, wenn ihnen gesagt wird, dass man von ihnen das Geld zurückholen wird, das sie bisher den Staat gekostet haben, dann ist das wirklich eine Zumutung und verantwortungslos.

Das ist verantwortungslos von einer Bundesregierung, die auf der anderen Seite sagt: "Chance 55", liebe Beamte im öffentlichen Dienst, in den Ministerien, heißt für euch: Entweder ihr nehmt den "golden handshake" des Ministers an, der euch nicht mehr haben will, oder ihr werdet mit Abschlägen in die Frühpension geschickt! – So schaut die Realität aus! "Chance 55" bedeutet, qualifizierte Menschen und Spitzenbeamte werden in Pension geschickt. Und das wird als "Chance 55" verkauft.

Bei den Ministerien ist es gut – und bei der Post, bei der Telekom ist es schlecht? (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Was macht den Unterschied aus?

Frau Bundesministerin! Sind Sie nicht auch verantwortlich für die Job-Börse, die Personen, die damals im öffentlichen Dienst, bei Post und Telekom vor dem Problem standen, was sie tun sollen, von Ihrem Ministerium angeboten wurde, die auf diese Weise in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes Arbeit finden sollten, dann aber im Kreis geschickt wurden, denen teilweise nicht geantwortet wurde, und wenn, dann erst nach einem halben Jahr, wobei sich all die Angebote als null und nichtig herausgestellt haben? Sind Sie nicht auch dafür verantwortlich, dass den Menschen gesagt wurde: Ihr könnt ja, weil ihr Beamte seid, schauen, ob ihr anderswo im öffentlichen Dienst einen Job findet, denn da gibt es die Job-Börse des Bundesministeriums!? Sind Sie dafür verantwortlich – ja oder nein?

Ich habe nämlich auch Briefe. In einem heißt es: Im Frühjahr 2001 habe ich mich bei der Job-Börse des Bundes angemeldet, die das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport betreut. Konkrete Angebote habe ich aber erst Ende 2001 erhalten. Diese haben aber nicht meinem Beruf entsprochen, deshalb habe ich Mitte 2001 selbst die Initiative ergriffen. Ein guter Freund hat mir einen Kontakt zur Staatlichen Versuchsanstalt für Elektrotechnik und Elektronik hergestellt. Der Abteilungsleiter hätte mich sofort aufgenommen, leider will aber das Wissenschaftsministerium die freien Planstellen nicht nachbesetzen, sondern einsparen. – Zitatende.

Das wissen Sie, und trotzdem werden die Leute herumgeschickt! Die Leute würden gebraucht – selbstverständlich auch in anderen Ministerien und anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes –, aber sie werden nicht genommen, weil dort dasselbe gilt wie für Bahn, Post und Telekom und weil Sie für die Ministerien dasselbe politisch zu verantworten haben wie für Bahn, Post und Telekom.

Meine Damen und Herren! Ich weiß es noch, ich habe damals mit etlichen Telekom-MitarbeiterInnen gesprochen. Denen ist das Wasser bis zum Hals gestanden! Gehaltskürzung: minus 40 Prozent, weil das zum Großteil technisch qualifizierte Personen waren; Gehaltskürzung deshalb, weil sie von einem Tag auf den anderen von ihrem Unternehmen nach Hause geschickt worden sind. Das ist die Realität!


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Die Alternative für diese Personen war nur, eine Frühpensionierungsregelung in Anspruch zu nehmen oder sich zu ängstigen und darauf zu warten, dass diese Bundesregierung, was man ja vermuten konnte, irgendwann die Regelungen, die es für Beamte gibt, den Schutz, den das Beamtendienstrecht auch diesen Personen bietet, aufhebt. Diese Personen hatten schlicht und einfach Angst! Dort gab es auf der anderen Seite schlicht und einfach Mobbing, dem Sie zugesehen haben und niemand anderer (Ruf bei den Freiheitlichen: Von wem redest du denn?)  – ausgenommen vielleicht die Unternehmensleitungen, die das aktiv betrieben haben.

Das liegt in Ihrer Verantwortung! In Ihrer Zeit ist die Zahl dieser Frühpensionierungen so sehr explodiert. Sie haben zwei Jahre lang zugesehen, und jetzt wollen Sie diese Leute dafür strafen? Jetzt wollen Sie wirklich die, die schon zum Handkuss gekommen sind, indem ihnen der Arbeitsplatz genommen wurde, auch noch bestrafen, indem Sie ihnen androhen, dass Sie sie wieder zurück auf einen Arbeitsplatz schicken, den es gar nicht gibt, im öffentlichen Dienst genauso wenig gibt wie bei Post, Telekom und Bahn? – Das ist Ihre Politik!

Sie sollten sich wirklich eines Besseren besinnen und sich schämen, dass Sie es wagen, diese Leute jetzt noch vorzuführen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten? (Abg. Mag. Schweitzer: Nein!) – Also bleiben wir bei 10 Minuten.

16.36

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Das, was mich überrascht, ist, dass Kollege Öllinger hier zum Rednerpult geht und sich überhaupt nicht mit den Ursachen des Problems beschäftigt, vor dem wir heute stehen – oder nicht beschäftigen will! Das, was mich so ärgert und wahrscheinlich auch sehr viele Leute auf der Galerie ärgern wird, ist die Tatsache, dass uns der Stimmenkauf und die Versorgungspolitik dieser sozialdemokratischen Fraktion seit Jahrzehnten enorm viel Steuergeld kostet, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das kostet uns deshalb enorm viel Steuergeld, weil es diese SPÖ nie geschafft hat, die Zustimmung der Leute damit zu gewinnen, dass sie vernünftige Politik macht, sondern nur dadurch, dass sie sich diese Zustimmung erkauft hat mit all ihren Einflussnahmen: zuerst in den verstaatlichten Betrieben, wo unfähige Manager jahrzehntelang Defizite schrieben, die jetzt von allen zu bezahlen sind, wofür jeder Steuerzahler zur Kasse gebeten wurde.

Man musste diese Betriebe dann privatisieren und sehr, sehr viele sozialdemokratische Freunde, die viel zu hoch eingestuft waren und viel zu hoch bezahlt wurden, dann auch mit sehr hohen Pensionen und Abfertigungen weitererhalten – wieder zu bezahlen von den Steuerzahlern, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das nimmt kein Ende und findet einen neuen Höhepunkt in dem schlicht und einfach als Skandal zu bezeichnenden Umstand, der heute diskutiert wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie das bei den ÖBB funktioniert (Zwischenruf des Abg. Edler ), wo du wahrscheinlich als Lokführer auch nicht qualifiziert bist, aber trotzdem enorm kassierst, sieht man anhand dieses Beispiels, Herr Kollege Edlinger, "besonders verdienter" Lokführer bei den ÖBB (Abg. Edler: Der Edlinger ist nicht hier!): Während das Personal immer weniger wird (der Redner hält eine Graphik in die Höhe), steigt auf Grund der Tatsache, dass Sie dort Günstlinge haben, der Personalaufwand ins Unermessliche. So etwas gibt es in keinem vernünftig geführten Unternehmen. Aber dort, wo die Sozialdemokratie die Grundlagen geschaffen hat, ist das möglich. Das Personal wird immer weniger, aber der Aufwand steigt, weil Sie Ihre Günstlinge dort versorgen – und das seit Jahrzehnten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Dass es sich um Günstlinge handelt, zeigen eindeutig die Wahlergebnisse. (Abg. Edler: Das ist der große Frust der FPÖ!) Dort, wo Sie die Finger drinnen haben, ist nur Rot drinnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ!


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Das letzte Ergebnis der Personalvertretungswahl bei den ÖBB: FSG: 89,74 Prozent – kommunistische Zustände, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Teuer erkaufte, kommunistische Zustände – zu bezahlen von allen Österreichern und Österreicherinnen. Das ist das, was mich an dieser Debatte so besonders ärgert: Wir müssen all das ausbaden, was Sie uns mit verantwortungsloser und ahnungsloser Politik über Jahrzehnte eingebrockt haben!

Und dann gibt es Dinge, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei denen einem wirklich der Ärger hochkommt und die geradezu unglaublich sind: Da gibt es eine Ärztin, die Leute einfach nach Bedarf krankschreibt.

Ich habe von einem ehrlichen Steuerzahler, so schreibt er, SPÖ-Funktionär aus 1010 Wien – ich werde Ihnen nicht sagen, wie er heißt –, folgenden Brief bekommen (Zwischenruf des Abg. Edler – Sie können nachher den Namen von mir haben, Herr Kollege Edlinger –:

Der ÖBB-Bedienstete Reinhard H., Jahrgang 1949, wurde acht Monate vor seiner Frühpensionierung noch zum Büroleiter befördert – für diese Beförderung hat er keine Qualifikation mitgebracht –, nur damit er in die Gehaltsgruppe IXa kommt. Sobald er diese Gehaltsgruppe dann erreicht hat, wird er mit 83 Prozent des Letztbezuges in Pension geschickt.

Das Gleiche gilt für einen ÖBB-Bediensteten namens Manfred Z. Beide wurden mit Hilfe eines Gutachtens einer Ärztin aus Scheibbs in Frühpension geschickt.

Herr Kollege Edlinger! (Abg. Edler: Edler!) Name, Adresse und Telefonnummer von allen Betroffenen können Sie bei mir abholen, um selbst nachzuprüfen, ob das so stimmt, wie ich es sage. Ich habe hier die Auszüge aus dem Herold-Telefonbuch CD1/2001. (Abg. Öllinger: Der vernadert!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn jemand bei diesen Praktiken gar nicht mitmachen will (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap ), dann bekommt er größte Schwierigkeiten.

Kollege Cap! Ein Postbediensteter aus dem Burgenland, 46 Jahre alt, hat seinen Urlaub seit 1999 zur Gänze offen. Er möchte auf Urlaub gehen, bekommt aber keinen Urlaub. Er sucht mit Hilfe eines eingeschriebenen Briefes um Urlaub an und wird auf Grund dieses Briefes zur Vertrauensärztin der Post nach Wien bestellt. Er fragt: Warum soll ich zu Ihnen kommen, wenn ich Urlaub haben möchte? – Die Vertrauensärztin erklärt ihm, er habe ein Rückenleiden, er brauche den Urlaub nicht, er könne sofort in Pension gehen. (Abg. Dr. Khol: Stell dir vor!)

Der Postbedienstete sagt: Ich habe kein Rückenleiden, ich möchte Urlaub nehmen und dann weiterarbeiten! – Das geht nicht, teilt man ihm mit, er habe ein Rückenleiden, er könne nicht mehr arbeiten. Er bekommt also zwar keinen Urlaub, kann aber sofort in den Krankenstand und in Frühpension gehen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist ein Wahnsinn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch diese Daten liegen auf (Abg. Mag. Kogler: Woher kommt denn das?), wir werden das untersuchen und sehen, dass all das, was sich jetzt an solchen Fällen ereignet hat, das Ergebnis einer Saat von 30 Jahren uneingeschränkter sozialdemokratischer Herrschaft in diesem Lande ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und das tut mir so weh, dass wir das alles auszubaden haben und alle mitzahlen müssen, weil Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, keine Ahnung vom Regieren und vom Wirtschaften haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Zur Geschäftsbehandlung! – Abg. Ing. Westenthaler: Nicht schon wieder!)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Cap. – Bitte.

16.43

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Ich fordere zum Schutz der österreichischen Wählerinnen und Wähler einen Ordnungsruf (Abg. Ing. Westenthaler: Zur Geschäftsordnung!), denn "Stimmenkauf" bedeutet, dass seitens der FPÖ und


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des Abgeordneten Schweitzer unterstellt wird, dass österreichische Wählerinnen und Wähler käuflich sind. (Abg. Mag. Schweitzer: Ich unterstelle Ihnen das, nicht den Wählern!) Diese sind, weil sie der Souverän sind, der uns wählt, hier im Haus zu verteidigen. (Abg. Dr. Khol: Das ist eine Wortmeldung!) Ich fordere daher einen Ordnungsruf, denn das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ.)

16.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Westenthaler.

16.43

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Einmal mehr hat Kollege Cap bei den Ausführungen nicht zugehört. Das dürfte daran liegen, dass er sich so intensiv mit seiner Bundesgeschäftsführerin über die nächsten Jobaussichten unterhalten hat, weshalb sie nicht aufgepasst haben. Herr Kollege Schweitzer hat mit "Stimmenkauf" nämlich gemeint, dass Sie das tun und nicht die Bürger (Abg. Gradwohl: Dann müssen sie käuflich sein!), und damit hat er Recht, und das hat er auch belegt.

Im Übrigen fordere ich auch einen Ordnungsruf, Herr Präsident Fischer! Ich habe diesen Ordnungsruf gestern schon einmal gefordert, und zwar für Herrn Abgeordneten Edlinger, der gestern hier herüber gerufen hat: Sie haben ja einen Vogel! – Ich erwarte von Ihnen, dass Sie jetzt endlich auch bei den Ordnungsrufen gleiches Maß anwenden, und fordere daher für Herrn Edlinger einen Ordnungsruf, auch wenn es schon gestern war. Ich lasse es nicht zu, dass bei Ordnungsrufen mit zweierlei Maß gemessen wird. (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. ) Sie wissen genau, dass die Äußerung des Herrn Edlinger ordnungsrufwürdig war. Ich ersuche Sie, Ihres Amtes zu walten, Herr Präsident. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Habt ihr gestern nicht aufgepasst? – Zwischenruf des Abg. Gradwohl.  – Abg. Dietachmayr: Sie waren leider nicht da, Herr Westenthaler! Sie hätten aufpassen sollen!)

16.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Herrn Klubobmann Westenthaler auf die Paragraphen 102 bis 104 der Geschäftsordnung aufmerksam machen. Er wird dann feststellen, dass das Erteilen oder das Verlangen eines Ordnungsrufes nur während der Sitzung oder am Beginn der nächsten Sitzung möglich ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Dann tun Sie das! – Abg. Mag. Kogler: Das ist ja schon vorbei!)

Dieser Zeitpunkt ist verstrichen. Ihr Verlangen, Herr Abgeordneter, ist daher nicht erfüllbar. (Abg. Ing. Westenthaler: Deshalb gibt es keinen Ordnungsruf! Das ist ungeheuerlich! Das ist unglaublich!)

Ich möchte Ihnen aber Folgendes sagen, meine Damen und Herren: Herr Abgeordneter Westenthaler hat gestern von mir eine Entscheidung über einen Ordnungsruf verlangt, war aber dann am Beginn meiner Vorsitzübernahme, als ich frühestens zu diesem Verlangen Stellung nehmen konnte, nicht im Sitzungssaal. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben aber keinen Ordnungsruf erteilt!)

Ich habe am Beginn meiner Vorsitzführung – ich bitte Sie, sich das jetzt anzuhören, weil Sie das jetzt noch einmal relevieren –, um 21.03 Uhr, hier im Hohen Haus Folgendes ausgeführt:

"Meine Damen und Herren! Am Ende meines vorhergehenden Vorsitzes bin ich von Abgeordnetem Westenthaler gebeten worden, eine bestimmte Passage im Stenographischen Protokoll zu prüfen" – hinsichtlich eines Ordnungsrufes –, "und dann bin ich auch von Abgeordnetem Verzetnitsch ersucht worden, eine Passage zu prüfen." (Abg. Ing. Westenthaler: Lesen Sie das vor, die Passage!)

Weiters habe ich gesagt: "Ich habe das getan und habe festgestellt, dass Abgeordneter Mag. Schweitzer während der Rede des Kollegen Verzetnitsch an dessen Adresse gesagt hat: ‚Ihr seid eine hinige Partie!‘" (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Die Wahrheit!)


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107. Sitzung / Seite 134

Zitat aus dem Stenographischen Protokoll: "Weiters hat Abgeordneter Schweitzer Abgeordnetem Edlinger vorgeworfen, er wäre an einer Aktion beteiligt gewesen, die zum Tode eines Menschen geführt hat. Einen ähnlichen Zwischenruf hat kurze Zeit später auch Abgeordneter Westenthaler gemacht" (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler ), "und Abgeordneter Edlinger hat nach dem Wortlaut des Stenographischen Protokolls geantwortet: ‚Haben Sie einen Vogel?‘" (Abg. Ing.  Westenthaler: Na, das habe ich gerade gesagt!)

Weiter habe ich gesagt: "Wahrscheinlich wird es unterschiedliche Meinungen darüber geben, wie der Ausdruck des Kollegen Schweitzer im Zusammenhang mit dem tragischen Tod, dem Selbstmord des Bankiers Praschak zu beurteilen ist. – Ich glaube aber, dass jedes Mitglied des Hohen Hauses, wenn man ihm den Vorwurf machen würde, eine Aktion gesetzt zu haben, die zum Tod eines Menschen geführt hat, sehr betroffen ... wäre." (Abg. Ing. Westenthaler: Das war der Postenschacher! Der rote Postenschacher hat zum Tod des Praschak geführt! – Abg. Dietachmayr: Passen Sie wenigstens jetzt auf!)

Ich zitiere weiter aus dem Stenographischen Protokoll der gestrigen Sitzung: "Ich werde jetzt aber nicht den einfachen Weg gehen und Ordnungsrufe nach links und nach rechts erteilen und es dann Ihnen überlassen, ob Sie das für ausgewogen und gerecht finden. Ich möchte es anders versuchen. Ich würde Kollegen Schweitzer bitten, der in diesem Zusammenhang zwei Mal auffällt, sich in seiner Ausdrucksweise so zu verhalten, dass wir keine Probleme haben! – Kollegen Edlinger und jedes andere Mitglied des Hohen Hauses möchte ich bitten, selbst wenn Sie sich sehr tief verletzt oder ungerecht angegriffen fühlen, dennoch in der Wortwahl bestimmte Grenzen nicht zu überschreiten!" (Abg. Ing. Westenthaler: Aber ich kriege einen Ordnungsruf!)

"So sehe ich das, und ich bitte Sie, das als Bemühen zu verstehen, mit dieser Sache ordentlich umzugehen." – Zitatende.

Herr Abgeordneter Auer hat dann folgenden Zwischenruf gemacht, für den ich mich bedanke: "Ein souveräner Präsident!" (Abg. Ing. Westenthaler: Da hat er den Klestil gemeint!)

Damit war die Sache für mich entschieden. Ich habe Ihrem Wunsch und dem Wunsch des Kollegen Verzetnitsch entsprochen: Ich habe die Sache geprüft, ich habe innerhalb der geschäftsordnungsmäßigen Frist dazu Stellung genommen, ich habe diese Stellungnahme mit gutem Gewissen vor dem Hohen Hause abgegeben, und ich kann dem Verlangen, am nächsten Tag noch einmal auf die Sache zurückzukommen, unter Einhaltung der Geschäftsordnung nicht entsprechen. (Abg. Ing. Westenthaler: Weil es ein sozialistischer Abgeordneter ist, eh ganz klar! – Abg. Dietachmayr: Das ist unerträglich! Diese Zwischenrufe sind unerträglich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ –: Ihr seid eine hinige Partie, eine hinige Partei!)

Ich bitte um Ruhe, meine Damen und Herren, ich bin immer noch am Wort!

Bezüglich des Verlangens des Kollegen Cap wegen des Wortes "Stimmenkauf" habe ich auch kurz überlegt, wie ich dazu Stellung nehmen soll. Ich habe mir aber dann gedacht, wenn ich es nicht streng auslege (Abg. Ing. Westenthaler: Dann stimmt es eigentlich!), dann war gemeint, dass hier politische Leistungen erbracht wurden, die eine positive Wählerentscheidung bewirken sollten. (Abg. Mag. Schweitzer: So elegant habe ich das nicht sagen können! – Ruf bei der SPÖ: Wann bist du jemals elegant?)

Ich wollte Herrn Kollegen Schweitzer nicht unterstellen, dass er finanzielle Zuwendungen als Gegenleistung für die Stimmabgabe gemeint hat. Aus diesem Grunde habe ich hier keinen Ordnungsruf erteilt und bleibe auch dabei. (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Slalomweltmeister wäre neidig!)

Kollege Einem hatte sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet, hat diese aber inzwischen wieder zurückgezogen.


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Als Nächste gelangt daher Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dr. Cap –: Josef, er hat das elegant gesagt mit dem Stimmenkauf! Ich nehme das zurück mit der hinigen Partie! – Abg. Ing. Westenthaler: Mit "Präsident" hat er nicht ihn gemeint!)

16.49

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei dem Getöse der letzten Stunde verliert man fast aus den Augen, worum es eigentlich geht. Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass es um Leute geht, die massiv unter Druck gesetzt und in die Frühpension geschickt werden (Abg. Böhacker: Unter Druck gesetzt?)  – ja, offenbar, es besteht zumindest der Verdacht (Abg. Ing. Westenthaler: Sind Sie auch unter Druck gesetzt worden?)  – oder ihren Job verlieren und nicht wissen, wie sie ihre Existenzsicherung weiter bestreiten sollen, dann muss man sagen: Es gibt in der Tat sehr viel, das aufklärungswürdig ist!

Meine Damen und Herren! Wenn etwas aufklärungsbedürftig ist, dann bitte ich auch, tatsächlich alle Dimensionen zu berücksichtigen. Eine ganz wesentliche Dimension habe ich bisher vermisst, vor allem in der Stellungnahme der Frau Vizekanzlerin, nämlich das Faktum der politischen Verantwortung. Wer trägt denn die politische Verantwortung für die Vorgänge, über die wir heute diskutieren müssen? (Rufe bei den Freiheitlichen: Die Sozialdemokraten!)

Wenn die Kollegen von der Freiheitlichen Partei davon sprechen, dass irgendwelche Leute erwischt worden sind, dann sind offensichtlich durch diesen blau-schwarzen Skandal die eigenen Leute erwischt worden, der eigene Verkehrsminister und der eigene Finanzminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch Sie müssen erkennen ... (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt weiß ich, warum Sie zurückgezogen wurden von der Partei!)  – Nein, die Freude, mich zurückzuziehen, macht Ihnen meine Partei nicht, Herr Klubobmann Westenthaler! (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt wissen wir, warum Sie schon zurückgezogen wurden von der eigenen Partei! – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Das sollte Ihnen peinlich sein, dass Sie keine Ahnung von den österreichischen Gesetzen haben!) – Das alles habe ich mit "Getöse" gemeint, und Sie bestätigen das jetzt. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Aber es sollte Ihnen peinlich sein, dass Sie die Gesetze nicht kennen!) Es geht Ihnen offensichtlich leider überhaupt nicht um die Sache.

Sie müssen erkennen – auch Sie –, dass es endlich Zeit ist, einmal vor der eigenen Tür zu kehren, denn Sie sitzen nicht erst seit wenigen Tagen, wenigen Wochen auf der Regierungsbank, sondern mittlerweile seit zweieinhalb Jahren. (Abg. Böhacker: Gott sei Dank!) Und wenn wir uns ansehen, seit wann diese Vorgänge passieren (Abg. Ing. Westenthaler: Das wird noch viel länger dauern!), dann muss man sagen, das fällt ganz genau in Ihre Regierungsperiode. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei und von der ÖVP! Es ist Ihr eigener Scherbenhaufen, vor dem Sie heute stehen und den wir hier diskutieren müssen und aufzuarbeiten versuchen.

Es zieht sich wie ein blau-schwarzer Faden durch Ihre Politik, dass Sie hoch motivierte, hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Druck setzen und in die Pension drängen. Das ist aber nicht der einzige Bereich, den wir heute diskutieren. Zuerst war das Management im Bereich der öffentlichen Wirtschaft dran, und das haben Sie sich sehr viel kosten lassen. Zwischen 250 und 300 Millionen Schilling war es Ihnen wert, Leute, die bestens qualifiziert sind, hoch motiviert waren, erfolgreiche Manager zu entfernen (Zwischenruf des Abg. Böhacker ), weil sie noch vor Ihrer Regierungszeit eingesetzt worden sind. Das war das einzige Argument. Es gibt kein anderes, und das war eine brutale und teure Ablöse dieser erfolgreichen Manager. (Beifall bei der SPÖ.)

Im zweiten Schritt geraten jetzt die Beschäftigten in diesen Bereichen unter Druck, und zwar durch Personalabbaumaßnahmen und offensichtlich durch den Druck, in Frühpension geschickt zu werden, weil der Personalabbau auch diese Auswirkung hat. Das ist in der Tat etwas, was


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man nicht hinnehmen kann, und es ist beschämend, dass Sie das heute auch noch auf die Betroffenen und auf die Personalvertreter abwälzen und sich vor der politischen Verantwortung drücken. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch bei den Beamten zieht sich dieser blau-schwarze, brutale Faden durch, indem Sie Beamte, hoch qualifizierte, motivierte Beamte mit 55 Jahren in Pension schicken. Das ist Ihnen 80 Prozent des Bezugs wert, auch das ist teuer. Es geht dabei auch darum, unliebsame Leute los zu werden. Der blau-schwarze Faden, Leute unter Druck zu setzen und wegzubekommen, ist Ihnen sehr viel Geld wert. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt hören Sie aber auf, sonst müssen wir wieder über die Kontrollbankchefs reden! – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Herr Kollege Schweitzer! Dieses durchschaubare, sehr bedauerliche Spektakel, das Sie heute hier abziehen, wird offensichtlich von Ihnen als Ablenkungsmanöver benötigt, um von den Führungsschwächen der Frau Vizekanzlerin in der eigenen Partei abzulenken. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das sagen gerade Sie ?!)

Offensichtlich soll davon abgelenkt werden, dass die Frau Vizekanzlerin es nicht schafft, den von ihr geforderten Mandatsverzicht des Kollegen Gaugg durchzusetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Hat Bures schon übernommen?) Sie wissen, Kollege Gaugg ist derjenige, der das Butterbrot auf beiden Seiten beschmiert und über 200 000 € Gehalt verhandelt. (Zwischenbemerkung von Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer.  – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Besser als ein "Kühlschrank"!)

Vielleicht stellen Sie nach dem gleichen Muster die nächste Dringliche an Minister Strasser, um zu klären, warum im Innenministerium politisch gesäubert wurde und nur mehr Leute mit ÖAAB-Mitgliedschaft übrig geblieben sind. (Abg. Ing. Westenthaler: Kampfmaßnahmen!) Dann werden Sie wieder schreien: Haltet den Dieb! – Und die Frage ist: Wer wird diesmal schuld sein? (Abg. Ing. Westenthaler: Frau Kuntzl ist schon abserviert vom "Kühlschrank"!) – Die Antwort liegt auf der Hand: Es wird wieder die Opposition schuld sein. Wie Sie das einfädeln, weiß ich noch nicht, aber dass Sie es machen werden, ist leicht vorhersehbar. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Frau Kuntzl ist vom "Kühlschrank" schon vereist!)

Oder vielleicht stellen Sie eine Dringliche an den Gesundheitsminister dahin gehend, warum die Leute so viel in den Ambulanzen zahlen müssen, oder an den Wirtschaftsminister, warum nicht mehr Geld in die aktive Arbeitsmarktpolitik investiert wird und warum die Arbeitslosigkeit steigt.

Sie werden wieder versuchen, sich in allen Bereichen vor der Verantwortung zu drücken und die Verantwortung für Ihre Politik anderen in die Schuhe zu schieben. (Abg. Zierler: Wer drückt sich wo vor der Verantwortung?) Dass dieses bedauerliche Spektakel nicht einmal die Kollegen der ÖVP interessiert, darauf möchte ich Sie nur hinweisen. (Abg. Zierler: So viele offene Fragen!) Ihre Dringliche interessiert nicht einmal Ihre Kollegen von der ÖVP, aber es ist ja wirklich ein bedauerliches, sehr durchschaubares Spektakel. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie können ruhig noch länger reden!)

Wenn es Ihnen tatsächlich um Aufklärung geht, wenn es Ihnen tatsächlich um mehr geht, als Einzelfälle herauszuziehen, noch dazu mit Halbwahrheiten, dann stimmen Sie der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu, die wir beantragt haben. (Zwischenbemerkung von Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. ) Wenn Sie nichts zu verbergen haben, machen wir den Untersuchungsausschuss, denn wir wollen nicht nur einen Fall oder zwei Fälle klären, sondern wir wollen das System aufdecken.

Stimmen Sie der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu, oder es besteht der begründete Verdacht, dass Sie Butter am Kopf haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.57


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Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass die Abgeordneten Dr. Cap und Fraktion gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung schriftlich beantragt haben, einen Untersuchungsausschuss zur Überprüfung erstens der Frühpensionierungen im Bereich der Bahn, Post und Telekom, zweitens der Ablöse von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern in der öffentlichen Wirtschaft des Bundes, drittens des Vorruhestandes mit 55 Jahren im öffentlichen Dienst, die so genannte "Chance 55", viertens anderer Funktionsveränderungen im Bereich des Bundes, zum Beispiel im Bereich der Sozialversicherung, seit Feber 2000 auf Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit sowie Gesetzmäßigkeit und auf Feststellung der politischen und rechtlichen Verantwortlichkeit dafür einzusetzen.

Nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung der heutigen Sitzung statt. Eine Debatte zu diesem Untersuchungsausschuss ist nicht vorgesehen.

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jakob Auer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Kogler: Von der ÖVP ist jeder Zweite oder Dritte weg, obwohl der Klubobmann ständig agitiert! – Ruf: Wo ist die ÖVP? – Rufe bei den Freiheitlichen: Wo ist Gusenbauer? – Abg. Ing. Westenthaler: Kollege Cap möchte sich gerne zur Geschäftsordnung melden! – Abg. Böhacker: Wo ist der "Kühlschrank"? – Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist der "Kühlschrank"?)

Ich kann alle gestellten Fragen, wer wo ist, nicht beantworten, aber ich kann Kollegen Auer bitten, mit seiner Rede zu beginnen.

16.59

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz kurz zu meiner Vorrednerin: Ich brauche die Frau Vizekanzlerin nicht zu verteidigen. Sie haben ihr unterstellt, dass sie "Führungsschwäche" zeigen würde. – Man kann ihr manches unterstellen, aber Führungsschwäche mit Sicherheit nicht, um das einmal klarzustellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweitens: Meine Damen und Herren! Sowohl Herr Kollege Verzetnitsch als auch meine Vorrednerin haben auf den Antrag Cap betreffend Untersuchungsausschuss Bezug genommen. Ich sage klipp und klar, meine Damen und Herren: Wir warten den Rechnungshofbericht, die Gerichtsurteile ab, dann wird es ein objektives Faktengerüst geben, und dann werden wir Sie einladen, mitzugehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Dritten: Es ist schon bemerkenswert, dass meine Vorrednerin Kuntzl die kühne Behauptung aufgestellt hat, dass man den eigenen Verkehrsminister "erwischt" hätte. Meine Damen und Herren! Sie wissen offensichtlich nicht einmal mehr, wann Bundesminister Reichhold angelobt wurde: Es war dies Mitte März, am 20. März hat er sich hier im Plenum vorgestellt. Die Dinge, die heute zur Sprache kommen, sind aber etwas früher passiert, nämlich lange vor dieser Angelobung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kräuter: Die Verkehrsminister wechseln ja alle sechs Monate!)

Für die SPÖ sei ein Interview – das ist durchaus interessant – vom 18. April dieses Jahres in der "Kleinen Zeitung" erwähnt. Dr. Hannes Androsch – er ist ja in der SPÖ kein Unbekannter, er war immerhin Vizekanzler, er war Finanzminister, er ist heute ein erfolgreicher Unternehmer – wurde von einem Reporter der "Kleinen Zeitung" Folgendes gefragt:

"Herr Doktor Androsch, haben Sie das Sozialstaat-Volksbegehren unterschrieben?" – Androsch sagt daraufhin – ich zitiere –: "Ich habe es nicht unterschrieben. Ich halte nichts davon, Wünsche in die Verfassung zu schreiben, wenn man nicht gleichzeitig auch dazuschreiben kann,


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wie die Wünsche erfüllt werden können. Ich erinnere daran, dass wir von den 50er-Jahren herauf fast eine Verdoppelung der Sozialquote erreicht haben."

Weiters sagte Androsch in diesem Interview: "Wir haben aber auch die Verantwortung, den Sozialstaat finanzierbar zu erhalten: Jeder vierte Österreicher ist schon ein Pensionist, wir haben Frühpensionen in gigantischem Ausmaß." 

Meine Damen und Herren! Wusste Androsch vielleicht schon von diesen Vorgängen, kannte er die Ausmaße dieser Vorgänge bei der Telekom, den ÖBB und in anderen Bereichen?

Meine Damen und Herren! Es gibt aber noch etwas: Interessant ist die Überschrift des Interviews mit Hannes Androsch: ,"SPÖ war am Golfplatz, aber nicht bei den Menschen ...‘" – Meine Damen und Herren! Die SPÖ war am Golfplatz – und nicht bei den Menschen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist schon eine massive Kritik des ehemals zweitmächtigsten Mannes der SPÖ. Wahrscheinlich kennt er die internen Vorgänge ganz genau.

Hannes Androsch meinte weiters: "Wenn man die Aufgaben eines Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers beim Golfspielen im Ausland mit dem Privatjet wahrnimmt, anstatt bei den Menschen zu sein, dann verliert man den Kontakt zu den Menschen. Das ist passiert!" – Das sagt wohl alles. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Aber vielleicht schreibt ihm jetzt Kollege Cap, dass er zu wenig Charisma gehabt hätte, so wie Dr. Zilk. (Abg. Edler: Hast du nichts anderes?)

Meine Damen und Herren! Der eine Bundeskanzler der SPÖ ist in der Sonne am Golfplatz vergangen, der heutige Bundesvorsitzende ist der "wandelnde Kühlschrank" – auch ein Zitat eines SPÖ-Abgeordneten. Jetzt kann man sich die Mitte aussuchen, ich weiß nicht, was dabei herauskommen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Sache mit den obskuren Frühpensionierungen, die heute hier debattiert wird, ist tatsächlich hinterfragenswert. Es ist hinterfragenswert, was bei den ÖBB, in der Telekom, in der Post, die so quasi als Pensionsselbstbedienungsladen angesehen wurden, passiert ist. Wo bleibt die objektive, für alle gleiche Untersuchung, meine Damen und Herren? – Das ist dringend zu hinterfragen.

Meine Damen und Herren! Es kann wohl nicht sein, dass derjenige oder diejenige, weil er oder sie zum Dienstgeber, zum Betriebsarzt, zur Gewerkschaft oder zum Betriebsrat selbst einen besonderen Zugang hat, einfach die Frühpension erhält. Wie kommen denn die anderen dazu, die arbeiten müssen, die den Betrieb aufrechterhalten müssen? – Es gibt auch in diesen Unternehmen sehr viele, die täglich gute Leistungen erbringen. Das ist die Frage, die zu stellen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist schon bemerkenswert – das mussten wir heute vernehmen –, dass innerhalb weniger Jahre das Pensionsantrittsalter von im Schnitt 56 auf 48,2 Jahre gesunken ist, das sind immerhin sieben Jahre. Meine Damen und Herren! Das ist hinterfragenswert. Wenn diese Unternehmen so weitermachen, dann könnte es unter Umständen passieren (Zwischenrufe bei der SPÖ), dass sie ihre Leute, bevor sie zu arbeiten beginnen, schon in Pension schicken. Das ist unzumutbar, das sei klargestellt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Im Handbuch der Sozialversicherung, österreichweit, aus dem Jahr 2002 steht Folgendes: Die Zuerkennung der Pensionsart, nämlich der besonderen Pension, Invaliditäts-, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitspension, unterliegt strengen Kriterien. Ausschlaggebend sind Sachverständigengutachten von Ärzten. – Daher frage ich mich: Wo waren diese Ärzte, diese Betriebsärzte, haben sie objektiv untersucht? Haben sie einem Druck von der Betriebsleitung nachgeben müssen? (Abg. Reheis: Von der Bundesregierung!)


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Meine Damen und Herren! Ich möchte nichts unterstellen, aber hinterfragenswert ist diese Vorgangsweise schon. Es ist unzumutbar, dass der eine und die andere, obwohl sie 58, 59, 60 Jahre oder älter sind, keine Chance auf eine Pension haben, obwohl sie ihr Lebtag ehrlich, offen und leistungsfähig gearbeitet haben, und andere suchen es sich aus, gehen mit 30, 40, 45 oder 50 Jahren in Pension. (Abg. Öllinger: Sie haben es sich nicht ausgesucht!) Wenn die Mitarbeiter im Schnitt mit 48,2 Jahren – im Schnitt! – in Pension gehen, dann ist klar, dass mehr als genug darunter sind, die nur 40 Jahre alt sind. Das kann nicht zur Sicherung des österreichischen Sozialsystems beitragen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Sie wurden gedrängt, sie haben es sich nicht ausgesucht!)

Meine Damen und Herren! Da gibt es Aufklärungsbedarf! Der Rechnungshof wird prüfen, die Gerichte werden dem nachkommen, und dann werden wir objektive Fakten auf dem Tisch liegen haben und euch einladen, diesen euren Selbstbedienungsladen noch einmal genau anzusehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Dr. Lichtenberger. – Bitte.

17.07

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben heute wieder, dass die Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen so richtig in ihrem Element sind: Sie nehmen eine gesamte Gruppe der Bevölkerung her, um sie gesamtheitlich und kollektiv zu diskriminieren (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das machen Sie mit den Freiheitlichen!), zu beschimpfen und ihr Dinge im Kollektiv zu unterstellen, die so nicht stimmen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Pumberger: Das haben Sie gerade gemacht!)

Was haben wir denn in der Vergangenheit nicht schon alles gehört? – Die Lehrer waren eine Zeit lang das berühmte Feindbild, das hat dann auch gut gepasst. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Von Ihnen hört man immer "die Freiheitlichen"!) Dann war es die gesamte Gruppe der Beamten, die den Staat ausgenützt hat und so weiter, soweit man Ihren Worten gefolgt ist. Dann hat sich Herr Landeshauptmann Haider bis zu den Schiedsrichtern verstiegen, hat das allerdings groß zurücknehmen müssen. Jetzt sind die Eisenbahner, die Post- und Telekom-Bediensteten die nächsten, die kollektiv diskriminiert werden. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Meine Damen und Herren! Das ist eine absehbare Vorgangsweise, und ich kann Ihnen heute schon sagen, wie Sie das fortsetzen werden. (Abg. Dr. Martin Graf: Frau Kollegin! Sie haben die Tiroler nicht verdient!) In einem Jahr werden wahrscheinlich all jene, die jetzt mit einem Golden Handshake oder im Rahmen der "Chance 55" nach Hause geschickt werden, am Pranger stehen, und dann wird ihnen vorgeworfen werden, nachdem man sie aus dem Job gedrängt hat, dass sie es sind, die das Sozialsystem ausnützen. Das Ganze, meine Damen und Herren, hat ja Ursachen, das kommt nicht von selbst. (Beifall bei den Grünen.)

Wer verlangt Personalabbau bei öffentlichen Unternehmen? Wer verlangt Personalabbau bei Unternehmen, damit man sie an die Börse bringen kann? Wer verlangt, dass der Personalstand halbiert werden soll? (Abg. Dr. Martin Graf: Aber doch nicht durch Malversationen!) – Das sind nicht die sozialdemokratischen Gewerkschafter, das sind auch nicht die Nutzerinnen und Nutzer der Eisenbahn, der Verkehrsdienste und der Postämter, die verlangen das nicht, die brauchen und wollen nämlich Service.

Ich kann Ihnen schon jetzt den nächsten Bereich sagen, bei dem man beginnt, abzubauen. Das Szenario bei der Postbus-, Bahnbus-Diskussion ist klar: Man legt Postbus und Bahnbus in ein Unternehmen zusammen. Die Wirtschaftskammer hat diese Woche – der Brief liegt mir vor – schon die privaten Busunternehmer aufgefordert, Ansprüche auf ganz bestimmte Linien, für die sie sich interessieren würden, anzumelden.

Nun haben wir ein Unternehmen, das ausgelagert wird – das bekommt dann Herr Firlinger, das steht auch schon in der Zeitung (Ruf bei der ÖVP: Zur Sache!); das ist der Nächste, der unter


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gebracht werden muss, das war eine APA-Meldung, der ich das entnommen habe –, und dann vergibt man die Gustostückerln an die Privaten.

Meine Damen und Herren! Was tun wir dann mit den Beschäftigten? (Abg. Öllinger: Was tun wir dann?) Wohin werden diese dann geschickt? Werden sie dann zwei Jahre später auch als Sozialschmarotzer beschimpft? Ist das das Szenario, das sich für Bahnbus und Postbus abzeichnet? Ist das das reale Szenario nach Zusammenlegung von Post- und Bahnbus unter Führung von Firlinger? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt setzen Sie sich schon ein für 48-jährige Pensionisten!) Ist das das, was Sie wollen, nämlich dass Sie die Menschen zuerst aus dem Job drängen und sie dann für schuldig erklären und als Sozialschmarotzer diskriminieren? – Meine Damen und Herren! Das ist eine für mich wirklich unerträgliche Vorgangsweise! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Ich werde Ihnen noch etwas sagen: Es hat sicher solche Fälle gegeben – das werde ich nicht abstreiten, ich werde auch keine Fälle mit Namen und Adresse und Diagnose hier nennen, auch wenn mich jemand ermächtigen würde, das zu tun –, aber ich gebe Ihnen Folgendes zu bedenken (Abg. Großruck: Sie wissen nicht, wovon Sie reden!): Bei Post und Bahn, meine Damen und Herren – gerade die Vertreterinnen und Vertreter des ländlichen Raumes sollten sich das anhören –, haben wir sehr viele Nebenerwerbsbauern. Diese Nebenerwerbsbauern haben eine Doppelbelastung, und das werden Sie nicht abstreiten, weil die Bauernvertreter das auch zu Recht in den Landwirtschaftsdebatten ständig monieren. Dass diese Personen früher in Pension gehen – und zwar berechtigt: aus Krankheitsgründen –, möchte ich diesen Menschen nicht vorwerfen, denn sie sind zum Teil einfach krankgearbeitet. Das müssen Sie wirklich sehen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie verwechseln Äpfel mit Birnen! Sie haben keine Ahnung vom Sozialrecht! Das kann man doch nicht vermischen!)

Das ist eine Gruppe von jenen, die hier als Sozialschmarotzer beschimpft werden, nur weil Sie ihnen unterstellen, dass sie eine bestimmte Parteizugehörigkeit gehabt hätten.

Meine Damen und Herren! So kann man mit großen Gruppen von Bediensteten nicht umgehen! Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie eine christlich-soziale Partei das tun kann! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung der Abg. Dr. Lichtenberger –: Bei so einer Rede müssen Sie sich wirklich bedanken, dass wir Ihnen zugehört haben! – Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung Grüne –: Sie sind ja auch für 40 S Benzinpreis!)

17.13

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Frau Kollegin Lichtenberger, Ihre Rede hat sich selbst disqualifiziert, und ich möchte nicht darauf eingehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Kollegin Kuntzl, zur politischen Verantwortung, die Sie angesprochen haben: Ich kann Ihnen schon sagen, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, wo die politische Verantwortung liegt: bei Ihren Managern, die von Ihren Ministern eingesetzt wurden; sie liegt bei Ihren Personalvertretern und bei Ihren Ärzten, die Ihre Manager wiederum eingesetzt haben – dort ist die politische Verantwortung!

Sie sagen, Sie brauchen diesen Untersuchungsausschuss, damit Sie das System aufdecken. – Wir und in erster Linie die Frau Vizekanzlerin haben das System aufgedeckt – Punkt eins. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Punkt zwei: Wir werden das System ändern! Wir brauchen es nicht aufzudecken, weil wir es schon aufgedeckt haben, und wir werden mit unserem Initiativantrag dieses System ändern. Die Bevölkerung interessiert nicht, wer schuldig ist, sondern was geändert und was gemacht wird, damit solche Missstände nicht mehr passieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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107. Sitzung / Seite 141

Mitarbeiter werden gegen ihren Willen in die Pension geschickt, Mediziner genötigt, gesunde Mitarbeiter krank- und pensionsreif zu schreiben, und Gewerkschafter schauen zu, ja fördern dies sogar. Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, meine Damen und Herren, bei Pensionen unter dem Slogan "Mit 50 in Frühpension – krankheitshalber, obwohl gesund" – das ist die Devise!

Personalchefs aus Wien reisen durch die Bundesländer, bis genügend "Freiwillige" für eine Frühpension gefunden werden. Ist das, so frage ich mich, die neue Unternehmensphilosophie der ÖBB, Post und Telekom, Herr Kollege Eder? Für beamtete Mitarbeiter keine Gehälter mehr zahlen zu müssen und den Staat deren Pensionen zahlen zu lassen – wir wissen, dass der Staat um 800 Millionen Schilling geschädigt wurde –, ist nicht das, was wir uns vorstellen.

Pensionierungen mit zweierlei Maß – das schürt natürlich Neid in der Bevölkerung. Viele in der Privatwirtschaft sind tatsächlich krank und können nicht in Pension gehen, werden aber trotzdem entlassen und müssen weiter arbeiten. Auf der einen Seite so und auf der anderen Seite so – das sind privilegierte Beamte.

Lieber Herr Kollege Eder! Hören Sie genau zu! (Rufe bei der SPÖ: Edler!) Ich kann aus einem Brief von einem Bahnhofsvorstand aus einem Bundesland zitieren, er schreibt: Bei den ÖBB, besonders unter Generaldirektor Dr. Draxler, ist es gängige Praxis, vorwiegend Mitarbeiter der höheren Gehaltsklasse auch gegen den erklärten Willen der Betroffenen spätestens nach Ablauf der 35-jährigen Dienstzeit in den Ruhestand zu schicken. Bei Postenauflösungen wurden "pumperlgesunde" Mitarbeiter einfach krankheitshalber unter Anrechnung miterbrachter Berufsjahre mit 50 mit vollen Bezügen in den Ruhestand geschickt. – Das ist die Praxis bei den ÖBB! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Weiters, meine Damen und Herren, die Telekom: Auch dazu habe ich wieder ein Schreiben von einem Betroffenen: Mitarbeiter, deren Arbeitskraft scheinbar nicht mehr gebraucht wird, oder auch Mitarbeiter, denen – aus welchen Gründen auch immer – ein vorzeitiger Ruhestand angenehm erscheint, werden einem Arzt, organisiert von der roten Personalvertretung, zugewiesen, der darauf ein Gutachten erstellt – zu einem Privathonorar, nur nebenbei, von 3 000 S. (Abg. Edler: Jenewein!) Plötzlich sind all jene, die diese Gutachten in Händen halten, nicht mehr arbeitsfähig, sondern pensioniert. – Ich frage mich schon, meine Damen und Herren, macht ein rotes Parteibuch krank? (Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. )

Ermöglicht hat die nun aufgetauchten Praktiken eigentlich, wenn man so will, der Verwaltungsgerichtshof. Während nämlich jeder ASVG-Versicherte ein Attest der Pensionsversicherung benötigt und sich Beamte einer Untersuchung beim Bundespensionsamt unterziehen müssen, erledigen das bei Post, Telekom und ÖBB die Betriebsärzte – bei den ÖBB war das schon immer so, nur nebenbei gesagt.

Weil wir als Gesetzgeber damals die aufgezeigten Praktiken nach der Ausgliederung von Post und Telekom offenbar befürchtet hatten, war bei einer Frühpensionierung zunächst eine Untersuchung bei der Pensionsversicherungsanstalt verpflichtend. Diese Regelung wurde, wie wir wissen, vom Verwaltungsgerichtshof 1997 leider aufgehoben und ist jetzt von uns zu reparieren.

Meine Damen und Herren! Das schreit für mich nach Konsequenzen: bei den Managern, bei den Medizinern, bei den Gewerkschaftern. Unsere Frau Vizekanzlerin hat sofort die notwendigen Schritte eingeleitet, um diesem Missbrauch Einhalt zu gebieten.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen keine Zwei-Klassen-Medizin, und wir brauchen schon gar nicht eine Zwei-Klassen-Pensionierung! Dazu steht unsere Regierung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.


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107. Sitzung / Seite 142

17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edler. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Du müsstest ja Verständnis haben! Wie ich gehört habe, gehst du mit Jahresende! Du musst ja mit Jahresende dein Mandat hergeben! – Abg. Edler  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Bleib ruhig, Kollege Graf!)

17.18

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Der FPÖ ist es durch Kollegin Zierler heute gelungen, hier nach dem FPÖ-Parteitag Bierzeltstimmung zu erzeugen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist ein politischer Skandal, wie Sie dieses Parlament missbrauchen, um Berufsgruppen wie die Eisenbahner, die Postbediensteten, die Telekom-Bediensteten und vor allem Ärzte anzugreifen! Das ist ein politischer Skandal! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Vizekanzlerin! Ich bin fast zehn Jahre hier im Haus: Ich habe erlebt, dass insbesondere Abgeordnete Ihrer Fraktion Menschen angeprangert haben – mit Briefen, die nie bewiesen worden sind, anonym, wo es Nachspiele gegeben hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber das, was Sie heute von der Regierungsbank aus gemacht haben, war sehr unqualifiziert und unseriös! Sie hätten es nicht notwendig, hier von der Regierungsbank aus Ärzte anzuprangern! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich möchte, meine Damen und Herren, jenen Kolleginnen und Kollegen von den Österreichischen Bundesbahnen, der Post und der Telekom einen sehr herzlichen Dank aussprechen, die rund um die Uhr, sonn- und feiertags für uns alle, für die österreichische Bevölkerung eine sehr gute Dienstleistung erbringen. (Abg. Dr. Trinkl: Darum geht es nicht!) Wir, die SPÖ, stehen zu diesen Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zierler: Zwangspensionierungen!)

Meine Damen und Herren! Es ist gesagt worden: Diese blau-schwarze Regierung tut so, als hätte sie nicht gewusst, dass es dort zu einem Pensionsdruck gekommen ist, wie auch in anderen Bereichen, wie auch in Bereichen des öffentlichen Dienstes. Schauen wir uns einmal an, was bei Bundesminister Strasser passiert ist. Das werden wir noch aufzeigen! Treten Sie dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bei! – Sie haben das gestern abgelehnt.

Schauen wir uns an, wo die politische Verantwortung wirklich liegt! Frau Vizekanzlerin! Warum haben Sie nicht schon voriges Jahr – Sie bekommen monatlich die Berichte –, als Sie gesehen haben, dass es insbesondere bei Post und Telekom zu Massenpensionierungen kommt, eingegriffen? – Sie haben nichts gemacht. Erst vor dem FPÖ-Parteitag haben Sie das angeprangert! Das ist rein politisch motiviert – das ist ein Skandal, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das glauben Sie aber selbst nicht!)

Die so genannte Universaldienstverordnung, die Frau Bundesministerin Forstinger unglücklich, aber trotzdem herausgegeben hat, die praktisch angeordnet hat, dass über 5 000 Positionen bei den Postbediensteten eingespart werden, dass zirka 600 Postämter zugesperrt werden, haben Sie verursacht, meine Damen und Herren! Das ist nicht vertretbar.

Sie haben aber auch einige Probleme mit dem so genannten PR-Artikel Nulldefizit. Jetzt suchen Sie unbedingt Begründungen dafür, wie Sie das PR-mäßig in Ordnung bringen können. Es ist Ihr Ansinnen, jetzt einige Berufsgruppen anzugreifen. (Besucher auf der Galerie erheben sich von ihren Plätzen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Da verlassen sogar die Zuschauer den Saal! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zu den Österreichischen Bundesbahnen und den Kolleginnen und Kollegen von der Eisenbahn: Ich selbst bin seit über 40 Jahren Eisenbahner. Die Eisenbahner machen im Durchschnitt um zwei Drittel mehr Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst als andere Berufsgruppen. Das nehmen Sie nicht zur Kenntnis! Aber Ihr Alt-Landeshauptmann ist beim letzten Personalvertretungswahlgang in der Hauptwerkstätte Linz und am Hauptbahnhof Villach – ist das Wählerbeeinflussung oder Kauf von Stimmen? – mit Bierkisten in Begleitung aufgetaucht und hat Bier verteilt – aber das Alkoholverbot bei den Eisenbahnern ist bekannt. Das war Ihre Art, Wahlwerbung zu machen. (Abg. Dr. Martin Graf: Ist das Ihre Abschiedsrede? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wie alt sind Sie denn? Wie alt sind Sie denn? Sie sollen ja auch in Pension gehen! – Abg. Zierler: Sind Sie ein Altparlamentarier mit Jahresende?)


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Es tut mir Leid, dass sich bei der letzten Wahl 1999 auch einige Eisenbahner verirrt und die FPÖ gewählt haben. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sie haben sich verirrt, und sie haben uns nachher auch gesagt, nie mehr diese FPÖ zu wählen, die etwas vom Himmel versprochen und nie etwas eingehalten hat. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zierler: So peinlich! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihre Ausführung ist so peinlich!)

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Eisenbahner keine 40-Stunden-Woche haben. Sie haben manchmal eine Dienstzeit von bis zu 46 Stunden, weil ja Dienstplanmuster verrechnet werden. Sie haben viele Ausbleibezeiten – Fahrdienst, Lokführer, Zugsbegleiter und andere Dienste, die draußen im Turnusdienst sind, die anstelle einer Monatsleistung von zirka 172 Stunden insgesamt 250, 260 Stunden leisten müssen, aber die Zeit über 172 Stunden nicht angerechnet bekommen, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )

Zur Post: Sie haben doch Druck ausgeübt, Kollege Kukacka! Sie haben vertreten, dass heute die Regionen draußen ausgehöhlt sind, dass die Menschen keine Versorgung mit Postämtern haben, dass die Nebenbahnen zugesperrt worden sind! Das ist Ihre Politik, und diesen politischen Druck haben Sie zu verantworten! (Beifall bei der SPÖ.)

17.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Frau Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: Oje! Oje!)

17.24

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich muss zunächst eine Berichtigung zu dem machen, was Herr Kollege Verzetnitsch gesagt hat. Ich möchte Ihnen zugute halten, dass Ihnen vielleicht jemand im letzten Moment einen handgeschriebenen Zettel hingelegt hat, was den Fall Horky betrifft – ich habe das gesehen –, denn sonst hätten Sie das, was Sie hier gesagt haben, nicht sagen können. Sie haben so getan, als wäre dort jemand pensioniert worden, weil er so viele Krankenstände gehabt hat.

Herr Horky war – das steht auch im Gutachten, und ich bitte Sie, das nachzulesen – nicht bereit, freiwillig in die Frühpension zu gehen. Daraufhin hat ein intensives Mobbing eingesetzt, und das steht in diesem Gutachten, und zwar einem von der Gewerkschaft erstellten Gutachten, das ihm eindeutige Symptome von Mobbing bescheinigt, die auch Ursache für die Krankenstände sind. (Abg. Verzetnitsch: Urteil! Urteil!) Das heißt, der Punkt ist, dass kerngesunde Menschen, die sich weigern, in Frühpension zu gehen, so lange gemobbt werden, bis sie entweder irgendwann aufgeben oder sich, so wie Herr Horky, zur Wehr setzen. Ich würde Sie wirklich bitten, sich diesen Fall noch einmal anzuschauen, denn Sie können das so nicht gemeint haben; man hat Ihnen da möglicherweise eine falsche Information gegeben.

Aber es sind eine ganze Menge anderer falscher Dinge wissentlich gesagt worden, auch von Ihnen, Herr Kollege Verzetnitsch! Es ist zum Beispiel von Ihnen gefragt worden, wie es denn mit der Verantwortung dieser Bundesregierung ausschaue. Darauf antworte ich Ihnen gerne, denn Tatsache ist, dass die Ausgliederung dieser Unternehmen und die Tatsache, dass diese Unternehmen auch die Dienstverantwortung und Diensthoheit für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in diesem Unternehmen übertragen bekommen haben, weit zurück liegen.

Die Ausgliederung der ÖBB ist am 1. Jänner 1993 wirksam geworden. Wer war da in der Regierung, Herr Kollege Verzetnitsch? – Daran können Sie sich wahrscheinlich noch erinnern. Die Ausgliederung von Post und Telekom ist am 1. Mai 1996 wirksam geworden. Wer war denn da in der Regierung? – Erinnern wir uns zurück! So kurz kann Ihr Gedächtnis doch nicht sein. (Abg. Parnigoni: Kukacka! Kukacka! Ich war dabei! Es war Kukacka!)

1999, Herr Kollege Parnigoni, ist eine Verfassungsbestimmung beschlossen worden, mit der Post und Telekom zur obersten Dienstbehörde erklärt wurden. Das ist genau der Grund dafür, dass wir nicht einmal mehr Meldungen über die Pensionierungen bekommen. Das heißt, wenn Sie sich da jetzt groß aufpudeln und fragen, warum wir da nichts getan haben, dann muss ich


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sagen, weil die Regierung gar nicht mehr die Meldungen über die Pensionierungen in diesen Unternehmen bekommt. Das war Ihr Versagen! Sie haben dieses Gesetz beschlossen, es ist Ihre Verantwortung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist auch Ihre Verantwortung, dass diese Unternehmen Gehaltsabschlüsse vornehmen können, ohne die Zustimmung des Dienstgebers einzuholen. (Abg. Edlinger: Ein Verfassungsgesetz konnten wir nie allein beschließen! Ein Verfassungsgesetz konnten wir nie allein beschließen!) Ich war es, sehr geehrter Herr Kollege, die dafür gesorgt hat, dass die Aufwertungen der Personalvertreter bei der Post, wo 80-prozentige Lohnerhöhungen dafür vorgesehen waren, dass man dazu schweigt, wie die "kleinen" Briefträger entlassen werden, nicht geduldet werden. Frühere Regierungen haben das ungeschaut unterschrieben. Ihre Minister waren es, die sozialdemokratischen Finanzminister und Staatssekretäre, die bei diesen Dingen nicht einmal mit einem Ohr gewackelt haben. (Abg. Parnigoni: Finanzstaatssekretär war Herr Stummvoll!) Es ist Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie heute nach der Strategie "Haltet den Dieb!" einen Entschließungsantrag einbringen, in dem Sie mich auffordern, dafür zu sorgen, dass diese Praktiken abgestellt werden, dann muss ich Ihnen sagen: Sie sind ein bisschen zu spät aufgestanden, denn wir sind schon lange dabei, diese Dinge aufzuklären! Wir haben den Rechnungshof eingeschaltet, wir haben die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, weil wir nicht zulassen, dass solche Dinge unter den Teppich gekehrt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie werden sich dann auch damit auseinander setzen müssen, dass es für die Personalvertreter und Gewerkschafter vielleicht einige nicht ganz angenehme Erkenntnisse gibt und das Mitwirken der Gewerkschafter und Personalvertreter in diesem Zusammenhang auch Gegenstand ist. Es geht nicht nur um die Manager, es geht sehr wohl um die Manager, sie werden auch zur Verantwortung gezogen werden, aber es geht genauso um die Personalvertreter, die bei solch miserablen Praktiken mitmischen, und auch das werden wir aufdecken, darauf können Sie sich verlassen!

Wenn Herr Kollege Eder gesagt hat, ... (Abg. Marizzi und Abg. Parnigoni: Edler! Edler! – Abg. Dr. Martin Graf: Das ist Edler von der Bundesbahn!) – Edler, okay. Der Kollege, der vor mir gesprochen hat, hat gesagt: Pfui, da ist eine Bierzeltstimmung! – Vielleicht wäre es gut, Herr Kollege, wenn Sie ab und zu wieder einmal ins Bierzelt gehen und mit den Eisenbahnern reden würden, und zwar mit denen, die tatsächlich betroffen sind, und nicht nur mit Ihren Gewerkschaftskollegen, die Ihnen nur die halbe Wahrheit erzählen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Sie trauen sich nicht mehr ins Bierzelt!)

Gewerkschafter – das sage ich Ihnen! –, die gemeinsam mit der Unternehmensführung, sei es Post oder ÖBB, solch schändliche Praktiken aushandeln und auch noch zu Lasten der Steuerzahler, nämlich zu Lasten des Rests der Bevölkerung, Privilegien einzementieren, für die es überhaupt keine Rechtfertigung gibt, sind kein Ruhmesblatt: weder für ihre Fraktion noch für die Gewerkschaftsbewegung in diesem Lande! Das sage ich Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Gaugg! Gaugg!)

Sie brauchen nur in den Medien nachzulesen. Gerade in der jüngsten Berichterstattung wurde wieder einmal darauf hingewiesen – einige meiner Vorredner haben das schon angesprochen –, dass diese Ruheständler, und zwar die Personalvertreter, die mit Gehaltserhöhungen in den Ruhestand geschickt werden – nicht die Kleinen, die hinausgemobbt und hinausgedrückt werden, sondern die Personalvertreter, denen man noch schnell eine saftige Gehaltserhöhung verordnet und sie dann mit einem 100-Prozent-Gehalt in den Ruhestand, in die Pension entlässt –, in vielen Fällen eifrige sozialistische Parteigänger oder Personalvertreter sind. Aber das wundert wohl genauso niemanden wie die Tatsache, dass Abteilungsleiter, die auf die genannte Weise erfolgreich Mitarbeiter abbauen, selbst Erfolgsprämien von Unternehmen kassieren.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ungeheuerlich. Da frage ich mich: Wo war denn da die Gewerkschaft die ganze Zeit? Wo waren denn Ihre Personalvertreter bei Post, Telekom und ÖBB in den letzten zwei Jahren, als diese Praktiken überhand genommen haben? Die müssen es wissen, die sind im Unternehmen! Dorthin kommen die Kollegen, so wie Herr Horky, und bitten um Hilfe und bekommen sie nicht. Da haben Sie Handlungsbedarf! Das sage ich Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte.

17.31

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Lieber Kollege Edler, mit Kopfschütteln haben wir Ihre Ausführungen vernommen, in denen Sie sich zum Anwalt jener braven und fleißigen Österreicher aufgeschwungen haben, in deren Interesse wir heute diese Dringliche Anfrage eingebracht haben, denn auf deren Rücken wird das ausgetragen, was an Schmarotzertum in den drei genannten Institutionen der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Aber Ihre Hochrechnungs-Zeiten sind schon lange vorbei!)

Diese braven und fleißigen Österreicherinnen und Österreicher, die Sie nennen, sind es, die die Zeche dafür bezahlen müssen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eigentlich wollte ich als voraussichtlicher Letztredner meiner Fraktion in dieser Debatte mir erlauben, diese heutige Diskussion (Abg. Parnigoni: Wie viel Pension haben Sie, Herr Bruckmann? Haben Sie mehr als 100 000 S Pension? – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – es hat gar keinen Sinn, auf Ihre Zwischenrufe einzugehen! – in einem größeren Zusammenhang zu sehen.

Ich war Jahrzehnte hindurch Mitglied des Beirates für Pensionsdynamik und habe daher in dieser Zeit mitgemacht, wie die zuständigen sozialdemokratischen Sozialminister ihren Kopf in den Sand gesteckt haben und ausdrücklich nicht wahrhaben wollten, dass es bei der Pensionsproblematik nicht mehr möglich ist, mit den bisherigen Methoden weiterzumachen.

Bis jetzt war nach wie vor – gefördert von oben – die Pensionsfinanzierung von der falschen Illusion getragen, dass zahlreiche Aktive da sind, die nur einige wenige Alte zu alimentieren haben. Damit ist von Wahl zu Wahl ein Wahlzuckerl nach dem anderen verteilt worden. Dazu kam, dass es innerhalb des Systems einer immer breiteren Schicht gelungen war, Unkündbarkeit zu erreichen, die ursprünglich einmal nur für einige wenige, unmittelbar einem Souverän unterstellte Spitzenbeamte gedacht war.

Dies ist längst nicht mehr zu halten. Betrug die durchschnittliche Pensionsbezugsdauer eines Mannes im Jahre 1970 weniger als 5 Jahre, so ist dies jetzt auf 16 Jahre gestiegen; bei Frauen ist es ähnlich, um einiges höher. Wenn heute auf drei Österreicher im arbeitsfähigen Alter ein über Sechzigjähriger kommt, so werden es in 30 Jahren zwei sein. In dieser Situation musste man das Ruder herumwerfen, und ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich vor Frau Bundesministerin Hostasch meinen Hut ziehen, die es als Erste gewagt hatte, ein Gutachten über diese Problematik einzufordern – natürlich von einem Ausländer, denn es heißt: nemo propheta in patria  –, ein Gutachten, das weiten Kreisen die Augen öffnen sollte, es aber offenbar nicht hat, denn das Vorgehen des Österreichische Pensionistenverbandes wird nach wie vor von der Salamitaktik und vom Gießkannenprinzip getragen.

Demgegenüber hat der Österreichische Seniorenbund kürzlich ein Positionspapier beschlossen, das diesem grundsätzlichen Paradigmenwechsel, der erforderlich ist, Rechnung trägt.

Wichtigstes Ziel einer Sanierung unseres Gesamtsystems muss es sein, das Missverhältnis zwischen der Zahl der Aktiven und der Zahl der Pensionsbezieher zu verringern. Das heißt, dass das durchschnittliche – ich betone: das durchschnittliche! – Pensionsantrittsalter angehoben werden muss. Daraus folgt – und damit nehme ich Bezug auf die heutige Dringliche An


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frage –, dass alles getan werden muss, dass gesunde Aktive nicht in Pension geschickt werden können. Dies wird allerdings erschwert durch eine Personalpolitik der Sozialdemokratie, die in den drei genannten Bereichen zu weit überhöhten Personalständen geführt hat, durch die so genannten wohlerworbenen Rechte dieses Personals und dadurch, dass durch die Zwangsfrühpensionierungen die Finanzierung auf öffentliche Mittel verschoben wird. Sicher war das auch in der Privatwirtschaft da und dort der Fall, aber es ist in keiner Weise vergleichbar mit jenem Ausmaß, das wir heute diskutieren.

Wichtigstes Ziel muss es daher sein, eine neue Denkweise einzuführen, und zwar nicht die, dass generell für alle das Pensionsalter hinaufgesetzt wird, sondern die, dass wir ganz gezielt eine Pensionspolitik verfolgen, die gerade dadurch, dass das durchschnittliche Alter für alle Gesunden ansteigt, für all jene, die in besonderer Weise bedürftig sind, besondere Vorteile schafft. Zu diesen Bedürftigen gehören ehrlich Kranke, Schwerarbeiter, denen in Zukunft weit mehr als heute eine vorzeitige Pensionierung ohne entsprechende Abschläge gewährt werden müsste, und dazu gehören zweifellos auch all jene Frauen und Mütter, die Jahre der Kindererziehung oder Jahre der Betreuung von Behinderten oder von Alten auf sich genommen haben.

Hohes Haus! Je besser es gelingt, für Gesunde das De-facto-Pensionsantrittsalter anzuheben, desto eher werden wir in den kommenden Jahren jenen, die es wirklich brauchen, pensionsrechtlich entgegenkommen können.

Hohes Haus! Dieses Fernziel sollten wir im Auge behalten, und wenn das der Fall ist, dann wird es leichter möglich sein, für die heute anstehenden Probleme sachadäquate Lösungen zu finden. Der Österreichische Seniorenbund ist gerne bereit, an diesem erforderlichen Paradigmenwechsel mitzuwirken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

17.36

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich wieder zu der Grundproblematik zurückkommen, die erstens darin besteht, dass eine Mitregierungspartei eine Dringliche Anfrage an ein Regierungsmitglied stellt, das sozusagen aus demselben Regierungskreis kommt. Das ist unter alten Regierungen nicht so häufig vorgekommen, aber jetzt, bei diesem "Regieren neu", ist es mehr oder weniger alle zwei Monate auf der Tagesordnung. Meistens sind es Beweihräucherungsaktionen, heute ist es eine eher peinliche Aktion.

Zweitens ist die Tatsache zu unterstreichen, dass von einem ÖVP-Abgeordneten eine Dringliche Anfrage an die FPÖ-Vizekanzlerin gestellt wurde, obwohl es meines Erachtens, wenn es schon darum geht, Frühpensionierungen zu hinterfragen, sinnvoller gewesen wäre, wenn ein FPÖ-Abgeordneter Herrn Bundeskanzler Schüssel befragt hätte, weil damals unter dem Signet "Schüssel-Ditz-Kurs" auch die ÖVP mit dabei war, als es darum ging, bestimmte staatsnahe Betriebe börsenreif zu machen, auszugliedern und zu privatisieren. Das wäre die richtige Fragestellung gewesen, wenn es schon eine Dringliche Anfrage im Zusammenhang mit Regierungsaktionen geben muss! (Beifall bei den Grünen.)

Nun noch ganz kurz zu Ihrer Rolle, Frau Vizekanzlerin: Da die Medien sehr breit über einen ganz konkreten Versorgungsposten berichten, ist es für mich persönlich schon nachvollziehbar, dass Sie in der Klemme sind und dringend ein Ablenkungsmanöver brauchen, dass Sie einen Entlastungsangriff starten lassen. Unter diesen Auspizien und unter diesen Rahmenbedingungen ist die heutige Dringliche Anfrage zu sehen.

Ihnen liegt sicherlich nicht in erster Linie das Schicksal der betroffenen "kleinen Männer" und "kleinen Frauen" am Herzen, sondern Ihnen geht es in erster Linie darum, die eigenartigen Umstände, die zu kritisierenden Rahmenbedingungen zuzudecken, unter denen eine gewisse Person, die noch immer Mitglied des Nationalrates ist, einen relativ gut dotierten Posten bekommt, und zwar im Rahmen einer Institution, die ebenfalls sehr staatsnahe ist und bei der eigentlich


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ein Minister aus Ihrer Ministerriege die Verantwortung trägt, nämlich jener Minister, dem wir gestern das Misstrauen ausgesprochen haben.

Meine Damen und Herren! Dieser Entlastungsangriff ist nach meiner Beobachtung völlig fehlgeschlagen. Es ist ganz klar, dass es in Ihrer Hand liegt, und zwar seit der Wahl im Jahre 1999 beziehungsweise seit der Regierungsbildung im Jahre 2000, dass Sie ein Offensivkonzept für jene Personen entwickeln, die von betrieblichen Umstrukturierungen, für die auch Sie verantwortlich sind, betroffen sind.

Nicht nur einmal hat Ihnen Herr Finanzminister Grasser gesagt, "Regieren neu" heißt: gleichstellen der ArbeitnehmerInnen, herunterholen der BeamtInnen auf ein Niveau eines allgemeinen Angestellten, umstrukturieren in staatsnahen Bereichen, in Infrastrukturbetrieben und Börsengänge. Gerade diese Börsengänge waren es – Telekom ist heute schon genannt worden –, die es erzwangen, dass man innerbetrieblich auf Sparkurs geschaltet hat und dass man innerbetrieblich Personalkosten von heute auf morgen massiv reduzieren wollte und dass man innerbetrieblich natürlich die Möglichkeit wahrgenommen hat, Frühpensionierungen vorzunehmen oder anzubieten. Dies geschah, weil man börsenreif sein sollte beziehungsweise für den Börsengang attraktiv sein sollte.

Das war Ihre Politik, Frau Vizekanzlerin, und auch die Politik des Herrn Finanzministers, der heute hier auf der Regierungsbank eigentlich auch Rede und Antwort stehen sollte! Das ist der konkrete Zusammenhang!

Nun zum zweiten Aspekt, der auch schon angesprochen wurde, nämlich zur Frage der Verwendung von Steuergeld. Ich darf Sie daran erinnern, dass es Ihnen nicht wenig wert war – ich glaube, an die 300 Millionen Schilling –, bestimmte Manager in die Frühpension zu schicken, und dass dabei von Ihrer Seite mit keinem Wort erwähnt wurde, dass es auch Steuergeld ist, das da gezahlt wird, auch wenn es zum Teil aus der ÖIAG-Kasse stammte.

Sie haben damals immer wieder darauf hingewiesen, dass der Schuldenabbau in der ÖIAG Ihr vorrangiges Ziel sei. Sie haben aber gleichzeitig relativ generös Millionen verteilt, um Posten freizubekommen. Diesen Aspekt haben Sie heute völlig negiert. Sie konzentrieren sich auf Bereiche, die unseres Erachtens zwar sozialpolitisch sehr tragisch sind – es geht dabei um Einzelschicksale –, die aber in Ihrer Gesamtkonzeption ganz logisch sind. Es ist eine Folge Ihrer Politik, bei der ehemaligen Post, bei der Bahn, bei der Telekom abzuspecken, die Betriebe börsenreif zu machen. Dass diese Betriebe dann natürlich schauen werden, dass sie ihre Personalkosten reduzieren, indem sie den Leuten Frühpensionen nahelegen, weil das immer noch die humanere Art und Weise ist, das war klar. Darum geht es! Jetzt sagen Sie, diese humane Art und Weise sei ein Stehlen von Steuergeld.

Zeigen Sie andere Versionen, zeigen Sie mir andere Möglichkeiten, wie man diesen Menschen noch Perspektiven geben kann, außer ihnen die Frühpension anzubieten! Ich bin dafür, dass es andere Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt geben soll, keine Frage, aber diese vorzeitigen Pensionierungen sozusagen als Steuergeld-Stehlen hinzustellen, das ist Scheinheiligkeit schlechthin! Für diese Scheinheiligkeit sind wir nicht zu haben! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. Restliche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.43

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere jene auf der Galerie! Lassen Sie mich zunächst eines ganz klar und deutlich sagen: Die Vorfälle, die in den letzten Tagen hier geschildert worden sind, zeigen, dass es Aufklärungsbedarf gibt, und das ist auch der Grund dafür, dass meine Fraktion gestern einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eingebracht hat. Uns geht es nicht darum, irgendetwas zu vernebeln, sondern uns geht es dar


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um, dort, wo tatsächlich Missbrauch vorliegt, diesen restlos aufzuklären. – Das als Erstes. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens: Die erste Aufklärung, Frau Vizekanzlerin, die ich Ihnen in diesem Zusammenhang bieten darf, ist Folgende: Sie sind bereits seit 4. Februar 2000 in der Regierung und tragen seither die politische Verantwortung für das, was auf Bundesebene zu verantworten ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich darf Ihnen aber auch sagen, Frau Vizekanzlerin, weil Sie im Rahmen Ihrer zweiten Wortmeldung gemeint haben, Sie hätten gar keine Ahnung, was in den Unternehmen passiert, denn seit sie ausgegliedert sind, bekämen Sie keine Information mehr: Wahr ist, dass die Post für das Finanzministerium die Pensionsleistung berechnet und dass die Informationen darüber ständig, jeden Monat, an das Finanzministerium gehen und dass daher der Herr Finanzminister genau über die Zahlen Bescheid weiß. Daher hätte er, wenn er plötzlich abnorme Entwicklungen festgestellt hätte, auch eingreifen können. Danke, dass Sie jetzt bewiesen haben, dass der Herr Finanzminister seinen Pflichten offenbar nicht nachkommt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz darauf hinweisen, welche Zusammenhänge es da gibt – mit der Vorbildwirkung nicht zuletzt auch durch die Frau Vizekanzlerin und mit ihrer Verantwortung.

Lassen Sie mich zunächst den Text verlesen, den die Frau Vizekanzlerin voriges Jahr als Interview dem "Kurier" gegenüber von sich gegeben hat. Sie sagte Folgendes – ich zitiere –: "Die Verwaltungsreform ist ohne Sozialplan nicht möglich."

Weiters sagte die Frau Vizekanzlerin: "Die Beamten werden von ASVGlern bezahlt. Entweder wir zahlen einen Beamten, dessen Arbeit wegfällt, zu 100 Prozent weiter. Oder wir schicken ihn günstiger in Pension." – Ende des Zitats. (Aha-Rufe bei der SPÖ.)

Frau Vizekanzlerin! Damit haben Sie Vorbildwirkung, nämlich dass Sie sagen: Es geht ganz einfach, wir schicken diejenigen, die wir nicht mehr brauchen, weg, und irgendjemand anderer zahlt es!

Das hat Wirkung gehabt, Frau Vizekanzlerin! Das hat die Wirkung gehabt, dass Sie erstens 55-jährige leistungsfähige und leistungsbereite Beamte in Pension schicken und das von den Steuerzahlern zahlen lassen und so tun, als hätten Sie einen Anlass, etwas dazu zu sagen, dass das die Unternehmen, die dem Staat gehören oder an denen er beteiligt ist, auch tun.

Sie haben zweitens – und es ist mehrmals darauf hingewiesen worden – zu verantworten, dass Sie eine Reihe von Managern, die durchaus gut qualifiziert waren, um insgesamt 250 Millionen bis 300 Millionen Schilling weggeschickt haben, dass man ihnen Abfertigungsleistungen gezahlt hat, um andere hinzusetzen. Weiters haben Sie zu verantworten, dass diese neuen Manager jetzt dafür sorgen, dass in den Unternehmen, denen sie vorstehen, die Leute so unter Druck gesetzt werden, dass sie in Pension gehen müssen.

Nur: Da gibt es einen kleinen Unterschied, der darin besteht, dass im Gegensatz zu Ihnen, Frau Vizekanzlerin, diese Manager nicht die Möglichkeit haben, zu sagen: Wir machen schnell ein kleines Gesetz, und dann sind alle weg!, sondern die suchen offenbar nach anderen Möglichkeiten. Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass Sie Unternehmen, die noch nicht börsenreif sind, dahin gehend unter Druck setzen, in kürzester Frist an die Börse zu gehen, dann ist das, was passiert, genau das, was wir jetzt beklagen, und da haben Sie keinen Anlass, zu klagen, da haben die Beschäftigten Anlass, darüber zu klagen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen Sie mich nur noch einen Gesichtspunkt verdeutlichen, der in der Anfragebegründung des Herrn Abgeordneten Kukacka und der Frau Abgeordneten Zierler steht. Sie weisen darauf hin, dass es in den ÖBB im Jahre 2001 1 461 Pensionierungen gab, davon 1 190 wegen Krankheit, aber Sie weisen auch darauf hin, dass davon 870 vom Unternehmen weggeschickt wurden


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und nur etwas über 300 von sich aus um Pension angesucht haben. Mehr als zwei Drittel sind von der Unternehmensleitung mit dieser Begründung hinausgedrückt worden. Das muss aufgeklärt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen Sie mich zum Schluss kommend sagen: Das, was wir hier beklagen, ist die Kombination aus dem kleinen Einmaleins des Managements, das Sie betreiben, und aus dem Management, das Ihre neuen "tollen" Manager betreiben, nämlich zu sagen, die Produktivität würde man nur dann erhöhen können, wenn die Kopfzahl gesenkt würde. Dass es auch Möglichkeiten gibt, dafür zu sorgen, dass die Aufgaben, die in den Unternehmen besorgt werden, so besorgt werden, dass mehr Geschäft kommt, ist offenbar gänzlich in Vergessenheit geraten. Auch so lässt sich die Produktivität steigern!

Das, worum es geht, ist, dass Sie eine wirklich nicht besonders befähigte Form des Kostenmanagements betreiben, indem Sie zu Lasten der "kleinen Leute", die Sie in Pension schicken, hier außerdem noch "populisteln". (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich darf noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Einem, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen gesetzwidrige Frühpensionierungen im staatsnahen Bereich

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport wird ersucht, auf die Vorstände der staatsnahen Unternehmen, insbesondere die ÖBB, die Österreichische Post AG und die Telekom Austria AG dahin gehend einzuwirken, dass diese nicht in gesetzwidriger Weise MitarbeiterInnen krankheitshalber in den Ruhestand versetzen lassen oder auf andere Weise in die Frühpension drängen.

*****

Darum geht es heute hier! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Restliche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.49

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Sehr leicht machen es sich die Kollegen Verzetnitsch, Kuntzl, Einem und wer immer von der SPÖ sich zu Wort gemeldet hat, indem sie sagen: Schuld an diesem Megaskandal ist die Regierung! Das haben Sie heute – das kommt unter dem Strich heraus – behauptet.

Ich sage Ihnen eines, Kollege Öllinger: Es geht ganz einfach nicht an, dass Manager in halböffentlichen und privatisierten Bereichen Mitarbeiter dadurch abbauen, dass sie sie in Serienfrühpension schicken! Dem muss man entgegenwirken!

Der Staat spart, das allgemeine Pensionsalter wurde angehoben, die Leute gehen später in Pension, aber durch diese Aktion bei den ÖBB, bei der Post und bei der Telekom wird dieser Erfolg zunichte gemacht. Da müssen wir gegensteuern. (Abg. Öllinger: Auch bei den Ärzten!)

Es geht auch nicht an, dass drei Viertel der Frühpensionierungen aus gesundheitlichen Gründen vorgenommen werden. Mir sind keine Seuche oder irgendeine andere Krankheit bekannt, die bei Erreichung eines pensionsfähigen Alters einfach ausbrechen. Es ist aber so, dass viele


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Menschen sogar bei Erreichung desselben weiterarbeiten wollen – sehr viele sogar, so wie ein Bahnhofsvorstand, der heute schon zitiert worden ist.

Dieser war vor zwei Jahren bei mir, er hatte einen Brief an den damaligen Finanzminister, Kollegen Edlinger, geschrieben und an den damaligen Verkehrsminister Einem. Die haben ihn vertröstet und gesagt, er solle über diese Regelung froh sein. Er war zu dem Zeitpunkt 50 Jahre alt und wollte nicht in Pension gehen. (Abg. Öllinger: Was tun Sie mit denen?) Dann hat man ihm gesagt: Wenn Sie nicht gehen, verlieren Sie die Treueprämie. – Unter dem Strich hätte er also, wenn er weitergearbeitet hätte, weniger herausbekommen.

Dieser Mann ist so gesund, dass er heute von April bis September im Mittelmeer als Skipper herumsegelt. (Abg. Jung: Sehr anstrengend!) So gesund ist er! Er wollte arbeiten, er durfte aber nicht (Abg. Öllinger: Dafür haben Sie die Verantwortung!), weil das System es nicht wollte, weil schon ein anderer auf seinen Platz wartete, ein Günstling der SPÖ; aus diesem Grund musste er gehen.

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter konnte durch die Maßnahmen dieser Bundesregierung von 58,4 auf 58,9 Jahre angehoben werden. Die Zahl der Frühpensionen konnte gesenkt werden. Von den ÖBB, der Telekom und der Post ist genau der gegenteilige Effekt bekannt. Es kann doch nicht sein, dass 73 Prozent der Leute bei den ÖBB Frühpensionisten aus gesundheitlichen Gründen sind, zumal man ja beachten muss, dass 23 Milliarden Schilling an Zuschüssen für die Pensionen der Eisenbahner geleistet werden und dass das alles der Steuerzahler zahlt, weshalb auch verantwortungsvoll damit umgegangen werden muss, geschaut werden muss, wie diese Gelder eingesetzt werden.

Es ist natürlich ganz schlimm, wenn auf jemanden, der noch "pumperlgesund" ist, der arbeiten will, Druck ausgeübt wird – von den Managern (Abg. Öllinger: Von der Regierung!), von der Betriebsspitze – und er Ärzten vorgeführt wird, die womöglich auch unter Druck stehen. (Abg. Öllinger: Na, geh her!) Es bestimmen Betriebsärzte, die ja auf der Gehaltsliste des Unternehmens stehen, ob der jeweilige Mitarbeiter in Pension gehen soll oder nicht. (Abg. Öllinger: Jetzt auf einmal sind die Ärzte abhängig!)

Kollege Öllinger! Seit 20 Jahren stelle ich Pensionsanträge von ASVG-Versicherten. Das läuft ganz normal ab: Der Patient kommt und sagt: Ich möchte in Pension gehen. Herr Doktor, stellen Sie einen Antrag für mich. – Dann stelle ich den Antrag. Mit dem Antrag wird der Betreffende vorgeladen und bekommt einen Termin zur Untersuchung bei der Pensionsversicherungsanstalt. Zu dieser Untersuchung muss er alle Befunde und mein Attest mitnehmen.

Ich als seit 20 Jahren praktizierender Hausarzt habe mit der Pensionierung eines Eisenbahners überhaupt nichts zu tun. (Abg. Öllinger: Weil Ihr Dorf nicht an der Eisenbahn liegt!) Der Betriebsarzt verlangt meistens – mir ist eigentlich überhaupt kein Fall bekannt – keine Befunde. Er braucht die Befunde der Vorerkrankungen gar nicht, weil er sowieso weiß, dass er vom Management den Auftrag hat, diesen Patienten in Frühpension zu schicken!

So läuft der Hase, und daher muss jetzt wirklich durch einen Antrag geregelt werden, dass bei der Pensionsversicherung auch die Eisenbahner und die Postler, alle an einer Stelle untersucht werden, und zwar nach einem Konzept und nach einheitlichen Kriterien, damit die Leute erst dann in Pension gehen, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sind, zu arbeiten (Zwischenrufe der Abgeordneten Gradwohl und Öllinger ), und nicht dann, wenn das Management glaubt, jetzt wolle man diese Leute weghaben und in Pension schicken. Also frisiert man die Personalstatistik und lässt sich das vom Steuerzahler zahlen!

Daher glaube ich, dass die Prüfung durch den Rechnungshof sehr interessant wird und dass diese sehr wichtig ist. Ich glaube auch, dass die Mitarbeit der Ärztekammer hiebei eine ganz wichtige Rolle spielt. Der Präsident der Ärztekammer, Dr. Pjeta, hat uns das angeboten.


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Ich bin der Meinung, dass die Vorerhebungen durch den Staatsanwalt ganz wichtig sind und auch ein Ergebnis bringen werden. Daher werden wir uns den Untersuchungsausschuss sparen und auf diese Ergebnisse warten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Einem eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Einem, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Restliche Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

17.55

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Kurz zum Resümee: Herr Pumberger, an sich ist Ihrer Einleitung nicht allzu viel hinzuzufügen. Ist das so falsch, was Sie offensichtlich in ironischer Weise gemeint hatten, nämlich die Regierung sei schuld? – Ich komme später noch einmal kurz auf die Statistik zurück.

Zunächst zum Ablauf hier: Frau Vizekanzlerin! Ihre Abgeordneten werden nicht müde, zu erwähnen – ich glaube, jeder Redebeitrag der Freiheitlichen hat das mindestens einmal beinhaltet –, dass Sie diesen Skandal aufgedeckt hätten.

Da stellen sich für mich zwei Fragen: Erstens ist der Tageszeitung "Die Presse" zu entnehmen, dass sie sich geraume Zeit zuvor ständig mit diesem Thema beschäftigt hat, namentlich Herr Beninger. Aber vielleicht stehen Sie mit ihm ja in Kontakt. Da war keine Rede von den Freiheitlichen.

Außerdem habe ich zweitens den Verdacht, dass Sie ohnehin schon viel länger Bescheid wissen und sich eigentlich die Frage stellt, wieso Sie nicht früher aktiv geworden sind, wenn das alles so schlimm ist, wie Sie tun. Der Zeitpunkt, zu dem Sie in die Offensive gehen, ist auffällig, der Zeitpunkt ist so gewählt, dass es nach dem Auffliegen des Skandals Gaugg und der Geheimabsprachen ein paar Tage gebraucht hat (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Am 29.4.! Am 29.4. habe ich den Rechnungshof eingeschaltet!), bis Sie glaubten, hier etwas aufdecken zu müssen. Es hat ohnehin niemand mehr geglaubt, dass die Freiheitliche Partei irgendeine Aufdeckerkompetenz vorzuweisen hat. Das Ganze hinkt von vorne bis hinten.

Aber kommen wir zur Regierungsverantwortung. Sie wollten dann den Rechnungshof einschalten, noch dazu in der Peinlichkeit, dass nicht einmal der Antrag an den Rechnungshof gepasst hat, sodass man tagelang hin und her verhandeln musste, bis überhaupt klar war, was geprüft werden sollte. – So schaut die Aufdeckarbeit aus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein Letztes zur Statistik und zur Regierungsverantwortung: Herr Kollege Bruckmann! Wenn es so war, dass im Jahre 1999 bei der Post das durchschnittliche Pensionsantrittsalter 57,6 Jahre betrug, zwei Jahre später aber nur noch 53 Jahre, und Sie immer von dem System reden, das jetzt da aufgedeckt und verändert werden müsste, dann dazu Folgendes: Das System dirigieren Sie schon noch mit! So viel entpolitisiert haben Sie nicht.

Genau das ist der Unterschied: Auf Grund Ihrer Vorgaben für Herrn Sundt – das weiß man auch, wenn man Herrn Ditz zugehört hat –, auf Grund Ihrer Linie ist das passiert, was Sie jetzt anprangern! Und andere Möglichkeiten, wie eingespart werden soll, zeigen Sie nicht auf! (Abg. Dr. Khol: Das stimmt ja nicht! Das ist ja ganz primitiver Marxismus! Ich bitte Sie!) Das ist Ihr Versäumnis. Das ist eine dringliche Selbstanklage wie schon öfters, wie etwa bei den Frächtern. – Gratuliere! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Restliche Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

17.58

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Die sehr engagierte Debatte hat gezeigt, dass wir mit dieser Dringlichen Anfrage


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auf Grund der sehr verdienstvollen Aufklärungstätigkeit der Frau Vizekanzlerin und auch des Zusammenwirkens mit dem Rechnungshof und der Zeitung "Die Presse" wirklich in ein Wespennest gestochen haben; und jetzt schwirren alle Wespen herum. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lieber Herr Kollege Einem, es wird Ihnen nichts nützen zu versuchen, den Spieß umzudrehen, denn: "Bei Philippi sehen wir uns wieder!" (Heiterkeit.) Wir werden uns wieder sehen, denn wir haben heute einen Gesetzesvorschlag eingebracht – wir brauchen keine Aufforderung durch eine Entschließung –, der im Juli Gesetz sein wird, wonach in Zukunft bei Post, Bahn und Telekom nicht mehr der Vertrauensbetriebsarzt die Berufsunfähigkeit feststellen wird, sondern die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Das heißt also: ärztliches Gutachten, mehrere Ärzte. Es wird niemand mehr in Versuchung geführt werden, Gefälligkeitsgutachten abzugeben. Ich glaube, das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Einem! Wenn ich Ihnen aber sage: "Bei Philippi sehen wir uns wieder!", dann meine ich Sie als früheren Verkehrsminister. Damals hatten Sie nämlich ein gerüttelt Maß an Verantwortung für das, was in diesen Betrieben vorging. Der Rechnungshof untersucht, die Staatsanwälte untersuchen. Wir werden ein objektives Faktengerüst zur Verfügung haben; dann werden wir uns wieder sehen im Untersuchungsausschuss, dessen Einsetzung die Regierungsfraktionen beantragen werden und dem Sie dann hoffentlich zustimmen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer weiteren Wortmeldung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger gemeldet. Restliche Redezeit: 1 Minute. – Bitte.

18.00

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tut mir Leid, werte Mitglieder der Koalitionsparteien: Es ist Ihnen nicht gelungen, den Ball von sich loszubringen, ihn an die Opposition weiterzugeben und die Opposition dafür verantwortlich zu machen, was in zwei Jahren Ihrer Regierungszeit passiert ist, nämlich schlimmes Mobbing, schlimmes Agieren einer Geschäftsführung unter dem Zutun, unter dem Zuschauen von Regierungsmitgliedern, die gesagt haben: Wir sehen nichts, wir wollen nichts sehen!, und die sich nach zwei Jahren hinstellen und sagen: Wir haben die Täter! Das sind die Mitglieder der Oppositionsparteien, das sind die Gewerkschafter, das sind die Betroffenen selbst, die dafür verantwortlich sind, dass sie in Frühpension gegangen sind!

Was ist Ihre Alternative, Herr Khol? Dass die Leute jetzt aus der Frühpension an einen Arbeitsplatz zurückkommen, den sie nicht mehr haben (Abg. Dr. Khol: Time out!), dort von einem Arbeitgeber bezahlt werden, nämlich dem Bund, der sie gar nicht bezahlen will?! – Das glauben Sie doch selber nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen gesetzwidrige Frühpensionierungen im staatsnahen Bereich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist das die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt. (Abg. Bures: Westenthaler ist nicht einmal da!)

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 3679/AB

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit mit der Ordnungszahl 3679/AB.


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Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt.

Die Stellungnahme von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären soll nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig, die Debatte zu eröffnen. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Prammer: Es ist kein Minister da! – Abg. Dr. Cap: Kann man das Kaffeekränzchen beenden?)  – Frau Abgeordnete! Ich glaube, es ist so weit. Die Frau Staatssekretärin ist anwesend. (Ruf bei der SPÖ: Wir wollen einen Minister haben!)

18.03

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Eingangs muss ich sagen, dass ich sehr enttäuscht darüber bin, dass der Herr Minister heute nicht persönlich anwesend ist, um seine Anfragebeantwortung aufzuklären. (Bundesminister Dr. Bartenstein nimmt – neben Staatssekretärin Rossmann – auf der Regierungsbank Platz. – Abg. Schwarzenberger: Er ist auch anwesend! Brauchen Sie bessere Brillen? – Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Khol. )  – Herr Bundesminister! Ich begrüße Sie, freut mich!

Seit dem Bundesministeriengesetz 2000 haben wir ja eine Zusammenstellung von Aufgaben in Ihrem Ministerium. Sie sind für Arbeit und Wirtschaft zuständig und sind deswegen auch für frauenspezifische Fördermaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt zuständig. In diesem Sinne haben wir diese Anfrage an Sie gestellt.

Ich möchte Sie eingangs gleich etwas fragen: Was glauben Sie, Herr Minister und Frau Staatssekretärin, was Frauen in Österreich am meisten aufregt? – Das ist natürlich eine rein rhetorische Frage. Ich glaube, Sie beklagen das selber auch sehr oft, nämlich die Einkommenssituation beziehungsweise die eklatanten Einkommensunterschiede zwischen Männereinkommen und Fraueneinkommen in Österreich. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Im Einkommensbericht 2000, der natürlich die vergangene Situation bewertet, wurde eine sehr dramatische Situation dargestellt. Die Einkommensschere ist weiter auseinander gegangen. Der Sukkus aus diesem Bericht war im Wesentlichen Folgender: Wenn wir so weiter machen, dann werden in Österreich bald die Männer doppelt so viel verdienen wie die Frauen.

Es ist in anderen Bereichen noch dramatischer – je nach Einkommenssituation, je nach Berufssparte –, dass zum Beispiel Arbeiterinnen im Durchschnitt nur knapp mehr als 50 Prozent dessen verdienen, was ihre männliche Kollegen verdienen; weibliche Angestellte ebenfalls. Nur bei Beamtinnen schaut es etwas besser aus.

Dass es da natürlich eine Ursachenforschung geben muss und die Frage zu stellen ist, was die Kernpunkte dafür sind, warum es zu diesen himmelschreienden Ungerechtigkeiten zwischen Frauen- und Männereinkommen kommen kann, ist klar. Österreich liegt diesbezüglich übrigens am letzten Platz in der EU. Die Einkommensunterschiede in Österreich sind die höchsten in ganz Europa. Wir liegen hinter Portugal, hinter Griechenland, hinter Spanien. (Abg. Dr. Martin Graf: Schuld ist die sozialdemokratisch dominierte Gewerkschaft!)  – Schuld sind die Sozialdemokraten – auf diesen Einwand habe ich gewartet. Danke schön.

Herr Minister! Ich möchte Ihnen folgende Frage stellen: Welche Aufgabe, glauben Sie, kommt Ihnen bei der frauenspezifischen Förderung auf dem Arbeitsmarkt zu? – Einer der Kernpunkte Ihrer Aufgaben wäre vor allem, das Problem Wiedereinstieg für Frauen in den Beruf in Angriff zu nehmen und zu lösen. Ich glaube, wir sind uns sehr einig darin, dass das die Schlüsselfrage ist.


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Doch was tun Sie, Herr Minister? Wie geht es nach der Karenz weiter? Gibt es ein erschwertes Vorankommen, hat man eine Chance, wieder auf den Arbeitsmarkt zu kommen? – Eine der Schlüsselfragen für diesen himmelschreienden Unterschied, die es zu lösen gilt, sind die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen in Österreich. (Beifall bei den Grünen.)

Doch was tun Sie betreffend frauenspezifische Förderung auf dem Arbeitsmarkt? – Da gibt es eine Grundsatzabteilung in Ihrem Ministerium, die im Wesentlichen so etwas ist wie eine Pilotprojektabteilung, die Projekte in einem kleinen, aber sehr wichtigen Ausmaß in Österreich vorantreibt; ob das im Mölltal ist, ob das in Bregenz ist, das sind alles Projekte, die auf die regionalen Besonderheiten Bedacht nehmen, die Wiedereinsteigerinnen fördern, die sozusagen die Software liefern für Programme, die dann im AMS in einer breiten Wirkung weitergeführt werden. Das ist ein sehr feines, sehr angesehenes und gutes Programm, das von dieser Grundsatzabteilung vollzogen wird.

In den wiederkehrenden Anfragen, die der Grüne Klub immer wieder stellt, nämlich wie es mit den Mitteln für diese Projekte, wie es mit Kürzungen aussieht, ob die Mittel erhöht und die Projekte weitergeführt werden, ist nun in der gegenständlichen Anfrage die konkrete Frage an Sie gestellt worden: Wie sieht es mit den frauenspezifischen Fördermitteln in dieser Grundsatzabteilung für genau diesen arbeitsmarktpolitisch so relevanten Bereich aus? – Ihre Antwort war:

"Für das Jahr 2002 stehen voraussichtlich 300 000 € zur Verfügung, wobei der Schwerpunkt auf Wiedereinsteigerinnen gelegt wird." – So weit, so gut.

Eine Woche später, Herr Bundesminister, tauchten die ersten Medienberichte auf: Das Budget wird halbiert und ab dem nächsten Jahr gibt es überhaupt keine Förderungen mehr für diesen Bereich. – Überhaupt keine Förderungen mehr und jetzt eine Kürzung um 50 Prozent! Das schrieb der "Standard", das sagten Sie auch selber in einer Veranstaltung vor steirischen Frauenorganisationen, das wurde auch in Protestbriefen von bestimmten Institutionen an uns herangetragen.

Jetzt möchte ich Sie gerne fragen, Herr Bundesminister: Wie erklären Sie sich diesen eklatanten Widerspruch in der Anfragebeantwortung eine Woche vorher zu den Aussagen eine Woche später, die dem "Standard" gegenüber getätigt wurden, die Sie selbst getätigt haben?

Das möchte ich gerne wissen. Entweder war es am 28. Mai dieses Jahres noch nicht absehbar, was eine Woche später voraussichtlich nicht mehr an Geld vorhanden sein würde. Oder: Es stimmt alles nicht, es wird gar nicht gekürzt, dieser wichtige frauenspezifische Bereich erhält weiter Förderungen wie bisher. Oder – die dritte Variante –: Sie haben in dieser Anfragebeantwortung die Unwahrheit gesagt.

Herr Bundesminister! Ich möchte von Ihnen dazu jetzt eine Aufklärung. Welche Variante stimmt? Konnten Sie am 28. Mai noch nicht wissen, was eine Woche später in der Zeitung stehen würde, dass um die Hälfte gekürzt wird und nächstes Jahr die Mittel überhaupt eingefroren werden? (Abg. Großruck: Das ist ja keine Gerichtsverhandlung, Frau Kollegin!) Stimmt das nicht? Oder haben Sie in diese Anfragebeantwortung etwas Falsches hineingeschrieben oder hineinschreiben lassen? Sie ist mit Ihrer Unterschrift versehen, Herr Bundesminister!

Es kommt noch etwas verschärfend hinzu. Diese Schnittstelle zwischen dem AMS, zwischen den breitenwirksamen Programmen und der Grundsatzabteilung, die in vielen Bereichen so etwas wie Pilotprojekte ausprobiert, sich innovative Dinge ausdenkt, wissenschaftlich arbeitet und das dann in Projektform ausprobiert, diese sehr wichtige arbeitsmarktpolitische Maßnahme kommt durch zwei Seiten unter Druck: Auf der einen Seite durch Sie, Herr Minister, indem Sie die Software, sozusagen die Programme einschränken, jetzt halbieren und nächstes Jahr ganz wegkürzen wollen, und auf der anderen Seite wird die Hardware, sozusagen die Frauenorganisationen selbst, durch Herrn Bundesminister Haupt unter Druck kommen, und auch da wird gekürzt.

Also Sie nehmen einen so wichtigen Bereich, der Frauen sehr viel bringen kann, dies tut und auch in der Vergangenheit getan hat, mit zwei Zangen in eine doppelte Abhängigkeit. Ich


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möchte Sie auch hier einmal dringend befragen, ob das nicht eine ideologisch motivierte Kürzung ist, die eigentlich in einem Bereich, der losgelöst von so etwas funktionieren sollte, nichts verloren hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie haben uns in dieser Anfragebeantwortung an und für sich einmal beruhigt. Solche Anfragen werden vom Grünen Klub regelmäßig eingebracht, und sie sind auch gut basiert, denn es gibt ein Frauenfördergebot und eine rechtlich verankerte Gleichstellungspolitik in Österreich, die von der Europäischen Union vorgegeben ist. In allen Ministerien wird Gender Mainstreaming betrieben. Das ist eigentlich eine Politik, zu der Sie sich verbal bekennen und auch schriftlich in der Anfragebeantwortung bekannt haben:

"Für das Jahr 2002 stehen voraussichtlich 300 000 € zur Verfügung, wobei der Schwerpunkt auf Wiedereinsteigerinnen gelegt wird."

Herr Bundesminister! Entweder nehmen Sie es mit dem, was Sie sagen, nicht so genau und sind sehr leger bei diesen Anfragebeantwortungen, oder Sie verfolgen wirklich eine andere Politik in diesem Bereich. Ich möchte hier eine klare Antwort haben: Stimmt das? Wie sieht es mit der Frauengrundsatzabteilung aus? Wird es diese Projekte weiterhin geben: ja oder nein? Oder haben Sie da die Unwahrheit gesagt? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Letzte, Herr Bundesminister: Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, was frauenpolitische Basisarbeit bedeutet. Gerade die Projekte, die hier gefördert wurden, sind auch sehr in die regionale Breite gegangen. (Abg. Steibl: Gehört auch ein Stadtspaziergang dazu?) Das waren Projekte, die auch auf regionaler Basis verankert waren, die auf spezifische Besonderheiten von ländlichen Regionen sehr eingegangen sind. Die ganzen Besonderheiten, die ganzen Schwierigkeiten, denen Frauen ausgesetzt sind, wenn sie eine schlechte Ausbildung haben, wenn sie nach der Babykarenz mühsam und mit vielen Hindernissen wieder einen Einstieg in den Beruf versuchen, haben eine Rolle gespielt, auch die Verkehrsproblematik, die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes – all die Bedürfnisse, die Frauen tagtäglich am eigenen Leib erleben. Dafür waren diese Projekte sehr wichtig und notwendig.

Ich weiß nicht, ob Sie sich das vorstellen können, aber ich komme aus einer Region, in der solche Projekte extrem notwendig und wichtig wären, auch wenn es nur eine sehr kleine Summe ist. In ihrer Pilotwirkung haben sie eine positive Vorbildfunktion für die Breitenwirkung des AMS, und es gibt auch eine sehr gute Zusammenarbeit und eine sehr gute Abstimmung. Das ist nicht nur vom Rechnungshof, sondern von allerlei anderen Stellen bestätigt worden. Ich frage mich wirklich, was dahinter steckt, dass sie so etwas kürzen, abschaffen wollen.

Es gibt viele Möglichkeiten, das zu verbessern und auszubauen. Da gibt es auch viele Ideen. Man kann Branchen, man kann Betriebe fördern, frauenspezifische Zusatzanreize setzen. Aber irgendwo etwas wegzukürzen, dafür gibt es keine sachliche Rechtfertigung – außer eine ideologische, dass Ihnen bestimmte frauenspezifische Projekte oder bestimmte frauenspezifische Vereine einfach nicht passen. Anders ist das nicht erklärbar. (Beifall bei den Grünen.)

18.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

18.13

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich bin mit Ihnen, Frau Abgeordnete Glawischnig, in hohem Maße einer Meinung. Sie haben am Anfang die rhetorische, jetzt nicht auf meine Anfragebeantwortung bezogene Frage gestellt, inwieweit ich der Meinung bin, dass Frauen in Österreich zu wenig verdienen. – Sie verdienen zu wenig. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist eines der ganz wichtigen Prinzipien – und Zielvorstellungen – für die Arbeit dieser Bundesregierung, für die Arbeit von Kollegem Haupt und mir, ja der gesamten Regierungsmannschaft. Daran besteht kein Zweifel.

Sie haben weiters postuliert, dass einer der wichtigsten Schwerpunkte die arbeitsmarktbezogene Frauenförderung sein soll. – Ich bin ganz Ihrer Meinung, Frau Abgeordnete.


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Sie haben darüber hinaus gesagt, dass innerhalb der arbeitsmarktbezogenen Frauenförderung für Wiedereinsteigerinnen Schwerpunkte gesetzt werden sollen. – Ich bin ganz Ihrer Meinung, sehr geehrte Frau Abgeordnete. Da trennt uns nichts, jedenfalls nichts von dem, was Sie heute gesagt haben.

Aber eine derartige Besprechung einer Anfragebeantwortung darauf zu begründen, was eine Tageszeitung geschrieben hat respektive was ein Angehöriger Ihrer eigenen Fraktion – er weilt unter uns – dort gesagt und an Behauptungen von sich gegeben hat, halte ich schon für ein relativ starkes Stück. Zitieren Sie mich! Zitieren Sie eine Aussendung meines Hauses! Zitieren Sie Texte aus meinem Haus! Sie wissen so gut wie ich, dass eine der wichtigsten Mitarbeiterinnen der Frauengrundsatzabteilung Frau Abgeordnete Dr. Petrovic ist. Sie ist eine von fünf. Sie hat direkten Informationszugang. Aber zitieren Sie hier nicht eine Tageszeitung und Behauptungen eines Mandatars aus Ihrer eigenen Fraktion, welche im Regelfall nicht korrekt sind, auch nicht in diesem Fall, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Tätigkeit dieser Frauengrundsatzabteilung: Ich wurde immer wieder gefragt, auch in Anfragen der grünen Fraktion, inwieweit es da zu Schwerpunktsetzungen kommt, inwieweit in den Förderrichtlinien Derartiges fixiert ist. Als ich im Jahr 2000 die Ehre hatte, die Verantwortung auch für diesen Bereich zu übernehmen, habe ich gesehen, dass da sehr wenig an Schwerpunkten definiert ist. Förderwerber wurden auf Infoblätter verwiesen. Kurz gesagt, es wurde nach Gutdünken und nach der jeweiligen Position und Meinung der Abteilungszuständigen vergeben.

Wir haben das verändert und haben im Laufe des Jahres 2000 für das Jahr 2001 unser Augenmerk auf arbeitsmarktbezogene Frauenprojekte gerichtet. Das ist aus unserer Sicht gescheit und nach dem, was Sie gesagt haben, sehr geehrte Frau Abgeordnete, auch aus Ihrer Sicht. Ich musste aber in der Kontrolle feststellen, dass die Projekte zwar sehr wohl einen Arbeitsmarktbezug dargestellt haben, dass dieser aber sehr oft künstlich konstruiert war. Es wurden beispielsweise Projekte gefördert wie "L’Homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaften" mit 4 360 €, "Die Frauenhetz, Verein für feministische Bildung, Beratung und Kultur" mit 5 000 € und der Verein "Frauen, Lesben und Mädchen in Naturwissenschaft und Technik" mit 5 450 €. – Nicht, dass das nicht alles wertvolle Projekte sein können, aber die Arbeitsmarktbezogenheit dieser Projekte schien doch ein wenig weit hergeholt zu sein.

Auf Grund dieser Beobachtungen, meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, haben wir uns erlaubt, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die noch am Arbeiten ist. Es gibt noch keine Ergebnisse. Diese Arbeitsgruppe evaluiert die Tätigkeit der Frauengrundsatzabteilung und die dort geleistete Förderarbeit. Ich glaube, das Hohe Haus ist immer daran interessiert, dass Fördervergaben evaluiert werden, dass hier sehr streng darauf geachtet wird, das Geld des Steuerzahlers so sparsam wie möglich auszugeben. Das tun wir.

Dass jetzt offensichtlich der Informationsfluss aus dieser Arbeitsgruppe an Sie ein intensiverer sein mag als an mich, das liegt in der Natur der Sache oder vielleicht der Menschen. Dagegen kann ich nichts tun. Aber nehmen Sie bitte nur das als meine Aussagen an, was auch tatsächlich von mir kommt. Es ist das Budget dieser Frauengrundsatzabteilung mit 300 000 € heute, im Jahre 2002, um etwa 20 Prozent höher als im Jahre 2000. Ich konzediere, dass im Jahr 1999 das Budget mit 338 000 € noch etwas höher war, aber Sparen war und ist angesagt, und Fördervolumina wurden in dieser Phase von 1999 auf 2000 in vielfacher Weise zurückgenommen. Seither ist uns eine 20-prozentige Steigerung geglückt.

Sie werden auch verstehen, sehr verehrte Frau Abgeordnete, dass es uns ein Anliegen sein muss, Doppelgleisigkeiten abzubauen. Aktive Arbeitsmarktpolitik findet in hohem Maße und in bester Effizienz im Bereich des AMS statt, sodass ich als einen Schwerpunkt dieser Evaluierung auch die Infragestellung sehe, ob es denn nicht eine Doppelgleisigkeit ist, dass arbeitsmarktbezogene Frauenförderung auf der einen Seite im AMS sehr breitflächig und auf der anderen Seite in der Frauengrundsatzabteilung erfolgt.


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Sie haben mir vorgeworfen, es sei eine Förderkürzung um 50 Prozent geplant, ich hätte das selbst gesagt, ich hätte das vor Frauenorganisationen in Graz gesagt. Ich kann Ihnen sagen, ich war in den letzten Monaten bei einer Veranstaltung mit sehr hochkarätigen Frauenvertreterinnen. Frau Abgeordnete Steibl, du warst dabei. Mir ist nichts erinnerlich, dir wird vermutlich auch nichts erinnerlich sein. (Abg. Steibl: Ja, so ist es, dass die Buschtrommeln immer etwas anderes sagen!) Wahrscheinlich ist das so ähnlich wie mit den Zeitungsberichten, sehr geehrte Frau Abgeordnete Glawischnig, die Sie gelesen haben. Das stimmt einfach nicht.

Wenn Sie, sehr geehrte Frau Abgeordnete, Herrn Minister Haupt und mir hier eine Art Zangenbewegung, indem Förderprojekte und dergleichen mehr gekürzt würden, unterstellen, dann muss ich sagen: Nichts von alledem ist auch nur ansatzweise wahr. Das, was wir tun, ist, mit dem Geld des Steuerzahlers sorgfältig umzugehen, sorgfältig hauszuhalten und gerade die Schwerpunkte – sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich wende mich ja gerne direkt an Sie –, die Sie hier am Rednerpult des Hohen Hauses eingefordert haben, in den Vordergrund zu stellen, nämlich das Thema Wiedereinstieg in den Beruf und arbeitsmarktbezogene Frauenförderung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

18.20

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Bartenstein, ich muss schon noch einmal hinterfragen, was es denn jetzt heißt, 300 000 € zu haben oder nicht zu haben. Sie haben schlicht und ergreifend die Frage der Frau Kollegin Glawischnig nicht beantwortet! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist nicht geklärt, ob jene Frauenprojekte, die ganz dringend diese kleinen Beträge brauchen, um überhaupt ihren Betrieb aufrechterhalten zu können, die Förderung auch in Zukunft für gesichert halten können oder ob sie ganz einfach der Gefahr ausgesetzt sind, in die Unsicherheit abzugleiten, und zwar nicht nur durch die Streichung Ihrer Förderungen, sondern auch durch die Streichung der Förderungen durch Herrn Minister Haupt. Darin sind Sie sich offensichtlich sehr einig.

Ich habe die Zahlen mit. Herr Minister Haupt hat mir ja dankenswerterweise auch schon mehrmals Anfragen beantwortet. Ich kann belegen, dass im Jahre 1999 aus dem Frauenressort noch 6,2 Millionen € zur Verfügung gestanden sind, während heuer exakt 3,03 Millionen € zur Verfügung stehen. Wie sollen diese Frauenprojekte denn tatsächlich ihre Arbeit bewerkstelligen, wenn ihnen die Basis abgegraben wird? Es ist ja auch nicht so einfach im AMS, Herr Minister, das wissen Sie. Sie haben es zu verantworten, dass auch innerhalb des Arbeitsmarktservice die Mittel äußerst knapp werden. Dort geht es darum – oder eben momentan bedauerlicherweise nicht mehr darum –, Frauenprojekte ihre Arbeit machen zu lassen. Genau das Gegenteil tritt vielmehr ein!

Sie sagen, sozusagen mit Krampf oder auf Grund einer Vergabe nach Gutdünken und künstlich konstruiert sei die Arbeitsmarktbezogenheit hergestellt worden. Herr Minister, das Gleiche könnte ich Ihnen auch unterstellen. Sie suchen jetzt mit Krampf Argumente, warum bei den bisher geförderten Projekten keine Arbeitsmarktbezogenheit vorliegt. Das ist immer eine Frage der Sichtweise. Es geht bei diesen Frauenprojekten zum einen darum, dass es dort auch Beschäftigte gibt. Ich könnte nahtlos an das anschließen, was wir jetzt gerade bei der Dringlichen Anfrage diskutiert haben. Nahtlos! Da geht es ganz einfach auch um Existenzen in diesen Frauenprojekten, um Frauen, die plötzlich nicht mehr wissen, wie sie ihre eigenen Beschäftigten halten können.

Parallel dazu sind viele Frauen plötzlich in der Situation, in den Regionen nicht mehr die Möglichkeit vorzufinden, beraten zu werden und Hilfestellungen zu erhalten, um wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren zu können.


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107. Sitzung / Seite 158

Herr Minister! Die Antwort, die Sie gegeben haben, reicht bei weitem nicht aus. Ich bin der Meinung, es ist höchst an der Zeit, dass Sie hier Klartext reden. Wir haben jetzt Mitte des Jahres. Frauenprojekte haben ihre Ansuchen gestellt. Sie wissen allerdings nicht, ob es weitergeht oder nicht, ob sie die angesuchten Mittel bekommen und in welcher Höhe. Das Ganze ist ein Teufelskreis, Herr Minister.

In der Bundesregierung sitzt keine einzige Person, die bereit ist, diesen Teufelskreis aufzubrechen und einmal zu sagen: Ja, da ist eine Grundsatzförderung, da ist der Staat, und da könnte auch weiter gefördert werden. – Das alles haben Sie abgelegt, dafür sind Sie offensichtlich nicht mehr zuständig.

Es ist schon auch bezeichnend: Ich kenne auch viele Projekte, von denen ich weiß, dass sie Geld aus der Frauengrundsatzabteilung bekommen haben. Ich kenne diese Projekte natürlich auch deswegen, weil ich sie früher gefördert habe, und – welch ein Zufall! – genau diese Projekte finden sich nun im Untersuchungsausschuss wieder. Das heißt, es geht nicht nur darum, dass Sie Arbeitsplätze gefährden, dass Sie Frauen nicht mehr Beratung und Hilfe angedeihen lassen wollen, sondern da geht es ganz massiv um Ideologie. Es geht um Ideologie, wenn Frauenprojekte nicht das tun, nicht in jene Richtung arbeiten, wie Sie es gerne haben möchten; dann haben sie offensichtlich ihre Existenzberechtigung verloren. Da drehen Sie an einem Schräubchen, da dreht Herr Minister Haupt an einem Schräubchen, da nimmt man dem Arbeitsmarktservice die Möglichkeiten weg, und dann ist man diese lästigen Kritikerinnen auch los.

Herr Minister! So einfach wird es nicht sein. Ich bedauere Ihre Vorgangsweise zutiefst. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Burket. Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

18.25

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Es wird wohl niemanden besonders verwundern, dass ich eine etwas andere Ansicht über das Thema, das jetzt gerade ansteht, habe als die ehemalige Frauenministerin Prammer, denn ich kenne aus der Praxis nur zu sehr die tatsächlichen Probleme der Frauen, wenn sie nach Kinderpausen den Wiedereinstieg in den Beruf versuchen. Ich weiß, was ihnen dann wirklich fehlt, nämlich Kindergärten zum Beispiel, die solche Öffnungszeiten haben, dass sie kompatibel mit Arbeitszeiten sind. (Abg. Mag. Prammer: Wo Sie die Kinderbetreuungsmillionen gestrichen haben! Damit Sie es nicht vergessen!) – Lassen Sie mich meine Ausführungen machen, Frau Prammer, ich habe Ihnen auch andächtig zugehört.

Das ist es, was Frauen notwendig brauchen, auch Nachschulungen, um sich heute auf dem Arbeitsplatz zu bewähren, nämlich mit den Mitteln, die derzeit gefragt sind. Ich muss leider immer wieder erleben, dass auch vom AMS Schulungen durchgeführt werden, und zwar, ich möchte fast sagen, zum Schaden der Frauen.

Ich erlebe es, dass sich Damen bewerben, die ein Gewerbe gelernt haben und die man umgeschult hat – und das passiert leider sehr oft auch zwangsweise – zur Sekretärin. Bei ihrem neuen Arbeitgeber sind sie meist weder in der Lage, einigermaßen fehlerlos rechtzuschreiben, noch können sie wirklich einen Computer bedienen. Dann sitzen diese Frauen dort und haben eigentlich nichts als Misserfolgserlebnisse und verlieren den Arbeitsplatz schneller, als sie angefangen haben.

Das sind leider Fakten, die wir sehr oft erleben und wo genug Beschwerden von den Leuten kommen, die beim Arbeitsamt qualifizierte Arbeitskräfte suchen, auch von den Frauen, die in dieser Form ausgebildet werden und eigentlich keine Chance haben, auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen.


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Wir haben kürzlich im Untersuchungsausschuss auch über geförderte Projekte gesprochen. Da ist mir eines besonders in Erinnerung, was es, glaube ich, durchaus wert ist, auch vor einem breiteren Publikum zum Besten gegeben zu werden. Es gab den geförderten Verein "Virginia Woolf", der sich darin ausgezeichnet hat, dass sich die Damen, die dort beschäftigt waren, in völliger Unkenntnis jenes Tatbestandes, der sich einen Tag vorher abgespielt hat, befunden haben. Die haben weder gewusst, wo ihr Verein ist, wie er ist, seit wann er besteht, noch wer verantwortlich war, wer die Bücher geführt hat, wer was getan hat. Es hat allerdings darin gegipfelt, dass die Damen Kinder unterrichtet haben, dafür ordentlich Geld kassiert haben, Pseudoarbeitsplätze geschaffen haben (Abg. Dr.  Glawischnig: 200 000 € im Jahr!) und die Kinder in der Form unterrichtet haben, dass sich die Kinder nach einem Lernjahr selbst beurteilt haben mit den Worten: Ich kann zwar nicht besonders lesen und auch nicht besonders schreiben, aber ich kann gut raufen und mich verteidigen. Wenn ich mich mit meiner Freundin gestritten habe, dann vertöchtern wir uns. – Das war der Tenor dieser Schulausbildung. (Abg. Öllinger: Was ist Ihr Problem dabei?)

Ich finde es fahrlässig, wenn man Kinder in dieser Form ausbildet, denn das sind die, die auf dem Arbeitsplatz nicht bestehen können, Herr Kollege. Qualifizierte Ausbildung ist heute notwendig! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das, was dort gemacht wird, ist ein Unsinn! So kann niemand in der Arbeitswelt bestehen! Dann beklagen Sie, dass die Frauen zu wenig Unterstützung bekommen und dass sie keinen Wiedereinstieg schaffen.

Es ist jetzt natürlich ein Sprung vom Mädchen zur Frau, das ist keine Frage, aber dort wird ja bitte die Wurzel gelegt. Ich muss Ihnen sagen, dass mir die Unterstützung einer Mutter mit zwei oder drei Kindern, die wieder Geld verdienen gehen muss und wenige Möglichkeiten hat, allemal lieber ist als Projekte von Frauen, die in ganz unglaublicher Art nur in Konfrontation mit der restlichen Gesellschaft leben, die sich eigentlich völlig ausgrenzen. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) – Selbstverständlich, und ich stehe auch nicht an, darüber zu reden. Alle deuten nur an, Frau Prammer deutet nur an. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage Ihnen klipp und klar, worum es geht: Mir ist es wesentlich wichtiger, Familien und allein stehende Frauen zu unterstützen und zu fördern als Ihre linken oder lesbischen Projekte (Abg. Dr. Glawischnig: Was soll das?), womit Sie die restliche Gesellschaft zwingen, diese als absolute Norm und unterstützenswerte Gesellschaftsform anzusehen. Ich kann das nicht so sehen, es tut mir Leid. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte.

18.30

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Petrovic, ich finde es doch etwas merkwürdig, dass Sie mehr oder minder an sich selbst eine Anfrage gestellt haben. Sie haben sie natürlich offiziell an den Herrn Bundesminister gestellt, aber als Beamtin der Frauengrundsatzabteilung des Wirtschaftsministeriums müssten Sie eigentlich die gesamte Information, was diese Abteilung tut, warum etwas in diesem Bereich geschieht oder nicht geschieht – diese Abteilung trifft ja letztendlich auch die Entscheidungen –, aus erster Hand haben. Aber ich finde es trotzdem gut, dass Sie die Beantwortung dieser Anfrage zum Anlass nehmen, hier eine frauenspezifische Debatte zu führen, denn ich freue mich über jede frauenspezifische Debatte, die in diesem Hohen Haus stattfindet.

Ich gebe Frau Kollegin Glawischnig Recht: Wir haben ein schweres Defizit, was die Unterschiede zwischen Männer- und Frauengehältern betrifft, ein Defizit, das in den Jahren sozialistischer Frauenpolitik leider nicht kleiner, sondern größer geworden ist. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) Diesen Vorwurf kann man auch Frau Minister Dohnal, Frau Minister Konrad und Frau Minister Prammer leider nicht ersparen. (Beifall bei der ÖVP.)

In der Verantwortung der Frauenministerien zwischen 1978 und 1999 kam es zu einem stärkeren Auseinanderklaffen dieser Einkommensschere. Das ist Tatsache! Ich bedauere das sehr,


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denn als Frauenpolitikerin liegt mir sehr viel daran, dass diese Einkommensschere nicht noch mehr auseinander geht, sondern sich schließt. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. )

Liebe Frau Kollegin Prammer, ich weiß schon, dass Sie sich jetzt wehren, weil Ihnen das unangenehm ist. Ich glaube, dass es viele notwendige Projekte gibt, um nicht nur hier Bewusstsein zu bilden, sondern auch Veränderung zu schaffen. Aber Veränderung schafft man nur dann, wenn man das Problem ganzheitlich sieht. Wir haben ja jetzt auch im Gender Mainstreaming über die Europäische Union Ansätze, das ganzheitlich zu betrachten.

Gegenstand dieser Anfrage ist die Frauengrundsatzabteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, die primär oder ausschließlich eine arbeitsmarktspezifische Komponente hat. Das ist auch legitim, denn der Rest der Frauenförderung "liegt" im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, und dorthin wollte Herr Bundesminister Bartenstein die Frauengrundsatzabteilung auch verlagern, um die Frauenförderung zu bündeln und alle Projekte in einem zu haben.

Liebe Frau Kollegin Petrovic! Sie haben bei mir massiv interveniert, es möge diese Abteilung beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit verbleiben. Okay, ist auch gut, arbeitsmarktspezifisch, aber dann müssen Sie auch akzeptieren, dass die Projekte, die dort gefördert werden, einen arbeitsmarktspezifischen Hintergrund haben.

Wenn Sie jetzt behaupten, dass das alles nur ideologisch motiviert sei, wenn hier Projekte weniger oder nicht mehr gefördert werden, dann muss ich Sie schon fragen: Das Projekt "Stadtspaziergang" in Graz ist sicher ein sehr wichtiges Projekt, weil im Rahmen von Spaziergängen auf frauenspezifische Denkmäler in der Stadt Graz hingewiesen wird – auch das Geschichtswissen ist wichtig –, aber sagen Sie mir bitte: Was ist die arbeitsmarktpolitische Komponente dieses Projektes?

Meine Damen und Herren! Wenn man konsequent ist, dann muss man auch konsequent bleiben!

Wenn Sie "ideologisch begründet" sagen, darf ich Ihnen mitteilen: Von der Frauengrundsatzabteilung zur Ablehnung vorgeschlagen wurde zum Beispiel auch ein Projekt der "Aktion Leben", die sehr wohl Arbeitsplätze auch für schwangere Mütter in Not schafft. Von der Frauengrundsatzabteilung ebenfalls abgelehnt wurde ein Projekt von "Family Service" in St. Pölten, weil es offensichtlich auch ideologisch nicht gepasst hat oder weil man gesagt hat, das gehört zum Herrn Minister Haupt.

Wenn schon "ideologisch", meine Damen und Herren, dann will ich aber auch, dass beide Seiten gesehen werden!

Lassen Sie mich zum Schluss ganz kurz sagen: Was tut diese Bundesregierung wirklich, um diese Gehaltsschere immer mehr zu schließen? Wir wissen aus der Forschung, die Unterschiede resultieren aus einem falschen Berufseinstieg oder aus nicht spezifisch genug gewählten Berufen – es wählen zu wenige Frauen technische Berufe –, und sie resultieren aus der Familienpause.

Wir haben mit Programmen der Frau Minister Gehrer, mit Programmen des Ministers Bartenstein, um Frauen auch in außergewöhnliche Berufe, in technische Berufe, in moderne IT-Berufe zu bekommen, wichtige Schritte gesetzt. Wir haben vor allem eines getan: Wir haben mit der Zuverdienstgrenze in der Kindergeldphase die Möglichkeit geschaffen, dass Frauen nicht nur den Fuß in der Tür behalten können, sondern dass sie letztendlich auch ihre Pensionen erhöhen können, auch mit den 18 Monaten pensionsbegründender Anrechnung der Familienzeiten, und gleichzeitig auch in ihrer Karriereentwicklung bessere Chancen und damit auch Chancen auf höhere Gehälter haben. Das ist wirklich Frauenförderung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.35


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als letzter Redner dazu zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: ... Adrenalin!)

18.36

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Es wird Ihrem Adrenalin noch manches gut tun, Herr Abgeordneter Khol! (Abg. Dr. Khol: Was sagen Sie?)

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, Ihre Antwort finde ich ein bisschen enttäuschend, weil sie ausweichend ist. Ich habe Sie schon geschätzt – trotz vieler Differenzen, keine Frage –, weil Sie in Frauenfragen auch ein bestimmtes Ausmaß an Entschlossenheit und Mut zeigen. Das lassen Sie jetzt in dieser Debatte vermissen.

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, vielleicht wissen Sie es nicht, ich sage es Ihnen noch einmal: Ihre Klubkollegen im Untersuchungsausschuss sind diejenigen, die gegen Frauenförderprojekte mit dem Argument auftreten: Ein Frauenverein, der Frauen beschäftigt und eine Frauenzeitschrift herausgibt, in der nur Frauen schreiben dürfen, darf nicht gefördert werden, denn diese Förderung entspricht nicht dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung und widerspricht dem Gleichbehandlungsgesetz!

Das ist die Argumentation, die Ihr Kollege Kukacka andauernd im Untersuchungsausschuss verwendet gegen genau diese Projekte, über die wir reden, die Frau Abgeordnete Burket vorhin auch erwähnt hat.

Ich denke, wenn man das weiß, auch vor diesem Hintergrund, dann wird man misstrauisch. Man wird auch misstrauisch, wenn der Herr Bundesminister keine Antwort hinsichtlich der Förderungen im Jahr 2002 gibt, denn das war keine Antwort! Man hört das ja schon überall die Spatzen von den Dächern pfeifen, und vor allem die Frauenvereine machen sich natürlich jetzt schon im Juni darüber Sorgen, was mit ihren Förderungen ist, und sie fragen sich, weshalb sie keine Förderungen bekommen und warum sie diesbezüglich keine klare Auskunft bekommen. (Zwischenruf der Abg. Rauch-Kallat. )

Nein, werte Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, Frau Abgeordnete Petrovic – ich habe sie noch einmal gefragt – ist nicht für die Förderungen zuständig.

Ihre Abgeordneten im Untersuchungsausschuss sind jedoch diejenigen, die ganz aktiv gegen Förderungen auftreten!

Meine Damen und Herren! Ich bin nicht zufrieden mit dieser Anfragebeantwortung und stelle folgenden Antrag:

Antrag

des Abgeordneten Öllinger

Ich beantrage, die Anfragebeantwortung 3679/AB zur Anfrage 3707/J der Abgeordneten Petrovic nicht zur Kenntnis zu nehmen.

*****

So geht es nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.38


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Abstimmung! Abstimmung!)

Ich unterbreche für einige Augenblicke die Sitzung.

(Die Sitzung wird für kurze Zeit unterbrochen. )

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Der Antrag des Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen, der Nationalrat möge die Anfragebeantwortung 3679/AB nicht zur Kenntnis nehmen, ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen, die Anfragebeantwortung 3679/AB nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Nichtkenntnisnahme aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt. (Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Auszählen! Auszählen! – Abg. Dr. Pilz: Schiebung! Schiebung! Schiebung!)

Bitte bleiben Sie stehen, damit wir die Auszählung vornehmen können! (Während der Auszählung betreten zwei Abgeordnete der Regierungsfraktionen den Saal, worauf es zu Zwischenrufen bei der SPÖ und den Grünen kommt.)

Meine Damen und Herren! Es ist zirka ein Acht- bis Neun-Stimmen-Überhang, auch wenn Frau Abgeordnete Mag. Hartinger jetzt hereingekommen ist. Das ist eine eindeutige Entscheidung. Wir haben das hier vom Präsidium aus gezählt. Nehmen Sie das bitte so zur Kenntnis! ("Zirka!"-Rufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 5 bis 9 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Bauer. – Bitte. (Unruhe im Saal.)

18.42

Abgeordneter Ing. Gerhard Bauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Hohes Haus! Jetzt kommen wir wieder zu einem Sachthema zurück, und zwar zur "Gewerbeordnung neu". Ich schließe als zweiter Redner an die Erstrednerin an, die einen künstlerischen Beitrag geliefert hat, nämlich eine Schwarzmalerei zur Gewerbeordnung. Das ist aber nicht gefragt. Zeitgeister sind gefragt, keine Kleingeister! Das sagt ja auch Ihr Sektionsobmann Ernst Graft vom sozialistischen Freien Wirtschaftsverband in seiner Fachzeitung. Er hat die treffende Antwort formuliert: Was die Wirtschaftskammerreform nicht geschafft hat, muss jetzt die "Gewerbeordnung neu" schaffen! – Damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen, weil wir bisher in Österreich durch kameralistisches Denken ein beengendes Netzwerk an gesetzlichen Restriktionen aufgebaut haben. Nachvollziehbar war dies für die Wirtschaft in Zeiten der Globalisierung, des Zusammenrückens der Wirtschaftsräume schon lange nicht mehr. (Anhaltende Unruhe im Saal. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Ich bin der Meinung, dass einschränkende Zugangsbestimmungen auf die Dauer sowieso nicht die geforderte unternehmerische Tüchtigkeit ersetzen können. In einer gelebten Marktwirtschaft wird die Verantwortung des Unternehmers gegenüber der Gesellschaft und seinen Mitarbeitern an Bedeutung ständig zunehmen, und der Konsument beziehungsweise der Markt als Ganzes werden künftig über Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens zu entscheiden haben.

Wenn nun der Freie Wirtschaftsverband, der sozialistische Freie Wirtschaftsverband, in seinem Fachblatt festgestellt hat, dass diese schwarz-blaue Regierung mit der "Gewerbeordnung neu" ihr wahres Gesicht gezeigt hat, dann ist damit sicherlich der wirtschaftliche Weitblick gemeint, mit dem diese Regierung erkannt hat, dass ein Zunftwesen aus dem vorigen Jahrhundert in einer Globalisierung nicht mehr brauchbar ist (Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Öllinger: Das war aber ein schwacher Applaus! Der war so schwach, dass er nicht im Protokoll vermerkt werden kann!), in einer Zeit, in der Österreich marktwirtschaftlich zu einem Bundesland Europas wird. Auf diese Signale hat unsere Regierung mit einem Reformprogramm gerade rechtzeitig geantwortet.


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Ich bin der Meinung, das Wirtschaftskammerparadies muss sich öffnen und darf sich dieser schnelllebigen Zeit, in der die Wirtschaftsräume unaufhaltsam rasch zusammenrücken, nicht länger verschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Haben Sie das mit Ihrem Koalitionspartner abgesprochen?)  – Das haben wir mit unserem Koalitionspartner abgesprochen!

Ich bin der Meinung, wer die Liberalisierung, wer das positive Klima für das Unternehmertum und den damit zwangsläufig verbundenen Input für Gründer-Perspektiven nicht erkennen will, der stellt sich dem Wirtschaftsstandort Österreich entgegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich "Gründer-Perspektiven" sage, dann möchte ich auch auf die neueste Schlagzeile in der Wirtschaftsbeilage des "Kurier" hinweisen: Gründer-Bestzeit: 17 Minuten für Gewerbeanmeldung! – 27 000 Anmeldungen im vorigen Jahr sprechen für sich. Nun haben wir die One-Stop-Shop-Lösung, mit nur einem Ansprechpartner bei der Verwaltungsbehörde, mit einer massiven Verwaltungsvereinfachung. – Welch ein Fortschritt im Unternehmerrecht! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn man jetzt auch die elektronische Gewerbeanmeldung berücksichtigt, dann kann ich nur sagen: Danke, schwarz-blaue Regierung! Da weinen wir dem guten alten Gewerbeschein nicht mehr nach, sondern wir begrüßen diese Systemvereinfachung.

Dokumentiert der Bewerber seine fachliche Qualifikation generell mit einem standardisierten Befähigungsnachweis, dann ist das für ihn erledigt. Das neue System ermöglicht eine tief greifende Verwaltungsvereinfachung, und Nachsichtsverfahren durch den Landeshauptmann sind überflüssig geworden. Die Meisterprüfung, wo Sie immer geunkt haben, bleibt weiterhin ein Qualitätsmerkmal, und das duale Ausbildungssystem bleibt ebenso erhalten. Die Volljährigkeit ist ein Erfordernis für die Meisterprüfung, und die Lehrabschlussprüfung bildet nach wie vor die Basis dafür. Bei den künftigen Prüfungen nach dem Multiple-Choice-Verfahren wird es Transparenz und gerechte Prüfungsfragen geben, und das ist in Ordnung so.

Gesamt gesehen baut diese Gewerbeordnungs-Novelle auf einer Vereinfachung der Gewerbekategorien auf. Es gibt eine Liste von reglementierten Gewerben, und alles andere sind eben freie Gewerbe. Bei Teilgewerben fällt das Ausbildungsverbot. Ich habe daran nichts Schlechtes empfunden, denn die Ausweitung dieser Nebenrechte führt dazu, dass Gewerbetreibende Gesamtaufträge übernehmen können, dass sie ergänzende Leistungen erbringen dürfen. – Es braucht ja nur der wirtschaftliche Schwerpunkt erhalten zu bleiben!

Die freiheitliche Handschrift trägt auch die Liberalisierung des Handels. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist freies Unternehmertum! Es muss zwangsläufig eine bessere Ausbildung der Dienstleistungsfähigkeit für den Konsumenten geben, und es wird eine Mindestqualifikation an Fachwissen zu erfüllen sein. Das birgt aber auch Umsatzchancen für das einzelne Unternehmen, unter der Devise: Der Kunde ist König! Ausgenommen haben wir ja sowieso die sensiblen Bereiche Waffen und Medizin, wo öffentliche Interessen in Bezug auf Gefahren für Leib und Leben entscheiden. Da haben wir keine Veränderungen vorgenommen.

Was das Gastgewerbe betrifft, bleibt die fachspezifische Lehrabschlussprüfung, nur Zutrittsbarrieren fallen – alles andere regelt das Arbeitsinspektorat. Auch da wird die Qualität der Leistungen über Sein oder Nichtsein entscheiden. Das ist eben gelebte Marktwirtschaft!

Der Konkurs soll künftig kein unbedingter Ausschließungsgrund mehr sein, weil Konkurs nicht zwangsläufig mit Unfähigkeit verbunden ist. Die heutigen Unternehmen sind "gläsern" geworden: Bei jedem Kreditschutzverband kann man sich informieren. Unternehmerrisiko, sage ich, ganz modern denkend, ist nun einmal ein marktwirtschaftlicher Faktor (Beifall bei den Freiheitlichen), wobei ich schon mit Moral dazusage, ein Kridadelikt mit Strafausmaß und Konkursabweisungen mangels Masse sollen weiterhin ein Gewerbeausschließungsgrund sein.


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Diese Novellierung der Gewerbeordnung ist insgesamt gesehen der einzig richtige Reformschritt in die Zukunft und für die Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich in Ordnung. Alles andere wäre anachronistisch, wenn wir uns in ein gesamteuropäisches System hineinbewegen wollen.

An die SPÖ-Fraktion richte ich meinen Schlusssatz: Der weise Mann eilt seiner Zeit voraus, der Kluge kommt ihr nach auf allen Wegen, und nur der Dummkopf stellt sich ihr entgegen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

18.50

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Ich darf davon ausgehen, dass ich hier einen Redebeitrag abgebe und nicht in eine "Zirka-Ecke" verbannt werde. Ich muss einfach kurz darauf zurückkommen: Die Verkündigung eines Abstimmungsergebnisses im Zirka-Bereich ist eher ein seltener Vorgang hier im Haus; vielleicht unterhalten wir uns bei Gelegenheit noch einmal darüber. (Abg. Böhacker: Mit klarer Mehrheit beschlossen! Eine klare Mehrheit! – Abg. Schwarzenberger: Acht-Stimmen-Mehrheit!)  – Lassen wir das, wir haben ohnehin auf eine Geschäftsordnungsdebatte verzichtet.

Kommen wir zur vorliegenden Materie. Mein Vorredner hat so getan, als ob es sich hier um ein Jahrhundertwerk handeln würde. An sich ist gegen sein blumiges Zitat auch nichts einzuwenden, wenn es denn so wäre, dass es sich hiebei um ein Jahrhundertwerk handelte und dass wir uns trotz aller ideologischen Unterschiede hie oder da darauf hätten verständigen können, dass es sehr wohl in wesentlichen Bereichen, gerade im österreichischen Gewerbe und in den Strukturen, wie wir sie bis jetzt vorfinden, sehr vieler Liberalisierungsschritte bedürfte.

Aber was stellen wir fest? – Diese Liberalisierungsschritte bleiben in wesentlichen Bereichen, wo sie – Kollege Mitterlehner schaut schon ganz verdeckt – lange angekündigt waren, in Wirklichkeit ja aus! Ein erstes Resümee – ich darf es vorwegnehmen – unserer Fraktion ist jenes, dass genau dort, wo es sinnvoll wäre, zu liberalisieren, wo überholtes Zünftlertum abgebaut werden könnte, viel zu wenig geschieht. (Rufe bei der ÖVP: Wo? Wo?)

Ich komme noch auf einige Beispiele zu sprechen, wollte aber zunächst ein paar positive Dinge erwähnen, so etwa den Zugang zum Gewerbe, was die Anmeldung betrifft, durch das One-Stop-Shop-Prinzip – meinetwegen. Es ist auch sehr sinnvoll, dass das lautere Scheitern sozusagen verankert wird, das macht in Bereichen der freien Marktwirtschaft sehr viel Sinn, weil ja nicht jeder böswillig scheitert und andere nicht absichtlich schädigen will und deshalb eine zweite Chance bekommen soll.

Es sind etliche sinnvolle Dinge, aber die wirkliche Frage ist: Was wird liberalisiert und wo genau wird nicht liberalisiert? Wieso wir jetzt zum Beispiel bei den Fotografen noch immer ein reglementiertes, nach der neuen Diktion, Gewerbe vorfinden sollen, das sollten Sie uns einmal erklären, Kollege Mitterlehner! Mir ist etliches in dieser Liste der immer noch verbliebenen 79 – oder wie viele es noch sind – Reglementierungen nicht immer plausibel, warum das so sein muss. (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl. )

In manchen Bereichen legen Sie sogar noch erschwerte Zugangsbestimmungen fest. Es wird Ihnen genauso gegangen sein wie mir, und die Vertreter und Vertreterinnen der Branche der ErnährungsberaterInnen werden Sie kontaktiert haben. Mir erscheint das schon plausibel, was diese einwenden. Wenn die ÖNORM eine relativ gute und strenge Ausbildung vorsieht, wir hier aber nicht in der Lage sein sollen, dieselben Bestimmungen, die die ÖNORM vorsieht, als Zugangsbestimmungen zu verankern – wenn es denn schon ein, durchaus sinnvollerweise, reglementiertes Gewerbe sein soll –, dann muss ich sagen: Das ist mir nun wirklich nicht einsichtig! In Wirklichkeit gibt es gar nicht so wenige Beispiele dafür, dass Sie neue Schranken errichten und die Chancen von initiativen, meistens jungen und engagierten quasi zukünftigen UnternehmerInnen schmälern. Das kann ja nicht der Sinn dieser Neuordnung sein!


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Im Umkehrzug wird genau so liberalisiert, dass Konsumentenschutz und ArbeitnehmerInnenschutz – gleichwohl nicht Kernbestandteil dieser Materie, ich gebe es zu – in manchen Bereichen verschlechtert werden. Deshalb kann ich der Euphorie meines Vorredners in keiner Weise folgen. Es hätte die Chance bestanden, mehr daraus zu machen, aber diese Chance wurde ausgelassen. (Beifall bei den Grünen.)

In der leidigen Frage von Abänderungsanträgen, die wir ja heute auch noch über uns ergehen lassen müssen, im wahrsten Sinne des Wortes, muss ich zur Form des Einbringens schon auch noch etwas sagen. Dass Sie Abänderungsanträge zu solch sensiblen Materien, die letztlich den Datenschutz tangieren, heute hier noch während der Debatte eingebracht haben, könnte ich mir nur damit erklären, dass Sie – und das müsste man zurückweisen – eben bis zum Schluss warten und die Opposition nicht mit einbeziehen; soweit ich informiert bin, hat auch die SPÖ überhaupt nichts im Vorfeld erfahren. Seit gestern laufen wir diesen Anträgen hinterher, es kommt nichts, und plötzlich ist doch etwas da – so kann es nicht gehen!

Der einzige Entschuldigungsgrund, den Sie vorbringen können, ist, dass sich Ihre Klientelen, die Sie wechselseitig vertreten – mehr gegeneinander als miteinander offensichtlich –, überhaupt nicht einig geworden sind und Sie als deren verlängerte Arme hier herinnen offensichtlich auch nicht.

Dass Sie nicht in der Lage sind, bei einem so genannten Jahrhundertwerk, das ein Jahr lang verhandelt wird, wesentliche Materien im Vorfeld abzuklären, sondern sie noch während der Debatte hier hereinschummeln – in letzter Not GO-konform –, das finde ich schon ein bisschen enttäuschend. Wir sollten uns angewöhnen, das bei Themen, bei denen wir gute Chancen hätten, Vier-Parteien-Einigungen zustande zu bringen, anders zu handlen.

Ich darf zur Grundsatzkritik noch ein weiteres Beispiel hinzufügen. Kommen wir zu den Gastwirten; ein durchaus lohnendes Beispiel, um zu schauen, wie weit hier die Liberalisierung fortgeschritten ist. Die ganze Liberalisierung besteht im Wesentlichen darin, dass – mit Verordnungen unterstützt – hinkünftig allenfalls auch noch Akademiker ein Gastgewerbe eröffnen können. Also Kollege Pilz dürfte ein Gasthaus aufmachen, Kollege Van der Bellen und andere auch; wäre vielleicht gar nicht so schlecht. (Abg. Böhacker: Es ist nur die Frage, ob jemand hinkommt!)  – Da würden genug kommen; ob wir alle hineinließen, ist eine andere Frage.

Aber es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, wieso Absolventen der Ägyptologie – um diesen Bereich zu strapazieren, aber nichts gegen die Ägyptologie – in der Lage sein sollen, ein Gasthaus zu eröffnen, derjenige aber, der eine Handelsakademie abgeschlossen hat, das nicht darf. Ich verstehe das nicht! Ich hätte vermutet, dass zumindest in den österreichischen Handelsakademien Dinge gelehrt werden, die zur Bewältigung zumindest des kaufmännischen Teiles des ganzen Wirtshaustreibens befähigen sollten. Erklären Sie uns bitte, wo hier dieser Jahrhundertwurf sein soll, den Sie so belobigen!

Ich muss Ihnen sagen, es wäre eine sehr lohnende Debatte, wenn wir uns darüber unterhalten würden, wo der Markt weitere Deregulierung brauchen würde. Da gibt es etliche Bereiche, wo wir uns noch einigen könnten. Wir hätten – und das war die ursprüngliche Intention vor Monaten, wir haben Ihnen das signalisiert – durchaus gerne zugestimmt, wenn mehr weitergegangen wäre. Aber wenn das Grundprinzip wirklich das ist, dass genau bei den Zugangsbeschränkungen, dort, wo sozusagen der Kern der Wahrheit und der Intention der Gewerbeordnung liegt, am wenigsten weitergeht, währenddessen in anderen Bereichen durchaus schützenswerte Mechanismen des Staates abgebaut werden und anderenorts, etwa im ArbeitnehmerInnenschutz, im Konsumentenschutz, nichts Adäquates passiert, dann ist das in der Tat eine Sache, die neben kleinen Fortschritten durchaus auch zu Verschlechterungen führt.

Deshalb mein Resümee: eine große Chance vertan und zusätzlich Verschlechterungen erwirkt. – Unsere Zustimmung dürfen Sie nun nicht erwarten! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.58


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.59

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat niemand von einem Jahrhundertwerk im Bereich der Gewerbeordnung gesprochen (Abg. Mag. Kogler: Oja, mein Vorredner!), und zwar aus einem ganz einfachen Grund: weil es schon relativ viele Gewerbeordnungsnovellen gegeben hat und noch geben wird. Das aber nicht, weil schlecht gearbeitet wird, Herr Kollege Kogler, sondern weil die Dynamik der Wirtschaft es mit sich bringt, dass eben immer wieder relativ rasch angepasst werden muss. (Abg. Mag. Kogler: Sehr "originell"!)

Es ist auch von der Ausgangslage her natürlich etwas ganz anderes, ob – wie gestern bei der Abfertigung – von den Zielrichtungen her alles relativ klar ist oder ob es, wie in diesem Fall, drei unterschiedliche Perspektiven gibt, nämlich: Man braucht einen einigermaßen geordneten Berufszugang, man braucht selbstverständlich eine bestimmte Qualität in der Berufsausübung, und natürlich sind auch die Bedürfnisse der Konsumenten nach Qualität im Produktions- und Dienstleistungsbereich zu berücksichtigen; und da geht die Tendenz insbesondere dahin, dass man ein breites und insgesamt aus einer Hand dargebotenes Angebot haben will.

Wenn Sie jetzt sagen, das Wichtigste sei eigentlich der Berufszugang, und diesbezüglich habe man noch keine Erweiterungen vorgenommen, dann muss ich sagen, das ist unrichtig und entspricht nicht den Fakten. Warum? – Heute gibt es über 800 Gewerbe, und von diesen 800 sind noch rund 10 Prozent reglementiert. Das ist wirklich ein sehr, sehr liberaler Zugang, und deshalb brauchen Sie nicht herumzumäkeln, was die Fotografen angeht. Vielleicht machen Sie ja ein Gasthaus "Zum grünen Fotografen" auf oder so ähnlich.

Der liberale Zugang ist also durchaus gewährleistet.

Auch schon angesprochen wurde das redliche Scheitern, dass es jetzt beim redlichen Scheitern eine zweite Chance gibt. Ich finde das ausgesprochen gut. Bis jetzt waren wir darauf ausgerichtet, dass niemand mehr, der in Konkurs war, eine zweite Chance bekommt. Vielleicht haben wir eine etwas stärkere Risikoorientierung in der Wirtschaft, als das bisher der Fall war.

Es gibt auch, was den Zugang anlangt, eine Erweiterung, eine bessere Möglichkeit für all jene, die sich für den Handelsbereich interessieren. Der Handel war früher reglementiert, ist jetzt ein freies Gewerbe. Das eröffnet Tausenden Interessenten sehr liberale Zugangsmöglichkeiten. Im Gegenzug dazu sind die Nebenrechte für den Handel erweitert worden, auch im Sinne des Konsumenten, wenn wir es so sehen wollen, denn die Streitereien im Zusammenhang mit den angebotenen Speisen etwa gehörten längst aus der Welt geschafft. Der Kasuistik ist mehr oder weniger der Garaus gemacht worden. Der Konsument profitiert insofern davon, als jetzt alle Speisen in einfacher Form auch vom Handel angeboten werden können.

Auf der anderen Seite darf die Gastronomie auch Handelsprodukte vertreiben. Zur Kritik seitens der Gastronomie beziehungsweise zur Auseinandersetzung: offenes Bier in Handelsbetrieben?, möchte ich sagen: Da sollte man wirklich die Kirche im Dorf lassen! Wenn wir jetzt ermöglichen, dass auch Handelsbetriebe offenes Bier ausschenken können, so wird das aber nicht das Kriterium für Markterfolg oder nicht Markterfolg sein. Ob das Bier jetzt geschlossen in Flaschen oder Dosen ausgeschenkt und dann aufgemacht wird oder gleich offen ausgeschenkt wird, wird doch nicht entscheidend sein. Die großen Handelsbetriebe haben ohnehin alle schon entsprechende gastronomische Berechtigungen, und der Kleinsthandelsbetrieb wird sich deshalb nicht extra eine Schankanlage um 250 000 S anschaffen.

Es ist aber eine Erweiterung der Nebenrechte im Handelsbereich erfolgt, zu der wir auch stehen.

Wir haben auch im Bereich Service ermöglicht, dass man dann, wenn man entsprechende Fachkräfte hat, auch Teilgewerbe als Nebenrecht ausüben darf. Wir haben auch die Beschrän


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kungen in Teilgewerben, wonach nicht mehr als fünf Mitarbeiter angestellt werden dürften, keine Lehrlinge ausgebildet werden dürften, aufgehoben. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Frau Mag. Kubitschek! Ihnen möchte ich sagen, Sie unterliegen einem kleinen Irrtum, wenn Sie die Lehrlingsausbildung oder die Qualität mit dem Berufszugang verbinden. Im Zusammenhang mit der Lehrlingsausbildung hat das Teilgewerbe absolut nichts mit der Gewerbeordnung zu tun, sondern da geht es darum, ein Berufsbild zu verwirklichen und die Ausbilderprüfung zu haben. Das heißt also, es gibt in diesem Bereich absolut keine qualitative Verschlechterung.

Das gilt insofern auch, als dass man, wie schon mehrfach angesprochen, zur Meisterprüfung – aus unserer Sicht sehr, sehr wichtig, dass diese erhalten wird, das ist ein Faktor der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft – ohne Lehrlingsabschlussprüfung antreten kann. Wesentlich sind doch Können und Wissen, und wenn man das auf anderen Wegen erworben hat, dann soll die Meisterprüfung der entscheidende Faktor sein. Der entscheidende Faktor für die Qualität ist nicht der Zugang zum Gewerbe, sondern der entscheidende Faktor für die Qualität ist, dass man sich weiterbilden, informieren muss, sich am Kunden orientieren muss – und das ist sicherlich auch in Zukunft gewährleistet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich betone: Lehrlingsausbildung, gute Ausbildung, gute Jobs, guter Verdienst, das ist das eine Interesse, daran wird nicht gerüttelt – und der Gewerbezugang, das andere Interesse, ist wesentlich erleichtert worden.

Meine Damen und Herren! Das modulare System, insbesondere auch was die Meisterprüfung anlangt, ist faktisch ein begleitender Weg für die gesamte Tätigkeit, und das kommt ja auch im Sinne der Qualität den Konsumenten zugute.

Worüber man noch reden muss, was auch in der Regierungserklärung steht, ist der Zugang zur Universität; die Studienberechtigung fehlt noch.

Meine Damen und Herren! Sie wissen alle auch aus den Medien: Die Perspektive der einzelnen Branchen ist natürlich oft eine andere. Den eigenen Tätigkeitsbereich möchte man ganz genau geklärt haben, und da gibt es natürlich einige Zufriedenheiten, aber auch einige Unzufriedenheiten. Die Unzufriedenheiten liegen beispielsweise im Bereich der Bestatter, der Mechatroniker, der Baumeister, der Zahntechniker und anderer, und wir haben versucht, diese teilweise mit Entschließungsanträgen so aufzufangen, dass da noch nachgearbeitet werden muss.

Es gibt auch einen von Herrn Abgeordnetem Kogler angesprochenen Abänderungsantrag, den ich hiemit einbringe:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Berufsausbildungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden

*****

Ich darf die wichtigsten Grundzüge erläutern, der Antrag wird noch verteilt.

Im Wesentlichen geht es darum, dass die schon mehrmals angesprochene Verordnungskompetenz für die Landwirtschaft, was Urprodukte anlangt, eingeräumt wird, wodurch eine Klarstellung erfolgen kann, was Urprodukte sind und was eben nicht, mit entsprechenden Einvernehmenskompetenzen diverser Ministerien.

Wir haben auch für die Bestatter die Höchsttarife geregelt; etwas praxiskonformer, als es bisher war.


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Es gibt auch einige technische und in Beziehung mit anderen Gesetzen notwendige inhaltliche Abklärungen, beispielsweise was Adressen und dergleichen mehr anlangt, Adressverlage, und einige technische Bereinigungen. Das ist in diesem Abänderungsantrag, der noch verteilt werden wird, angemerkt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber nicht verabsäumen, mich auch zu bedanken bei Herrn Bundesminister Bartenstein, bei Frau Staatssekretärin Rossmann, vor allem aber auch bei den Beamten, insbesondere bei Herrn Sektionschef Koprivnikar und seinen Mitarbeitern und bei Frau Mag. Ummenberger, die die technische Arbeit und auch die sonstigen Vorbereitungsarbeiten geleistet haben.

Ich danke aber auch unserem Haus, der Wirtschaftskammer Österreich, Herrn Dozentem Hahnreich mit seinen Mitarbeitern. Wenn es um Berufsrechte geht, ist die Wirtschaftskammer notwendigerweise angesprochen. Es ist ganz logisch, meine Damen und Herren – da hier das "Wirtschaftskammerparadies" angesprochen wurde –: Bei 27 000 neuen Zugängen müssen das Kammersystem und das Wirtschaftssystem in Österreich – das war Rekord – doch einigermaßen funktionieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Es ist das kein Jahrhundertgesetz, wir werden demnächst wieder über eine Novellierung reden, aber es ist eine sehr, sehr brauchbare Grundlage für einen neuen Gründer-Boom, es sind beste Rahmenbedingungen dafür vorhanden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag ausreichend unterstützt ist und in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie steht. Auf Grund des Umfangs wurde beziehungsweise wird dieser Antrag verteilt; er steht damit mit zur Verhandlung und in weiterer Folge zur Abstimmung.

Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Berufsausbildungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden (1117 d. B.), idF des Berichtes der Wirtschaftsausschusses (1149 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage (1117 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (1149 d.B.) wird geändert wie folgt:

1) Im Art. I lautet die Z 2

"2. § 2 Abs. 1 Z 14 lautet:

"14. den Betrieb von Bankgeschäften einschließlich der nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz erbrachten Dienstleistungen mit Ausnahme der Tätigkeiten gemäß § 19 Abs. 2a des Wertpapieraufsichtsgesetzes (Finanzdienstleistungsassistent), den Betrieb von Versicherungsunternehmen sowie den Betrieb von Pensionskassen;""

2) Im Art. I lautet die Z 3:

"20. Der Betrieb von Elektrizitätsunternehmen (§ 7 Z 8 ElWOG) und jenen Erdgasunternehmen (§ 6 Z 13 GWG), die nicht Erdgashändler (§ 6 Z 10 GWG) sind;"

3) Im Art. I wird nach der Z 5 folgende Z 5a eingefügt


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"5a. Im § 2 wird folgender Abs. 3a eingefügt:

"(3a) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen und dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung festzulegen, welche von Land- und Forstwirten hergestellten Produkte der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion zugehörig sind. Dabei ist vom alten Herkommen, der langjährigen Übung, der Abnehmererwartung hinsichtlich Angebotsform und -zustand des Produktes, der sich wandelnden Auffassung über eine Vermarktungsfähigkeit und den Erfordernissen einer Sicherung der Nahversorgung im ländlichen Raum auszugehen.""

4) Im Art. I wird nach der Ziffer 6 folgende Ziffer 6a angefügt

"6a. Im § 2 Abs.4 wird am Ende der Z 9 der Punkt durch einen Beistrich ersetzt. Folgende Z 10 wird angefügt:

"10. die Verabreichung und das Ausschenken selbsterzeugter Produkte sowie von ortsüblichen, in Flaschen abgefüllten Getränken im Rahmen der Almbewirtschaftung."

5) Die bisherige Ziffer 6a erhält die Bezeichnung "6b"

6) Art. I Z 60 lautet:

,60. § 85 wird wie folgt geändert:

60.1. § 85 Z 2 lautet:

"2. wenn die Eintragung einer Personengesellschaft des Handelsrechtes in das Firmenbuch versagt worden ist oder nicht innerhalb der gesetzten Frist erfolgt ist (§ 10);"

60.2. Im § 85 Z 6 entfallen die Worte "oder Pächter"‘.

7) Im Art. I Z 64 lautet § 94 Z 75 wie folgt:

"75. Vermögensberatung (Beratung bei Aufbau und Erhalt von Vermögen und der Finanzierung unter Einschluss insbesondere der Vermittlung von Veranlagungen, Investitionen, Personalkrediten, Hypothekarkrediten und Finanzierungen)."

8) Im Art. I Z 64 lautet § 101 Abs. 4 wie folgt:

(4) Besteht Grund zu der Annahme, dass Bestatter eine Preispolitik zum Nachteil der Kunden verfolgen oder versuchen durch ihre Preispolitik bzw. durch unlauteren Wettbewerb Mitbewerber auszuschalten, so hat der Landeshauptmann die erforderlichen Höchsttarife festzulegen. Hiebei ist auf die Leistungsfähigkeit und auf nach Art und Umfang verschiedene Leistungen der Betriebe sowie die Interessen der Kunden Bedacht zu nehmen.

9) Im Art. I Z 64 wird nach § 136 folgender § 136a samt Überschrift eingefügt:

"Vermögensberatung

§ 136a. Vermögensberater (§ 94 Z 75) sind bei Einhaltung der Bedingungen des § 19 Abs. 2a des Wertpapieraufsichtsgesetzes auch zu Tätigkeiten im Sinne dieser Bestimmung berechtigt. § 21a des Wertpapieraufsichtsgesetzes gilt für diese Tätigkeiten sinngemäß."

10) Im Art. I Z 64 lautet § 137 wie folgt:

"§ 137. (1) Versicherungsagenten (§ 94 Z 76) haben im Geschäftsverkehr als solche aufzutreten. Sämtliche vom Versicherungsagenten im Geschäftsverkehr verwendeten eigenen Papiere und Schriftstücke haben seine Gewerberegisternummer, die Bezeichnung "Versicherungsagent" sowie das jeweilige Agenturverhältnis (die jeweiligen Agenturverhältnisse) zu enthalten. Ver


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wendet der Versicherungsagent Geschäftspapiere des Versicherungsunternehmens, so sind darauf sein Name, seine Firma sowie seine Gewerberegisternummer zu vermerken.

(2) Die Begründung mehrerer Agenturverhältnisse ist nur dann zulässig, wenn die Versicherungsprodukte der verschiedenen Versicherungsunternehmen nicht in Konkurrenz zueinander stehen und jedes Versicherungsunternehmen für die Vermittlung seiner Produkte die uneingeschränkte Verantwortung übernimmt.

(3) Gewerbetreibende, die zur Ausübung des Gewerbes der Versicherungsagenten berechtigt sind, dürfen bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen nur solche Personen verwenden, die die zu dieser Verwendung erforderliche fachliche Eignung besitzen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit kann durch Verordnung festlegen, wie der Nachweis der fachlichen Eignung durch Ausbildungsgänge oder Verwendungszeiten zu erbringen ist.

(4) Versicherungsagenten sind bei Einhaltung der Bedingungen des § 19 Abs. 2a des Wertpapieraufsichtsgesetzes auch zu Tätigkeiten im Sinne dieser Bestimmung berechtigt. § 21a des Wertpapieraufsichtsgesetzes gilt für diese Tätigkeiten sinngemäß."

11) Im Art. I Z 64 wird dem § 138 folgender Abs. 6 angefügt:

"(6) Gewerbetreibende, die zur Ausübung des Gewerbes der Versicherungsmakler oder der Berater in Versicherungsangelegenheiten berechtigt sind, sind bei Einhaltung der Bedingungen des § 19 Abs. 2a des Wertpapieraufsichtsgesetzes auch zu Tätigkeiten im Sinne dieser Bestimmung berechtigt. § 21a des Wertpapieraufsichtsgesetzes gilt für diese Tätigkeiten sinngemäß."

12) Im Art. I Z 64 lautet § 151 samt Überschrift wie folgt:

"Adressverlage und Direktmarketingunternehmen

§ 151. (1) Auf die Verwendung von personenbezogenen Daten für Marketingzwecke Dritter durch die zur Ausübung des Gewerbes der Adressverlage und Direktmarketingunternehmen berechtigten Gewerbetreibenden sind die Bestimmungen des DSG 2000 anzuwenden, soweit im folgenden nicht Besonderes angeordnet ist.

(2) Die Tätigkeit als Mittler zwischen Inhabern und Nutzern von Kunden- und Interessentendateien (Listbroking) ist den in Abs. 1 genannten Gewerbetreibenden vorbehalten.

(3) Die in Abs. 1 genannten Gewerbetreibenden sind berechtigt, für ihre Tätigkeiten gemäß Abs. 1 und 2 Daten aus öffentlich zugänglichen Informationen, durch Befragung der Betroffenen, aus Kunden- und Interessentendateien Dritter oder aus Marketingdateien anderer Adressverlage und Direktmarketingunternehmen zu ermitteln, soweit dies unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für

1. die Vorbereitung und Durchführung von Marketingaktionen Dritter einschließlich der Gestaltung und des Versands von Werbemitteln oder

2. das Listbroking

erforderlich und gemäß Abs. 4 und 5 zulässig ist.

(4) Soweit gemäß § 9 DSG 2000 an sensiblen Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000) ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse besteht, und soweit keine ausdrückliche Zustimmung gemäß § 4 Z 14 DSG 2000 vorliegt, dürfen sensible Daten von den in Abs. 1 genannten Gewerbetreibenden nur bei Vorliegen der ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen zur Verwendung seiner Daten für Marketingzwecke Dritter verwendet werden. Die Ermittlung und Weiterverwendung von sensiblen Daten aus Kunden- und Interessentendateien Dritter aufgrund einer solchen Einwilligung ist nur im Umfang des Abs. 5 und nur soweit zulässig, als der Inhaber der Datei gegenüber dem Gewerbetreibenden nach Abs. 1 schriftlich unbedenklich erklärt hat, dass die Betroffenen in die Verwendung ihrer Daten für Marketingzwecke Dritter ausdrücklich eingewilligt haben. Straf


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rechtlich relevante Daten im Sinne des § 8 Abs. 4 DSG 2000 dürfen von Gewerbetreibenden nach Abs. 1 für Marketingzwecke nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen Zustimmung gemäß § 4 Z 14 DSG 2000 verwendet werden.

(5) Soweit keine Zustimmung der Betroffenen gemäß § 4 Z 14 DSG 2000 zur Übermittlung ihrer Daten für Marketingzwecke Dritter vorliegt, dürfen die in Abs. 1 genannten Gewerbetreibenden aus einer Kunden- und Interessentendatei eines Dritten nur die Daten

1. Namen

2. Geschlecht

3. Titel

4. akademischer Grad

5. Anschrift

6. Geburtsdatum

7. Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung und

8. Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser Kunden- und Interessentendatei

ermitteln. Voraussetzung hiefür ist – soweit nicht die strengeren Bestimmungen des Abs. 4 Anwendung finden –, dass der Inhaber der Datei dem Gewerbetreibenden nach Abs. 1 gegenüber schriftlich unbedenklich erklärt hat, dass die Betroffenen in geeigneter Weise über die Möglichkeit informiert wurden, die Übermittlung ihrer Daten für Marketingzwecke Dritter zu untersagen, und dass keine Untersagung erfolgt ist.

(6) Gewerbetreibende nach Abs. 1 dürfen für Marketingzwecke erhobene Marketinginformationen und -klassifikationen, die namentlich bestimmten Personen aufgrund von Marketinganalyseverfahren zugeschrieben werden, nur für Marketingzwecke verwenden und sie insbesondere an Dritte nur dann übermitteln, wenn diese unbedenklich erklären, dass sie diese Analyseergebnisse ausschließlich für Marketingzwecke verwenden werden.

(7) Gewerbetreibende nach Abs. 1 haben Aussendungen im Zuge von Marketingaktionen, die sie mit von ihnen zur Verfügung gestellten oder von ihnen vermittelten Daten durchführen, so zu gestalten, dass durch entsprechende Kennzeichnung des ausgesendeten Werbematerials die Identität der Auftraggeber jener Dateien, mit deren Daten die Werbeaussendung adressiert wurde (Ursprungsdateien), nachvollziehbar ist; soweit Gewerbetreibende nach Abs. 1 an Werbeaussendungen nur durch Zurverfügungstellung oder Vermittlung von Daten mitwirken, haben sie durch entsprechenden Hinweis an die für die Werbeaussendung Verantwortlichen darauf hinzuwirken, dass die Identität der Auftraggeber der benutzten Ursprungsdateien nachvollziehbar ist. Für Gewerbetreibende nach Abs. 1 gilt, wenn sie die Aussendung mit von ihnen zur Verfügung gestellten oder von ihnen vermittelten Daten selbst durchgeführt haben, – unbeschadet ihrer allfälligen Auskunftsverpflichtungen als Auftraggeber – § 26 DSG 2000 mit der Maßgabe, dass sie aufgrund eines innerhalb von drei Monaten nach der Werbeaussendung gestellten Auskunftsbegehrens anhand der vom Betroffenen zur Verfügung gestellten Informationen über die Werbeaussendung zur Auskunftserteilung nur über die Auftraggeber der Ursprungsdateien verpflichtet sind; haben sie an der Aussendung nur durch Zurverfügungstellung oder Vermittlung von Daten mitgewirkt, so haben sie nach Möglichkeit zur Auffindung der Auftraggeber der Ursprungsdateien beizutragen. Bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Kennzeichnungspflicht durch Gewerbetreibende nach Abs. 1 genügt die Stellung eines fristgerechten Auskunftsbegehrens an den Werbenden zur Wahrung des Auskunftsrechts gegenüber dem Gewerbetreibenden nach Abs. 1.

(8) Stellt der Betroffene an einen Gewerbetreibenden nach Abs. 1 ein Begehren auf Löschung von Daten, die dieser für Zwecke von Marketingaktionen über ihn gespeichert hat, so hat dieser


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dem Begehren in jedem Fall innerhalb von acht Wochen kostenlos zu entsprechen. Soweit der Betroffene – nach entsprechender Information über die möglichen Folgen einer physischen Löschung seiner Daten – auf der physischen Löschung seiner Daten nicht besteht, hat die Löschung in Form einer Sperrung der Verwendung dieser Daten für Marketingaussendungen zu erfolgen.

(9) Der Fachverband Werbung und Marktkommunikation der Bundessparte "Gewerbe, Handwerk, Dienstleistung" der Wirtschaftskammer Österreich hat eine Liste zu führen, in welche Personen kostenlos einzutragen sind, die die Zustellung von Werbematerial für sich ausschließen wollen. Die Liste ist mindestens monatlich zu aktualisieren und den Gewerbetreibenden nach Abs. 1 zur Verfügung zu stellen. Gewerbetreibende nach Abs. 1 dürfen an die in dieser Liste eingetragenen Personen keine adressierten Werbemittel versenden oder verteilen und deren Daten auch nicht vermitteln. Die in der Liste enthaltenen Daten dürfen ausschließlich zum Zweck des Unterbindens der Zusendung von Werbemitteln verwendet werden.

(10) Inhaber von Kunden- und Interessentendateien dürfen Daten aus diesen Dateien an Gewerbetreibende nach Abs. 1 für Marketingzwecke Dritter nur übermitteln und insbesondere auch für Listbroking nur zur Verfügung stellen, wenn sie die Betroffenen in geeigneter Weise darüber informiert haben, dass sie die Verwendung dieser Daten für Marketingzwecke Dritter untersagen können, und wenn keine Untersagung erfolgt ist; sensible Daten und strafrechtlich relevante Daten dürfen unter den in Abs. 4 genannten Voraussetzungen an Gewerbetreibende nach Abs. 1 übermittelt und für Listbroking zur Verfügung gestellt werden. Auf die Möglichkeit der Untersagung ist ausdrücklich und schriftlich hinzuweisen, wenn Daten schriftlich vom Betroffenen ermittelt werden. Die Untersagung der Übermittlung hat auf ein Vertragsverhältnis zwischen dem Betroffenen und dem Inhaber der Kunden- und Interessentendatei keinen Einfluss.

(11) Jedermann hat das Recht, für sich die Zustellung von adressiertem Werbematerial durch Untersagung der Verwendung seiner Daten für Werbezwecke auszuschließen. Dies kann gegenüber Gewerbetreibenden nach Abs. 1 insbesondere auch durch Eintragung in die im Abs. 9 bezeichnete Liste geschehen."

13) Im Art. I Z 64 entfällt § 154 Abs. 6:

14) Im Art. 1 lautet Z 94.15 wie folgt:

"94.15 Z 38 lautet:

"38. die Bestimmungen der §§ 365m bis 365t betreffend Maßnahmen zur Verhinderung der Geldwäsche nicht befolgt;""

15) Im Art. I Z 111 lautet § 381 Abs. 1 Z 4 wie folgt:

"4. im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft hinsichtlich des § 2 Abs. 3a, des § 82 Abs. 1 und des § 84h;"

16) Im Art. I Z 111 wird im § 381 Abs. 1 Z 5 der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt. Folgende Z 6 wird angefügt:

"6. im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen hinsichtlich des § 2 Abs. 3a."

17) Im Art. 1 Z 112 zu § 382 Abs. 11 entfällt die Wortfolge "§§ 365n bis 365t" und werden folgende Ergänzungen eingefügt: "§ 2 Abs. 1 Z 14", "§ 2 Abs. 3a", "§ 2 Abs. 4 Z 10", "§ 136a".

18) Im Art. 1 Z 112 wird im § 382 nach Abs. 12 folgender Abs. 13 angefügt:

"(13) Die §§ 365m bis 365t und § 367 Z 38 treten mit 15. Juni 2003 in Kraft."


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Begründung

Zu einzelnen vorgeschlagenen Änderungen wird bemerkt:

Zu Z 9 (§ 151, Adressverlage und Direktmarketingunternehmen)

"Der neue § 151 GewO richtet sich – so wie seine Vorläuferbestimmung § 268 GewO – in erster Linie an Adressverlage und Direktmarketingunternehmen. Marketingrelevante Aktionen von Anderen sind nur in jenem unbedingt notwendigen Ausmaß angesprochen (vgl. zB Abs. 10), wie dies schon § 268 GewO getan hat, um keine durch Interpretation nur schwer überbrückbare Regelungslücken entstehen zu lassen.

Zu Absatz 1:

Die Verwendung des Begriffs "Marketing" bringt die Vielschichtigkeit von modernen Werbe-, Verkaufs- und Kommunikationsmaßnahmen umfassend zum Ausdruck. Dazu zählen insbesondere auch solche Maßnahmen zugunsten von non-profit-Organisationen, gemeinnützigen Einrichtungen, Vereinen, Initiativen und politischen Parteien.

Zu Absatz 2:

Das Listbroking ist datenschutzrechtlich als mehrseitige Dienstleistung des Adressverlags oder Direktmarketingunternehmens zu verstehen, und zwar gegenüber einerseits jenen Auftraggebern, die Daten aus Kunden- und Interessentendateien Dritter für ihre eigenen Marketingzwecke einsetzen möchten und andrerseits jenen Auftraggebern, die die Daten aus ihren Kunden- und Interessentendateien für fremde Marketingzwecke zur Verfügung stellen.

Die Gewerbetreibenden nach Abs. 1 verwenden – wie dies für Dienstleister idealtypisch ist – die zum Zwecke des Listbroking übergebenen Daten treuhändig in dem Sinn, dass die Daten ausschließlich für vereinbarte oder künftig zu akkordierende Marketingaktionen eingesetzt werden.

Zu Absatz 3:

"Öffentlich zugängliche Informationen" sind nicht nur bereits aufgezeichnete Daten; es kann sich auch um an öffentlich zugänglichen Orten mögliche Wahrnehmungen handeln, die für Marketingzwecke erst aufgezeichnet werden müssen.

Soweit sich das Ermitteln auf die Tätigkeit des Listbroking bezieht, kommt den Adressverlagen und Direktmarketingunternehmen die Rolle eines Dienstleistungs-Ermittlers für denjenigen am Listbroking beteiligten Auftraggeber zu, der Daten aus fremden Kunden- und Interessentendateien für seine eigenen Marketingzwecke einsetzen will.

Wie bisher gilt – trotz der gegenüber dem § 268 GewO alt geänderter Struktur des § 151 GewO neu – auch in Hinkunft der Grundsatz, dass die in Abs.1 genannten Gewerbetreibenden Daten unabhängig von einer konkreten Marketingaktion im vorhinein analysieren und ermitteln dürfen, um sie in der Folge Nutzern anzubieten.

Zu Absatz 4:

Eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 9 DSG 2000 scheint notwendig, da eine sachliche Rechtfertigung dafür fehlt, dass bei Datenanwendungen für Marketingzwecke ein strengerer Maßstab für die Zulässigkeit der Verwendung sensibler Daten angewendet würde als sonst. Diese Einschränkung wird vor allem den Fall des § 9 Z 1 betreffen, nach dem schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen eines Betroffenen dann nicht verletzt werden, wenn dieser Betroffene seine Daten selbst öffentlich gemacht hat.

Eine im Sinne des § 4 Z 14 DSG 2000 gültige Zustimmung muss ein solches Maß an Konkretheit aufweisen, dass insbesondere die Identität der Übermittlungsempfänger hinreichend klargestellt ist (vgl. etwa OGH v. 27.1.99, 7 Ob 170/98w). Bei der Ermittlung von Marketingdaten durch Adressverlage und Direktmarketingunternehmen ist jedoch die Identität künftiger Nutzer


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vielfach nicht bekannt, sodass eine derartige Zustimmung von den Betroffenen nicht eingeholt werden könnte. Die Sachlogik dieses Tätigkeitsbereichs verlangt daher eine spezielle Lösung. Angesichts des relativ geringen Gefährdungspotentials der Datenverwendung für Marketingzwecke scheint es gerechtfertigt, eine relativ generell gehaltene Einwilligung zur Verwendung sensibler Daten für Marketingzwecke als ausreichend zu erachten, um den Schutzbedürfnissen der Betroffenen in diesem speziellen Zusammenhang zu genügen. Dem gegenüber stehen besondere Pflichten der Adressverlage und Direktmarketingunternehmen hinsichtlich der sach- und widmungsgemäßen Verwendung dieser Daten, die in jedem Fall auf Marketingzwecke beschränkt bleiben muss. Die Inanspruchnahme eines Gewerbetreibenden nach Absatz 1 ist daher auch die Rechtfertigung dafür, dass der Inhaber einer Kunden- und Interessentendatei sensible Daten bei Vorliegen einer Einwilligung des Betroffenen nach Abs. 4 an Adressverlage und Direktmarketingunternehmen für Marketingzwecke Dritter weitergeben darf. In den besonderen Pflichten der Gewerbetreibenden nach Abs. 1 , wie sie insbesondere in den Abs. 6 bis 9 festgelegt sind, sind auch jene geeigneten Garantien zu erblicken, die von Art. 8 Abs. 4 der RL 95/46/EG für den Fall gefordert werden, dass durch nationale Rechtsvorschrift eine Sonderregelung über die Verwendung sensibler Daten geschaffen wird. Hinsichtlich des in dieser Vorschrift weiters geforderten Vorliegens eines "wichtigen öffentlichen Interesses" an der Sonderregelung ist darauf hinzuweisen, dass ein derartiges Interesse auch ein gesamtgesellschaftlich wichtiges Interesse sein kann. Ein solches liegt hinsichtlich der für eine Volkswirtschaft eminent wichtigen Möglichkeit, Produkte und Dienstleistungen zu bewerben, vor. Diese in Österreich herrschende Interpretation des Art. 8 Abs. 4 RL 95/46/EG wurde etwa auch der Regelung über die Verwendung von Gesundheitsdaten im Bereich der Vertragsversicherung zugrunde gelegt (vgl. BGBl. I Nr. 150/1999 und die Erläuterungen hiezu).

Im Übrigen gilt im gesamten Bereich der Verwendung von Daten für Marketingzwecke gemäß Abs. 3 ausdrücklich das Verhältnismäßigkeitsgebot, das auch dazu führt, dass die mit dem wohl höchsten datenschutzrechtlichen Gefährdungspotential behafteten strafrechtsrelevanten Daten für Marketingzwecke Dritte ausschließlich mit einer ausdrücklichen Zustimmung gemäß § 4 Z 14 DSG 2000 herangezogen werden dürfen.

Zu Absatz 5:

Durch den ersten Halbsatz soll klargestellt werden, dass auch im Marketingbereich die Abgabe einer Zustimmungserklärung, die den besonderen Erfordernissen des § 4 Z 14 DSG 2000 hinsichtlich Konkretheit – insbesondere auch betreffend die Übermittlungsempfänger – genügt, ihre volle Wirksamkeit entfaltet.

Zu Absatz 7:

§ 25 DSG 2000 regelt die Pflicht zur Offenlegung der Identität des Auftraggebers. Die dort festgelegten Offenlegungspflichten betreffend den Auftraggeber einer bestimmten Marketingaktion bleiben von Abs. 7 unberührt. Für den Marketingbereich werden durch Abs. 7 je nach Fallkonstellation (dh je nachdem, ob der Gewebetreibende nach Abs. 1 die betreffende Marketingaktion durchführt oder nicht) Kennzeichnungs- oder Hinweispflichten für jene Adressverlage und Direktmarketingunternehmen normiert, die Daten für eine konkrete Marketingaktion zur Verfügung stellen oder im Wege des Listbroking vermitteln. Diese Bestimmung soll den Betroffenen helfen, ihre Datenschutzrechte jedenfalls durchzusetzen, d.h. unabhängig von unterschiedlichen zivilrechtlichen Rechtsverhältnissen zwischen dem Gewerbetreibenden nach Abs. 1 und seinen Kunden.

Eine entsprechende Kennzeichnung des Werbematerials hat nach den im Direktmarketingbereich gebräuchlichen Vorgangsweisen zu erfolgen, wobei allerdings gesichert sein muss, dass aufgrund der Kennzeichnung auch tatsächlich Auskunft über die Ursprungsdateien und deren Auftraggeber gegeben werden kann.

Die Auskunftsverpflichtung nach Abs. 7 – und die vorgelagerte Kennzeichnungspflicht – ist eine über die Pflichten eines Auftraggebers im Sinne des § 4 Z 4 DSG 2000 hinausgehende Pflicht, da sie Gewerbetreibende nach Abs. 1 gerade auch in jenen Fällen treffen soll, in welchen sie


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nicht bereits als Auftraggeber der verwendeten Dateien gemäß § 26 DSG 2000 zur Auskunft verpflichtet sind.

Zu Absatz 8:

Hier wird die Frist zur Auskunftserteilung den allgemeinen Regelungen des DSG 2000 angepasst (vgl. § 26 Abs. 4 DSG 2000).

Zu Absatz 10:

Diese Bestimmung geht vom Vorverständnis aus, dass – abgesehen vom Vorgang im Zuge des Listbroking – eine Übermittlung von Daten aus Kunden- und Interessentendateien an andere als die Gewerbetreibenden nach Abs. 1 für Marketingzwecke nur mit einer dem § 4 Z 14 DSG 2000 genügenden Zustimmung zulässig ist. Dies korrespondiert mit dem Umstand, dass für die Ausübung der Tätigkeiten der Gewerbetreibenden nach Abs. 1 besondere Sachkenntnis und Pflichten zum Tragen kommen, die insgesamt geeignet sind, das erforderliche datenschutzrechtliche Schutzniveau herzustellen.

Der Verweis auf die in Abs. 4 genannten Voraussetzungen stellt hinsichtlich der sensiblen Daten klar, dass deren Übermittlung an Adressverlage und Direktmarketingunternehmen und deren Zurverfügungstellung für Listbroking, soweit an ihnen gemäß § 9 DSG 2000 ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse besteht, und soweit keine ausdrückliche Zustimmung gemäß § 4 Z 14 DSG 2000 vorliegt, nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen zur Verwendung seiner Daten für Marketingzwecke Dritter zulässig ist. Der Umstand, dass im Falle einer solchen ausdrücklichen Einwilligung die Übermittlung von Daten aus Kunden- und Interessentendateien für Marketingzwecke Dritter maximal die in Abs. 5 aufgezählten Datenarten umfassen darf, ist eine weitere geeignete Garantie iSd Art. 8 Abs. 4 RL 95/46/EG. Hinsichtlich strafrechtlich relevanter Daten muss eine ausdrückliche Zustimmung im Sinne des § 4 Z 14 DSG 2000 vorliegen."

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte.

19.08

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gegenüber dem ersten Entwurf vom Jänner 2002 wurden – wohl als Ergebnis des Begutachtungsverfahrens und der zahlreichen kritischen Stellungnahmen – doch noch einige Überarbeitungen vorgenommen.

Zur Gänze erfüllt wurden die Forderungen, dass die Berufsbilder – und das ist für uns sehr wichtig – für die einzelnen Gewerbe weiterhin im Gesetz selbst geregelt werden sollen – und nicht durch eine Verordnung des Wirtschaftsministers. Damit können zwar nicht, wie ursprünglich verkündet, 150 Paragraphen aus der Gewerbeordnung gestrichen werden, dafür kommt aber der Einsicht des Wirtschaftsministeriums in Bezug auf Rechtssicherheit und Übersichtlichkeit wesentlich mehr Bedeutung zu.

Diversen anderen Kritikpunkten des Wirtschaftsverbandes wurde aber leider nur teilweise oder überhaupt nicht entsprochen; Beispiel Handelsgewerbe. Beim Zugang zum Handelsgewerbe ist kein Befähigungsnachweis erforderlich, lediglich das Neugründungs-Förderungsgesetz in der Fassung des erst kürzlich in Kraft getretenen Konjunkturbelebungsgesetzes soll dahin gehend geändert werden, dass bei freien Gewerben für die Ausstellung der Bestätigung nach dem Neugründungs-Förderungsgesetz auch grundlegende – so steht es drin – unternehmerische Kenntnisse verlangt werden.

Diese Bestimmung erscheint jedoch als Augenauswischerei und ist nicht wirklich zielführend.


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Mit der Absicht, das Handelsgewerbe freizugeben, bleiben auch die geäußerten Befürchtungen über die Gefährdung des dualen Berufsausbildungssystems in diesem Bereich aufrecht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zwei Berufe erlernt, der erste war Einzelhandelskaufmann, und ich kann Ihnen versichern, dass diese Zeit für mich keine verlorene Zeit gewesen ist. Die kaufmännische Ausbildung stellt für jeden Unternehmer ein Basiswissen dar, das er ständig brauchen kann. Abgesehen von den Kenntnissen im Bereich der Buchhaltung und des Schriftverkehrs lernt man dort den Umgang mit Kunden, Verkaufsgespräche und all diese Dinge sehr gut und sehr genau.

Zum Thema Zulassung zur Meisterprüfung ohne Lehrabschluss. – Man kann dazu stehen, wie man will. Meine Freunde und ich stehen dem Ganzen jedenfalls sehr kritisch gegenüber. Man hat im Ministerium die Bedenken dahin gehend völlig ignoriert, dass man mit dieser Möglichkeit den Anreiz, überhaupt eine Lehre zu absolvieren, reduziert. Das ist für uns nämlich klar.

Ganz wichtig ist meines Erachtens die Praxis. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie heute zu einem Installateur, zu einem Elektriker gehen, weil irgendetwas kaputt ist, dann soll Sie der Firmenchef dort beraten. Sie fragen ihn: Was kann kaputt sein? Was ist da geschehen? In der Zeit, die diese Meister vorher als Gesellen und als Lehrlinge verbracht haben, sind ihnen hunderterlei Störungen untergekommen. Und diese Erfahrungen, dieses Wissen, das sie dort gesammelt haben, ist es, das sie auch nachher brauchen!

Ich habe lange genug gebaut, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich weiß: Wenn man mit einem "gestandenen" Handwerksmeister verhandelt, merkt man sofort, ob er eine Praxis hat oder nicht. Daher bin ich sehr betroffen von dieser neuen Möglichkeit, die da eröffnet wird. Damit will ich gar nichts gegen den Absolventen einer höheren Schule sagen. Ich meine das nicht negativ, aber es nützt mir nichts, wenn jemand zwar die Theorie beherrscht, sich aber in der Praxis nicht auskennt. Wie soll mir der an Ort und Stelle sagen können, was ich von ihm brauche, was ich von ihm will?!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch diese Dinge gehören im Detail erwähnt. Abschließend möchte ich noch feststellen: Gar so groß ist der Jubel über diese Gewerbeordnung innerhalb der Selbständigen nicht! Das wird aus Briefen deutlich, die ich bekommen habe – die wir alle bekommen haben. Diese Briefe haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sicherlich auch bekommen. – Man kann diese Briefe entweder wegschmeißen – oder darüber nachdenken.

Wir sind mit der Gewerbeordnungsnovelle in dieser Form nicht einverstanden. Wir haben immer konstruktiv mitgearbeitet, aber dieses Mal – es tut uns sehr Leid! – können wir diese Novelle nicht mittragen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

19.13

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Kollege Kiermaier ist sicherlich ein Visionär. Er hat seinerzeit zwei Berufe erlernt, wie er uns mitgeteilt hat, die auf Grund der vorliegenden Gewerbeordnung und der Nebenrechte nun sozusagen gemeinsam ausgeübt werden können. Er hat den Beruf des Einzelhandelskaufmannes erlernt – und ist nun Gastronom.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind, wie ich meine, mit der neuen Gewerbeordnung alte Zöpfe abgeschnitten worden. Diese Gewerbeordnung bringt eine weitgehende Liberalisierung. Der Berufszugang wird erleichtert, aber dieser Berufszugang sollte trotzdem geordnet sein. Ich stelle fest, dass das, was bislang, insbesondere seit Österreich Mitgliedstaat in der Europäischen Union ist, möglich war, durch die neue Gewerbeordnung sicherlich nicht mehr möglich sein wird. Auf Grund der bisher geltenden Gewerbeordnung und unserer Mitgliedschaft in der


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Europäischen Union hat nämlich in etlichen Bereichen eine Inländerdiskriminierung stattgefunden.

Durch die neuen Regelungen kommt es zu einem Abbau bürokratischer Hürden, und ein möglicherweise auch ungerechtfertigter Konkurrenzschutz wird mit dieser neuen Gewerbeordnung beseitigt. Ich sehe durchaus die Möglichkeit, in Zukunft unsere Positionierung im internationalen Vergleich, was die Selbständigen-Quote anlangt, deutlich zu verbessern. Dass da ein Nachholbedarf gegeben ist, ist ja bekannt.

Wesentlich scheint mir zu sein, dass mit einem erleichterten Zugang zum Gewerbe sehr wohl darauf geachtet wird, dass auch die Qualität der Ausbildung erhalten bleibt. Es kann – und das war immer freiheitliche Linie – nicht die Höhe der Haftpflichtversicherung das Maß aller Dinge sein, nämlich die Voraussetzung für die Ausübung eines Gewerbes. Wir reden einem Manchester-Liberalismus sicherlich nicht das Wort.

Ich bin froh darüber, dass die Meisterprüfung erhalten geblieben ist: einerseits als Qualitätsmerkmal, andererseits aber auch als eine Möglichkeit des Berufszuganges mit Eintritt der Volljährigkeit. Insbesondere wird dadurch auch für ältere Arbeitnehmer, die sich dazu entschließen, die Meisterprüfung abzulegen, der Berufszugang als eine der vielen Möglichkeiten, die es hiebei gibt, erhalten.

In diesem Zusammenhang ist ein Fünf-Modul-System verankert, wobei – und das schätze ich sehr – tatsächlich auch eine Objektivierung und Standardisierung des Prüfverfahrens für die Meisterprüfung gegeben ist.

Ich darf abschließend, da das Wort "Jahrhundertwerk" gefallen ist – beziehungsweise hat Kollege Kogler gemeint, es sei kein Jahrhundertwerk –, feststellen: Natürlich unterliegt die Gewerbeordnung auch in Zukunft Veränderungen. Es werden auch noch weitergehende Veränderungen erforderlich sein. Das ist einerseits durch den Wandel der Zeit bedingt – Berufsbilder ändern sich –, und andererseits ist das vorliegende Ergebnis auch noch nicht in allen Bereichen befriedigend.

So sehe ich es etwa als unabdingbare Notwendigkeit an, den Zahntechnikern die Möglichkeit zu verschaffen, tatsächlich auch den Abdruck für herausnehmbaren Zahnersatz vorzunehmen, zumal das ja auch Bestandteil ihrer Ausbildung ist.

Oder: Ich halte es nach wie vor, insbesondere wenn ich mir überlege, dass seit der Gewerberechtsnovelle 1893 ein Vorbehaltsrecht der Baumeister, Fliesenleger und Terrazzoleger für Hochbauplanung oder für Bauplanung gegeben ist, für unabdingbar und notwendig, da eine Veränderung vorzunehmen. Es gibt entsprechende Entschließungsanträge dazu – in der Hoffnung, dass bei der nächsten und hoffentlich rasch erfolgenden Novelle eine Berücksichtigung dieser Anliegen erfolgen wird.

Kollege Mitterlehner hat kurz die Aufregung angeführt, die es im Zusammenhang mit der Möglichkeit des Ausschanks offenen Biers für Handelsbetriebe gibt. Offensichtlich entspricht das aber den Vorstellungen und der Vereinbarung der jeweiligen Interessenvertreter aus Handel und Tourismus, und dem wurde hier offensichtlich auch Rechnung getragen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

19.18

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Ein paar Gedanken zu dieser Gewerbeordnungsnovelle.

Seit 1973 unterrichte ich im Zuge des Wirtschaftskundeunterrichts, des betriebswirtschaftlichen Unterrichts an der Berufsschule auch die Gewerbeordnung. Ich bin natürlich noch sehr geprägt


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von der Erinnerung an die GWO 1975 und natürlich auch alle weiteren Novellierungen, die stattgefunden haben. Gestatten Sie mir, Ihnen einfach meinen Eindruck dazu zu übermitteln.

Erstens: Die groß angekündigte Liberalisierung – Maria Kubitschek hat ja gesagt, die Sozialdemokratie steht zur Liberalisierung – kann ich da nicht erkennen.

Zum Zweiten: Es wird immer wieder von Vereinfachung, von Transparenz gesprochen. Wenn ich mir alleine die Inhalte anschaue, muss ich sagen: Die Gewerbeordnung ist bei Gott nicht einfacher oder nachvollziehbarer geworden. Ein Vorredner hat anklingen lassen, dass er auf die freie Marktwirtschaft vertraue. – In diese Richtung ist bei dieser Novelle schon gar nichts zu erkennen. Ich bin froh darüber, denn ich vertraue der freien Marktwirtschaft ohnehin nicht. Mir geht es vor allem darum, dass die Rechte der Konsumentinnen und Konsumenten und auch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschützt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zu den beiden Begriffen "Konsumentenschutz" und "Lehrlingsausbildung". – Ich kann mich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass gerade diese Novelle massiven Einfluss auf die Lehrlingsausbildung haben wird. Und ich warne vor dieser Tendenz, aus dem einfachen Grund, meine Damen und Herren: Es macht durchaus Sinn, junge Leute in Beschäftigungs-, in Ausbildungsverhältnisse zu bringen, aber wir können seit Jahren den Trend feststellen – auch jetzt wieder über die Teilgewerbe –, wonach junge Leute eine so fokussierte, enge Ausbildung erfahren, dass sie nach Ablauf der Lehrzeit eigentlich fast als unqualifiziert dastehen. (Abg. Kiermaier: Jawohl! So ist es!) Die Berufsbilder sind einfach zu eng, und ich denke, dass es uns allen ein Anliegen sein sollte, jungen Leuten Zukunftschancen zu geben – und sie nicht nur für eine Lehrzeit irgendwo zu "parken". Das, meine Damen und Herren, sollte unser aller Ansinnen sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher bin ich auch ein bisschen enttäuscht über Ihre Ansätze, was die Tourismuswirtschaft betrifft. Ich bin nicht der Auffassung, dass der Markt alles regelt. Es sollen jene Leute, die potentiellen KonsumentInnen etwas anbieten, sehr wohl eine profunde Ausbildung haben. Es liegt, glaube ich, ein Denkfehler in der Tendenz, die Sie uns darlegen, denn: Qualität darf sich nicht nur über die "Hardware" definieren, Qualität ist in zunehmendem Maß "Software". Und diese "Software" kann ich in dieser Gewerbeordnungsnovelle nicht erkennen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

19.22

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die unternehmerische Tätigkeit ist in einer Volkswirtschaft noch allemal der Motor und auch die Basis des Wohlstandes in einem Land, und Österreich ist, wie wir alle wissen, eines der reichsten Länder. Das heißt, die Rahmenbedingungen für das Unternehmertum in Österreich können so schlecht nicht sein, wenn man sich anschaut, wie sich unser Land entwickelt hat. (Ruf bei der SPÖ: Ihr werdet es gleich umgebracht haben!)

Klar ist aber auch, dass wir natürlich permanent an diesen Rahmenbedingungen zu arbeiten haben, weil sich auch das Umfeld, weil sich auch die Voraussetzungen um uns herum ändern, weil sich die Voraussetzungen innerhalb der einzelnen Branchen, innerhalb der einzelnen Firmen permanent ändern. Wir bekennen uns zu dieser Notwendigkeit der permanenten Veränderung, aber: mit Augenmaß. Ich meine, gerade diese Gewerbeordnung ist ein großer Schritt in Richtung Veränderung, aber ein Schritt mit Augenmaß  – und das in mehreren Bereichen.

Es geht etwa bei Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeit immer darum, Qualität für die Konsumenten, Sicherheit für die in den einzelnen Betrieben Tätigen, aber auch Sicherheit für die Konsumenten zu gewährleisten. Wir haben aus gutem Grund die Meisterprüfung für die gebundenen Gewerbe als Zugangsvoraussetzung beibehalten – allerdings haben wir es mit dieser Gewerbeordnung auch geschafft, diese Meisterprüfung klarer, transparenter zu strukturieren, den Zugang zu dieser Prüfung zu vereinfachen, und vor allem wird durch den modularen Aufbau diese Meisterprüfung und der Zugang dazu auch massiv vereinfacht.


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Im Bereich der unternehmerischen Freiheit und des Zugangs zum Unternehmertum haben wir einiges weitergebracht. Der ganze Handel ist nun ein freies Gewerbe. Aber um gleich an die Ausführungen des Kollegen Schwemlein anzuknüpfen: Es ist eine Mär, zu behaupten, dass deswegen, weil man aus einem gebundenen Gewerbe ein freies macht, die Ausbildung in diesem Bereich gefährdet sei. – Die Lehrlinge müssen Sie mir zeigen, die bei der Entscheidung für einen Lehrberuf und für eine Lehre schon im Auge haben, später einmal die Meisterprüfung abzulegen und sich selbständig zu machen. Die haben alle zunächst einmal eines im Sinn: Sie wollen eine gute Ausbildung, damit sie in ihrem weiteren Berufsleben vorwärts kommen und ihren Lebensunterhalt verdienen können. Das ist die erste Intention. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Deshalb stelle ich massiv in Abrede, dass solche Entscheidungen wie zum Beispiel beim Handel auch nur im Entferntesten Auswirkungen auf das Ausbildungssystem haben!

Auf der anderen Seite haben wir aber die unternehmerische Freiheit und den Zugang zum Unternehmertum auch dadurch erleichtert, dass wir in verschiedensten Bereichen Nebenrechte ausgeweitet haben – mein Kollege Reinhold Mitterlehner hat es schon erwähnt –: für die Gastronomie auf der einen Seite, weil es Nebenrechte in Richtung Handelsberechtigungen gibt, auf der anderen Seite gibt es im Handel eben auch den – zugegeben: strittigen – Punkt des Ausschanks von Getränken und so weiter.

Folgendes möchte ich im Zusammenhang mit der unternehmerischen Freiheit als besonders wichtig herausstreichen: Unternehmertum hat immer etwas mit Risiko zu tun, und es ist nur zu begrüßen, dass es Menschen gibt, die bereit sind, Risiko einzugehen, Kapital in die Hand zu nehmen, persönliches Risiko einzugehen und Unternehmerin/Unternehmer zu werden.

Diesem Risiko ist aber immanent, dass der eine oder andere auch scheitern kann, und ich halte es für eine große Errungenschaft, dass mit dieser Gewerbeordnung auch jene, die nach redlichem Bemühen – nicht in betrügerischer Absicht, sondern nach redlichem Bemühen!  – mit ihrem Unternehmen scheitern, die Möglichkeit bekommen, ein zweites Mal Unternehmer zu werden, und nicht, wie jetzt, diskriminiert werden, ausgeschlossen bleiben vom Unternehmertum und dann vielfach über Umwege wieder zur unternehmerischen Tätigkeit zurückkehren müssen.

Schließlich und endlich ist es uns mit dieser Gewerbeordnungsnovelle auch gelungen, in der Verwaltung maßgebliche Vereinfachungen zu schaffen: One-Stop-Shop-Prinzip, mehr Rechtssicherheit und Übersichtlichkeit, erleichterter Zugang zur Meisterprüfung – das habe ich schon erwähnt –, Modularität des Systems der Meisterprüfung und vieles andere mehr.

In Summe liegt hier ein Werk vor uns, Herr Bundesminister, Frau Staatssekretärin, von dem mit Fug und Recht behauptet werden kann, dass es ein großer Wurf ist, ein großer Schritt in die richtige Richtung – aber es ist eine Reform und eine Modernisierung mit Augenmaß, die nicht, wie manche es immer gerne fordern, gleich das Kind mit dem Bad ausschüttet und im Sinne völliger Liberalität dann auch all jene Ansprüche an Rahmenbedingungen für unternehmerisches Tun und Handeln über Bord wirft, mit denen wir unser Land und unseren Wohlstand in der Vergangenheit aufgebaut haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

19.28

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zunächst möchte ich auf die Ausführungen einiger Vorredner eingehen.

Es freut mich, dass gesagt wird, dass Österreich gut dasteht, dass Österreich ein reiches Land ist. Man sagt aber nicht dazu, dass dieser Wohlstand letztlich ein gemeinsamer Erfolg ist, der in 30 Jahren unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern in unserem Land erzielt werden konnte. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das sagt man nicht dazu, aber ich meine, dass es wichtig ist, dass man das dazu sagt. Ich reklamiere das nicht als das alleinige Verdienst einer Partei, sondern es ist das ein Verdienst aller Österreicherinnen und Österreicher. Man sollte aber doch auch anmerken, dass diese guten Grundlagen, die gerade eben auch vom Herrn Kollegen Kopf dargestellt wurden, in den 30 Jahren unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern geschaffen wurden.

Die Beurteilung der Gewerbeordnung ist seitens des Kollegen Mitterlehner in sehr klarer Weise vorgenommen worden. Er hat sie nicht als großen Wurf bezeichnet, er hat gemeint, sie müsse auch öfters angepasst werden. Es ist vielleicht einiges liberalisiert worden, aber nicht in ausreichendem Maße, so, wie wir uns das alle vorgestellt hätten. Ich glaube, dass es auch durchaus Punkte gibt, über die man sehr rasch weiter verhandeln sollte, wie zum Beispiel die Meisterprüfung den Zugang zu den Universitäten eröffnen sollte. Das war die ursprüngliche Diskussion: Lehrabschluss und Zugang zu den Fachhochschulen. An dieser Diskussion war ich sehr massiv beteiligt, und wir haben dieses Ziel auch erreicht.

Man muss schon klar sagen, dass die große Liberalisierung vor allem deshalb nicht erfolgte, weil es nicht genügt – wie manche meinen, wenn sie von Deregulierung reden –, die Gesetzesmaterie sozusagen nach Paragraphen zu verkürzen, sie aber in andere Verordnungen zu verpacken und dann zu meinen, dass durch diese Organisationsverschiebung dereguliert worden sei.

Es ist sozusagen ein beliebter Trick, auf der einen Seite 100 Bestimmungen herauszunehmen, aber nicht zu wissen, dass man dadurch in anderen Gesetzesmaterien, in anderen Regelungen vielleicht 300 zusätzliche Bestimmungen schafft. Das muss man einmal klarstellen!

Ich glaube auch, dass durch eine undifferenzierte Streichung von Bestimmungen vor allem wichtige Schutzbestimmungen für den Konsumenten weggefallen sind.

Es wird immer wieder über den so genannten Regulierungs- und Deregulierungsbedarf diskutiert. Ich möchte einmal klarstellen, dass dort, wo die Zugangsbestimmungen dereguliert werden, die Ausübung, der Vollzug im Interesse der Konsumenten und der Sicherheit streng reguliert gehört. Das ist durchaus kein Widerspruch. Es erscheint nur im ersten Moment als Widerspruch, ist aber keiner, weil man durch diese Regulierung ja letztlich andere Zielsetzungen erreicht.

Ich möchte jetzt auf nicht erfolgte, jedoch notwendig gewesene flankierende Maßnahmen eingehen, weil diese etwa auch in Bezug auf die Qualität der Lehre wiederholt angesprochen wurden. Ich denke, dass das in Bezug auf Gewerbeordnung und Berufsausbildungsgesetz zwar nicht unmittelbar zu vergleichen ist, dass aber ein innerer Zusammenhang besteht, denn wenn sich aus einem Teilgewerbe eine Berechtigung für die Lehrlingsausbildung ableitet, dann frage ich, wie sich dann die Lehrlinge bei dieser sehr eingeschränkten Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt behaupten können. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir alle sind uns dessen bewusst, dass Qualifikationen eine steigende Entwicklung nehmen werden. Ich weiß auch, dass es notwendig ist, immer mehr Ausbildung zu betreiben. Ich habe bei Unternehmern eine Umfrage gestartet, die Folgendes ergeben hat: 35 Prozent der Unternehmer haben sich dazu bekannt, dass sie eine stärkere Lehrausbildung und mehr Absolventen aus der Lehre brauchen. – Das ist durch diese Gewerbeordnung jedoch nicht gewährleistet!

Ich finde auch, dass man einmal sagen muss, dass andere Anforderungen, die auch sehr wichtig sind, wie zum Beispiel Eigeninitiative, Konfliktfähigkeit, Teamfähigkeit, soziale Kompetenz in der Ausbildung überhaupt nicht vorkommen. Ich möchte ausdrücklich betonen: Das ist auch ein Auftrag an alle Bildungsverantwortlichen, der mitzunehmen ist! Es ist nicht richtig, dass wir hier zu wichtigen Fragen der Ergänzung der flankierenden Maßnahmen in der Lehrlingsausbildung überhaupt nichts sagen. Wir wissen auch, dass gerade in der Zeit, in der wir uns jetzt befinden, noch viele Lehrlinge auf einen Lehrplatz warten.

Abschließend möchte ich aus einer Umfrage zitieren. Auf die Frage, warum man keine Lehrlinge aufnimmt, sind von rund 300 Unternehmern sehr interessante Antworten gegeben worden.


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15 Prozent der Unternehmer sagen: Der Zeitmangel ist der Grund, warum sie keine Lehrlinge aufnehmen. 43 Prozent meinen, dass sich der Betrieb für Lehrlingsausbildung nicht eignet.  – Angesichts dieser Novelle zur Gewerbeordnung wird die Zahl dieser Betriebe aber noch steigen!

29 Prozent der Unternehmer meinen, dass bei der Lehrlingsausbildung ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis besteht. – Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Da möchte ich aber fragen: Wie soll es bei diesem Bewusstsein, dass die Kosten-Nutzen-Relation nicht ganz stimmt, in Zukunft dann jene Facharbeiter für die Wirtschaft geben, die wir so dringend brauchen?!

Ich finde, dass es in Wien einen interessanten Ansatz gibt: Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer versuchen, durch Ausbildungsverbünde, die entstehen sollen, durch Kurse für Ausbildner und durch die Fortführung des Auffangnetzes einen Beitrag zur Lösung dieses Problems zu leisten.

Für meinen Bezirk kann ich jedenfalls sagen, dass die Hälfte der Schülerinnen und Schüler, die jetzt vor dem Schulabschluss stehen, keine fixe Zusage für eine Lehrstelle hat. Und das sollte uns nachdenklich stimmen! (Beifall bei der SPÖ.)

19.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

19.34

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident Fasslabend! Liebe Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte mich für die sehr sachliche Debatte zu diesem Thema ausdrücklich bedanken. Wenn auch die sozialdemokratische Opposition dieser Novelle zur Gewerbeordnung, dieser Reform voraussichtlich nicht zustimmen wird, so halte ich die Debattenbeiträge doch für außerordentlich sachlich, wenngleich ich Sie nicht aus der Widersprüchlichkeit entlassen kann, die sich zum Beispiel auch in den Ausführungen des Abgeordneten Bauer wiedergefunden hat, einer Widersprüchlichkeit, die da lautet: Diese Gewerbeordnungsreform ist zu wenig liberal, aber eigentlich geht sie in Sachen Konsumentenschutz, in Sachen Ausbildung doch zu weit; dort wollen wir mehr Regeln, mehr Einschränkung, mehr Kontrolle.

Das sind Widersprüchlichkeiten, die Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter Bauer, und auch Sie, verehrte Frau Abgeordnete Kubitschek, nicht wirklich entkräften und aufklären konnten. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Aber abgesehen davon denke ich, dass es einen Grundkonsens in diesem Haus gibt, der da lautet: Das ist eine moderate, Österreich angepasste Reform und Liberalisierung dieses Unternehmensrechtes, wobei ich betone, dass die betroffenen Berufskreise, die Unternehmer Österreichs – es geht um das Herzstück des Unternehmerrechtes –, eine Art eingeschränktes, aber doch ein Selbstbestimmungsrecht haben. Sie sollen mitbestimmen können, was mit ihnen geschieht. Es ist kein Alleinbestimmungsrecht, aber eine gewisse eingeschränkte Selbstbestimmung.

Zu den Ausführungen der Abgeordneten Kopf oder Mitterlehner: Es war mir ganz wesentlich, in allen Phasen der Entwicklung dieser Gewerbeordnungsreform den Konsens mit den betroffenen Berufskreisen – und natürlich auch mit dem Koalitionspartner – herbeizuführen. Das ist im Großen und Ganzen gelungen. Das ist ein gemeinsamer Erfolg, und dafür bedanke ich mich bei allen sehr, sehr herzlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, gestern haben wir mit Fug und Recht von einer großen Reform, manche sogar von einer "Jahrhundertreform" gesprochen, als es um die "Abfertigung neu", als es um die betriebliche Mitarbeitervorsorge ging. – Das kann man von dieser Reform der Gewerbeordnung nicht sagen, aber das soll es auch gar nicht sein, denn: Das ist eine permanente Weiterentwicklung, bei der wir wahrscheinlich alle vier Jahre dazu


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kommen, zu sagen, jetzt ist ein weiterer Schritt in Richtung mehr Liberalisierung fällig – aber nicht der ganz große Wurf, denn bei diesem ganz großen Wurf würden vielleicht einige unter die Räder kommen, und das wollen wir in unserem Lande nicht. Wir kümmern uns um alle, wir kümmern uns auch um die Kleinen, die manchmal Schutz durch Regeln brauchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das ist eine Reform in Sachen Entbürokratisierung. Es ist eine Hilfe, um den von Präsident Leitl – auch vom Bundeskanzler, von mir und von anderen – erhofften und eingeforderten Aufschwung in Sachen Unternehmensgründungen zu begleiten. Das Jahr 2002 soll ja, sehr geehrter Herr Abgeordneter Gaßner, das Jahr der Neugründungen werden: 30 000 erhoffen wir uns. Das NeuFöG haben wir ja erst vor kurzem verlängert.

Wir wollen immer mehr Neugründungen haben, weil wir wissen: Das ist Dynamik, das ist Innovation, das ist Technologie – und das sind vor allem neue Jobs, denn pro Neugründung entstehen zwei bis vier Arbeitsplätze, und da kann man nur gemeinsam dafür sein. (Abg. Mag. Gaßner nickt zustimmend.)  – Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Sie nicken ganz begeistert. (Abg. Mag. Gaßner: Teils, teils!) Ich weiß mich mit Ihnen einer Meinung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das ein schlankeres Gesetz. Herr Abgeordneter Bauer, wir haben nicht so viel in Verordnungen hinein getan, wie Sie meinen. Es gab eine Korrektur gegenüber dem Begutachtungsentwurf, um dieses Recht auf gleiche Ebenen mit anderen Berufsrechten zu stellen. Das haben wir wiederum in das Gesetz rückverlagert.

Trotzdem ist es eine Abschlankung, trotzdem gibt es 130 Paragraphen weniger, trotzdem wurde manche geradezu lieb gewordene, zum Teil auch fast peinlich lächerliche Bestimmung oder Beschreibung von Würsten, von Gurken und Ähnlichem aus der Gewerbeordnung herausgenommen. Es reicht, von der Verabreichung von einfachen Speisen und Getränken zu sprechen; man muss den Gurkenradius und die Wursthautbeschaffenheit nicht extra im Gesetz spezifizieren.

Das hohe Niveau des Ausbildungsstandes in Österreich wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Mein Dank gilt den Unternehmern dafür, dass sie auch in Zukunft Lehrlinge ausbilden; fast 44 Prozent jedes Jahrganges gehen in Lehrplätze.

Ich betone, es ist dieser Bundesregierung ebenso wie der vorangegangenen eine Verpflichtung, jedem/jeder jungen Ausbildungswilligen zumindest einen Lehrgangsplatz zur Verfügung zu stellen, wenn keine Lehrstelle verfügbar ist. Wir werden daher auch – ich bin mir dessen sicher: in großer Gemeinsamkeit – das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz samt dazugehörigem Budget um ein Jahr verlängern; das ist notwendig.

Zu den einzelnen Bestimmungen möchte ich nur sagen: Es ist möglich geworden, in Österreich innerhalb eines Tages ein Unternehmen zu begründen. Es geht in Wien zum Teil schon virtuell über das Internet. Das One-Stop-Shop-Prinzip ist verwirklicht.

Ich war vor ein paar Tagen bei einer Buchpräsentation eines ORF-Wirtschaftsredakteurs, des Herrn Mag. Tesch. (Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner. Die Zwischenrufe sind zu leise; ich verstehe Sie nicht. (Abg. Mag. Gaßner: Ich bin zu schüchtern! Ich wollte sagen: Es ist nicht wahr, der One-Stop-Shop!)  – Doch, es ist so, Herr Abgeordneter! Da unterscheiden wir uns in unserer Auffassung und Meinung. Ich bin mir da jedenfalls ganz, ganz sicher!

Ich war vor einigen Tagen bei der Präsentation des Buches "Sicher selbständig werden" des ORF-Wirtschaftsredakteurs Mag. Hans Tesch. Dieser Autor und Redakteur Tesch musste zwangsläufig seine Buchausführungen – das Buch hat ungefähr 350 Seiten – auf den gegebenen Stand des Unternehmensrechtes bringen.

Es ist fast unglaublich, wie viel jetzt möglich gemacht wird, was alles nicht mehr notwendig ist, wie viel an leichterem Unternehmenszugang durch diese Gewerbeordnungsnovelle geschaffen wird.


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In einer Sache war ich mir von Anfang an ganz sicher, gemeinsam im Übrigen mit unseren Höchstrichtern, meine sehr verehrten Damen und Herren, und zwar betraf das die Forderung: Österreicher dürfen in Sachen Unternehmensgründung gegenüber EU- oder EWR-Ausländern nicht diskriminiert werden.

Theoretisch wäre das möglich gewesen. Die dritte Diplomanerkennungsrichtlinie schreibt nur vor, wie Engländer und Franzosen zu unseren Unternehmungen zuzulassen sind. – Wir haben selbstverständlich einen vernünftigen Weg gefunden, um für Österreicher diesbezüglich eine Diskriminierung gar nicht erst entstehen zu lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Meisterprüfung bleibt der vorrangige Zugang zu Handwerk und Gewerbe, aber nicht der einzige. Das war im Übrigen auch schon bisher so und bedeutet in Wirklichkeit die Aufrechterhaltung dieser höchsten Qualitätsstufe des Gewerbes und des Handwerkes, nämlich der Meisterprüfung. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Prüfungswesen wird standardisiert und vereinheitlicht; es wird objektiviert. Es gibt in Zukunft 82 geregelte Gewerbe – bei insgesamt 800 freien Gewerben. – Sie sehen, das Schwergewicht liegt bei weitem bei den freien Gewerben.

Es gibt nur eine einzige Gewerbeliste, und es gibt einen großen Schub in Richtung Liberalisierung, nämlich die Überführung des Handelsgewerbes in ein freies Gewerbe. Das war nicht unumstritten, aber es gab am Schluss auch einen Konsens mit der betroffenen Gruppe. 60 000 Unternehmungen – das ist etwa ein Drittel der wirklich aktiven Unternehmungen in unserem Lande –, 500 000 Mitarbeiter, die 20 000 Lehrlinge ausbilden, sind davon betroffen; im positiven Sinne des Wortes betroffen, weil das ein Stück mehr Dynamik, ein Stück mehr Leben im Handel ist, und das ist gut so.

Ich bedanke mich bei der Frau Staatssekretärin für die nicht einfachen Verhandlungen im Bereich des Gastgewerbes, um da auch zu einem Konsens zu kommen. Frau Staatssekretärin Rossmann, du hast das ganz ausgezeichnet gemacht! Weit weg von Wien, in Saalfelden ist das damals geschehen. Es gibt nun auch einen leichteren Zugang zum Gastgewerbe, allerdings keine völlige Freigabe. Das ist ein Mittelweg, das ist im Konsens erzielt worden, und auch das ist gut so.

Mein Wunsch wäre es ordnungspolitisch gewesen, etwas, was wirklich nicht in die Gewerbeordnung gehört, woanders hineinzutun, nämlich in die Jugendschutzbestimmungen der Länder. Es geht um die Frage: Was darf ein Jugendlicher, und was muss einem Jugendlichen in einem Lokal an alkoholfreien Getränken angeboten werden? – Aber ich habe eingesehen, es geht offensichtlich nicht, das in den Jugendschutzgesetzen zu verankern. Deshalb haben wir das, obwohl ordnungspolitisch sicherlich nicht dort hingehörig, in die Gewerbeordnung rückverlagert.

Über viele andere Verbesserungen wäre noch zu berichten, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, Sie kennen sie ebenso gut wie ich. Daher noch einmal mein Dank an alle Beteiligten, vor allem auch an die hohe Beamtenschaft, die hier anwesend ist, für die weitestgehend im Konsens ausgearbeitete Novelle zur Gewerbeordnung, die eine maßvolle, eine wichtige Reform für unser Land und seine Unternehmer darstellt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ortlieb. – Bitte.

19.44

Abgeordneter Patrick Ortlieb (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich als Jungunternehmer bin selbst genauso erfreut wie meine Klubkollegen, dass ein weiterer Schritt zur Novellierung der Gewerbeordnung gemacht worden ist.

Ich kann mich noch genau erinnern, mit welch bürokratischen Hindernissen ich zu kämpfen hatte, als ich meine erste Firma gegründet habe. Unzählige Behördenwege waren notwendig,


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bis ich endlich durchstarten konnte. Gerade in solchen Phasen des Lebens, in denen man sich entscheidet, den ersten Schritt in Richtung Selbständigkeit zu machen, geht einem ohnehin alles viel zu langsam.

Dieser Bundesregierung ist es nun endlich gelungen, die Gewerbeordnung so zu ändern, dass man mit einem einzigen Behördenstop zur Gewerbeberechtigung kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wie Herr Bundesminister Bartenstein schon erwähnt hat: One-Stop-Shop und e-government sind da nicht nur Schlagworte, sondern stellen eine wesentliche Erleichterung bei Firmengründungen dar.

Ein weiterer Grund für viele junge Unternehmer, sich in die Selbständigkeit zu wagen, ist, dass ein eventueller Konkurs kein Grund mehr für einen Gewerbeausschluss ist. Viele kleine Konkurse sind oft nicht selbst verschuldet: Oft ist man selbst Opfer einer Großinsolvenz. Größere Zahlungsausstände treiben kleinere Unternehmer oft selbst zum Konkursrichter.

Selbständige Tätigkeiten sind immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Wer aber die Kosten des Konkursverfahrens abdecken kann, muss nicht automatisch mit einem Gewerbeausschluss beziehungsweise einer Gewerbeentziehung rechnen.

Die Liste der Verbesserungen, die die neue Gewerbeordnung mit sich bringt, könnte noch beliebig fortgesetzt werden. Auf jeden Fall erleichtert sie es vielen jungen Menschen, sich selbständig zu machen. Und wie wir alle wissen, schafft jede neue Firma neue Arbeitsplätze. Viele Neugründer werden es dieser modernen, wirtschaftsfreundlichen Bundesregierung danken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

19.46

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gewerbeordnung – Herr Bundesminister, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht – hat einerseits ordnungspolitische Aufgaben; sie ist ein Unternehmensrecht.

Was ich allerdings vermisst habe – und das möchte ich hier klar sagen –, ist, dass die Gewerbeordnung auch ein Konsumentenrecht ist und daher Konsumentenschutzbestimmungen enthält. Damit möchte ich mich jetzt auseinander setzen.

Kollege Ortlieb, Erleichterungen für Jungunternehmer stehen im Raum, aber es stehen auch Erschwernisse und Probleme für Konsumenten im Raum. Ich möchte das anhand einiger Beispiele sehr konkret darlegen.

Herr Bundesminister! Ich habe es Ihnen im Ausschuss gesagt: Wir haben derzeit ein Problem mit bestimmten Keilertätigkeiten. Da kommen Strom-Keiler, da kommen Telekom-Keiler, besuchen insbesondere ältere Personen, gehen in die Wohnung und geben sich als Mitarbeiter eines Energieversorgungsunternehmens aus. Sie fragen: Wollen Sie nicht einen neuen Stromliefervertrag abschließen – beispielsweise mit der Firma Switch? Wenn dann die betreffenden Personen sagen: Nein, ich will nicht!, dann wird gedroht: Wir werden Ihnen dann den Strom abschalten!

Herr Bundesminister! Das sind die Beispiele, die wir in den Konsumentenberatungsstellen erlebt haben. Sie hätten es leicht gehabt, nämlich Stromlieferverträge und Telekombestellungen unter die Verbotsbestimmung des § 57 aufzunehmen. Aber, Herr Bundesminister, Sie haben das nicht gemacht! Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Das wird den Konsumenten weiterhin Probleme bereiten.


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Herr Bundesminister, Sie haben gemeint, die Gewerbeordnung habe jetzt um 130 Paragraphen weniger. – Herr Bundesminister, da haben Sie getrickst, denn über Verordnungen werden Sie nun festlegen, wie einzelne Gewerbe ausgeübt werden müssen. – Daher kann ich Ihre Argumentation so nicht im Raum stehen lassen.

Die Hauptprobleme sehe ich persönlich bei einzelnen Gewerben, insbesondere auch in der Frage der Zuverlässigkeitsüberprüfung. Spediteure fallen nicht darunter. Erinnern Sie sich nicht mehr an den Skandal mit jenen Spediteuren, die illegal Menschen aus Drittstaaten beschäftigt, keine Sozialversicherungsbeiträge und so weiter bezahlt haben? Herr Bundesminister, ich frage Sie ganz konkret: Warum wurde da – genauso wie bei den Immobilienmaklern – keine Zuverlässigkeitsprüfung eingeführt?

Ich bin Ihnen "sehr dankbar", dass nun mit der Gewerbeordnung das Piercing erlaubt wird. Ich halte diese Regelung allerdings aus medizinischen Überlegungen für verfehlt, weil auch Zungenpiercing nun von gewerblichen Anbietern durchgeführt werden soll.

Herr Bundesminister! Ich vermisse auch eine klare Regelung in Bezug auf Pfandleiher. In diesem Bereich haben Sie Konsumentenschutzbestimmungen gestrichen. – Auf der anderen Seite haben Sie jedoch bei den Ernährungsberatern festgelegt, dass ein abgeschlossenes Studium notwendig ist, um diese Tätigkeit auszuüben. Herr Bundesminister, da haben Sie monopolisiert, da sind Sie vor den Ärzten in die Knie gegangen! Sie sind auch in der Frage der Dentaltechniker, der Zahntechniker, vor den Ärzten in die Knie gegangen, denn im europäischen Raum gibt es da viel mehr Möglichkeiten.

Sie haben keine klaren Datenschutzregelungen für das Sicherheitsgewerbe gemacht, auch nicht für den Bereich der Auskunfteien.

Daher muss ich abschließend festhalten, Herr Bundesminister: Die Liberalisierung steht hier im Raum. Schutzbestimmungen für Konsumenten haben Sie mit dieser Regelung jedoch nicht getroffen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Kogler. )

19.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte.

19.51

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die bisherigen Reden der Oppositionsabgeordneten haben gezeigt, dass die Argumente sehr schwach sind (Abg. Mag. Kogler: Differenziert!), warum sie der Gewerbeordnungsnovelle nicht zustimmen. – Klar ist, dass das kein weiß Gott wie großer Wurf ist, sondern auch in dieser Frage ist es eben so, dass Politik das Bohren von harten Brettern mit Geduld und Augenmaß ist.

Jedenfalls ist das ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Auch wir von der Landwirtschaft haben mit der Gewerbeordnung im ländlichen Raum sehr viele Berührungspunkte: vor allem, weil wir auch Teil der Nahversorgung im ländlichen Raum sind.

Mit der vorigen Novelle der Gewerbeordnung ist es überhaupt möglich gewesen, eine Rechtssicherheit in Bezug auf Bauernmärkte zu schaffen. Durch den heute eingebrachten Abänderungsantrag haben wir eine weitere Rechtssicherheit erreicht, nämlich mit der Verordnung, die klärt: Was ist ein verarbeitetes Produkt, und was ist ein Urprodukt? – Ein verarbeitetes Produkt wird natürlich auch im Steuerrecht und im Sozialversicherungsrecht anders behandelt. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Bisher konnten wir da ja nur auf einen Erlass des Finanzministers zurückgreifen, der aber für die Gewerbeordnung sozusagen keine Rechtssicherheit geboten hat. – Jetzt, mit dieser Verordnungsermächtigung des Wirtschaftsministers, haben wir diese Rechtssicherheit für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ein weiterer Bereich ist mir sehr wichtig, weil es da in der Vergangenheit eine sehr starke Kriminalisierung gab. Bisher war es nicht möglich, Limonaden oder Bier in Flaschen auf Almen während der Almbewirtschaftung an Besucher abzugeben. Man durfte eine Käsejause, eine Speckjause oder auch, wenn man die Wurst selbst herstellte, eine Wurstjause anbieten, aber dazu durften nur Milch oder hausgemachte Fruchtsäfte angeboten werden.

Jetzt ist es immerhin möglich, dass wir ortsübliche, in Flaschen abgefüllte Getränke – das kann Bier sein, das können Limonaden sein – dem Almwanderer zur Verfügung stellen. – Sicherlich ein kleiner Schritt, aber wenn man weiß, wie viele Anzeigen es diesbezüglich in der Vergangenheit gab, dann muss man sagen, für die Almbewirtschafter ist es ein großer Schritt.

Es ist auch endlich erreicht worden, dass der Bauer den selbst gebrannten, eigenen Schnaps auch direkt, in kleinen Mengen dem Gast anbieten kann. (Heiterkeit.) Bisher war es nur möglich, eine Flasche als Ganzes zu verkaufen und die Gläser dazuzustellen. (Allgemeine Heiterkeit. – Abg. Marizzi: Da lachen ja die Hühner!)  – Das sind natürlich Regelungen, die dringend notwendig waren.

Insgesamt kann ich sagen, dass diese Gewerbeordnungsnovelle eine Liberalisierung des Berufszuganges bringt, eine Erweiterung der Nebenrechte der Gewerbetreibenden, einen Abbau bürokratischer Hürden, eine Schaffung von Anreizen für selbständige Erwerbstätigkeiten und insgesamt eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich. Ich bin daher froh darüber, dass wir heute diese Novelle zur Gewerbeordnung beschließen können. (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Diese Rede hat viele Promille gehabt!)

19.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte.

19.54

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Bis jetzt habe ich eigentlich nicht gewusst, dass das bei den Bauern auf den Almen nicht hat verkauft werden dürfen. Das hat man überall bekommen, auch bisher schon. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der SPÖ.)

Zum Lächeln, Herr Minister, das Sie mir vorhin unterstellt haben. – Ja, ich habe gelächelt, als Sie von der Neugründungsphase gesprochen haben. Ich habe deswegen gelächelt, weil ich mir gedacht habe: Was denkt sich der Herr Minister dann, wenn er auch die jährlichen Insolvenzen und Konkurse in Abzug bringen würde? – Dann würde diese Zahl keinen Anlass mehr zum Lächeln geben. Aber das müsste man fairerweise tun.

Ein Wort zum One-Stop-Shop. Ich möchte es anders sagen. Ich glaube, es wäre besser, vom "One-Shop-Stop" zu sprechen, denn wenn heute in einer Gemeinde ein Betrieb gegründet wird – so ist das in Österreich –, dann braucht er zunächst einmal die Raumordnung. Wer macht das? – Die Gemeinde. Dann braucht er eine Baugenehmigung. Wer macht das? – Die Gemeinde. Dann braucht er einen Kanalanschluss – indirekt Teil der Verordnung, nichts Unbekanntes. Wer macht das? – Die Gemeinde.

Dann geht er auf Grund dieser "starken Liberalisierung" zur BH, und dort bekommt er den Gewerbeschein. Aber beim Wasserrecht schaut es schon wieder anders aus. Wer macht die wasserrechtlichen Verhandlungen? Wo bekommt er die Anlagengenehmigungen et cetera? – Letztere macht die BH.

Aber wie viele Behörden braucht man tatsächlich noch? – Das ist kein One-Stop-Shop! Das wäre nur dann der Fall, wenn – wie unsere Forderung gelautet hat – die Gemeinde, die unterste Ebene dazu legitimiert ist und diesen One-Stop-Shop verwirklichen könnte. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Unter dem Deckmantel der Scheinliberalisierungen verstecken Sie in dieser Gewerbeordnung einen massiven Abbau der


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Qualifikation und der Ausbildung! – Und das ist einer der wesentlichsten Gründe, warum wir dagegen sind.

Darf ich eine Frage an Sie richten? – Fast jede Woche höre ich bei uns im Mühlviertel von der Wirtschaftskammer den Aufruf: Machen wir doch die Grenzen auf, wir brauchen ganz dringend Facharbeiter aus Tschechien! Wir haben keine Facharbeiter mehr! – Auf der anderen Seite lese ich aber die Arbeitslosenstatistiken und stelle fest: Die Arbeitslosigkeit steigt. Welchen Ausweg gibt es da? – Bessere Qualifikation und mehr Ausbildung! In der neuen Gewerbeordnung nehmen Sie aber diese Forderung ganz klar zurück! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Lehre wird abgewertet. Der Teillehre wird immer mehr das Wort geredet. Man braucht keine Lehre mehr, man braucht keine grundsolide Ausbildung mehr für eine Meisterprüfung und so weiter.

Es gibt aber einige Damen und Herren von der ÖVP, die auch unserer Meinung sind. Da gibt es zum Beispiel den Fachverbandsvorsteher aus der Gastronomie, Kommerzialrat Hinterleitner, der um Österreichs guten Ruf als Tourismusland fürchtet, wenn der Zugang zum Gastgewerbe nicht mehr an Fachkenntnisse gebunden ist.

Frau Staatssekretärin Rossmann hat daraufhin gemeint: Die Wirtschaftskammer – das ist in den "Salzburger Nachrichten" nachzulesen – sei nur deswegen dagegen, weil sie dann keine Prüfungsgelder mehr bekomme. – Das war eine interessante Darstellung der Sorgen von Wirten und Gastronomiebetrieben.

Aber, Herr Mitterlehner – weil Sie mir interessanterweise so zunicken –, auch von Ihnen gibt es dazu einige "nette" Bemerkungen vom Februar dieses Jahres, als Sie den "Salzburger Nachrichten" gegenüber erklärten – ich zitiere –:

"Viele könnten nicht verstehen, dass in der Praxis täglich die Anforderungen höher geschraubt ..., von Neueinsteigern aber nicht einmal mehr Grundkenntnisse verlangt würden ..."

Und weiters: "Wer Gewinn nicht vom Umsatz unterscheiden könne, lande schnell vor dem Konkursrichter."

Ich könnte jetzt Ihre Bedenken hinsichtlich dieser geringen Ausbildung hier noch weiter zitieren. Auch Herr Dipl.-Ing. Hofmann befürchtet lang- und mittelfristig den "Tod eines Vorzeigemodells", wenn die Lehrabschlussprüfung nicht mehr Voraussetzung zur Meisterprüfung bleibt, und lehnt daher diesen Punkt ab. – Na, ich bin gespannt darauf, wo heute bei der Abstimmung diese Ablehnungen bleiben werden!

Herr Mitterlehner hat vorhin gemeint, das sei eine kleine Novelle, und wir werden uns bald wieder zu einer Novelle treffen. – Dazu möchte ich sagen, wenn diese Dinge wieder draußen sind und der Ausbildung unserer Jugend wieder mehr Bedeutung zugemessen wird, dann können Sie unter Umständen auch mit unserer Zustimmung rechnen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

20.00

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Kollege Gaßner, Sie haben gesagt, das, was auf Grund dieser Novelle praktiziert werde, sei im Prinzip kein One-Stop-Shop-Prinzip. Meines Wissens sind Sie Bürgermeister einer Gemeinde, und Sie haben ja auch erwähnt, wohin sich jemand wendet, wenn er ein Gewerbe eröffnet: woher er sein Baugrundstück bekommt, woher er das Wasser bekommt, woher er den Strom bekommt und so weiter. Die meisten Gemeinden haben heute einen Gewerbepark, und so ist das alles dort aufgeschlossen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Aber dass alles andere jetzt über die BH läuft, dass man dafür eine Anlaufstelle hat, das ist, wie ich meine, doch ein wesentlicher Schritt. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn mir war das eigentlich immer suspekt, wie das bisher geregelt war, dieser Spießrutenlauf, den jemand zu absolvieren hatte, wenn sich jemand als Selbständiger etablieren wollte. Ich glaube, dass die Liberalisierung in diesem Bereich völlig richtig ist, eine Erleichterung bedeutet und Leute dazu anspornt, in die Selbständigkeit zu wechseln, selbst ein Unternehmen zu gründen. Das ist meiner Ansicht nach auf jeden Fall so.

Ich verstehe nicht ganz, dass Sie hier nicht mittun, denn Ihr Argument betreffend Ausbildung bezieht sich auf etwas ganz anderes. Das hat nichts damit zu tun, dass man jemandem den Wechsel in die Selbständigkeit erleichtert. Ich glaube, dass diese Vereinfachung der Unternehmensgründung dadurch, dass die Begründung eines Gewerbes von nun an durch Anmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde erfolgt, wesentlich dazu beitragen wird, dass mehr Leute in die Selbständigkeit wechseln werden.

Ich wurde von zahlreichen Leuten immer wieder gefragt, wann denn diese neue Regelung endlich beschlossen wird, weil es sehr viele Bereiche gibt, wo viele gerne in die Selbständigkeit wechseln möchten, damit sie gewisse Arbeiten durchführen können, die mittelgroße Betriebe gar nicht übernehmen wollen, weil sie andere Aufträge haben, weil kleinere Reparaturarbeiten für diese Betriebe vom Umfang her zu gering sind.

Durch diese Regelung wird diese Lücke meiner Ansicht nach nun geschlossen. Auf jeden Fall werden durch diese Liberalisierung meiner Meinung nach Arbeitsplätze geschaffen, denn in der Regel schafft jeder, der ein Unternehmen gründet, auch Arbeitsplätze. Ich halte diese Entwicklung daher für völlig richtig. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Weiterentwicklung der Gewerbeordnung bringt aber nicht nur für junge, sondern auch für etablierte Unternehmer klare Vorteile, und sie ist meiner Meinung nach auch für die Erhaltung des Wirtschaftsstandortes Österreich wichtig.

Deshalb appelliere ich an Sie: Stimmen Sie dieser Gewerberechtsnovelle zu! Sie wird nicht die letzte sein – es werden noch mehrere notwendig sein –, aber sie ist ein Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Endlich ein Befürworter!)

20.03

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich bin kein Befürworter der heute zur Beschlussfassung vorliegenden Gewerbereform (Oh-Rufe bei der ÖVP – Abg. Böhacker: Das tut mir aber Leid!), und ich kann es auch erklären.

Es hat sich im Wesentlichen nicht so sehr viel geändert, obwohl sich die Freiheitlichen wirklich sehr freuen, dass es zu Liberalisierungsschritten gekommen ist (Abg. Wittauer: Die Qualität der Ausbildung, Konsumentenschutz, ...!), und ich glaube auch und gestehe auch zu, dass das durchaus auch – oder speziell – die Verdienste der freiheitlichen Fraktion sind. (Ruf bei der ÖVP: Ach so?) Viele dieser Dinge hätten ja schon früher freigegeben werden können, das war aber nicht so leicht möglich. – Gut. Hier muss ich also durchaus sagen: Respekt!

Grundsätzlich ist es aber so, dass – meine Kollegen haben ja schon darauf hingewiesen – nach wie vor zwei Stationen angelaufen werden müssen, wenn man selbständig werden will. Es hat sich da überhaupt nichts geändert gegenüber der bisherigen Situation. Anders möglich und schneller möglich ist es nur in den Statutarstädten, wie zum Beispiel in Steyr, und dort wird ja auch gezeigt, dass es besser funktioniert.

Die oberösterreichischen Wirtschaftspolitiker, von Christoph Leitl bis zu Josef Fill, freuen sich immer wieder, darauf hinweisen zu können, wie schnell in Oberösterreich Unternehmens


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gründungen durchgeführt und Verfahren abgewickelt werden können. Natürlich verweist man dabei immer auf das Beispiel Steyr, wo Milliardeninvestitionen in wenigen Tagen durch die Maschinerie der Verwaltung ordnungsgemäß abgewickelt werden können, und zwar nur deshalb, weil Gemeinde und Bezirksverwaltungsbehörde sozusagen in einer Stelle fusioniert sind. (Abg. Wittauer: In Kärnten geht es noch schneller!) Das ist ganz einfach. (Abg. Böhacker: Das ist durchaus positiv!) – Das ist positiv, ja. Darum ist auch die Idee von Kurt Gaßner, die Gemeinde als die Ebene für Betriebsansiedelungen, Betriebsgründungen einzurichten, durchaus empfehlenswert. Sie sollte auch weiterverfolgt werden.

Ich glaube, dass jede Reform oder jeder Reformschritt nicht für sich allein betrachtet werden darf, und ich bin auch der Meinung, dass wir dem Thema Lehrlingsausbildung und Qualifikation wirklich eine größere Bedeutung zumessen müssen, als das derzeit der Fall ist. Gerade wenn Liberalisierungsschritte erfolgen, soll die Qualifikation derer, die in Frage kommen, sich selbständig zu machen, eine bessere oder die bestmögliche sein. Daher meine ich, dass das Thema Lehrlingsausbildung gerade unter dem Aspekt, dass Lehrlinge sozusagen auch ohne Lehrabschluss zur Meisterprüfung antreten können, dass sie früher antreten können, als das bisher der Fall war ... (Abg. Wittauer: Aber ohne Unternehmer gibt es keine Lehrlinge!) Es geht ja nicht nur um die Unternehmen (Abg. Wittauer: Ihr Sozialdemokraten habt zu wenige Unternehmer! ... Gewerkschafter! Das ist euer Problem!), sondern es geht da um die Qualität, die in den Unternehmen produziert wird, lieber Kollege. Es geht da um ganz andere Dinge! Ich kann dir noch etwas über den Standort Steyr sagen.

In Steyr ist die Lehrlingsausbildung eine hoch qualitative, weil die Steyrer Unternehmungen – Industriebetriebe allerdings – Lehrlinge ausbilden und diese Ausbildung auf einem hohen Qualitätsniveau erfolgt, wie auch in anderen Industriebetrieben. Die Anzahl der Lehrlinge, die ausgebildet werden, ist allerdings in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen, und das hat auch dazu geführt, dass in Steyr in einigen Berufszweigen inzwischen wirklich extrem hohe Löhne gezahlt werden. Steyrer Spitzenfacharbeiter verdienen bis zu 300 S brutto in der Stunde, weil es einen Mangel an ausgebildeten Facharbeitern gibt.

Ich glaube also, dass es da zu dramatischen Entwicklungen kommt, und zwar insofern, als einige Facharbeiter ständig von anderen Unternehmen abgeworben werden und unheimlich viel verdienen, weil es zu wenige von ihnen gibt, und andere an dem gleichen Standort um 60, 70 oder 80 S in der Stunde arbeiten müssen.

Da ist meiner Meinung nach eine Änderung der Philosophie angesagt. Das heißt, dass der Lehrausbildung wieder mehr Bedeutung beigemessen werden muss und dass vielleicht auch mehr Geld in die Ausbildung von Lehrlingen investiert werden muss.

Daher, meine Damen und Herren, nehmen Sie das als positiven Beitrag mit auf den Weg! Arbeiten wir in dieser Richtung weiter! (Beifall bei der SPÖ.)

20.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

20.08

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wir nehmen eines zur Kenntnis: Die Zünftler sitzen heute auf der anderen Seite, wir sind sehr froh darüber, dass wir dies in einer Art Stafette weitergeben können, denn viele Vertreter der Wirtschaft mussten sich diesen Vorwurf gerade auch von Ihnen immer wieder machen lassen. Heute geben wir diesen Vorwurf gerne zurück! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eine zweite Feststellung: Es haben jetzt, glaube ich, vier Redner Ihrer Partei zu begründen versucht, warum Sie dieser Vorlage nicht zustimmen können. Es ist Ihnen nicht gelungen. Ich halte Ihnen aber eines zugute: Wahrscheinlich mangelt es bei Ihnen an entsprechender Sachkenntnis, an entsprechender Kenntnis der Materie, dass Sie Ihre Gegnerschaft noch aufrechterhalten können, denn sonst könnten Sie Ihre Fundamentalopposition nicht begründen.


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107. Sitzung / Seite 190

Wir nehmen also auch das zur Kenntnis: Es mangelt an Sachkenntnis, und darum sind Sie dagegen. Ich werde daher versuchen, Ihnen anhand einiger Beispiele ein wenig auf die Sprünge zu helfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gewerberecht ist das Standesrecht für 350 000 Unternehmer in Österreich. Die Wirtschaft lebt, die Wirtschaft ändert sich, und darum ist es auch notwendig, dieses Standesrecht den geänderten Voraussetzungen auf dem Markt entsprechend anzupassen. Und genau das geschieht. Es geht dabei um kein Jahrhundertwerk, um keine Revolution, sondern einfach darum, den Bedürfnissen des Marktes und der Wirtschaft gerecht zu werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie sprechen von der Qualifikation des Unternehmers. Ich darf Ihnen Folgendes sagen: Nur in einem einzigen Fall ändern sich die Voraussetzungen hinsichtlich der Qualifikation: Das ist der Handel! Für alle anderen reglementierten Gewerbe bleibt die Qualifikation erhalten wie bisher. Jetzt frage ich Sie: Warum schreien Sie Zeter und Mordio? Warum beweinen Sie einen Zustand mangelnder Liberalisierung? – Auf der anderen Seite möchten Sie zusätzliche Qualifikationserfordernisse! Sie sind nicht konsequent, und Sie wissen auch nicht – jetzt wissen Sie es –, dass sich die Voraussetzungen hinsichtlich Qualifikation nur in einem einzigen Fall ändern, nämlich nur im Handel.

Und warum? – Weil genau der Handel heute leider nicht mehr der Ausbilder ist, den wir uns wünschen würden – das ist das Problem, und das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen! –, weil der Handel im klassischen Sinn heute nicht mehr existiert, weil dieser in den Großvertriebsformen aufgegangen ist und dort schon lange nicht mehr ausgebildet werden kann. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sollten Sie wissen!

Und warum? – Weil dort das Berufsausbildungsgesetz die Ausbildung nicht mehr zulässt, weil nicht mehr das gesamte Berufsfeld vermittelt werden kann, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Das ist Ihr "Problem", und so begründen Sie die Ablehnung. In allen anderen reglementierten Gewerben bleibt die volle Qualifikation erhalten!

Aber ich darf Ihnen noch etwas sagen: Herr Kollege Mitterlehner hat darauf hingewiesen, dass 90 Prozent aller Gewerbeanmeldungen heute im so genannten freien Bereich erfolgen. Aber viele dieser Unternehmer bereiten sich auf diesen Schritt sehr konsequent vor, indem sie freiwillig zum Beispiel die Unternehmerprüfung absolvieren, damit sie auf ihre Tätigkeit vorbereitet sind.

Die Liberalisierung, deren Mangel Sie hier so großspurig beklagen, findet in einem Bereich statt, in dem Sie es gar nicht vermuten, nämlich im Bereich der Nebenrechte, der sonstigen Rechte der Unternehmer. Es ist heute egal, aus welcher Richtung Sie in die Selbständigkeit kommen: Es gibt dann eine Palette von Möglichkeiten, über den Generalunternehmer, über Planungsrechte, über Nebenrechte ein weit breiteres Spektrum auszuüben als bisher. Und das ist der entscheidende Schritt der Liberalisierung, der mit dieser Gewerberechtsnovelle erfolgt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, hier wirklich offen zu sprechen: Sie wollen dem nicht zustimmen, Sie wollen nicht akzeptieren, dass diese Regierung mit dieser Novelle Fortschritte für die österreichische Wirtschaft sicherstellen will. Darum sind Sie dagegen. – Wir sind froh, dass wir diesen Schritt heute setzen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger: Ich bin neugierig, ob der Pirklhuber die Bauern weiterhin kriminalisieren will!)

20.13

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Was habe ich da gehört? Herr Präsident, haben Sie den Zwischenruf von Kollegem Schwarzenberger gehört? – Ich will die Bauern


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"kriminalisieren", haben Sie gesagt, Kollege Schwarzenberger! (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Was soll das?!

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz auch einiges zur Gewerbeordnung sagen. Dieser Abänderungsantrag, den Sie, Kollege Schwarzenberger, mit Kollegem Wenitsch eingebracht haben, wurde erstens einmal im Ausschuss nicht wirklich ausreichend diskutiert. Und das, was Sie hier als Erleichterung für die Direktvermarktung vorschlagen, ist – entschuldigen Sie – keine Erleichterung, sondern bestenfalls eine Harmonisierung zwischen verschiedenen Abgrenzungen, die in einzelnen Ministerien derzeit durchgeführt werden. (Abg. Blasisker: ... Besserstellung!) Da gebe ich Ihnen Recht, dass es zumindest eine kleine Verbesserung ist, aber es ist nicht dieser große Wurf, der notwendig wäre, um die Chancen der bäuerlichen Direktvermarktung zu stärken. Das würde nämlich bedeuten, dass die bäuerliche Direktvermarktung als landwirtschaftlicher Betriebszweig anerkannt werden müsste. Sie kennen meine Position, und ich werde daher diesem Antrag nicht zustimmen. (Abg. Böhacker: Also eine klare Absage?)

Ich möchte jetzt aber auf einen anderen Tagesordnungspunkt eingehen, nämlich auf die österreichische Nahrungsmittelhilfe. In diesem Zusammenhang liegt ja auch ein Staatsvertrag vor, Herr Bundesminister. Die österreichische Verpflichtung in diesem Zusammenhang ist ja bekannt und beträgt etwa 1,5 Millionen € im Rahmen der europäischen Nahrungsmittelhilfe.

Der Kampf gegen Hunger, meine Damen und Herren, ist wirklich eine zentrale Herausforderung. Die FAO-Konferenz in Rom ist heute mit einem großen Plädoyer beendet worden: Kampf gegen den Hunger! – Wenn man die Debatte bei dieser Konferenz verfolgt hat, dann muss man derzeit resignierend feststellen, dass bisher keine durchschlagenden Erfolge erzielt wurden. Herr Bundesminister! Gerade auch Österreich ist nach wie vor, was die Entwicklungszusammenarbeit betrifft, Schlusslicht. Wir liegen bei etwa 0,25 Prozent des BNP; seit Jahren werden 0,7 Prozent angestrebt.

Wir wissen alle – beziehungsweise die Fachexperten bestätigen uns das –, dass die Grundvoraussetzung für eine ausreichende Lebensmittelproduktion gerade in den Entwicklungsländern eine Landreform ist. Es ist eine Notwendigkeit, die Produktionsmittel in diesen Ländern den Bäuerinnen und Bauern, den Landarbeitern in die Hand zu geben. Das ist eine soziale Verantwortung, die auch wir haben. Erinnern wir uns: Die "Bauernbefreiung" im 19. Jahrhundert  war die Basis für die Wohlstandsentwicklung in Mitteleuropa. Es ist in allen Ländern immer wieder nachprüfbar, dass es ohne Landreform in der Regel zu keiner Wohlstandsentwicklung, zu keiner Regionalentwicklung kommt.

Meine Damen und Herren! Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lunacek, Pirklhuber, Jäger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verringerung des Welthungers

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, ihre nationale und internationale Agrarpolitik im Sinne einer weltweit nachhaltigen Wirtschaftsweise sowie fairer Handelsbeziehungen zu gestalten und an folgenden Eckpunkten auszurichten:

1. Die internationale Handels- und Agrarpolitik muss der Ernährungssicherheit dienen und das Recht auf Nahrung in internationalen Abkommen wie zum Beispiel der WTO und in anderen relevanten Politikfeldern verankert werden."

Meine Damen und Herren! Das ist eine große Auseinandersetzung! Herr Bundesminister, wir haben darüber schon diskutiert. Im Herbst wird es die nächste WTO-Runde geben, und ich glaube wirklich, dass es Österreich gut anstehen würde, ein Vorkämpfer für Ernährungs


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souveränität zu sein, gerade auch aus der Sicht der Kleinbauern. Die österreichische Landwirtschaft ist ja – wir hören und sehen das immer wieder, und wir wissen es – in den Berggebieten ein ökologisch sehr sensibles Unternehmen. Da brauchen wir lang anhaltende Konzepte und auch Rechte, Herr Bundesminister. Und um dieses Recht auf Ernährungssouveränität geht es in Punkt 1 dieses Entschließungsantrages.

"2. Die nationale Ernährungssouveränität, nämlich das Recht der Völker aller Länder, ihre eigene Nahrungsmittelpolitik selbst zu bestimmen, ist sicherzustellen.

3. Nachhaltige Alternativen zum gegenwärtigen Agrar-Industrie-Modell sind zu unterstützen und ein Paradigmenwechsel zu einer nachhaltigen Landwirtschaft herbeizuführen."

Da sind wir bei einer Kernfrage auch dieser Konferenz. Es gab heftige Debatten über Nahrungsmittellieferungen nach Lateinamerika, die mit "Star Link"-Mais kontaminiert waren. Herr Bundesminister, Sie wissen, dieser Mais wurde in den USA verboten, weil der Verdacht auf allergene Wirkung besteht. Diesen Mais fand man, wie gesagt, in Nahrungsmittelhilfe-Lieferungen der USA. Das ist ein Indiz dafür, dass die Entwicklungsländer auch dazu verwendet werden, um Produkte, die nicht unseren Standards entsprechen, abzusetzen. Das halte ich für verwerflich!

"4. Die Kohärenz zwischen der Agenda 2000 und der EU-Entwicklungspolitik ist herzustellen."

Ich glaube, das muss immer wieder gesagt werden: Die Exportsubventionen sind ein Mittel, um Agrar-Dumping auf den Märkten anzuheizen. Die Amerikaner haben mit ihrer Farm Bill einen weiteren Schritt gesetzt. Diesen können wir nicht gutheißen.

"5. In den Ländern des Südens ist der Zugang zu Ressourcen wie Land, Wald, Wasser, Kredite und genetischen Ressourcen sicherzustellen.

6. Die Rechte der Bäuerinnen und Bauern an ihrem Saatgut müssen völkerrechtlich bindend etabliert und ihr geistiges Eigentum und ihre züchterische Arbeit anerkannt werden."

Sie schmunzeln, Kollege Zellot, aber das ist wirklich Kulturarbeit, die Bäuerinnen und Bauern geleistet haben: die Erhaltung dieser Sorten, gerade auch in den Entwicklungsländern, die Nutzung der Vielfalt von verschiedenen Kulturarten.

Der letzte Punkt bezieht sich wirklich auf eine Konfliktmaterie von zentraler Bedeutung

"7. Patente auf Lebensformen (inklusive Lebewesen, Teile von Lebewesen, Saatgut, Gene, Merkmale et cetera) müssen von der Patentierbarkeit ausgenommen werden."

*****

Wir haben hiezu im Wirtschaftsausschuss sicher noch heftige und umfangreiche Diskussionen zu führen. Ich glaube, die vorgeschlagenen Maßnahmen sind eine notwendige Voraussetzung, um den Welthunger auch wirklich ernsthaft zu bekämpfen.

Ich erwarte mir, dass Sie zustimmen werden. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jäger. )

20.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit mit zur weiteren Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zellot. – Bitte.


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107. Sitzung / Seite 193

20.20

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Die heute vorliegende Novelle zur Gewerbeordnung muss ja kein Jahrhundertprojekt sein. Es genügt, dass sie fortschrittlich ist, dass sie zu einer Vereinfachung des Systems führt und dass sie eine zeitgemäße Anpassung bewirkt. Damit sind schon sehr viele sehnliche Wünsche derjenigen, die bereits Gewerbetreibende sind, vor allem aber auch jener, die in ein Gewerbe einsteigen wollen, in Erfüllung gegangen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Folgendes verstehe ich nicht: Wenn man den Zugang zum Gewerbe, der eine wesentliche Verantwortung voraussetzt, erleichtert, bedeutet das meiner Meinung nach, dass mehr Betriebsgründungen erfolgen, dass auch ein größeres Angebot auf dem Arbeitsmarkt da ist und somit zugleich ein größeres Angebot für Facharbeitskräfte und Lehrlinge. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich verstehe daher nicht, dass vor allem die Sozialdemokratische Partei von einer Verringerung spricht. – Das ist wieder ein Zeichen und eine Bestätigung dafür, dass sie den Arbeitnehmer nicht mehr vertreten will. (Abg. Blasisker: So ist es!) Diese Gewerbeordnung zeigt, dass auch im Bereich des Rechts Rücksicht auf die Landwirtschaft genommen wird. Durch die Neudefinition der Urproduktion herrscht jetzt Ordnung.

Herr Kollege Pirklhuber, ich bin Ihrer Meinung, wenn Sie sagen, man muss dabei mitarbeiten, den Welthunger zu bekämpfen und so weiter. Das ist alles klar. Sie sprechen aber immer von der naturbelassenen Landwirtschaft, von den Biobauern, von der kleinstrukturierten Landwirtschaft. – Wieso unterstützen Sie heute nicht jene Personengruppe, die vor allem im nichtlandwirtschaftlichen Bereich den Tourismus fördert und die Schönheit der Landwirtschaft und der Landschaft präsentiert, damit dort nichts anderes als Rechtssicherheit gegeben ist, dass Getränke und Speisen ausgeschenkt werden können?

Das ist eine Schande! Das ist kein Bekenntnis zur Landwirtschaft und kein Bekenntnis zu einer funktionierenden Wirtschaft in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. – Bitte.

20.22

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben schon heute Vormittag anlässlich der Debatte zum Sozialstaat-Volksbegehren gehört, wie wichtig Arbeitsplätze und Vollbeschäftigung zur Sicherung des Sozialstaates sind. Ich meine, wir waren uns in diesem Punkt wirklich alle darin einig, dass Arbeitsplätze und Vollbeschäftigung den wichtigsten Beitrag dazu leisten.

Deshalb ist jede Verbesserung und Erneuerung, die in diese Richtung geht, also den Zutritt zum Unternehmertum erleichtert und dadurch Arbeitsplätze schafft, grundsätzlich zu begrüßen. In Österreich gibt es seit vielen Jahren ein Defizit an selbständig Erwerbstätigen. Diese Novelle zur Gewerbeordnung wird den Zutritt zum Unternehmertum erleichtern und damit neue Arbeitsplätze schaffen.

Einige Liberalisierungsschritte sind schon erwähnt worden: der One-Stop-Shop, den erfreulicherweise auch Herr Abgeordneter Kogler als positive Erneuerung ansieht, die Abschaffung von bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerben, die Objektivierung des Prüfungswesens und vieles andere mehr.

Einen Punkt, der sehr positiv ist, möchte ich noch erwähnen, nämlich dass nun auch durch die Neuregelung bezüglich des Konkurses dieser als Gewerbeausschlussgrund beziehungsweise Entziehungsgrund entfällt. Ich meine, es ist wichtig, dass man vor allem im gewerblichen Bereich zum Beispiel Unternehmern, denen durch höhere Forderungsausfälle eine Zahlungs


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unfähigkeit und dadurch eine Konkursanmeldung sozusagen nicht erspart bleibt, sehr wohl wieder die Möglichkeit gibt, ein Gewerbe auszuüben. Ich erinnere auch an die Gastgewerbebetriebe, die wegen der Donauüberflutung voriges Jahr Betriebsausfälle hatten und daraufhin Konkurs anmelden mussten.

Es ist auch richtig, dass Kridafälle beziehungsweise Konkursabweisungen mangels Masse ausgenommen sind, da dadurch Missbrauch vermieden wird.

Ich möchte zum Schluss noch kurz etwas erwähnen, was uns sehr betrifft: Es ist eine große Freude, dass durch diese Gewerbeordnung nun auch Ernährungsberatern die Möglichkeit gegeben wird, ihr erlerntes Studium anzuwenden und Ernährungsberatung zu betreiben. Das ist ein neues Studium, das es aber immerhin schon seit ungefähr zehn Jahren gibt. Bisher war es nur DiätassistentInnen vorbehalten, Ernährungsberatung zu geben, nun können es auch Ernährungswissenschafter. Ich meine, das ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Gerade die Ernährungsberatung ist sehr wichtig für eine bessere Gesundheit der Menschen und kann sicherlich auch, wenn sie richtig betrieben wird, dazu beitragen, die Kosten des Gesundheitssystems zu senken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Der Herr Generaldirektor!)

20.26

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Herr Bundesminister! Ich darf mir die Bemerkung erlauben, dass mit den vielen Bereichen, die diese Reform der Gewerbeordnung abdeckt, doch ein wesentlicher Schritt in Richtung mehr Marktnähe und Liberalisierung im Bereich der freien Berufe und der KMUs ermöglicht wurde. Ich möchte mich in meinem Redebeitrag aber auf die nunmehr zu beschließenden Regelungen für die Finanzdienstleister beschränken.

Meine Damen und Herren! In Artikel I § 94 Z. 75 der Gewerbeordnung wurde eine Neubestimmung für Vermögensberatung geschaffen. Wie Sie wissen, gibt es zwei Arten von Vermögensberatung: eine, die sich der gewerblichen Konzessionierung unterzieht, und eine andere, eher allgemeine Form. In stark steigendem Maße werden unter Zuhilfenahme von Finanzdienstleister-Assistenten Finanzdienstleistungen in Anspruch genommen, die der Konzessionspflicht unterliegen. Das heißt, dass ein konzessioniertes Unternehmen auch die Möglichkeit hat, freiberufliche Dienstleistungen aus artverwandten Sparten in Anspruch zu nehmen.

Bisher hat die Regelung so gelautet, dass man für diese Gelegenheitsaufträge als Finanzdienstleister mit Konzessionspflicht Dienstleistungen in Anspruch genommen hat, die der ASVG-Pflicht unterliegen, obwohl die meisten dieser Leute eigentlich eine andere Tätigkeit nach Gewerberecht ausgeübt haben. Das hat zu ungerechtfertigten Härtefällen geführt, weil viele dieser Finanzdienstleister-Assistenten einer Werkvertragsregelung unterzogen wurden.

Mit diesem Reformansatz wurde dieser Missstand beseitigt. Es gibt jetzt für die meisten Finanzdienstleister nur ein Sozialversicherungsrecht, nämlich das gewerbliche. Das ist gut und in Ordnung so, und ich halte das für einen wesentlichen Fortschritt für eine Branche, die zum Wohle des österreichischen Anlagemarktes stark expandiert.

Zweiter Punkt: Ich halte es für notwendig – dem wurde auch Rechnung getragen –, dass es im Bereich der Versicherungsagenten und Versicherungsmakler zu einer Klarstellung der Begriffe und zur Klärung dessen kommt, was Versicherungsagenten und Versicherungsmakler tun dürfen und was nicht. In der Vergangenheit war da die Abgrenzung relativ schwierig. Ich halte es auch für gut, dass man den Begriff "Versicherungsagent" klarer als in der Vergangenheit determiniert. – Dem wurde auch Rechnung getragen.

In Summe halte ich die Reform der Gewerbeordnung zwar nicht für einen Meilenstein, aber für einen weiteren Schritt in die richtige Richtung, um Finanzprodukte erfolgreich und den Regeln einer geordneten Finanzmarktaufsicht gemäß auf dem Markt zu platzieren.


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Ich darf mich beim Wirtschaftsministerium für die Unterstützung bedanken, darf aber auch sagen, dass das Finanzministerium dieser Regelung wohlwollend zugestimmt hat, und möchte Sie ersuchen, dieser Novelle Ihre Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Graf. – Bitte.

20.30

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Es wurde im Laufe der Debatte mehrmals das Wort "Jahrhundertwerk" in Bezug auf diese Novellierung erwähnt. Ich meine, allein auf Grund des Umfangs – vergleichen Sie die alte und die neue Gewerbeordnung! – kann man ermessen, wie viele Liberalisierungsschritte hier von der Bundesregierung eingeleitet wurden, und zwar wichtige und notwendige Liberalisierungsschritte.

Ich denke, wenn man dieses Jahrhundertwerk betrachtet, muss man auch bedenken, wie viele Jahre und Jahrzehnte die einzelnen Berufe festgeschrieben existieren. Gerade das ist der Punkt, den es zu verändern galt. Das ist ein wichtiger Punkt, wenn man die vielen Unternehmer und jene, die Unternehmer werden wollten und es nicht konnten, weil verschiedene – oft kleine – Zugangsvoraussetzungen fehlten, berücksichtigt.

Herr Abgeordneter Mag. Gaßner hat in seinem Redebeitrag erwähnt, dass es nicht mehr möglich ist, in einem Tag ein Gewerbe anzumelden, und hat das Beispiel eines Bauwerks gebracht – was alles bei der Gemeinde einzureichen ist: Kanalanschluss und so weiter. Herr Kollege! Ich denke, es gilt, sehr stark zu unterscheiden, ob es sich um ein Betriebsanlagen-Genehmigungsverfahren, ein Bauwerk oder eine Gewerbeanmeldung handelt, die in Zukunft doch sehr wohl rasch möglich sein wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es galt also, die verschiedenen Interessen und Notwendigkeiten abzuwägen. Wenn man den Umfang der Notwendigkeiten für die einzelnen Berufe betrachtet, dann sieht man meiner Meinung nach, dass das bei dieser Novellierung sehr gut geglückt ist. Auf der einen Seite stehen die Konsumentenschutz-Notwendigkeiten, die Herr Mag. Maier angesprochen hat. Wollen Sie einen Installateur, einen Gas-Installateur, ins Haus lassen, ohne zu wissen, dass er eine entsprechende Prüfung und Befähigung hat? – Nein, sicherlich nicht.

Auf der anderen Seite war es aber auch notwendig, dem Willen der Unternehmensneugründer Rechnung zu tragen und schließlich auch noch die öffentliche Sicherheit, die für uns alle wichtig ist, zu bedenken.

Sicherlich gibt es Berufsgruppen, die von dem, was in ihrem Bereich festgeschrieben ist, nur ungern abrücken. Um mit den Worten von Bruno Kreisky zu sprechen: Keiner lässt sich gerne etwas wegnehmen. Es ist daher sicherlich kein einfaches Unterfangen, eine entsprechende Liberalisierung in allen Berufsbereichen durchzuführen.

Es wundert mich aber – und ich würde Sie von der SPÖ daher vielleicht doch bitten, Ihren Entschluss noch einmal zu überdenken –, dass es auch in der Wirtschaftskammer Ihre Vertreter des Freien Wirtschaftsverbandes waren – wie auch die der Grünen in der Wirtschaftskammer –, die eine weitere Gegenüberstellung der EU-Berufe mit Österreich gefordert haben. Ich bitte Sie auch, einen Blick in die Anlage 2 der Beilagen zu werfen, wo auch der Herr Minister ganz eindeutig gebeten wird, eine Gegenüberstellung der technischen Berufe, der Planungsberufe, wie sie derzeit in der EU gegeben sind, durchzuführen. – Auch das wurde von Ihnen gefordert, und ich bitte Sie daher, das auch mitzutragen.

Es ist dies also ein weiterer Punkt der Erfüllung des Regierungsprogramms – ein wichtiger Punkt, der viele Neugründungen von Unternehmen ermöglichen wird.

Ich möchte abschließend den Beamten des Wirtschaftsministeriums danken und insbesondere natürlich Ihnen, Herr Bundesminister, und Ihnen, Frau Staatssekretärin, dafür, dass es möglich war, dieses Werk jetzt einmal zu beginnen. Für mich ist es ein Jahrtausendwerk, und ich sehe


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es doch so, dass hiermit ein weiterer positiver Beitrag für die Wirtschaft in Österreich geleistet werden konnte. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Eder: Ein Jahrtausendwerk!)

20.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Berufsausbildungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz und weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 1149 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. (Abg. Mag. Schweitzer  in Richtung des Abg. Dr. Cap : Josef, ich helf’ dir auf!)  – Ich stelle neuerlich eine Mehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1149 der Beilagen beigedruckte Entschließung (Anlage 2) betreffend die Befugnis zur Durchführung von Planungsleistungen im Hoch- und Tiefbau.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 136.)

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1149 der Beilagen beigedruckte Entschließung (Anlage 3) betreffend die Problematik der Abgrenzung des Tätigkeitsumfanges der Zahntechniker von jenem der Zahnärzte.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 137.)

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1149 der Beilagen beigedruckte Entschließung (Anlage 4) betreffend Angleichung der Entlassungstatbestände von Arbeitnehmern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 138.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Postsparkassengesetz 1969, das Alkoholsteuergesetz und das Genossenschaftsrevisionsgesetz geändert wird und zur Ergänzung von Übergangsbestimmungen im HGB in 1150 der Beilagen.

Hiezu liegt ein von den Abgeordneten Mag. Kubitschek, Kolleginnen und Kollegen gestelltes Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.


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Ich werde zunächst über den vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel III in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür eintritt, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig und damit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 1151 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Wirtschaftsausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Internationales Kaffee-Übereinkommen von 2001 samt Anhang in 1037 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest. (Abg. Dr. Khol: Heute ist es einstimmig! Die Petrovic ist nicht da!)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass dieses Übereinkommen samt Anhang dadurch kundzumachen ist, dass es in allen authentischen Sprachfassungen samt Übersetzung ins Deutsche im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Wirtschaftsausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen von 1999 samt Anhängen in 1038 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass dieses Übereinkommen samt Anträgen dadurch kundzumachen ist, dass es in englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache sowie in der Übersetzung ins Deutsche zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.


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Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Lunacek, Jäger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verringerung des Welthungers.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

10. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage (1139 der Beilagen): Bundesgesetz über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 – BStMG) (1164 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

20.41

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Der heutige Beschluss über die Modalitäten zur Einhebung einer fahrleistungsabhängigen Maut ist zwar ein großer Schritt für Herrn Kollegen Kukacka und für viele andere in der ÖVP, aber es ist ein sehr kleiner Schritt für die Menschheit.

Das, was heute hier beschlossen werden soll, das, was in Österreich die fahrleistungsabhängige Maut werden soll, ist letzten Endes die hässliche Schwester der Schweizer LSVA – der Schweizer leistungsabhängigen Straßenverkehrsabgabe –, denn sie schaut schon alt aus, bevor sie überhaupt beschlossen wurde. (Beifall bei den Grünen.)

Der Grund dafür ist, dass man meiner Ansicht nach bei der Systemwahl gröbere Fehler gemacht hat, die uns unter Umständen noch schwer auf den Kopf fallen werden, und dass man zweitens mit dieser Art der Bemautung keinerlei Verlagerungseffekt auf die Schiene wird erreichen können, denn von dem, was man sozusagen vom Schwerverkehr durch die Vordertür verlangt, gibt man den Frächtern ein Viertel durch die Hintertür ja schon wieder zurück. Man bemüht sich also wirklich, jeden positiven Effekt für die Umwelt und gegen die Belastungen aus dem Schwerverkehr möglichst noch zu minimieren, bevor dieses Gesetz überhaupt endgültig in Kraft tritt. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Damit sind extrem viele Chancen vergeben worden, die wir in diesem Bereich gehabt hätten.

Ich komme nun zum kritischsten Punkt dieser gesamten Regelung. (Unruhe im Saal. Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Anders als zum Beispiel in Deutschland, anders, als es zum Beispiel das Weißbuch der Europäischen Union jetzt schon als Perspektive für später vorsieht, beschließt Österreich keine bessere Finanzierung für das Gesamtverkehrssystem. – Nein! Wir beschließen eine Sparkasse für den Straßenbau und sonst gar nichts. Das lehnen wir Grüne ab. Das ist für uns der Grund dafür, dass wir hier nicht zustimmen können. (Beifall bei den Grünen.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Es wäre der Rednerin gegenüber fair, wenn wir ihr eine etwas bessere Chance geben würden, gehört zu werden!

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (fortsetzend): Die Geschichte dieser Maut-Debatte ist sehr lang. Der Beschluss über eine stärkere Bemautung des Schwerverkehrs liegt ja schon ewig zurück. ÖVP-Landeshauptleute haben mit Zähnen und Klauen für die Frächter gekämpft und haben alles versucht, damit diese Maut nicht kommt. (Abg. Schwarzenberger: ÖVP-Landeshauptleute klauen nicht!)  – Das war der Landeshauptmann von Tirol. (Abg. Schwarzenberger: Er hat keine Klauen!)  – Er hat gemeinsam mit der Wirtschaftskammer erfolgreich verhindert, dass diese Maut 1999 eingeführt hätte werden können, und damit hätten wir – das sage


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ich heute, und das muss uns allen bewusst sein – gegenüber der Europäischen Union eine wesentlich bessere und ganz andere Ausgangsbasis, als wir sie jetzt haben, weil das damals eben nicht beschlossen wurde.

Wir haben durch diesen Schritt, durch diese ständige Ablehnung des Road-Pricing auf europäischer Ebene viele Chancen vergeben und viel an Glaubwürdigkeit verloren. Das, was jetzt in der Europäischen Union in dieser Frage geschieht, dass wir jetzt gerade in Fragen Transitvertrag, Verlängerung des Transitvertrages, Übergangsregelung und so weiter unter Druck kommen, das hätten wir uns alles ersparen können, wenn nicht kurzsichtige Einzelinteressen innerhalb der Wirtschaft – nicht die ganze Wirtschaft – blockiert hätten, dass es zu mehr Gerechtigkeit und zu einer gerechteren Verteilung der Kosten im Schwerverkehr kommt. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das wurde bewusst blockiert. Damit hat man Chancen vergeben, und man vergibt sie noch immer. Wir haben im Ausschuss lange darüber diskutiert, ob man einen perspektivischen Teil in dieses Gesetz aufnehmen sollte, der andeutet, dass es einmal möglich sein muss   – nach der Änderung der Wegekostenrichtlinie –, in sensiblen Zonen wie etwa den Alpen – entsprechend dem Alpenkonventionsgebiet – höhere Mauten beziehungsweise Zuschläge zur Maut zu verlangen.

Die ÖVP steht schon wieder in den Startlöchern, um diese Perspektiven kaputtzumachen, bevor sie sich überhaupt entwickeln können, obwohl es eine deutsche Studie gibt, die die Möglichkeit dieser Zuschläge deutlich nachweist. Es wäre strategisch um vieles klüger gewesen, das jetzt mit aufzunehmen.

Ich habe versucht, einen Vier-Parteien-Antrag zustande zu bringen. Ich habe versucht, mit Herrn Kollegen Kukacka und Herrn Kollegen Firlinger zu reden, ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten, der ihre Argumente aus dem Ausschuss aufnimmt, der wirklich konsensfähige Formulierungen für so einen gemeinsamen Antrag enthält. Den Herren wurde das am Freitag zugestellt. Heute wurde gesagt, das gehe ja nicht, das wollen sie nicht und so weiter. Das heißt, man war nicht einmal bereit, darüber zu diskutieren, ob wir vielleicht am Text noch etwas verändern, um eine gemeinsame Formulierung zugunsten der Sensiblen Zone Alpen in dieses Gesetz hineinzubringen.  – Nein, das war nicht möglich. Die Ausrede war das Europarecht.

Meine Damen und Herren! Ein ganzes Buch lang ist dieses Argument des Herrn Kollegen Kukacka widerlegt. (Die Rednerin hält einen Band mit dem Titel "Umweltorientierte Schwerverkehrsabgaben aus Sicht des Verfassungs- und Europarechts. Modelle, Restriktionen, Gestaltungsoptionen" in die Höhe.) Wenn es Ihnen darum geht, dass dieser Antrag, den ich Ihnen vorbereitet hätte, die Verhandlungsposition auf EU-Ebene schwächen würde, dann muss ich Ihnen das Gegenteil sagen: Er würde sie stärken!

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein, den ich in seinen Kernpunkten erläutern möchte:

Der Nationalrat wolle Folgendes beschließen: die Zulässigkeit flächendeckender Mauterhebung, Mauthöhe, Differenzierung nach Sensibilität und Zeitraum, Sensible Zone Alpen gemäß Alpenkonvention, Mauthöhe muss Einhaltung geltender Verpflichtungen unterstützen, Mittelverwendung, Ansatz zur Querfinanzierung und zahlenmäßige Begrenzung des Alpentransits.

Ich will noch einmal einen Versuch starten, und zwar durch einen Abänderungsantrag, den ich hiermit auch einbringe, die Frage der Sensiblen Zone doch noch in das Gesetz hineinzubringen. Vielleicht können Sie sich doch noch dazu entschließen. Es wäre gerade die ganze nächste Woche eine extreme Hilfe für unsere Verhandler in Brüssel, wenn das so wäre.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Eder, Kolleginnen und Kollegen, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Bautenausschusses (1164 der Beilagen) über die Regierungs


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vorlage: Bundesgesetz über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 – BStMG, 1139 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:

§ 9 Abs. 6 lautet:

"(6) Für Mautabschnitte, die in der Sensiblen Zone Alpen gemäß Alpenkonvention, wie etwa die im § 10 Abs. 2 genannten, oder in anderen sensiblen Zonen/Gebieten liegen oder deren Herstellung, Erweiterung und bauliche und betriebliche Erhaltung überdurchschnittliche Kosten verursachen, kann der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung höhere Mautabschnittstarife festsetzen."

*****

Ich sage "kann". – Es geht nur um die Einfügung dieses Ausdrucks "Sensible Zone Alpen", und das wäre auf europäischer Ebene mehr als hilfreich gewesen. So ist dieses Mautgesetz nicht mehr als eine Sparkasse, um weitere Straßen zu bauen, in deren Einzugsgebiet die Bevölkerung unter Schmutz und Lärm leiden wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag, der in seinen Kernpunkten erläutert wurde, und der verlesene Abänderungsantrag sind ausreichend unterstützt.

Beide Anträge stehen in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und daher auch mit zur Verhandlung sowie in weiterer Folge zur Abstimmung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Erwartungen Österreichs an die EU-Institutionen betreffend den künftigen Rechtsrahmen für die Tarifierung des Straßengüterverkehrs

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten und der Bundeskanzler werden ersucht, in den formellen und informellen Diskussionen auf bilateraler und europäischer Ebene über den künftigen Rechtsrahmen für die Tarifierung des Straßengüterverkehrs und über die Alpentransitfrage die folgenden für die Bevölkerung und Umwelt in Österreich unverzichtbaren Eckpunkte mit Nachdruck einzubringen:

Zulässigkeit flächendeckender Mauterhebung:

Maut- und Benützungsgebühren müssen flächendeckend eingehoben werden können, um LKW-Umwegverkehr zu verhindern.

Mauthöhe, Differenzierung nach Sensibilität und Zeitraum:

Es muss den Mitgliedstaaten national – nicht per Genehmigung der EU-Kommission – erlaubt sein, die Mauthöhen unter Einbeziehung externer Kosten sowie unter Staffelung nach der Sensibilität von Gebieten und in zeitlicher Hinsicht zu bemessen. Zuschläge zur Maut in sensiblen


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Gebieten müssen geeignet sein, den Verkehr auf ein für die Gesundheit der Menschen und der Umwelt verträgliches Maß zu limitieren. Die Mauthöhe muss schrittweise an das Niveau der Schweiz angleichbar sein.

Sensible Zone Alpen gemäß Alpenkonvention:

Als sensible Zone beziehungsweise sensibles Gebiet in den Alpen ist der Alpenraum gemäß Abgrenzung des Übereinkommens von Salzburg zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention) zu verankern. Darüberhinaus muss es möglich sein, auch andere Gebiete mit internationalem oder nationalem Schutzstatus, Ballungsräume und Gebiete mit stark belastetem Verkehrsnetz als sensibel einzustufen.

Mauthöhe muss Einhaltung geltender Verpflichtungen unterstützen:

Die Mauthöhe hat das Einhalten eingegangener Verpflichtungen, wie etwa der Verpflichtung zum Senken der Belastungen aus dem Verkehr gemäß Alpenkonvention, der Verpflichtung zur dauerhaften Reduktion der Stickoxidemissionen von Transit-LKW um 60 Prozent gegenüber dem Stand von 1991, der Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Kyoto-Protokoll oder der Vorgaben geltender nationaler und EU-Regelungen zur Emissionsminderung beziehungsweise zum Immissionsschutz (zum Beispiel RL 1999/30/EG) zu unterstützen.

Mittelverwendung:

Ein möglichst großer Anteil der Mauteinnahmen, jedenfalls aber der in sensiblen Zonen eingehobene Zuschlag muss zweckgebunden zur Lösung der Umwelt- und Verkehrsprobleme in diesen Gebieten – zum Beispiel im Sinne einer Querfinanzierung für den Ausbau der Infrastruktur alternativer, umweltfreundlicherer Verkehrsträger – zu verwenden.

Zahlenmäßige Begrenzung des Alpentransits:

Bis die voranstehenden Bedingungen erfüllt sind, ist – nicht zuletzt im Sinne der Landtagsbeschlüsse Tirols, Salzburgs und Vorarlbergs sowie der Halleiner Erklärung der Landtage von Kärnten, Salzburg und Tirol vom 12. Juni 2002 – das geltende Ökopunktesystem unter Beibehaltung der 108-Prozent-Klausel fortzusetzen.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

20.50

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden heute hier wesentliche Rahmenbedingungen für die längst überfällige Einführung des LKW-Road-Pricing beschließen, und die Sozialdemokraten werden diesem Gesetz die Zustimmung geben.

Nichtsdestoweniger ist aber die überfällige LKW-Maut auf Österreichs Straßen alles andere als eine Erfolgsgeschichte dieser Bundesregierung. (Abg. Sodian: Unserer schon!) Während die LKW-Maut jahrelang hinausgezögert wurde (Abg. Wattaul: Wir haben es zusammengebracht!), sahen Sie gleichzeitig zu, wie die Schulden der ASFINAG auf nunmehr mehr als 7 Milliarden €, das heißt über 100 Milliarden Schilling, angewachsen sind.

Da muss man ein bisschen differenzieren (Abg. Böhacker: 7 Milliarden € ...!), es waren tatsächlich Wirtschaftsminister der ÖVP zuständig und verantwortlich und niemand anderer. Herr Kukacka hat es immer sehr, sehr unterstützt, dass diese Schulden anwachsen. Dieser Schuldenberg schlägt sich natürlich nicht unmittelbar im Budget nieder, aber es sind Schulden der österreichischen Bevölkerung. Daher ist das mit dem Nulldefizit alles ein Schmäh, wenn man auf der anderen Seite allein im Straßenbau mehr als 100 Milliarden Schilling an Schulden hat und Schulden macht. (Abg. Mag. Firlinger: Verkehrsminister der SPÖ! War kein freiheitlicher


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Minister!) Die ÖVP war zuständig, die ÖVP-Minister waren hier zuständig! (Abg. Parnigoni  – in Richtung ÖVP –: Das tut halt weh! – Abg. Wattaul: Schulden habt ihr eh uns überlassen!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte hier als Verkehrssprecher vier Anmerkungen machen. Die LKW-Maut gibt es, obwohl sie immer wieder angekündigt wurde, noch immer nicht. Sie wird auch jetzt wieder verschoben, lese ich in den morgigen Zeitungen. (Abg. Wattaul: Nein!) Es ist zu lesen: Verzögerung; der neue Herr Vorstandsvorsitzende der ASFINAG schreibt im morgigen "Kurier" von 50 Millionen € täglich an Verlust. Wenn man das Ganze zusammenrechnet, diese 50 Millionen € – das ist im "Kurier" nachzulesen (Abg. Mag. Firlinger: Im Monat!); monatlich, das stimmt schon (Abg. Mag. Firlinger: "Täglich" hast du gesagt!)  –, dann kommt man auf Beträge von 8 bis 9 Milliarden Schilling pro Jahr. Wenn man die Jahre seit 1997 bis jetzt zusammenrechnet, dann kommt man auf rund 30, 40 Milliarden Schilling weniger an Einnahmen, die die ÖVP bisher allein zu verantworten hat! (Abg. Sodian: ... Mauthüttensystem! – Abg. Böhacker: Lauter Mauthütten, Eder!)

Da kann die Freiheitliche Partei nichts dafür; ich weiß nicht, warum ihr euch da so aufregt. Die ÖVP hat immer versucht, hier dagegenzusteuern. Und jetzt macht euch diese ÖVP schon wieder Schwierigkeiten, nämlich in der Weise, dass sie nicht jene Mauthöhe von 22 Cent beschließt, die notwendig wäre, um vielleicht das Konzept des Herrn Bundesministers, nämlich den Generalverkehrswegeplan, überhaupt durchzusetzen. Da macht man euch schon wieder Schwierigkeiten und sagt: Das darf nur 19 Cent betragen, weil, wenn es mehr ist, die österreichische Frächter-Lobby zugrunde geht, und das darf in diesem Land ja nicht sein. (Abg. Wattaul: Das stimmt ja nicht!)

Bei den PKW war man nicht so zimperlich. Da hat man, kaum war die Regierung gebildet, den Vignettenpreis sofort um 100 Prozent erhöht. (Abg. Wattaul: Stimmt nicht!) Es ist auch nicht sehr schön oder fair, wenn man heute im "Kurier" lesen kann, dass bei der ASFINAG auf der Einnahmenseite zu sehen ist, dass auf einmal mehr eingenommen wird. (Abg. Wattaul: Aber die StraBA ist auch erhöht worden, oder?) – No na, wenn man die kleinen Autofahrer um 1 000 S pro Vignette und Monat schröpft (Abg. Wattaul: StraBA, eine Milliarde!), dann hat die ASFINAG natürlich mehr Geld! Aber wer hat es denn bezahlt? – Die kleinen Leute! Nicht bezahlt haben bisher die Frächter. (Abg. Wattaul: O ja!) Das sind die Fakten, das sind die Tatsachen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Daher bringen wir einen Entschließungsantrag ein, der lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eder, Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der Finanzierung des österreichischen Generalverkehrsplans, eingebracht im Zusammenhang mit dem Bericht des Bautenausschusses (1164 der Beilagen) über die Regierungsvorlage 1139 der Beilagen: Bundesgesetz über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 – BStMG)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Herstellung der Kostenwahrheit und Leistungsgerechtigkeit hinsichtlich der im Vergleich zum PKW tatsächlich von LKW verursachten Kosten im österreichischen Straßennetz, damit auch zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene als ökologische Alternative zum Gütertransport auf der Straße, und zur Sicherstellung der erforderlichen Finanzmittel für die Umsetzung des österreichischen Generalverkehrswegeplans wird der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie aufgefordert, die Höhe des Mauttarifs für die fahrleistungsabhängige LKW-Maut mit 29 – 30 Euro Cent je Kilometer sicherzustellen.

*****


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Damit helfen wir Ihnen jetzt, denn nur dann ist halbwegs gewährleistet, dass wichtige Vorhaben, die im Rahmen der EU-Ostöffnung et cetera bestehen, finanziert werden können. (Abg. Böhacker: Wer zahlt das dann?) Da können einmal jene zahlen, die auch die Straßen ruiniert haben, die nämlich, die schwere LKW fahren und bisher gratis gefahren sind, meine Damen und Herren! (Abg. Böhacker: Der Konsument zahlt es!) Jene, die überhaupt nur durch Österreich durchfahren, zahlen überhaupt nichts. Die tanken nicht einmal in Österreich, die tanken im Ausland auf der einen und auf der anderen Seite. Die sind auch die Nutznießer davon, dass hier nichts verlangt wird. (Abg. Böhacker: ... wieder dann die Konsumenten!)

Meine Damen und Herren! LKW-Road-Pricing ist für uns eine notwendige Maßnahme, es dient zur Verkehrslenkung und zur Verlagerung des Verkehrs vor allem auf die Schiene. Wenn es den Frächtern zu teuer ist, dann sollen sie überlegen, wie man Schwerverkehr ökologisch und für die Bevölkerung lärmärmer und umweltfreundlicher auf die Schiene verlegen könnte.

Das ist unser Vorschlag, ich lade Sie ein, auch hier die 29 Cent zu verlangen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie, daher mit zur Verhandlung und in weiterer Folge zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

20.56

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! (Abg. Dobnigg: Ist das jetzt Original oder ...?) – Wie bitte? – Ihr müsst schon ein bisschen lauter flüstern, bitte! Ich bin auf dem linken Ohr ein bisschen "terrisch"; rechts höre ich noch recht gut, links höre ich schlecht. Links tut eh ein bisschen weh, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ist schon recht! Aber jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Oppositionsfraktionen, wollen wir uns wieder der Sachmaterie widmen.

Meine Damen und Herren! Es geht hier um das Bundesstraßen-Mautgesetz, das das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz ablöst: weil es durch etwas Besseres ersetzt wird und weil wir jetzt die grundsätzliche legistische Basis für die Einführung der LKW-Maut schaffen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gar nicht so sehr auf das eingehen, was alles in der Vergangenheit verabsäumt worden ist. Aber bezeichnend ist es schon, wenn jetzt oppositionelle Abgeordnete heraustreten wie Kollege Eder, den ich persönlich sehr schätze, und hier sagen, was da alles nicht passiert ist, die ÖVP ... und so weiter. Die SPÖ war natürlich nicht dabei, sie ist in der früheren Regierung abgetreten gewesen und hat keinen Verkehrsminister gehabt! (Zwischenrufe der Abgeordneten Parnigoni und Eder. )

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich das doch sagen! Sie hatten eben damals ein Durchsetzungsproblem. Jetzt gibt es kein Durchsetzungsproblem, und daher gibt es jetzt die Maut! – Ende der Durchsage, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt, den ich aufgreifen möchte: Noch einmal, Kollege Eder, du musst lesen, was in der Materie drinsteht! Wir unterhalten uns hier beim Bundesgesetz über die Einrichtung der Maut über alles mögliche, wie etwa die Spreizung. Wir hängen die Verteilung der Maut an der Achszahl auf. Wir reden nicht über den Mauttarif im Bundesgesetz, denn das ist Sache einer Verordnung.

Ich stimme auch da mit dir überein: Man muss mit der Höhe der Maut sorgfältig umgehen. Das ist ein sensibler Bereich. Es darf nicht zu billig sein, es darf nicht zu teuer sein. (Abg. Dr. Lichtenberger: Was ist "zu billig"?) Meine Damen und Herren! Wir streben zwar ein höheres Maß an Mauthoheit in Österreich an, aber das wird nicht von heute auf morgen gehen. Es ist niemandem geholfen, wenn wir unrealistische Vorstellungen ins Mautgesetz hineinschrei


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ben und wenn dies dann von den EU-Behörden, von den EU-Instanzen bekämpft wird. Damit ist wirklich niemandem geholfen, meine sehr geehrten Damen und Herren, weder der Wirtschaft noch dem Konsumenten noch sonst irgendjemandem. Das ist eine Fiktion.

Daher: Halten wir Maß, und gehen wir das ganz ordentlich an! Regeln wir im Gesetz, was im Gesetz zu regeln ist: Mautspreizung, Mautprellerei – das alles ist hier ganz ordentlich passiert! Reden wir darüber, welche Pflichten den Fahrer treffen. Reden wir darüber, wo der Fahrzeughalter in die Pflicht genommen wird! Das alles haben wir ganz passabel geregelt, dagegen kann man eigentlich nichts sagen. Darum kommt auch die SPÖ nicht aus und muss eigentlich dieser Vorlage zustimmen! (Widerspruch der Abgeordneten Eder und Parnigoni. ) Es bleibt der SPÖ nichts anderes übrig. Ich möchte das einmal auf diesen Punkt bringen. Das, was hier passiert, ist eigentlich von Ihnen politisch gewünscht worden.

Wir haben uns ein neues System überlegt und setzen es jetzt um. Wir sind weggekommen von dieser unsäglichen Mautverhüttelung in Österreich: mit Mautnern, die nach alter Technologie einheben, kassieren, in eine Kasse hineinstecken und so weiter. Das wird in Zukunft elektronisch vor sich gehen, und das ist gut so.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist dem Bundesministerium für diese Initiative zu danken. Es hat lange gedauert, das gebe ich zu, aber es ist etwas Positives dabei herausgekommen, und das verdient einen Applaus, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das war eine gute Leistung, und diese wollen wir uns auch durch irgendwelche Unkenrufe von einigen Abgeordneten der Opposition nicht verübeln lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen Folgendes sagen – weil heute auch gefragt worden ist, warum man nicht mehr Ökologie und eine Staffelung einbaut –: Das wird Gegenstand der Verhandlung mit den EU-Behörden sein.

Der Herr Bundesminister hat auch ein gewisses Instrumentarium zur Hand. So kann der Herr Bundesminister, kann der Herr Landeshauptmann beispielsweise dann, wenn ein bestimmtes Immissionsvolumen überschritten wird, Handlungen setzen.

Aber eines wollen wir nicht: Wir wollen nicht heute Regelungen beschließen, die jetzt schon gegen das EU-Recht verstoßen und sozusagen auch schlafende Hunde aufwecken. Das wollen wir nicht, denn das wäre die verkehrte Politik, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Lichtenberger: Im Inntal schläft überhaupt kein Hund mehr, Herr Kollege!) Wir müssen hart verhandeln, wir werden hart verhandeln, und dann wird auch etwas herausschauen. Es ist ohnedies schwer genug, aber wir wollen uns nicht durch irgendwelche unüberlegten Entschließungsanträge einen Weg verbauen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Lichtenberger! Daher können wir, mit Verlaub, von Ihrem Angebot leider keinen Gebrauch machen, wenngleich die Möglichkeit für den Herrn Bundesminister, da und dort mit Einzelmaßnahmen auch in Richtung EU zu operieren, natürlich nicht verbaut ist. (Abg. Dr. Lichtenberger: Die Europäische Union besteht aus schlafenden Hunden, meint Herr Firlinger!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne darf ich – auch an die Kritiker gerichtet – recht herzlich um Zustimmung zu dieser Vorlage ersuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

21.01

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe leider nur ganz kurz Zeit und kann deshalb auf die einzelnen Punkte nicht wirklich eingehen. Ich kann vor allem keine Transit-Debatte führen und deshalb nur am Rande darauf eingehen. (Abg. Mag. Kogler: Ja, das kennen wir eh!) Aber wir werden über dieses Thema noch reden.


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Doch eines ist auch klar, Frau Abgeordnete Lichtenberger: Bei der Definition dessen, was sensible Gebiete sind, kommt es nicht auf irgendwelche Studien in der Bundesrepublik und auf irgendwelche Abhandlungen in irgendwelchen Büchern an (Abg. Dr. Lichtenberger: Nein, das war etwas anderes, Herr Kollege!), sondern nur darauf, was die EU-Kommission und was der Rat in dieser Frage festlegen. (Beifall bei der ÖVP.) Der hat eben eine ganz andere Position, als wir sie haben! (Abg. Dr. Khol: Das ist der Punkt!)

Sie wissen ja nicht einmal selber, was darunter zu verstehen ist. In Ihrem eigenen Antrag, den Sie offensichtlich selbst nicht genau gelesen haben – aber ich habe ihn genau gelesen –, steht drin: Da der Diskussionsprozess über die genaue Definition von "sensibel" noch nicht abgeschlossen ist, dürfen oder sollen wir nicht genau hineinschreiben, was das eigentlich ist. (Abg. Dr. Lichtenberger: Deshalb nehmen wir die Alpenkonvention!)  – Glauben Sie denn, irgendjemand in der Europäischen Union akzeptiert so etwas?

Dann legen Sie hier ein Forderungsprogramm vor, das Maximalforderungen an die Europäische Union enthält, obwohl Sie ganz genau wissen, in welch schwierigen Verhandlungen wir gerade jetzt sind, in dieser Situation, in der es um die Verlängerung des Ökopunktesystems geht, und dass die EU nicht einmal bereit ist, einen Teil dessen zu übernehmen, was wir jetzt bereits haben. Da kommen Sie mit einem Forderungsprogramm daher, über das niemand in Europa mit uns überhaupt nur reden will! Da wollen Sie – und so heißt es auch darin – "unverzichtbare Eckpunkte" festlegen! Damit legen Sie der Bundesregierung eine Latte, über die sie niemals drüberspringen kann. Über eine solche Politik kann man mit uns nicht reden! (Abg. Dr. Lichtenberger: Ja, weil sie nicht springen will!) Das ist unvernünftig, und das ist in Wirklichkeit auch unpolitisch, was Sie hier tun, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege Eder! Sie wissen so gut wie ich, dass, wenn wir Ihr altes Mauthüttensystem übernommen hätten, ganz Europa über uns gelacht hätte. Dieses wäre zu einem Zeitpunkt fertig geworden, zu dem man überall anders schon moderne, vollelektronische Systeme eingeführt hätte. (Abg. Eder: Stimmt ja nicht!) Vor allem würde dieses System weit mehr als das jetzige kosten, sowohl was die Investitionskosten als auch was die Betriebskosten angeht. (Abg. Eder: ... hätten wir haben können! Das habt ihr eh nicht genommen!)

Herr Kollege Eder! In der ASFINAG-Studie waren für das alte System 4 Milliarden Schilling und jährliche Nettoeinnahmen von 3,5 Milliarden Schilling vorgesehen. Mit dem neuen System nehmen wir wesentlich mehr als mit dem alten System ein! Das heißt, das neue System finanziert in zwei Jahren all das, was wir sonst völlig vergeblich investiert hätten. (Abg. Eder: ... diese Novelle hätten Sie damals haben können!)

Daher ist das leider völlig daneben, was Sie sagen. Sie sollten zugeben, dass Sie auf dem falschen Dampfer waren und dass wir, vollkommen zu Recht, eine ganz neue und sehr richtige Entscheidung getroffen haben. Alles andere hätte nur zu Hohn und Spott in ganz Europa geführt. Das ist die Wahrheit, Herr Kollege Eder! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich muss mich wirklich darüber wundern, dass Ihnen die Maut nicht teuer und hoch genug sein kann. Herr Kollege Eder, wissen Sie denn nicht, dass das nicht die Frächter zahlen, nach Ihrem alten Motto: Die Unternehmer sollen zahlen? – Nein, die Konsumenten werden zahlen! Die Konsumentenpreise werden in die Höhe gehen, und nicht die Frächter werden das zahlen. (Abg. Eder: Die Konsumenten sind immer die Dummen bei Ihrer Politik!) Sie sind mir "schöne" Konsumentenschützer, die dafür sind, dass die Maut so hoch wie möglich ist, damit sie die Konsumenten in den Preisen besonders stark spüren! – Meine Damen und Herren, diese Politik machen wir nicht mit! (Beifall bei der ÖVP.)

21.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

21.07

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen eines sagen, Kollege Firlinger: Ja, wir werden diesem Antrag


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zustimmen (demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Firlinger ), vor allem deshalb, weil wir schon 1996 in der Regierungserklärung die LKW-Maut drinnen hatten und 1998 die Einführung per Gesetz fixiert war.

Die Verwaltung wurde beauftragt, das einzuführen; Ditz und Farnleitner als zuständige Minister haben das aber verschleppt. Daher haben wir 2,5 Milliarden € für die Zeit von 1999 bis 2003 nicht eingenommen. Damit hat die ASINFAG ihre Verschuldung auf über 7 Milliarden € angehoben. Das sind mehr als 100 Milliarden Schilling an Schulden, zu denen es durch die verfehlte Politik der ÖVP gekommen ist! (Beifall bei der SPÖ.) Allein mit den Zinsen, Kollege Kukacka, hätten wir 50 Kilometer Autobahn vom Feinsten bauen können. – Sie haben das aber verhindert! (Abg. Mag. Kukacka: ... 100 Milliarden Schulden bei der ASFINAG, jedes Jahr! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Zum Zweiten, Kollege Kukacka, zu Ihrer Idee, dass die Mauthütten-Geschichte eine SPÖ-Vorstellung war – ich erinnere mich ganz genau, und der Wahrheit soll man die Ehre geben (Abg. Mag. Kukacka: Wir bekennen uns eh dazu!)  –: Damals gab es eine Arbeitsgruppe der Koalition, geführt von einem gewissen Herrn Farnleitner, dem ÖVP-Straßenbauminister. Kollege Kukacka hat, wie immer, selektive Erinnerungen, das ist ganz klar. Diese Arbeitsgruppe hat damals der Regierung vorgeschlagen, dieses System mit den Mauthütten sofort einzuführen, weil es sofort verfügbar gewesen wäre.

Hätten wir es eingeführt, würde jetzt schon die Kasse klingeln. Dadurch, dass sie nicht klingelt, sondern ... (Abg. Sodian: Aber wie viel?) Immerhin hätten wir schon zwei Jahre lang entscheidende Budgetmittel einnehmen und etwas mehr für den Straßenbau tun können.

Übrigens, Herr Kollege Kukacka: Sie selbst sagen ja, dass Sie nur das zweitbeste System gewählt haben. (Abg. Mag. Kukacka: Nein, ich habe das nicht gesagt!) Das ist auch die Aussage der ÖVP. Jetzt, Kollege Kukacka, werden wir statt Mauthütten 800 Balken, Gantrys, auf den Autobahnen haben. 800 Balken werden auf den Autobahnen Österreichs montiert – das schaut vielleicht "besser" als Mauthütten aus! (Abg. Wattaul: ... ein paar Wegweiser ...!) Kollege Wattaul, Sie haben sich mit dem wirklich noch nicht beschäftigt! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wattaul. )

Kollege Kukacka! Was das Enforcement anlangt, haben Herr Strasser und die ÖVP verhindert, dass der Zoll, die Polizei, die Gendarmerie dieses machen. Jetzt haben wir eine eigene ASFINAG-Truppe, die die Kontrolle machen wird. (Abg. Mag. Kukacka: Weil es doppelt so teuer wäre!) Jetzt werde ich mir anschauen, wie sie die 44-Tonner aus dem Verkehr herausfangen werden! Dann dürfen Sie nur ... (Abg. Wattaul: 40 haben wir!) Mit 10 Prozent Überschreitung – das sollten Sie eigentlich wissen – dürfen sie das. Reden Sie doch keinen Unsinn! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Sie kennen sich überhaupt nicht aus!

Herr Kollege Kukacka! Das wird dann sehr spannend sein: Es darf nur kontrolliert werden, ob einer die Maut geprellt hat, aber nicht, ob er betrunken gefahren ist, ob das Auto technische Mängel hat, ob die Fahrzeit eingehalten worden ist – ich darf an den Frächterskandal erinnern –, das alles darf nicht sein. Der ASFINAG-Kontrollor muss ihn anhalten, dann darf er einen Gendarmen holen. Das schaue ich mir an! Das ist ja ein Pfusch der Sonderklasse, was Sie da liefern! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nur noch ein Satz wegen der Kosten und weil Sie vom Zahlen reden. (Abg. Mag. Firlinger: Wenn das so ein "Pfusch" ist, warum stimmt ihr diesem "Pfusch" zu?) Herr Wattaul hat ja auch im Ausschuss gesagt, dass das die Konsumenten zahlen werden. Bitte sehr, jetzt zahlen den gesamten Ausbau dieses hochrangigen Straßennetzes die Steuerzahler! (Abg. Mag. Firlinger: Erkläre mir, wieso ihr einem "Pfusch" zustimmt!) Die PKW-Fahrer mit ihrer Vignette "brennen" wie die "Blöden" und finanzieren den LKW-Schwerstverkehr. Das ist der Skandal, für den Sie verantwortlich sind! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Daher kann ich Sie nur bitten, dass Sie einen


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Abänderungsantrag unterstützen, den ich hiermit einbringe:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Eder, Parnigoni und KollegInnen zum Gesetzentwurf im Bericht des Bautenausschusses 1164 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1139 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 – BStMG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert;

Im 1. Teil § 5 Abs. 1 wird folgende Z 5 eingefügt:

"5. Fahrzeuge, die dem Betrieb eines Schaustellergewerbes dienen."

*****

Diese Fahrzeuge sollen ausgenommen sein, weil wir meinen, dass gerade dieses Gewerbe die Unterstützung von uns allen braucht.

Ich ersuche Sie, diesem Abänderungsantrag beizutreten. (Beifall bei der SPÖ.)

21.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag, den Herr Abgeordneter Parnigoni soeben vorgetragen hat, liegt vor, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Sodian. – Bitte.

21.11

Abgeordneter Andreas Sodian (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Parnigoni! Diese Rechnung mit Ihren 1,5 oder 2,5 Milliarden € müssen Sie mir bitte einmal im Detail erklären. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte schreit nicht gleich so, Abgeordneter Sodian will nur eine Rechnung sehen!

Abgeordneter Andreas Sodian (fortsetzend): Bleiben wir einmal bei den Fakten. Tatsache ist, dass wir ab 2003, dem Jahr der Einführung, 600 Millionen € einnehmen werden, plus Umsatzsteuer, plus bestehende Mauten. Das heißt, wir werden um die 800 Millionen €, das sind ungefähr 10 Milliarden Schilling, einnehmen. Das ist ein Faktum.

Man kann darüber diskutieren, ob, wenn wir das alte Mauthüttensystem gehabt hätten, 1 Milliarde oder 2 Milliarden übrig geblieben wären. Dazu gibt es unterschiedliche Aussagen. Da bin ich der ÖVP direkt dankbar, dass sie das verhindert hat. Ihr Mauthüttensystem – oder was auch immer – wäre ja nicht im Jahre 1997 oder 1998 gebaut worden, sondern wäre frühestens 2001 oder 2002 – wie die ASFINAG schreibt – in Betrieb gegangen. Daher reden wir von einer Verzögerung von einem Jahr oder eineinhalb Jahren, und wenn wir von einem Jahr oder anderthalb Jahren reden, dann reden wir von 2 oder 3 Milliarden an Verlust. (Demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Kukacka. ) Das werden wir in einem Jahr aufgeholt haben. – Punkt eins. (Abg. Mag. Kukacka: Kennt sich aus!)

Punkt zwei: Die Frächter haben als Ausgleich ab dem Jahr 2001 1 Milliarde Schilling mehr zahlen müssen. Das ist auch ein Faktum.

Eder, du musst zuhören, weil du sonst wieder eine Presseaussendung machst, in der ein Blödsinn drinsteht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Eder. ) Ja, sicher! OTS-Meldung, Eder vom 16. Mai – das ist noch nicht so lange her –, darin schreibst du selbst: 25 bis 30 Milliarden Verlust bis jetzt. So viel sollen wir verloren haben. – Bitte deshalb zuhören: Das ist einfach falsch, weil es höchstens 3 Milliarden sind!


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(Abg. Eder: ... hast du selbst gesagt!) Da muss man auch dazusagen: Kollege Eder, nach dem alten System hätten die LKW zwischen Wien und Salzburg drei Mal abfahren und wieder auffahren müssen. Das ist ein "Super"-System, das hätten wir uns "gewünscht"! Herr Kukacka hat es richtig gesagt: Da hätten alle in Europa über uns gelacht. (Abg. Eder: Das wären keine Mauthütten gewesen!) Klar wären es Mauthütten gewesen!

Tatsache ist, dass wir jetzt ein fortschrittliches System haben, dass wir eine Super-Regelung haben und dass die Einnahmen etwa 8 Milliarden im Jahr betragen. Das ist also eine sehr gute Einnahme gegenüber den 2 Milliarden, die wir vorher vielleicht gehabt hätten. Ich glaube, dass wir jetzt eine sehr gute Regelung gefunden haben. (Zwischenruf des Abg. Eder. ) Wir machen es schon: nächstes Jahr ab Juli. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweisgut. Die Uhr ist auf 3 Minuten gestellt. (Abg. Dr. Khol: 2!)  – 2? Im Computer steht: 3.

Gut, ich stelle die Uhr auf 2 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

21.14

Abgeordneter Johannes Schweisgut (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich werde mich also in 2 Minuten ganz kurz fassen.

Zu den Ausführungen des "Maut-Historikers" von den Sozialisten, der am Ende auch noch Ausnahmen für eine Berufsgruppe verlangt hat, aber gleichzeitig sagt, alle LKWs müssen nach dem Verursacherprinzip mehr bezahlen, muss ich sagen, dass es sehr unglaubwürdig ist, wenn man einzelne Berufsgruppen wieder ausnehmen will.

Ich meine, die Wirtschaft kann auch in Zukunft nur mit einem Mautsystem leben, das kalkulierbar ist, das vorausberechenbar ist und das vor allem ein sicheres System ist. Zu sagen, dass schon bisher die LKW die einzigen Verursacher von Schäden und Umweltproblemen gewesen sind, aber dafür nicht bezahlen, ist meiner Ansicht nach ein Argument, das nicht ganz richtig ist. (Abg. Dr. Lichtenberger: Die Größten! ... Diskriminierung, Herr Kollege!) Ich erinnere mich daran, dass die EU Österreich bereits für die zu hohe LKW-Maut zum Beispiel am Brenner gerügt hat. Insofern ist, glaube ich, das Argument, dass die LKWs nichts bezahlen, nicht ganz richtig.

Wir wollen – und ich halte es für sehr wichtig, das zu betonen – ein zukunftsweisendes System einführen. Ich glaube auch, dass es eine richtige Entscheidung ist, dass sich die ASFINAG für ein terrestrisches System entschieden hat. Wir wollen unabhängig von einem amerikanischen Satellitensystem sein. Wir wollen auch nicht auf ein europäisches Galileo-System setzen, das vielleicht in zehn Jahren in Kraft treten wird.

Dass die 800 Balken eine Verschandelung und eine unnötige Baubelastung darstellen, ist auch relativ schnell entkräftet, wenn man sich überlegt (Abg. Dr. Lichtenberger: Die Autobahnen gewinnen keinen Schönheitswettbewerb!), dass diese Über-Kopf-Wegweiser in Zukunft zusätzliche Bedeutung gewinnen werden, indem man Über-Kopf-Ausfahrtshinweisschilder anbringen kann und dass man in gewissen Gebieten auch ein Verkehrsleitsystem andenken sollte. Daher sind diese Über-Kopf-Wegweiser sicherlich auch eine sinnvolle Zukunftsinvestition.

Die Wirtschaft erwartet sich eine kalkulierbare Steuer. Über die Höhe lässt sich sicherlich diskutieren, aber der Rest wird funktionieren. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rada. Welche Zeit soll ich einstellen? (Abg. Dr. Khol: 2, habe ich gehört!) – Bitte.

21.17

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Khol, es freut mich, dass Sie mir die Redezeit vorschlagen. Ich werde mich auch bemühen, sie in dieser Art und Weise einzuhalten.


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107. Sitzung / Seite 209

Ich möchte hier nicht über "Maut-Historiker" oder Sonstiges philosophieren, aber eines muss klar festgehalten werden: Hätten wir ein Mauthüttensystem gehabt, dann hätten wir in der Zwischenzeit auch sehr viel Geld lukrieren können. So aber haben wir es eben nicht! Wir können jetzt nur noch akademisch darüber diskutieren, ob wir 1 Milliarde oder 2 Milliarden € an Gewinn gehabt hätten. – Tatsache ist: Auf diese Art und Weise haben wir bis heute keinen Gewinn gehabt! Wir haben nur mehr oder weniger schlechte Straßenverhältnisse, muss man feststellen, wenn man unsere Autobahnen näher betrachtet.

In diesem Zusammenhang geht es auch wirklich nicht um eine "Sparkasse" für den Straßenbau, sondern es wird neben dem öffentlichen Verkehr und dem Schienentransportmittel sicherlich auch in Hinkunft notwendig sein, Straßen zu bauen. Ich bekenne mich daher auch zu dieser Einführung der LKW-Maut. Es tut mir nur Leid, dass sie erst so spät kommt und nicht schon wesentlich früher zustande gekommen ist. Wir hätten dadurch vielleicht auch die Versäumnisse, die wir im Straßenbereich im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung haben, schon viel früher aufholen können.

Wenn ich das so sage, dann wiederhole ich mich, und ich wiederhole mich gerne, denn wir haben im Raum Wien katastrophale Verhältnisse, was den Straßenbau anlangt. Das bezieht sich jetzt nicht bloß auf die Bundesstraßenumfahrungen et cetera, sondern es geht vor allem um ein wesentliches Problem: das ist der Ring um Wien, den es in allernächster Zeit wirklich in Angriff zu nehmen gilt. Ich hoffe, dass es über dieses Mautsystem – egal, auf welchem Weg die Maut eingehoben wird – erstmals auch zu entsprechend hohen finanziellen Mitteln aus dem Verkehr kommen wird.

Wir brauchen diese Verkehrsströme, ich bin daher sehr positiv dazu eingestellt. Es war immer der Wunsch der Sozialdemokraten, diese LKW-Maut möglichst rasch einzuheben. Wir brauchen jetzt nicht darüber zu diskutieren, ob ein PKW oder ein LKW die Straßen stärker zerstört, denn das liegt, statistisch erwiesen, ohnehin auf der Hand. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wattaul. Er hat das Wort.

21.20

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Ich möchte zunächst eines klarstellen, was hier vielleicht nicht betont wurde: Durch die Einführung des Road-Pricing kommt es jetzt zu einer gerechten Bezahlung, nämlich einer fahrabhängigen Bezahlung. Und was auch sehr wichtig ist: Es zahlen nicht mehr nur die österreichischen Frächter, sondern es zahlen alle Frächter, die die Autobahnen benützen. Das ist, glaube ich, ganz entscheidend, denn man muss sehen, dass von diesen 8 Milliarden an Einnahmen, die wir jetzt in Zukunft erzielen werden (Abg. Dr. Lichtenberger: Die stehen noch in den Sternen!), natürlich auch sehr viele Einnahmen aus dem Ausland, von Frächtern aus dem Ausland kommen werden, und ich glaube, das ist gut und recht so. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Da haben Sie Recht!)

Frau Lichtenberger möchte ich sagen: Es gibt eine ganz klare EU-Kostenrichtlinie, und die sieht Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierungskosten vor – und sonst nichts! (Abg. Dr. Lichtenberger: Ja! – Abg. Mag. Kogler: Was denn sonst noch?) Sie wissen ganz genau, dass diese Preise, die jetzt von der ASFINAG festgelegt werden, erst einer EU-Prüfung standhalten müssen. Erst dann können sie erlassen werden. Das wissen Sie ganz genau.

Sie erzählen da herinnen Dinge wie in einer Märchenstunde und kommen sogar mit Anträgen, die gesetzwidrig sind! (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist ja nicht wahr!) Ich verstehe die Welt einfach nicht. Wo leben Sie? Glauben Sie, weil Sie die Frau Lichtenberger sind, können Sie die ganze EU auf den Kopf stellen? Das kann es bitte nicht sein! Das muss ich wirklich einmal sagen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das heißt, die Deutschen liegen vollkommen falsch! Aber die haben das auf EU-Ebene durchgebracht!) Es tut mir Leid, meine Redezeit ist aus. Sie werden


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107. Sitzung / Seite 210

es nicht lernen, Sie verstehen es nicht. Es tut mir Leid. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Sie verstehen es nicht!)

21.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lexer. Er hat das Wort.

21.21

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wenn man beispielsweise auf der Autobahn von Salzburg nach Kärnten fährt, dann fährt man – überspitzt gesagt – entweder auf einer Brücke oder in einem Tunnel. Allein die Errichtung dieses für Kärnten immensen Bauwerkes ist eine technische Meisterleistung und hat sehr, sehr viel Geld gekostet. Das kleine Österreich mit 7 Millionen Einwohnern hat dieses Bauwerk errichtet und finanziert; auch mit Schulden, weil eine Infrastruktur dieser Größenordnung einfach nicht aus dem laufenden Budget finanziert werden kann. Ich glaube, es wäre wohl auch nicht fair gewesen, wenn man eine Generation, zumal die Aufbaugeneration, mit einer solchen Investition belastet hätte.

Der Bau war die eine Sache, die Erhaltung ist eine besondere. Es ist klar, dass der Betrieb, die Pflege und Wartung sowie die ständige Sanierung auch auf Grund der topographischen Gegebenheiten in Österreich besondere Finanzmittel erfordert. Diese Finanzmittel können jedenfalls nicht aus dem laufenden Budget aufgebracht werden. Intakte und sichere Verkehrswege sind aber einer der wichtigsten wirtschaftlichen Standortfaktoren und die persönliche Mobilität ein wesentlicher Bestandteil eines qualitätsvollen modernen Lebens.

Eine Möglichkeit zur Aufbringung der erforderlichen Mittel ist die Bemautung. Das heute zu beschließende Road-Pricing-System ist ein bewährtes System und von den derzeit zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten her eines der günstigsten. Dass die Wertschöpfung bei der Errichtung dieses Systems in Österreich bleibt, weil die Technik bei uns eingekauft und unsere Bauwirtschaft beschäftigt werden wird, ist ein zusätzlicher Vorteil.

Der Beitrag pro Kilometer ist leider etwas höher als im benachbarten Ausland, was unsere Transportwirtschaft zusätzlich belasten wird. Nicht in jeder Branche wird es möglich sein, diese zusätzlichen Kosten auf den Auftraggeber und in weiterer Folge auf die Konsumenten zu überwälzen. Daher ist es aus meiner Sicht dringend erforderlich, die Transportwirtschaft in anderen Bereichen zu entlasten.

Insgesamt bekennen wir uns zur Einführung dieses Systems, weil es zu intakten und sicheren Verkehrswegen keine Alternative gibt und die fahrleistungsabhängige Abgabe wohl am fairsten ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edler. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Khol: Dem Edler hör ich gern zu! – Abg. Firlinger: Edler im Dauereinsatz!)

21.24

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich meine, Kollege Rada hat es richtig gesagt: Was bringt uns diese akademische Diskussion? Die Einführung der LKW-Maut erfolgt zu spät. Sie haben das Jahre hindurch verabsäumt. Sie hätten die Chance gehabt, das früher einzuführen, aber ein solches Bemühen hat es schon unter der ÖVP-Ministerschaft nicht gegeben, und die FPÖ hat Schwierigkeiten bei der Umbesetzung ihrer Verkehrsminister; ich will aber die Geschichte nicht mehr aufrollen.

Die Frage der 22 Cent ist international und auch nachbarorientiert zu sehen. In der Schweiz ist ein wesentlich höherer Beitrag zu leisten. Ich glaube, unser Interesse muss es sein, dass auch die Schweiz Transitverkehr aufnimmt und nicht nur Österreich als sensible Zone den gesamten Transitverkehr durchfahren lassen muss.

Der Herr Bundesminister hat das im Ausschuss angesprochen, und wenn er das auch in Brüssel so weiterverfolgen wird, hat er auch unsere Unterstützung, was die Wegekosten betrifft.


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107. Sitzung / Seite 211

Ich glaube, dass auch die Bürokratie, die in Brüssel leider sehr oft feststellbar ist, in dieser Frage doch mobiler, flexibler werden muss.

Ich glaube, wir haben eine Aufgabe im Hinblick auf diesen wachsenden Verkehr. Es geht ja nicht darum, dass man den LKW "umbringen" will. Der LKW hat eine wichtige Aufgabe, aber bei diesem wachsenden Verkehr brauchen wir – das gilt auf Grund der EU-Osterweiterung ganz besonders für Österreich – unbedingt die Verlagerung des zuwachsenden Schwerverkehrs auf die Schiene. Infolgedessen ist es auch wichtig, dass diese finanziellen Mittel als Quersubventionierung auch für den Bahnausbau verwendet werden dürfen.

Es ist heute nicht die Zeit dafür, über EU-Rechte zu sprechen, aber ich glaube, Herr Bundesminister, es ist unbedingt notwendig, dass wir den Ausbau in der Ostregion forcieren; vorerst einmal den Bahn-, den Schienenausbau, aber wir brauchen unbedingt auch die großen Umfahrungsstraßen. Dazu werden Sie von uns auch sicherlich Unterstützung erhalten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Burket. – Bitte.

21.26

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit der Einführung des Road-Pricing kann diese Bundesregierung einen weiteren Erledigungsvermerk auf ihrer Arbeitsliste anbringen. Die unendliche Geschichte der Mauteinhebung für LKW findet unter dem freiheitlichen Verkehrsminister Mathias Reichhold ein positives Ende.

Mit der Einhebung der fahrleistungsabhängigen Maut sollen künftig Straßenerhaltung sowie Ausbau sichergestellt werden und damit ein weiteres, in der Vergangenheit recht unrühmliches Kapitel der ASFINAG ebenfalls ein Ende finden.

Seit 1992 bis 2002 dauert es bereits von der Idee bis zur Realisierung. Ein ausgeklügeltes Ausschreibungsverfahren hat diese schnelle Abwicklung der Ausschreibung letztendlich ermöglicht. Wir konnten uns von der beeindruckenden Professionalität dieses Verfahrens überzeugen. Die Wahl der Autostrada bringt viele Vorteile – bis hin zu über 5 000 Arbeitsplätzen, die neu geschaffen werden. Selbst wenn bis zum Start des Mautsystems noch einige Feinabstimmungen notwendig sein werden, ist die Tatsache, dass endlich etwas passiert, dass endlich Entscheidungen getroffen werden und ein großes Vorhaben realisiert wird, ausschlaggebend, denn jetzt kommt endlich eine vernünftige Finanzierung unseres Straßenbaues und der Erhaltung zustande.

Die fahrleistungsabhängige LKW-Maut, wie sie korrekt heißt, darf jedoch nicht dazu führen, dass durch zu hohe Mautgebühren die Wirtschaft Schaden nimmt. Man hat mit den vorgesehenen 22 Cent gutes Augenmaß bewiesen. (Abg. Mag. Kogler: Sie haben einen Satz ausgelassen!) Und wenn es unserem Minister Reichhold tatsächlich gelingt, in der EU höhere Gebühren für sensible Gebiete auszuverhandeln, dann zeigt dies auch, dass die Freiheitlichen wieder einmal auch ihre Umweltkompetenz beweisen. (Abg. Mag. Kogler: Holen Sie diesen Satz nach!) Gut Ding braucht Weile. Angesichts der Planungsdauer dieses Projektes der LKW-Maut sollte dies dann im Umkehrschluss ein besonders gutes Ding sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schultes. Er hat das Wort.

21.28

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Heinrich Heine sagt so schön:

"Wer einsam ist, der hat es gut, weil keiner da, der ihm was tut."


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Das gilt hier im Parlament um diese Nachtzeit, nicht jedoch auf den Straßen. Auf der Autobahn sucht man die Einsamkeit – und findet den Stau. Der Straßenbau braucht neue Impulse, ganz besonders rund um Wien. Die Verbindungen nach Bratislava, nach Brünn müssen verbessert werden. (Abg. Mag. Kogler: Damit man einsam fahren kann!)

Autobahnbau braucht Geld. Das Geld muss von denen kommen, die die Straßen benützen, die die Straßen belasten. Dieser Gedanke ist gar nicht so neu, dass die, die etwas nutzen, zu bezahlen haben. Die fahrleistungsabhängige Maut ist ein guter Gedanke (Abg. Mag. Kogler: Jedem Bürger seine Autobahn!), und ich freue mich, dass sich gerade diese öko-sozialen Gedanken da wiederfinden (Abg. Mag. Kogler: Jedem Bürger seine öko-soziale Autobahn!), dass diese Gedanken hier wiederkommen. Es ist wert, an dieser Stelle Ex-Vizekanzler Riegler und Bundesminister Molterer zu erwähnen, weil die eben Väter dieser Gedanken sind.

Ich sage Ihnen noch etwas: Wir Rübenbauern haben immer daran geglaubt, dass die Wahrheit im Verkehr irgendwann einmal kommen wird. (Abg. Mag. Kogler: Die Wahrheit im Verkehr?) 1,4 Millionen Tonnen Rüben führen wir mit der Bahn in die Fabrik. Die deutschen Kollegen haben das auf Grund des Versagens der Deutschen Bahn aufgegeben. Wir haben gesagt, irgendwann wird es funktionieren. Die Bahn ist flexibler geworden, und heute zeigt sich, dass unsere Entscheidung wichtig und richtig ist.

Heute muss ich Ihnen sagen: Ich bin froh darüber, dass die Regierung die notwendigen Entscheidungen trifft. Die Bahn ist flexibler, die Bundesländer haben den Straßenausbau in der Hand, und die Autobahnen werden wieder finanziert werden. (Abg. Dr. Pilz: Und die Rüben!) Diese Regierung trifft die lange notwendigen Entscheidungen, und das macht uns Freude.

Ich darf noch einmal Heinrich Heine zitieren, der da sagt: "Kurz, abgesehen vom Steuerzahlen, lässt sich das Glück nicht schöner malen." – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte.

21.31

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei der LKW-Maut besteht überhaupt kein Zweifel, dass wir auf dem richtigen Weg sind, aber wenn man die "Kronen Zeitung" und den "Kurier" von morgen liest, dann habe ich gewisse Bedenken (Abg. Dr. Lichtenberger: Ich auch!) bezüglich des Systems. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ich habe wegen der Vergabe Bedenken!)

Wenn wir, meine sehr geschätzten Damen und Herren, vor drei Jahren das Mikrowellensystem diskutiert haben, von dem wir gesagt haben, dieses System sei Stand der Technik, und die Deutschen sich jetzt für das GSM-System entscheiden werden (Abg. Dr. Lichtenberger: Sie haben sich schon entschieden!)  – oder sich schon entschieden haben, ich weiß es nicht –, dann stelle ich mir die Frage, ob wir das richtige System nehmen. Darum geht es. (Beifall bei der SPÖ.)

Nehmen wir jetzt eine neue Technologie oder nehmen wir eine alte Technologie? (Abg. Dr. Lichtenberger: Der Herr Minister will das alte System!) Diese Entscheidung wird wahrscheinlich ein Gericht treffen, Herr Bundesminister. – Er redet mit einem Ex-Minister (Abg. Dr. Einem spricht mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Ing. Reichhold), daher hört er mir leider nicht zu. (Abg. Schwarzenberger: Es ist Ihr Kollege!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe nun einen Antrag ein, der mir auch sehr wichtig ist:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eder, Parnigoni, Marizzi, Kolleginnen und Kollegen


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Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die rechtlichen Grundlagen dafür zu erarbeiten und dem Nationalrat vorzulegen, dass die Bestimmungen über die Verpflichtungen und Sanktionen im Zusammenhang mit der elektronischen Entrichtung der LKW-Maut im Bundesstraßenmautgesetz 2002 in § 7 Abs. 4 und §§ 8 und 20 bis 23 dahin gehend abgeändert werden, dass sie den diesbezüglich vergleichbaren Regelungen des Güterbeförderungsgesetzes analog entsprechen (siehe §§ 9 und 23 Güterbeförderungsgesetz).

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was heißt das? – In Wirklichkeit heißt das, dass der Fahrer letztendlich ganz alleine verantwortlich ist. Herr Bundesminister, ich bitte Sie wirklich – ich will Sie nicht ersuchen, aber ich bitte Sie, es ist mir wichtig –, dafür zu sorgen, dass bei der Einführung dieser Maut – darüber haben wir im Ausschuss geredet – nicht der Fahrer allein verantwortlich ist. Wenn ein Spediteur sagt: Stell das Gerät ab!, oder sonst etwas, dann trifft es ja immer wieder den Kleinsten in dieser Kette.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, diese Sache noch einmal zu überdenken, denn das ist wichtig. Es stehen die Gewerkschaften dahinter, es steht die Arbeiterkammer dahinter, es stehen auch wir dahinter. Jeder vernünftige Mensch ist dieser Meinung, dass nicht das schwächste Glied in der Kette getroffen werden kann. Das ist ein Anliegen, und ich glaube, es ist auch kein Problem, wenn man sich in diese Richtung bewegt. Das wäre sehr kooperativ. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit zur Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Faul zu Wort. 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Faul  – auf dem Weg zum Rednerpult –: 2 Minuten!)

21.34

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht wie meine Vorredner diese Säumigkeit im Ablauf und die verlorenen Milliarden monieren. Ich glaube, diese Säumigkeit hätte auch etwas für sich gehabt und die Chance geboten, wirklich – und da bin ich beim Kollegen Marizzi – das beste System zu wählen. Wir haben Sie von der Bank aus beobachtet, und ich glaube, innerlich sind Sie auch der Meinung, dass wir nur das zweitbeste System gewählt haben.

Was ich aber wirklich kritisiere, ist diese dilettantische Form der Ausschreibung, die in der Folge dann diese massive Interventionen gebracht hat. Ich glaube, wie es wirklich ausgeht, kann man noch gar nicht abschätzen, denn wie wir im "Kurier" gelesen haben, hat Siemens ja massiven Widerstand dagegen angekündigt.

Was ich noch kritisiere, Herr Minister, ist die fehlende europäische Koordinierung der Straßenmautsätze, die wirklich eine Nachhaltigkeit in der Änderung des Frachtverkehrs bewirkt und die einmalige Chance für uns geboten hätte, unter dem Druck der finanziellen Mehrbelastungen die Frächter von der Straße mehr auf die Schiene zu bekommen. Das wäre wirklich Ihr Auftrag gewesen, denn, Herr Minister, Ihre Frächter – die Wattauls und die Sodians und die anderen unter uns – wissen ganz genau, dass in Wirklichkeit kein Weg an der Schiene vorbeiführen wird. Aber momentan freuen sie sich darüber, dass sie auf dem Verhandlungswege mit dem Finanzminister noch eine Minderbelastung um 150 Millionen € durchgesetzt haben. Das heißt, die Fracht auf der Straße wird noch billiger, und trotzdem haben sie angekündigt – Kollege Wattaul etwa, und Kollege Firlinger hat es ja auch ganz deutlich gesagt –: Jeden Cent Kilometermaut werden sie auf die Nutzer, sprich auf die Konsumentinnen und die Konsumenten, aufrechnen. Das, Herr Kukacka, können Sie wirklich kritisieren. Das ist die Schweinerei dabei!


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Herr Minister! Was wir wirklich kritisieren: Schadensverursacher bleiben wie bisher die schweren LKW, zahlen dürfen die Konsumenten und die PKW-Besitzer – und lachen dürfen Ihre Frächter. (Beifall bei der SPÖ.)

21.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Ing. Reichhold. – Bitte, Herr Minister.

21.36

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Mathias Reichhold: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einmal möchte ich mich bei den Koalitionsparteien und auch bei der SPÖ dafür bedanken, dass sie diesem Gesetzentwurf zustimmen werden.

Frau Abgeordneter Lichtenberger möchte ich nur sagen: Nach Vorliegen der Wegekostenrichtlinie muss dieses Gesetz ohnehin novelliert und an die EU-Richtlinien angepasst werden. Wenn die Wegekostenrichtlinie durchgesetzt wird, dann wird das natürlich auch in dieses Mautgesetz Eingang finden.

Was die Höhe der Maut betrifft, meine sehr verehrten Damen und Herren, so wissen Sie, dass wir einfach an die Vorschriften der Europäischen Union gebunden sind; das wurde heute bereits gesagt. Bau, Erhaltung, Finanzierung und Betrieb dürfen hineingerechnet werden, alles, was darüber hinaus geht, kann nicht bemautet werden. Wir sind nicht in der Schweiz. Die Schweiz ist ja nicht bei der Europäischen Union und hat deshalb in diesem Bereich mehr Spielraum.

Was die Entlastung der Frächter anlangt, meine sehr verehrten Damen und Herren, so wird diese in einem Bereich von zirka 144 Millionen € liegen. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass auf der anderen Seite 600 Millionen € gezahlt werden müssen; das entspricht insgesamt einer Verdreifachung der Maut für die Frächter. War es bei den PKWs eine Verdoppelung, so wird es bei den Frächtern dreimal so viel sein. Deshalb kann das Argument, dass dies eine frächterfreundliche Lösung sei, so nicht im Raum stehen gelassen werden.

Was das Enforcement anlangt, so ist das eine Maßnahme, die über die ASFINAG abläuft. Die Schulung wird durch Innenministerium und Finanzministerium erfolgen.

Herr Kollege Marizzi! Was die Haftung betrifft, wird es, wie Sie wissen – das haben wir im Ausschuss auch kurz besprochen, wir haben darauf auch reagiert –, keine Alleinhaftung des Fahrers geben, sondern eine Mithaftung, und das deshalb, weil insbesondere bei ausländischen Fahrzeugen natürlich eine Strafverfolgung nur sehr schwer möglich wäre und wir dann auf Mauteinnahmen verzichten müssten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

21.38

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zum Bundesstraßen-Mautgesetz 2000 ist in der Diskussion bereits viel ausgeführt worden. Ich möchte nur noch einmal festhalten: Meine Fraktion wird dem Gesetzesvorschlag zustimmen, doch muss man noch einmal sagen, dass aus unserer Sicht diese fahrleistungsabhängige Maut für LKW viel zu spät kommt. Die Kosten für die Vignette sind von der Regierung erhöht worden, für die PKW-Fahrer hat man entsprechende Verschlechterungen durchgeführt, die Frächter jedoch sind in Wirklichkeit verschont geblieben – bis jetzt jedenfalls noch.

Interessant ist vielleicht noch etwas, Herr Bundesminister – wir haben kurz auch im Ausschuss darüber diskutiert –: Es ist in der Vorlage von einer Beschäftigungswirkung von 5 700 Dauerarbeitsplätzen die Rede, die durch die Maut geschaffen werden. Das steht in der Vorlage drinnen. Es wurde zwar im Ausschuss geantwortet, dass das nachvollziehbar sei, aber ich verweise noch einmal auf die Stellungnahme des Rechnungshofes, der dazu eindeutig sagt, das


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sei nicht nachvollziehbar. Die Situation in diesem Zusammenhang ist einigermaßen problematisch. Das Gleiche gilt auch für die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts, die in der Vorlage mit plus 0,15 Prozentpunkten angegeben ist. Auch da sagt der Rechnungshof in seiner Stellungnahme, man könne nicht sagen, wie das ist.

Insgesamt gesehen sollte man, glaube ich, abschließend noch festhalten, dass die PKW-Fahrer, wie schon gesagt, nach wie vor überwiegend für die Schäden der LKW auf unseren Straßen aufkommen und die Höhe der Maut eigentlich nicht zu einer Gerechtigkeit diesbezüglich führen wird.

Ihrer Bemerkung jetzt am Schluss, Herr Bundesminister, als Sie dem Hohen Haus mitgeteilt haben, dass es zu einer teilweisen Entlastung der Frächter kommen werde, steht die Aussage der Frächterlobby – sage ich jetzt einmal – gegenüber, dass sie die volle Maut an die Konsumenten weitergeben wird. Also bleibt wieder eine Ersparnis für die Frächter übrig. Das ist eigentlich ungerecht: die volle Maut an die Konsumenten weiterzugeben, um sich auf der anderen Seite steuerliche Ermäßigungen zu holen. Auf diesen Umstand und auf diesen Widerspruch wollte ich noch hinweisen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit schließe ich die Debatte.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen, und zwar stimmen wir zunächst ab über den Gesetzentwurf in 1164 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Eder, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Eder, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Anträgen betroffenen Teile der Vorlage und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Eder, Kolleginnen und Kollegen haben, wie erwähnt, einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Ziffer 5 in § 5 Abs. 1 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Zusatzantrag ist daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Eder, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 9 Abs. 6 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist nicht die Mehrheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Wir kommen daher zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit in zweiter Lesung beschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


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Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass die Vorlage in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen ist.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erwartungen Österreichs an die EU-Institutionen betreffend den künftigen Rechtsrahmen für die Tarifierung des Straßengüterverkehrs.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit . Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Wir gelangen als Nächstes zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der Finanzierung der österreichischen Generalverkehrsplanung – Höhe des Mauttarifes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit des Hohen Hauses und ist daher abgelehnt.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Eder, Parnigoni, Marizzi betreffend Sicherung der Finanzierung des österreichischen Generalverkehrsplanes, Verpflichtungen und Sanktionen im Zusammenhang mit der elektronischen Entrichtung der LKW-Maut.

Auch hier bitte ich jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist nicht die erforderliche Mehrheit . Der Antrag ist daher abgelehnt.

11. Punkt

Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Antrag 658/A der Abgeordneten Wolfgang Jung, Johann Loos, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 1994, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Munitionslagergesetz, das Militär-Auszeichnungsgesetz, das Militärbefugnisgesetz und das Sperrgebietsgesetz 2002 geändert werden sowie das Tapferkeitsmedaillen-Zulagengesetz 1962 aufgehoben wird (Reorganisationsbegleitgesetz – REORGBG) (1119 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Der erste Kontraredner ist Herr Abgeordneter Gaál. Welche Redezeit soll ich einstellen? (Abg. Gaál  – auf dem Weg zum Rednerpult –: 7 Minuten!)  – Bitte.

21.45

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zunächst darf ich mich bei Ihnen, Herr Bundesminister Scheibner, für die konstruktiven Gespräche im Zusammenhang mit der Strukturreform sehr herzlich bedanken. Sie sind hier sehr kostenbewusst vorgegangen. Sie haben die Kompetenz Ihres Hauses genützt und nicht sündteure Unternehmensberater hereingeholt. Es ist ein sehr passables Ergebnis herausgekommen. Das ist auch ein großes Verdienst der leitenden Offiziere und Beamten Ihres Hauses, wofür ich mich ebenfalls bedanken möchte. All das hat uns Begleiterscheinungen erspart, wie sie derzeit im Bundesministerium für Inneres auftreten und viel Unruhe und Verunsicherung erzeugt haben.


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Die Aufgaben des Bundesheeres – das wissen Sie, Herr Bundesminister, ebenso wie ich und viele der Damen und Herren hier im Haus – liegen ja mehr im internationalen Bereich, in der internationalen Solidarität und sind auch im Zusammenhang mit der europäischen Sicherheitsarchitektur zu sehen.

Die klassische Landesverteidigung hat ja nicht mehr den Stellenwert, den sie in der Vergangenheit hatte, und entspricht nicht mehr den heutigen sicherheitspolitischen Gegebenheiten. Daher haben wir immer wieder eine Neuformulierung der politischen Zielsetzungen und der Aufgaben des österreichischen Bundesheeres verlangt.

Trotz unseres Bemühens, zu einem gemeinsamen Beschluss in der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin zu kommen, war das nicht möglich, da ja der NATO-Beitritt und die Abschaffung der Neutralität im Vordergrund der sicherheitspolitischen Überlegungen der Bundesregierung gestanden sind. Vor allem Ihr Koalitionspartner ÖVP hat sehr deutliche Signale in diese Richtung gesetzt, denen Sie sich schlussendlich beugen mussten. (Abg. Murauer: Aber das stimmt ja nicht!)

Herr Bundesminister, ich verstehe die Situation. Wir waren ja auch einmal mit der ÖVP in Koalition, und da weiß man, dass das dann und wann zu bemerken ist. Kollege Muraurer, ich erinnere dich an vergangene Zeiten. (Abg. Murauer: Bleib seriös!)

Da, Herr Bundesminister, konnten wir nicht mittun, aber es gab sehr viel Übereinstimmung in der Sicherheitspolitik, auf der wir weiter aufbauen können, insbesondere dann, wenn wir Sozialdemokraten wieder Hauptverantwortung in dieser Republik innehaben, und das wird in Bälde der Fall sein. Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass, wenn wir wieder die Hauptverantwortung haben, eine andere Politik gemacht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben uns den neuen Sicherheitsanforderungen anzupassen, und wir brauchen eine schlanke, eine flexible Organisation. Daher ist die bereits laufende Reform der Kommandostruktur des Bundesheeres mit der Reduzierung von Personal in der Führungsorganisation generell und im Bundesministerium für Landesverteidigung im Besonderen ein Schritt in die richtige Richtung.

Uns geht es – Herr Bundesminister, Sie wissen das – um die Straffung der obersten Führungsebene, Reduzierung der Personalkosten und Aufwertung der Truppe. Das war uns immer wieder ein besonderes Anliegen, weil wir nur so den Kriterien der Einsatzeffizienz und der Wirtschaftlichkeit entsprechen können. Nur so ist eine verstärkte Professionalisierung auch zu bewerkstelligen.

Uns geht es daher um Einsparungen von Planstellen in der Zentralstelle zugunsten der Truppe, Herr Bundesminister. Daher werden wir das – wenn ich das so sagen darf – alte Bundesministerium für Landesverteidigung mit seinen Ämtern und Kommanden auf der einen Seite sehr genau mit der neuen Struktur des Bundesministeriums vergleichen, wobei natürlich die Ausgliederungen auch mit zu berücksichtigen sind. Daher ist es ganz wichtig, wie viele Planstellen netto real eingespart werden, wie viele Planstellen 2003 real zur Truppe kommen – hier meine ich konkret zur Truppe, hier meine ich die Brigaden, die Regimenter und die Bataillone und nicht die neuen Kommanden und Ämter – und wie viele Planstellen an das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport zurückgegeben werden.

Ich will hier nicht weiter ins Detail gehen, Herr Bundesminister, aber doch auch meine Befürchtungen anführen. Im Zusammenhang mit der Reorganisation des Landesverteidigungsministeriums wird etwas verdeckt, nämlich ein massiver Truppenabbau. Man lenkt davon ab. Ich darf hier als Beispiel für den Truppenabbau an Wien erinnern. Bei den Wiener Truppen, Garde und Jägerregiment – das ist ja auch ihr Regiment, in dem Sie zu Hause sind –, findet ja seit 2000 ein massiver Abbau von Personal statt. Die Garde hatte im Jahr 2000 zirka 80 Prozent des Kaderstandes erreicht, 2003 kommt sie nur mehr bei 50 Prozent zu liegen. Gleiches gilt für das schon genannte Jägerregiment.


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Daher, Herr Bundesminister, meine Frage: Gibt es Hilfe, diese Demontage zu verhindern, oder ist sie geplant?

Wir werden, wie gesagt, weiterhin konstruktive Vorschläge einbringen, soweit uns das möglich ist, und wir werden mit formulieren, damit nicht falsch formuliert wird.

Herr Bundesminister! Wir werden dem Gesetzentwurf daher in zweiter Lesung unsere Zustimmung erteilen. Mehr wäre aber nicht möglich – wir haben das im Ausschuss ausführlichst beraten –, weil Sie auch Artikel 7 – Änderung des Militärbefugnisgesetzes – mit hineingenommen haben. – Das wird von uns aus grundsätzlichen Überlegungen abgelehnt, daher gibt es auch getrennte Abstimmung. Ihr überfallsartig eingebrachter Abänderungsantrag bestätigt auch, dass wir da richtig liegen.

Unsere Hauptkritikpunkte bleiben weiterhin aufrecht: Sie haben durch diesen Abänderungsantrag nach wie vor mehr Berechtigungen denn je. Sie wollen keine verlässliche Abgrenzung zur Sicherheitspolizei. Zwischen militärischem und nicht- militärischem Bereich wird nicht ausreichend unterschieden. Es gibt keine strenge Trennung zwischen zivilem und militärischem Bereich.

Herr Bundesminister Scheibner! Sie haben als Oppositionspolitiker, als Wehrsprecher und auch als Klubobmann selbst immer wieder mehr parlamentarische Kontrolle verlangt. – Davon ist nichts übrig geblieben. Diese Vorgangsweise finden wir nicht richtig, sie findet daher nicht unsere Zustimmung und wird entschieden abgelehnt. Das Reorganisationsgesetz wird durch diesen Abänderungsantrag geradezu missbraucht. Ich verwende jetzt ein sehr hartes Wort: Ich halte diese Vorgangsweise für sehr verwerflich. (Beifall bei der SPÖ.  Abg. Mag. Kogler: Bravo!)

21.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Die Uhr ist auf 4 Minuten gestellt. – Bitte.

21.52

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst bringe ich den Abänderungsantrag der Abgeordneten Jung, Loos und Kollegen zum Antrag der Abgeordneten Jung, Loos und Kollegen betreffend den Entwurf eines Reorganisationsbegleitgesetzes ein, der neben kleineren Korrekturen vor allem die Regelung der Abwehr von Angriffen gegen militärische Rechtsgüter durch Wachen beinhaltet und diese eindeutig regelt, ebenso wie die Frage der Legenden für die Dienste und die Frage der Durchführung verdeckter Ermittlung und der Vorbereitung zur Unterstützung der Durchführung von Observationen. Des Weiteren werden die Rechte der Gemeinden im Bereich des Anhörungsrechts vor Erlassung von Verordnungen über den Gefährdungsbereich bei Munitionslagern geregelt.

Da Herr Kollege Gaál gerade von mangelnder Kontrolle gesprochen hat, lese ich ihm aus dem Bericht des Rechtsschutzbeauftragten gerade zu dem Thema, das er angesprochen hat, vor. Der Rechtsschutzbeauftragte schreibt ausdrücklich:

"Insbesondere erscheint mir die beabsichtigte nähere Determinierung der Handhabung der ‚Legende’ mit dem neuen § 22a MBG vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips als sehr angebracht."

Herr Kollege Gaál! Das sagt der Rechtsschutzbeauftragte! Er bezeichnet diese Korrektur, die von dir kritisiert wurde, als "sehr angebracht"!

Auch den besseren Schutz des Redaktionsgeheimnisses, das hier eine stärkere Absicherung erfährt, begrüßt er. Schließlich schreibt er:

"Abschließend darf ich feststellen, dass die gegenständliche Novelle der Rechtsstaatlichkeit der Bestimmungen des MBG noch mehr als bisher Rechnung trägt sowie eine sachlich unbegrün


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dete Trennung der inhaltlich vergleichbaren Regelungsbereiche des SPG und MBG vermeidet." – Das sagt der Rechtsschutzbeauftragte.

Es ist also genau das Gegenteil von dem der Fall, was vorher behauptet wurde. Man sollte nicht nur die Pressedienste von Herrn Kollegen Cap lesen, sondern auch intensiver recherchieren, was wirklich drinnen steht.

Noch einige Worte zum Reorganisationsbegleitgesetz selbst, dessen Schwerpunkte im Wesentlichen in anderen Bereichen liegen. Es schafft unter anderem die Voraussetzungen für die Restrukturierung des Bundesheeres mit, die vor allem im – wenn man es so nennen will – "militärischen" Bereich des Ministeriums mit der Funktion des Chefs des Generalstabs und der Neugliederung eine der heutigen Zeit und den heutigen Anforderungen angemessene Struktur des Bundesheeres bewirkt.

Es werden die notwendigen Veränderungen umgesetzt, und es wird eine überfällige Anpassung an die Situation durchgeführt, die erstmalig – oder seit langem wieder – eine wirkliche Heeresreform und nicht nur "Reförmchen" wie in der vergangenen großen Koalition mit der Heeresgliederung neu, neu-neu, ganz neu und so weiter darstellt. Hier werden nicht nur Kräfte reduziert, sondern die Struktur des Bundesheeres wird nach der neuen Doktrin an die künftigen Aufgaben angepasst.

Es wird genau das gemacht, was Herr Kollege Gaál angesprochen hat: Die Führungsstruktur wird schlanker, straffer und damit auch effektiver. Das ist eine der vielen Vorbereitungen, die in den letzten beiden Jahren geschehen sind, um diese Reform möglich zu machen.

Dazu gehören auch rechtliche Voraussetzungen. Es wurden zum Beispiel im Militärbefugnisgesetz erstmalig die Befugnisse des Bundesheeres in wichtigen Bereichen neu geregelt. Bisher war zum Beispiel nicht einmal für das Abfangen von Flugzeugen eine eindeutige rechtliche Regelung gegeben. Es wurde hier erstmalig wirklich explizit eine solche geschaffen.

Es erfolgte weiters die Beschaffung der Hubschrauber und der Transportflugzeuge, der "Ulan" fließt zur Truppe, neues Pioniergerät und Gerät für den Katastrophenschutz wurde beschafft, und demnächst wird die Abfangjägerfrage nach einem mehr als jahrzehntelangen Herumgezerre endlich gelöst.

Herr Bundesminister Scheibner, ich gratuliere Ihnen dazu. Machen Sie bitte so weiter! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Jung, Loos, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag der Abgeordneten Jung, Loos, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Entwurf eines Reorganisationsbegleitgesetzes, den Herr Abgeordneter Jung in seinen wesentlichen Punkten referiert hat, liegt vor, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit zur Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Jung, Loos, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag der Abgeordneten Jung, Loos und Kolleginnen und Kollegen betreffend den Entwurf eines Reorganisationsbegleitgesetze – REORGBG (658/A, XXI. GP)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Gesetzentwurf in der Fassung des Berichtes des Landesverteidigungsausschusses (1119 BlgNR, XXI. GP) wird wie folgt geändert:


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1. Im Art. 1 Z 29 wird im § 61 Abs. 19 WG 2001 nach dem Wort "Fassung" ein Beistrich eingefügt.

2. Im Art. 5 wird nach Z 5 folgende Z 5a eingefügt:

"5a. Dem § 7 wird folgender Satz angefügt:

‚Das Recht der Gemeinden auf Anhörung ist im eigenen Wirkungsbereich wahrzunehmen.‘"

3. Im Art. 5 Z 11 wird im § 18 Abs. 1d MunLG nach der Zitierung "§ 3 Abs. 2," die Zitierung "§ 7," eingefügt.

4. Im Art. 7 wird die Z 1 durch folgende Z 1, 1a, 1b und 1c ersetzt:

"1. Im Inhaltsverzeichnis wird nach der Überschrift des 2. Abschnittes im 1. Hauptstück des 2. Teiles folgender § 6a samt Überschrift eingefügt:

‚§ 6a. Beendigung von Angriffen gegen militärische Rechtsgüter‘

1a. Im Inhaltsverzeichnis wird nach der Überschrift zu § 22 folgender § 22a samt Überschrift eingefügt:

‚§ 22a. Legende‘

1b. Im § 1 Abs. 9 wird die Zitierung ‚§ 2 Abs. 1 lit. a des Wehrgesetzes 1990 (WG), BGBl. Nr. 305‘ durch die Zitierung ‚§ 2 Abs. 1 lit. a des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001), BGBl. I Nr. 146‘ ersetzt.

1c. Im 1. Hauptstück des 2. Teiles wird nach der Überschrift des 2. Abschnittes folgender § 6a samt Überschrift eingefügt:

‚Beendigung von Angriffen gegen militärische Rechtsgüter

§ 6a. Militärische Organe im Wachdienst dürfen Angriffe gegen militärische Rechtsgüter beenden.‘"

5. Im Art. 7 werden nach Z 3 folgende Z 3a, 3b und 3c eingefügt:

"3a. Im § 22 wird nach Abs. 2 folgender Abs. 2a eingefügt:

‚(2a) Militärische Organe und Dienststellen nach Abs. 1 dürfen von den Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste jene Auskünfte über Namen, Anschrift und Teilnehmernummer eines bestimmten Anschlusses verlangen, die diese Organe und Dienststellen als wesentliche Voraussetzung zur Erfüllung von Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr benötigen. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskunft unverzüglich und kostenlos zu erteilen.‘

3b. § 22 Abs. 9 entfällt.

3c. Nach § 22 wird folgender § 22a samt Überschrift eingefügt:

‚Legende’

§ 22a. (1) Soweit Bundesbehörden oder Behörden der mittelbaren Bundesverwaltung oder Bürgermeister gesetzlich zur Ausstellung von Urkunden berufen sind, haben sie auf Verlangen des Bundesministers für Landesverteidigung Urkunden herzustellen, die über die Identität einer Person täuschen. Diese Urkunden dürfen nur von militärischen Organen und Dienststellen, die mit Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr betraut sind, verwendet werden zum Zweck

1. verdeckter Ermittlungen oder


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2. der Vorbereitung und Unterstützung der Durchführung von Observationen und verdeckten Ermittlungen.

(2) Die Urkunden dürfen im Rechtsverkehr nur verwendet werden, soweit es zur Erfüllung der jeweiligen Zwecke erforderlich ist. Der Bundesminister für Landesverteidigung hat den Zweck der Ausstellung sowie den Anwendungsbereich der Urkunden im Rechtsverkehr in einem entsprechenden Auftrag festzulegen. Er hat weiters

1. jede Anwendung der Urkunden im Rechtsverkehr zu dokumentieren und

2. die Urkunden unverzüglich einzuziehen im Falle missbräuchlicher Verwendung oder sobald sie zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden.

Die militärischen Dienststellen nach Abs. 1 haben den Betroffenen vor Ausstattung mit der Legende zu belehren über den Einsatz der Urkunden sowie über die unverzügliche Entziehung im Falle missbräuchlicher Verwendung.‘"

6. Im Art. 7 wird nach Z 4 folgende Z 4a eingefügt:

"4a. Im § 25 wird nach Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt:

‚(1a) Eine Datenübermittlung an andere als militärische Dienststellen ist jedenfalls unzulässig, sofern

1. für die übermittelnde Stelle Hinweise bestehen, dass hiedurch der Schutz des Redaktionsgeheimnisses nach § 31 Abs. 1 des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981, umgangen würde, oder

2. durch ein Bekanntwerden der Daten die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Personen gefährdet würde.‘"

7. Im Art. 7 wird die Z 9 durch folgende Z 9 und 9a ersetzt:

"9. § 47 Abs. 2 Z 1 lautet:

‚1. die Fahrtkosten für die Hin- und Rückfahrt auf der Wegstrecke zwischen dem Hauptwohnsitz oder der Arbeitsstelle und dem Ort der Übergabe oder Rückübernahme des Leistungsgegenstandes,‘

9a. Im § 47 Abs. 2 Z 3 werden die Worte ‚der Wohnung oder Arbeitsstelle‘ durch die Worte ‚des Hauptwohnsitzes oder der Arbeitsstelle‘ ersetzt."

8. Im Art. 7 lautet die Z 12:

"12. Im § 50 Abs. 3 wird die Zitierung ‚§ 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes, BGBl. Nr. 71/1954,‘ durch die Zitierung ‚§ 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes (EisenbEntG 1954), BGBl. Nr. 71/1954,‘ ersetzt."

9. Im Art. 7 werden die Z 14 und 15 durch folgende Z 14, 15 und 16 ersetzt:

"14. Im § 61 werden nach Abs. 1 folgende Abs. 1a und 1b eingefügt:

‚(1a) Das Inhaltsverzeichnis, die §§ 6a und 22a, jeweils samt Überschrift, § 22 Abs. 2a, sowie § 25 Abs. 1a, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2002, treten mit 1. Oktober 2002 in Kraft.

(1b) § 1 Abs. 9, § 11 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 23 Abs. 2, § 33 Abs. 3 und 4, § 34 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 2, § 47 Abs. 2 und 3, § 48 Abs. 3, § 49 Abs. 1, § 50 Abs. 3, § 51 Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 5, § 54 Abs. 2 sowie § 61 Abs. 4, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2002, treten mit 1. Dezember 2002 in Kraft.‘


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15. Im § 61 wird nach Abs. 3 folgender Abs. 3a eingefügt:

‚(3a) § 22 Abs. 9 tritt mit Ablauf des 30. September 2002 außer Kraft.‘

16. § 61 Abs. 4 zweiter Satz lautet:

‚Außenwirksame Vollziehungsmaßnahmen dürfen jedoch frühestens mit dem In-Kraft-Treten der durchzuführenden Gesetzesbestimmung in Kraft gesetzt werden.‘"

Begründung:

Die vorgesehene Ergänzung des § 7 MunLG dient der ausdrücklichen Klarstellung, dass das den Gemeinden ausdrücklich eingeräumte Anhörungsrecht vor der Erlassung von Verordnungen über den Gefährdungsbereich eines Munitionslagers eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden im Sinne des Art. 118 Abs. 2 B﷓VG darstellt.

Die im Rahmen der "SPG-Novelle 2002" ua. ins Auge gefasste umfassende Modifizierung des Sicherheitspolizeigesetzes sieht – neben zahlreichen anderen Änderungen – auch diverse "Verbesserungen und Klarstellungen datenrechtlicher Bestimmungen" im Bereich des sog. "Ermittlungsdienstes" (§§ 52 bis 63) vor. Die in Rede stehende "SPG-Novelle 2002" wurde am 5. Juni 2002 im Ausschuss für innere Angelegenheiten des Nationalrates (1170 BlgNR, XXI. GP) beschlossen.

Die (ausschließlich) datenrechtlichen Befugnisse der militärischen Nachrichtendienste im Militärbefugnisgesetz (§§ 21 bis 25) wurden im Hinblick auf die weitgehende inhaltliche Vergleichbarkeit des militärischen und des sicherheitspolizeilichen Bereiches bewusst unter enger Anlehnung an die erwähnten Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz gestaltet (vgl. hiezu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Militärbefugnisgesetzes, 76 BlgNR, XXI. GP). Aus diesem Grund erscheint es nunmehr auch geboten, einzelne im Exekutivbereich geplante datenrechtliche Änderungen auch in den korrespondierenden Normen des Militärbefugnisgesetzes vorzunehmen. Dies soll im Konkreten betreffen

eine Modifizierung der sog. "Legende" – also der Ausstellung und dienstlichen Verwendung falscher Urkunden – auch auf Maßnahmen der Vorbereitung und Unterstützung des eigentlichen Einsatzes bestimmter sensibler Ermittlungsmethoden sowie eine gesetzliche Determinierung der Rahmenbedingungen einer Legende (§ 22a) und

eine Absicherung des sog. Redaktionsgeheimnisses nach § 31 des Mediengesetzes - also des umfassenden Schutzes journalistischer Quellen in allen Verfahren vor Gericht oder Verwaltungsbehörden – durch die Normierung eines ausdrücklichen Übermittlungsverbotes diesbezüglich relevanter Daten an jegliche Empfänger außerhalb des militärischen Bereiches (§ 25 Abs. 1a).

Bei der Normierung des genannten Übermittlungsverbotes soll auch auf den verfassungsrechtlich verankerten sog. "Quellenschutz" (Art. 52a Abs. 2 B﷓VG) Bedacht genommen werden.

Weiters soll im Hinblick auf vereinzelt in der Praxis aufgetretene Zweifelsfragen auch im Militärbefugnisgesetz ausdrücklich klargestellt werden, dass den Organen im Wachdienst jedenfalls eine (allgemeine) Befugnis zur Beendigung strafrechtswidriger Angriffe gegen militärrelevante Personen und Sachen zukommt (§ 6a). Eine vergleichbare Regelung für den Bereich der Sicherheitspolizei ist bereits seit über zehn Jahren im § 33 des Sicherheitspolizeigesetzes normiert. Die geplante Norm im Militärbefugnisgesetz wird daher in vergleichbarer Weise wie jene im Sicherheitspolizeigesetz anzuwenden bzw. auszulegen sein. Dies bedeutet insbesondere auch, dass die Wahl der zur Erreichung des angestrebten Zieles (also der Beendigung des Angriffes) einzusetzenden Mittel von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängen wird; in der Praxis wird dies etwa direkte Maßnahmen der Notwehr/Nothilfe im Sinne des § 3 StGB betreffen. Unter Bedachtnahme auf § 16ff MBG werden entsprechende Maßnahmen auch im militärischen Wachdienst mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchgesetzt werden dürfen. Mit der beabsichtigten Klarstellung sind keine inhaltlichen Ausweitungen der militärischen Wachbefug


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nisse verbunden. Im Hinblick auf die gesetzlich verankerte generelle Subsidiarität sämtlicher militärischer Befugnisausübungen gegenüber solchen der Sicherheitspolizei (§ 2 Abs. 2 MBG) wird insbesondere auch diesbezüglich in keiner Weise in die Zuständigkeit der Sicherheitspolizei eingegriffen.

Schließlich soll auch für die militärischen Nachrichtendienste die für die Sicherheitspolizei bereits im Jahr 1999 (§ 53 Abs. 3a SPG) eingeführte Möglichkeit zur Eruierung bestimmter "Stammdaten" von Teilnehmern am öffentlichen Telekommunikationsverkehr eröffnet werden. Auf die Normierung der im polizeilichen Bereich ebenfalls zulässigen Erhebung von "Ermittlungsdaten" kann im Bereich der militärischen Nachrichtendienste verzichtet werden, da bei einem laufenden Angriff gegen militärische Rechtsgüter ohnedies gemäß § 2 Abs. 2 MBG die Sicherheitsexekutive grundsätzlich zur weiteren Veranlassung zuständig ist. Im Hinblick auf die geringfügige Zahl der diesbezüglich zu erwartenden Anfragen militärischer Dienststellen erscheint die Normierung einer kostenlosen Zur-Verfügung-Stellung der betreffenden Angaben vertretbar. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist im Zusammenhang mit dieser Befugnis zu bemerken, dass diese Datenermittlungsregelung das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10a StGG in keiner Weise berührt. Dieses Grundrecht umfasst nämlich nach der herrschenden Lehre nur die sog. "Inhaltsdaten" eines Telekommunikationsverkehres (das sind lediglich die Inhalte übertragener Nachrichten); derartige Daten sollen jedoch keineswegs der geplanten Übermittlungsverpflichtung unterliegen. Der ebenfalls relevante Art. 8 EMRK betreffend das Gebot zur Achtung des Privat- und Familienlebens sieht in seinem Abs. 2 eine ausdrückliche Beschränkung dieses Grundrechtes vor, soweit dies "in einer demokratischen Gesellschaft zur Verhinderung von strafbaren Handlungen bzw. für die nationale Sicherheit notwendig" ist; damit ist auch dieser (einfachgesetzliche) Eingriff verfassungsrechtlich uneingeschränkt zulässig.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

21.56

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern hat die Mehrheit des Nationalrates die Einführung eines der ÖVP nahe stehenden polizeilichen Spitzelsystems beschlossen, heute soll ein der Freiheitlichen Partei nahe stehendes militärisches Spitzelsystem beschlossen werden.

Ersparen Sie mir die Überlegungen, was besser und was schlechter ist. (Zwischenruf der Abg. Wochesländer. ) Eine Demokratie braucht grundsätzlich keine bezahlten Spitzel und auch keine Spitzelsysteme, die bestimmen politischen Parteien nahe stehen und in ihrem Interesse aufgestellt werden. (Abg. Jung: Das ist richtig! Eine Demokratie braucht Informationsbeschaffung! Abg. Großruck: Aber Donnerstagsdemonstrationen brauchen wir! Tun’s die auch bespitzeln?)

Zweiter Punkt: In diesem Abänderungsantrag wird auch präzisiert, dass die gefälschten Personendaten, die gefälschten Urkunden und die gefälschten Ausweise bereits für das Vorfeld verwendet werden sollen (Abg. Zellot: Es gibt keine gefälschten Urkunden!)  – also nicht für konkrete Einsätze, wenn irgendetwas passiert, sondern – wie es bei Spitzelsystemen, wie es bei den neuen österreichischen Stasis üblich ist – bereits dort, wo man einen politischen Verdacht hat. (Rufe bei der ÖVP: Das ist unerhört! Abg. Kiss: Diese paranoiden Verschwörungstheorien haben Sie doch schon gestern gesagt!) Dort sollen die Spitzel von Herrn Minister Scheibner und Herrn Abgeordnetem Jung in Zukunft eingesetzt werden. Deshalb verstehe ich auch, warum das normale parlamentarische Vorgehen hier nicht eingehalten wurde. (Abg. Kiss: Das ist doch offensichtlich, dass Sie paranoid sind!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Kiss! (Zwischenrufe bei der ÖVP. Abg. Ing. Westenthaler: Er hat ja Recht! Ruf bei der ÖVP in Richtung des Abg. Dr. Pilz : Er sagt Stasi! – Abg. Edlinger: Vertragen Sie die Wahrheit nicht? Abg. Silhavy: Aber stimmen tut es!) Ich bitte Sie, das Wort "paranoid" nicht zu verwenden! (Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Das müssen Sie politisch austragen, aber doch nicht mit solchen Worten! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Am Wort ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz! (Abg. Ing. Westenthaler: Dann sagen wir halt "Verfolgungswahn"! Rufe bei der ÖVP: Und Stasi? Was ist mit Stasi?) 

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Der Ausdruck "Spitzel" stammt in diesem Zusammenhang nicht von mir. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Stasi! Abg. Kiss: "Stasi" haben Sie gesagt, nicht "Spitzel"!) – Was haben Sie gegen Staatssicherheit? (Abg. Dr. Khol: Das ist die DDR-Stasi! Abg. Ing. Westenthaler: Ja, die DDR-Stasi!) Was haben Sie gegen Vergleiche mit Spitzelsystemen, die Sie, Herr Abgeordneter Westenthaler, zu Recht autoritären Systemen zuordnen? (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. Abg. Murauer: Sie haben nichts gegen einen Vergleich mit der Stasi! – Abg. Westenthaler: Dass Sie nichts gegen die DDR-Stasi haben, wissen wir! Da haben Sie die besten Kontakte!)  – Ja, ich finde, dass Systeme, die an die Staatssicherheit der DDR erinnern, in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat wie Österreich schlicht und einfach nichts verloren haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist nicht die Schuld der kritisierenden Opposition, dass diese Ähnlichkeiten auftauchen (Zwischenruf des Abg. Kiss  Abg. Jung: Und die Moskau-Reise?), sondern es ist die Schuld der Regierungsparteien, eines Verteidigungsministers und eines Geheimdienstoffiziers, dass so etwas in Form von Gesetzesvorlagen dem österreichischen Nationalrat vorgelegt wird. (Abg. Mag. Kogler: Weil’s wahr ist! Abg. Kiss – in Richtung des Abg. Mag. Kogler –: Sie sagen nach, was der Pilz vorplappert!)

Ich bedauere zutiefst, dass wir hier überhaupt eine Materie dieser Art diskutieren müssen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Noch einmal kurz zur Vorgangsweise: Normale parlamentarische Vorgangsweise und normale Gepflogenheiten wären es, rechtzeitig – möglichst noch vor den Ausschussverhandlungen – Abänderungsanträge einzubringen und es möglich zu machen, dass sie auch von der Opposition behandelt und diskutiert werden. (Abg. Kiss: Man kann doch nicht die Republik Österreich mit der DDR vergleichen! Das ist kein Ordnungsruf? Das geht durch! Abg. Ing. Westenthaler: Der lässt alles zu, der Präsident! Wenn der Linke redet, lässt er alles zu! Da darf man Österreich mit der DDR gleichsetzen!)

Dieser heutige Abänderungsantrag ist den Kollegen von der SPÖ sehr spät und uns erst ganz kurz vor der Debatte übergeben worden. (Abg. Kiss: Das hat er schon gestern gesagt! Rufe bei den Freiheitlichen: Toll! Super!) Der Zeitpunkt war ganz offensichtlich so gewählt, dass der Opposition die Gelegenheit genommen werden sollte, noch rechtzeitig vor der Beschlussfassung die Öffentlichkeit zu informieren. (Abg. Kiss: "Stasi" sagen, das geht doch nicht!)

Bei aller politischen Konkurrenz bin ich froh darüber, dass sozialdemokratische Abgeordnete noch rechtzeitig vor uns davon erfahren haben. Es ist sehr wichtig, dass die Öffentlichkeit noch vor einer Beschlussfassung erfährt, was hier wieder an Einschränkungen von Demokratie, Rechtsstaat und Rechtssicherheit geplant ist. (Rufe bei der ÖVP: Wo denn? – Abg. Kiss: So ein Unsinn! Abg. Silhavy  in Richtung ÖVP : Warum sind Sie so aufgeregt?)

Herr Abgeordneter Kiss! Herr Abgeordneter Jung! Ich sagen Ihnen Folgendes: (Abg. Kiss: Sie brauchen uns nichts zu sagen! Zwischenruf des Abg. Jung. ) So wie die Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes werden wir auch diese Änderungen, diesen Abänderungsantrag und dieses Gesetz auf Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. (Abg. Kiss: Dass er so weiterreden darf, das ist ungeheuerlich!)  – Ich weiß, dass Sie es ungeheuerlich finden (Rufe bei der ÖVP: Ja! Abg. Kiss: Nein, das ist zum Ärgern!), wenn wir die Einhaltung der Bundesverfassung fordern.

Sie sollten aber Folgendes zur Kenntnis nehmen: Sie haben die absolute Mehrheit in diesem Haus, aber die Verfassung ist nach wie vor durch eine Zweidrittelmehrheit und durch einen Verfassungsgerichtshof geschützt. (Abg. Jung: Ja, aber das geht bei der Stasi nicht, Herr Kollege!) Wir werden den Weg zu diesem Verfassungsgerichtshof finden (Abg. Jung: Irren Sie sich nicht!), um den systematischen Verfassungsbruch in den Sicherheitsgesetzen dieses Hauses


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107. Sitzung / Seite 225

zu verhindern und dafür zu sorgen, dass die Verfassung und der Rechtsstaat am Ende nach wie vor stärker sind als die politische Willkür der Regierungsparteien. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

22.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. Die Redezeit beträgt 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf  in Richtung des Abg. Dr. Pilz : Das ist ein Stasi-Verharmloser!)

22.02

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Was uns Herr Abgeordneter Pilz hier vorführt, ist ein trauriges Schauspiel. (Beifall und Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. Abg. Silhavy  in Richtung Freiheitliche und ÖVP : Sie bekommen einen Ordnungsruf für Ihr Benehmen!) Ich bedauere es, dass wir uns das anhören müssen. (Abg. Edlinger: Das ist in der Demokratie so! Das muss man sich anhören!)

Man wäre fast dazu geneigt, zu reflektieren und Antworten zu geben, aber ich sage Ihnen, Herr Kollege Pilz: Ich kann in diese Welt, in der Sie leben, nicht eindringen, und ich kann mir nicht vorstellen, wovon Sie eigentlich verfolgt werden und wo Ihre Spitzel – das ist Ihr Wort – sind, die Sie permanent verfolgen. Tag und Nacht springen Sie auf, schweißgebadet. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)  – Jetzt lachen Sie! Natürlich finden Sie das lächerlich, was gesagt wurde. (Abg. Mag. Stoisits: Das ist auch ziemlich lächerlich!)  – Leider Gottes ist es zu ernst. (Abg. Mag. Kogler: Bringen Sie Ihren Abänderungsantrag ein, Herr Kollege!)

Wo ist die Stasi in diesem Land? Herr Kollege Pilz! Ich weise zurück, dass solche Methoden in unserem Land überhaupt angedacht werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. Abg. Brosz: Wann bringen Sie den Antrag ein?)

Meine Damen und Herren! So würde eine Koalition aus SPÖ und Grünen ausschauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Jeder möge sich seinen eigenen Reim darauf machen, sich die zukünftige Koalition ausmalen und sich vorstellen, wie die einzelnen Ministerien aufgeteilt werden und dass Herr Kollege Pilz im Innen- oder im Verteidigungsressort oder in einem sonstigen für Sicherheitsagenden zuständigen Bereich zu finden wäre. – Gute Nacht Österreich, möchte ich dazu nur sagen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es geht um viel mehr, und zwar um die Einsparung in den Zentralstellen im Landesverteidigungsbereich und darum, dass offene, eingesparte Planstellen an die Truppe gehen, sodass die Sicherheit in diesem Land gewährleistet ist. Ebenso wie im Innenministerium bei der Zentralstelle gespart wird und nicht bei jenen Beamten, die für unsere Sicherheit sorgen, geschieht das auch im Landesverteidigungsministerium.

Niemand in diesem Land braucht sich Sorgen zu machen, wenn dort gespart wird, wo die Administration aufgebläht ist und wo Schlankheit angesagt ist, wenn die Zentralstellen entsprechend durchleuchtet werden und wenn nicht draußen bei der Truppe, die für die Landesverteidigung zuständig ist, und dort, wo unsere Beamten der Exekutive Dienst machen und für unsere Sicherheit sorgen, gespart wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dieses Reorganisationsgesetz strafft die Kommanden, Stäbe, Ämter und Zentralstellen. Herr Bundesminister! Wir sind voll der Hoffnung, dass dies auch umgesetzt wird und die Truppe diese zusätzlichen Planstellen auch spüren kann. Es geht um ganz konkrete Einsparungen wie zum Beispiel, dass die Wehrpflichtigen keinen Meldezettel mehr brauchen oder dass Jugendliche, die sich in der Ausbildung befinden, erst einberufen werden, wenn ihre Ausbildung abgeschlossen ist. – Das alleine spart 15 000 Bescheide ein.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Aufgaben der Zukunft die Änderung im Unteroffiziersbereich notwendig machen, dass hier die Problematik der nicht beitragsgedeckten Gesamtdienstzeiten besteht, dass auch jene eine Pensionsberechtigung bekommen sollen, die vor 1945 geboren sind, und dass es Laufbahnbilder sowohl für Unteroffiziere als auch für Offiziere


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gibt. Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass es eine Berufsanerkennung für die Unteroffiziersausbildung gibt, die in vielen Bereichen der zivilen Berufsausbildung ähnlich ist.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Pilz! Beim Militärbefugnisgesetz geht es nicht um einen Stasi- oder Spitzelakt, sondern um eine Abgleichung, um die Schaffung von Rechtssicherheit in unserem Lande auch für die Landesverteidigung und um die Abgrenzung zum Sicherheitspolizeigesetz. Deshalb wird die ÖVP ihre Zustimmung dazu geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Scheibner. – Bitte.

22.07

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorerst möchte ich mich bei allen Abgeordneten bedanken, die die Reorganisation der Zentralstelle des österreichischen Bundesheeres und der oberen und obersten militärischen Führung begrüßt und auch unterstützt haben.

Dieses Projekt gibt es schon seit eineinhalb Jahren, und wir konnten in den letzten Wochen und Monaten in zahlreichen Projektgruppen sehr viel darüber diskutieren. Es war ein schwieriges Projekt, weil wir es – wie Herr Abgeordneter Gaál richtig gesagt hat – ohne Zuhilfenahme von externen Beratern einzig und allein durch die Kapazität und die Arbeit der eigenen Beamten im Verteidigungsministerium geschafft haben, eine grundlegende Neuordnung dieser Führungsstrukturen zu beschließen. – Darauf bin ich sehr stolz

Es ist unser Prinzip, bei der Verwaltung, bei der Bürokratie, beim so genannten Overhead zu sparen und damit Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass unsere Einsatzorganisation – das heißt, die Soldaten, die wir zur Aufrechterhaltung der Aufgabensituation des österreichischen Bundesheeres brauchen – für die Sicherheit unserer Bevölkerung noch besser da sein kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin sehr froh darüber, dass es auch der Personalvertretung gelungen ist, diese Maßnahmen mit großer Übereinstimmung zu setzen. Heute früh in der Fragestunde haben wir auch über die Rahmenbedingungen, die notwendig waren, um diesen Personalabbau möglichst rasch zu Wege zu bringen, diskutiert. Es gibt natürlich das Projekt – das muss auch das Ziel sein –, möglichst viele dieser Einsparungen der Truppe direkt zugute kommen zu lassen.

Herr Abgeordneter Gaál, Sie haben den Truppenabbau in Wien angesprochen. Bis jetzt gab es natürlich das Problem, dass man, wenn man das Personal im Overhead-Bereich nicht in den Ruhestand versetzen oder in andere Verwendungen bringen kann, es aber ein grundsätzliches Einsparungsziel im öffentlichen Dienst gibt – wir bekennen uns ja dazu, dass alle Institutionen des Staates schlanker werden müssen –, bei den Neuaufnahmen einsparen muss. Das ist aber gerade im Sicherheitsbereich – nicht nur beim Bundesheer, sondern auch bei der Polizei – durchaus problematisch, weil man genau diese jungen Beamten, diese Einsatzkräfte vor Ort benötigt.

Genau deshalb ist diese Reform durchgeführt worden. Wir werden natürlich immer einen engen Personalrahmen haben, aber gerade für die Wiener Verbände ist es notwendig, diese neuen Personalstrukturen und das nötige Personal zu bekommen. Ich habe vor kurzem auch eine Alarmierung des Militärkommandos Wien durchgeführt, um aktuelle Sicherheitsszenarien – etwa terroristische Bedrohungen auf zentrale Institutionen und Einrichtungen hier in Wien – durchzuüben. Wir haben gesehen, dass das nur dann geht, wenn wir in der Einsatzorganisation in Wien auch das nötige Personal haben.

Zum Militärbefugnisgesetz: Herr Abgeordneter Gaál! Sie haben gesagt, es gibt keine ausreichende Abgrenzung zwischen dem zivilen Bereich – Sicherheit und Polizei – und dem Militär. Wenn Sie sich das Militärbefugnisgesetz ansehen – auch darüber haben wir ja schon sehr viel debattiert –, dann wissen Sie, dass genau diese Abgrenzung die Ursache und die Begründung für die Verabschiedung des Militärbefugnisgesetzes war, dass dieser Graubereich jetzt endlich


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der Vergangenheit angehört, dass eine Rechtsgrundlage für die Nachrichtendienste geschaffen wurde und die Kompetenzen für die Wachdienste festgelegt wurden, und zwar auf einer gesetzlichen Grundlage, gemäß der auch ein Rechtsschutzbeauftragter – der auch Ihnen im entsprechenden Ausschuss zur Verfügung steht – zur Kontrolle bestellt wurde und in der diese Ausnahmebestimmungen und Befugnisse auch nachzulesen und damit entsprechend nachvollziehbar sind.

Die jetzige Veränderung ist Ausfluss der Änderung im Sicherheitspolizeigesetz. Es war ja die Absicht – eben um ein Auseinanderdriften dieser beiden Bereiche zu verhindern –, dass es möglichst rasch eine Anpassung an ein geändertes Sicherheitspolizeigesetz geben soll. In diesen Vorlagen wurde im Großen und Ganzen – wie es auch der Rechtsschutzbeauftragte ausgeführt hat – eine stärkere Determinierung der ohnehin schon bestehenden Kompetenzen geschaffen, und es wurde einem Wunsch des Verbandes der Zeitungsherausgeber entsprochen, nämlich den Schutz des Redaktionsgeheimnisses im Militärbefugnisgesetz besser umzusetzen.

Ich meine, dass es gerade, wenn man offen und ehrlich darüber nachdenkt, Abgrenzungen und bessere gesetzliche Determinierungen zu schaffen, offensichtlich ist, dass diese Veränderungen in die richtige Richtung gehen.

Herr Abgeordneter Pilz, Sie haben Recht – das gestehe ich Ihnen zu –, wenn Sie kritisieren, dass Sie diesen Abänderungsantrag später bekommen haben als die sozialdemokratische Fraktion. Ich habe das aus einer Presseaussendung erfahren. Den Verdacht, den Sie geäußert haben, dass hier eine Absicht dahinter steht, kann ich nicht nachvollziehen. (Ironische Heiterkeit der Abg. Dr. Lichtenberger. ) Ich sage Ihnen aber ganz offen, dass ich das bedauere. Das war sicherlich ein Irrtum. Wir werden in Zukunft auf jeden Fall danach trachten, dass es hier eine Gleichbehandlung gibt.

Herr Abgeordneter Pilz! Was ich aber wirklich zurückweisen muss, sind die Beurteilungen und auch die Bezeichnungen, die Sie hier eingebracht haben. Es gibt kein den Freiheitlichen nahe stehendes Spitzelsystem in Österreich, sondern es gibt militärische Nachrichtendienste, die für die militärische Sicherheit im Inneren zuständig sind, klar abgegrenzt von der Sicherheitspolizei, und es gibt im Rahmen des Nachrichtenamtes ein international anerkanntes System der Nachrichtenbeschaffung für unsere Sicherheit.

Wir alle wissen nämlich genau – das sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen –, und zwar nicht erst seit dem 11. September, dass man nur dann Schutz und Hilfe geben kann, wenn man auch Informationen über eine Bedrohung in diesem Bereich, möglichst auf einer internationalen Basis, erhalten kann. (Abg. Dr. Niederwieser: Das haben wir gesehen ...!) Deshalb ein klares Bekenntnis zu demokratisch kontrollierten und gesetzlich geregelten Nachrichtendiensten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Pilz! Sie sollten es sich wirklich überlegen, ob es angebracht ist, hier im Nationalrat der Republik Österreich solche gesetzlich geregelten, demokratisch kontrollierten Nachrichtendienste mit einem Stasi-System zu vergleichen, also einem Geheimdienst einer kommunistischen Diktatur, auf deren Rechnung in den letzten Jahrzehnten Tausende und Abertausende Menschenrechtsverletzungen und Tote gingen. (Abg. Kiss: Nicht mehr und nicht weniger will ich dem Präsidenten sagen! So ist es! Nicht mehr und nicht weniger!) Dieser Vergleich ist – ich sage es vorsichtig – absolut unpassend und hat hier in diesem Haus sicherlich nichts verloren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Kiss: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte wiederholen, dass mit der heutigen Beschlussfassung des Reorganisationsbegleitgesetzes ein wichtiger Schritt in Richtung eines schlankeren, effizienteren Heeres gesetzt wird. (Abg. Dr. Niederwieser: Schlank nicht, aufgebläht!) Es werden natürlich – da haben Sie schon Recht – die Umsetzungsschritte noch genau zu beobachten sein. Wir haben ja in Wirklichkeit mit der Umsetzung gerade erst in der Zentralstelle begonnen, sie soll aber wirklich in allen Bereichen der Kommanden erfolgen, denn wir haben bei der Bürokratie, bei der Verwaltung, Einsparungspotentiale zwischen 20 und 40 Prozent.


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Volle Unterstützung aber – darin sind wir uns hoffentlich alle einig – bei der Einsatzorganisation, denn das sind die Truppenteile, das sind die Soldaten, die tagtäglich rund um die Uhr für unsere Sicherheit bürgen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister Scheibner! Ich mache jetzt eine persönliche Bemerkung. – Vielleicht ist es ein Fehler. Trotzdem: Ich halte es für richtig, mit einem Vorwurf, den man als inakzeptabel betrachtet, so umzugehen, wie es der Herr Bundesminister gerade gemacht hat, nämlich sich inhaltlich damit auseinander zu setzen. – Das ist parlamentarischer Diskurs. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prähauser. – Bitte. (Abg. Kiss: So wie der Herr Minister geantwortet hat, hätte ich es mir vom Präsidenten erwartet! Das wäre Ihre Aufgabe gewesen!)

22.15

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Freiheitlichen, ÖVP und SPÖ. – Abg. Silhavy: Die ÖVP-Abgeordneten haben ein Benehmen, das ist dieses Hauses unwürdig! – Abg. Neudeck  – in Richtung der Abg. Silhavy –: Vorsicht! Sie haben eine Stimme, die ist dieses Hauses unwürdig!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Herr Abgeordneter Prähauser!

Abgeordneter Stefan Prähauser (fortsetzend): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bitte auch Herrn Kollegen Kiss, mir sein Ohr zu leihen, wenn er es entbehren kann. Ansonsten möchte ich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Murauer eingehen. Herr Kollege Murauer! (Abg. Murauer: Ja, bitte!) Sie haben mir zuerst wirklich Sorgen gemacht, und zwar mit Ihrer Angst, dass es zu einer rot-grünen Koalition kommen könnte. Sie haben es in der Hand, Ihre Regierung auf die richtigen Bahnen zu bringen, sodass der Wähler diese "Notmaßnahme", die ich für notwendig halte, nicht ergreifen muss. (Abg. Neudeck: Das ist eine Notmaßnahme! Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass die Vorgangsweise im Zusammenhang mit dem heute zu verhandelnden Gesetz – dem Reorganisationsbegleitgesetz – und dem Abänderungsantrag bezüglich der Änderung des Militärbefugnisgesetzes die Bezeichnung "verdecktes Beschließen" verdient. Herr Bundesminister! Auf der einen Seite steht ein Reorganisationsbegleitgesetz, das die Sozialdemokraten mit Freude mitgetragen hätten, auf der anderen Seite aber ein blitzartig eingebrachter Abänderungsantrag zum Militärbefugnisgesetz, der es uns unmöglich macht, hier einen gemeinsamen Konsens zu finden.

Die gute Verhandlungsbasis in den Ausschüssen wird hier in einer Art und Weise desavouiert, dass der Eindruck entsteht, dass Sie gar nicht daran interessiert sind, die Oppositionsparteien für gemeinsame Beschlüsse gewinnen zu können. Bezüglich des Reorganisationsbegleitgesetzes wäre es sicher möglich gewesen, mit den Sozialdemokraten zu einer gemeinsamen Vorgangsweise zu gelangen. (Abg. Murauer: Da müssen Sie es uns eine Spur einfacher machen!)

Die Änderung des Militärbefugnisgesetzes – dieser kurze Abänderungsantrag – macht es uns natürlich unmöglich, hier entsprechend mitzugehen. Die Möglichkeiten des verdeckten Ermittelns mit legalen falschen Identitäten und die erweiterten Befugnisse für militärische Geheimdienste sollen – Herr Kollege Jung hat das gesagt, wie ich den Medien entnehme – nur militärischen Personen zukommen. Da haben wir die Sorge, dass dem nicht so ist. Wir nehmen das aber mit Obacht zur Kenntnis und werden es entsprechend beobachten.

Meine Damen und Herren! Mit verdecktem Beschließen meine ich aber auch, dass hier heute auch eine Variante des Reorganisationsbegleitgesetzes zur Beschlussfassung vorliegt, die zum Beispiel den einfachen Teil enthält, dass es in Zukunft erlaubt sein sollte, nach Überschreiten der Altergrenze der Wehrpflicht bei entsprechender Genehmigung durch das Militär auch Uniform zu tragen. – Auf der einen Seite so etwas, und auf der anderen Seite diese totale Überwachung!


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Meine Damen und Herren! Mir fällt dazu ein: Privatsphäre ade, George Orwell lässt grüßen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. Abg. Kiss: Das glaubst du ja wohl selbst nicht, Prähauser! Du hast ja das Gesetz nicht gelesen!)

22.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reindl. Die Redezeit beträgt 2 Minuten. – Bitte.

22.19

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ausgerechnet das ehemalige Mitglied der "Revolutionären Marxisten", der grüne Abgeordnete Peter Pilz, spricht gestern von einem polizeilichen Spitzelsystem und heute von einem militärischen Spitzelsystem – und er geht noch viel weiter, indem er von "neuen österreichischen Stasis" spricht (Abg. Dr. Niederwieser: Bekennt euch doch dazu ...!), und noch weiter, indem er von einem "System" spricht, "das an die Staatssicherheit der DDR erinnert"!

Die Freiheitlichen weisen diese Ausdrucksweise auf das Entschiedenste zurück! – Das ist ungeheuerlich, das ist schlichtweg ein Skandal!

Herr Präsident! Hier könnten Sie einmal prüfen, ob nicht für diese Ausdrucksweise ein Ordnungsruf gerechtfertigt wäre! (Abg. Ing. Westenthaler: Einen Ordnungsruf kriegst du für "stellvertretender Parteivorsitzender"! Für "DDR-Stasi" kriegst du keinen!)  – Aha, da bekommt man keinen Ordnungsruf. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist das Maß des Präsidenten!) Es wäre wirklich zu überprüfen, ob hier nicht ein Ordnungsruf gerechtfertigt wäre.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Scheibner hat eine Umgliederung an der militärischen Spitze durchgeführt. Korpskommanden wurden aufgelöst, ein schlagkräftiges Kommando für Landstreitkräfte in Salzburg und ein Kommando für internationale Einsätze in Graz wurden geschaffen. Diese Entscheidungen sind auf fachlicher und sachlicher Ebene unter Berücksichtigung der geographischen Lage gefallen.

Meine Damen und Herren! Wo hat der Herr Bundesminister mit der Umstrukturierung begonnen? – Nicht bei der Truppe, sondern in seinem Ministerium hat er Planstellen reduziert: Von 1 436 Planstellen bleiben 911 übrig. Das ist eine moderne, schlanke und sparsame Führungsstruktur unter Berücksichtigung des Sozialplanes, mit dem Dienstnehmer ab dem 55. Lebensjahr in den Vorruhestand treten können, wenn ihr Arbeitsplatz aufgelassen wird.

Hohes Haus! Zur Klarstellung, damit ja keine Missverständnisse entstehen: Niemand wird hinausgeekelt, niemand wird gezwungen, in den Vorruhestand zu treten. Jeder Bedienstete, dessen Arbeitsplatz von der Umstrukturierung betroffen ist und der mindestens 55 Jahre alt ist, wird angeschrieben. Das Vorruhestandsmodell basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Alle Maßnahmen wurden auch im Einvernehmen mit der Personalvertretung getroffen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Dem Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner ist zu gratulieren. Er steht an der Spitze eines modernen, schlanken, effizienten österreichischen Bundesheeres zum Schutz und für die Sicherheit der Bevölkerung unseres Heimatlandes. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

22.22

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Reorganisationsbegleitgesetz ist in gewisser Weise einzigartig. Einige Teile davon, wie das Munitionslagergesetz und das Sperrgebietsgesetz, die heute mitbehandelt werden, werden im Zuge der Verwaltungsreform der Bundesregierung geändert.

Wo bleibt das Einzigartige? – Man kann der Verwaltungsreform wahrlich keinen überragenden Erfolg nachsagen. Wenn jetzt einzelne Bestimmungen so geändert werden, dass sie zu einer


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Verwaltungsvereinfachung führen, sollte man das nicht unter den Tisch kehren. Sonst bleiben der Verwaltungsreform ja überhaupt keine Erfolgsmeldungen.

Die Bestimmungen, von denen ich spreche, betreffen die Behördenzuständigkeit. Im Munitionslagergesetz sowie im Sperrgebietsgesetz 2002 werden die erstinstanzlichen Zuständigkeiten des Bundesministeriums für Landesverteidigung weitestgehend beseitigt. Eine Dezentralisierung, die durchaus sinnvoll ist, findet unsere Zustimmung. Dass darüber hinaus auch die sprachliche Gleichbehandlung von Mann und Frau in die Legistik des Bundesministeriums für Landesverteidigung Eingang findet, ist positiv zu erwähnen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Was mir aber große Sorge bereitet, ist der Abänderungsantrag der Abgeordneten Jung, Loos und Kollegen zum Militärbefugnisgesetz, wodurch auch dem Heeres-Nachrichtenamt und Abwehramt genau die gleichen Möglichkeiten, die ich gestern beim Sicherheitspolizeigesetz kritisiert habe, geboten werden (Abg. Böhacker: Stimmt ja nicht!): verdeckt zu ermitteln und mit falschen Identitäten auszustatten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind die letzten Bausteine auf dem Weg zur totalen Überwachung!

Darauf gibt es nur eine Antwort: Derartige Methoden sind aus demokratiepolitischen Gründen abzulehnen! Ich hoffe sehr, dass man hier eine missbräuchliche Verwendung nicht zulässt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

22.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Loos. – Bitte.

22.24

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Anfangs freue ich mich immer wieder, wenn ein SPÖ-Redner zum Rednerpult tritt und die Gesetze lobt, die wir in der Sicherheitspolitik und in der Verteidigungspolitik vorschlagen. Dann kommt aber leider Gottes immer das Aber!

Herr Abgeordneter Gaál hat heute gesagt: Wenn die SPÖ wieder die Mehrheit erhalten wird, dann wird sie auch die Gesetze wieder mitbeschließen. Wir jedenfalls haben immer die Sicherheit und die Landesverteidigung im Auge gehabt, und wir haben vernünftige Gesetze immer mitbeschlossen. Ein solches Gesetz beschließen wir auch heute wieder, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Niederwieser: Sicherheit ohne Freiheit, darauf kann ich verzichten!)

Zur Reorganisation ist bereits vom Herrn Minister alles gesagt worden. Ich glaube, es ist richtig, so wie in der Innenpolitik auch in der Politik, in der es um die Außenverteidigung geht, Antworten zu geben, die der heutigen Zeit entsprechen. Das tun wir mit dieser Reorganisation.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was das Militärbefugnisgesetz betrifft, haben wir lange darüber gesprochen. Wir haben auch lange darüber verhandelt. Eines steht fest: Es ist ein Gesetz, aus dem eine transparente Vorgangsweise für alle zu ersehen ist. Das war früher nicht so. Wir haben Verschiedenes gesammelt und machen jetzt alles transparent. Das ist auch wichtig.

Wir haben auch eine Kontrolle durch das Parlament, das halte ich ebenfalls für sehr wichtig. Herr Abgeordneter Jung hat bereits auf das Schreiben des Rechtsschutzbeauftragten hingewiesen, der in besonderer Weise diese Dinge, die wir heute beschließen, als positiv hervorhebt. Das möchte ich auch dazu sagen. Dieser Rechtsschutzbeauftragte wurde vom Abgeordneten Pilz, vom Abgeordneten Gaál und von allen gewünscht, und dieser Rechtsschutzbeauftragte hat heute hier auch eine entsprechende Antwort gegeben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Uns geht es darum – das möchte ich abschließend sagen –, dass nicht immer unsere Dienste verdächtigt werden. Wir sind hier Gesetzgeber, und von manchen dieser Gesetzgeber höre ich hier immer wieder, dass sie nur vom Missbrauch irgendwelcher Organe reden. Ich nehme einmal grundsätzlich an, dass unsere Staatsorgane gesetzesgemäß vorgehen. Das tun sie auch,


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meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich möchte sie hier verteidigen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es kann einen Missbrauch geben.

Da ich hier gerade dieses D sehe, danke ich dem Herrn Bundesminister für die gute Vorbereitung dieses Gesetzes! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

22.26

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich gratuliere Ihnen sehr herzlich! Als einziges Regierungsmitglied sind Sie draufgekommen, dass bei 30 000 Arbeitslosen mehr als vor einem Jahr Arbeitsplätze zu schaffen sind. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber 100 000 Arbeitslose weniger als bei euch!)

Wie schaffen Sie diese? – Sehen Sie, Herr Abgeordneter Loos, jetzt kommt das Aber. Herr Abgeordneter Reindl und Herr Abgeordneter Murauer! Ich bitte Sie auch, Herr Präsident, zu beachten, dass ich festhalte: Nicht ich verwende das Wort "Spitzel", sondern ich erlaube mir, den "Kurier" von morgen zu zitieren: "Spitzeldienste" – "Wollen Sie nebenbei mit ein paar Recherchen Geld verdienen?" (Abg. Neudeck: ... "Kurier" lesen!)  – "Spitzeldienste"!

Herr Bundesminister, da stellen sich für mich als Gewerkschafter einige Fragen: Unter welchen Bedingungen werden diese Arbeitsverhältnisse stattfinden? Ist das ein Vollzeitjob? Ist das ein Geringfügigkeitsjob? Gibt es einen Kollektivvertrag? (Abg. Dr. Ofner: Willst dort anfangen?) Ist die Metallergewerkschaft zuständig? – Wir haben ja gute Beziehungen, wir haben eine Partnerschaft. Vielleicht nehmen Sie uns als Kollektivvertragspartner, ich stehe Ihnen sehr gerne zur Verfügung! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Doch Spaß beiseite – Herr Bundesminister, diese Angelegenheit ist sehr ernst! Sie haben es nämlich geschafft – gestern der erste Schritt, heute der zweite Schritt –, dass, sobald dieses Gesetz beschlossen ist, jede Österreicherin und jeder Österreicher ein gläserner Mensch sein wird.

Aber ich stehe nicht an, zu sagen (Abg. Neudeck: Sind aber ...!): Dieses Gesetz hat doch auch einiges Gutes. Ich darf sagen, es freut mich, dass Sie das Militär-Auszeichnungsgesetz geändert haben, sodass es nun möglich ist, dass man Bundesheerangehörigen, auch wenn sie nicht vier Wochen, sondern nur relativ kurze Zeit im Einsatz gewesen sind, aber auch in dieser kurzen Zeit unter Gefährdung ihrer Gesundheit oder sogar ihres Lebens zur Verteidigung oder Beseitigung von Katastrophen beigetragen haben, ein sichtbares Zeichen verleihen kann. Daher werden wir in zweiter Lesung zustimmen.

Aber in dritter Lesung müssen wir, geschätzter Herr Bundesminister, auch wenn Sie Arbeitsplätze schaffen, leider ablehnen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist aber schlecht! Sehr inkonsequent!)

22.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Graf. – Bitte.

22.30

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht kann man zur Versachlichung beitragen: Was bringt das Reorganisationsbegleitgesetz? – Genau das, was Herr Abgeordneter Gaál am Beginn dieser Debatte gefordert hat: die Straffung der obersten militärischen Führung.

Hier nenne ich in dem Projekt REORG zunächst einmal die Übertragung der erstinstanzlichen Zuständigkeit für Auslandseinsätze sowie anderer Zuständigkeiten des Bundesministers für Landesverteidigung durch die Abgabe an nachgeordnete Behörden, wie etwa das Heeres-Personalamt und die Militärkommanden. Auch die Zitierungsanpassungen sind ein Punkt, den es zu erwähnen gilt – es gibt zahlreiche Verweisungen –, ferner die Neuerlassung des Heeres


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gebührengesetzes, der Auslandseinsatzgesetze sowie die Wiederverlautbarung des Wehrgesetzes und der Sperrgebietsgesetze.

Es gibt die auch von Ihnen geforderte schlanke Organisation – die "lean legislation" – und die Umwandlung des Aufschubs des Grundwehrdienstantrittes gemäß den gesetzlichen Einberufungshindernissen. Außerdem kommt es zum Entfall eines Punktes, der in vielen Fällen zu sehr viel Verwirrung beigetragen hat. Das ist die Notwendigkeit des Mitschleppens des Meldezettels mit der jeweiligen Ummeldung an das jeweilige Militärkommando. Nunmehr ist auf Grund der Einführung des zentralen Melderegisters damit Genüge getan, eine entsprechende Ummeldung von Militärkommando zu Militärkommando innerhalb Österreichs vorzunehmen.

Ein wichtiger Punkt ist überdies die Erlaubnis, die Uniform nicht nur nach Ende der Wehrpflicht zu tragen, sondern insbesondere auch bei den Veranstaltungen der Gebietskörperschaften, bei denen Milizsoldaten entsprechend präsent sein können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte.

22.32

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Sozialdemokratie hat sich immer bemüht, bei den Vorlagen zur militärischen Landesverteidigung einen Konsens zu finden, und sie hat konstruktiv mitgearbeitet. So war es auch im letzten Ausschuss. Dort wurden die Meinungen ausgetauscht, und es wurde klargelegt, dass wir sehr vieles für vernünftig halten. Es wurde aber auch dargestellt, wo es Probleme gibt.

Daher ärgert es mich – ich ärgere mich persönlich über mich –, dass ich so naiv war, als ich heute gehört habe, dass ein Abänderungsantrag eingebracht wird, zu glauben, dass dieser Abänderungsantrag beinhaltet, dass der Art. 7 gestrichen wird, um einen gemeinsamen Beschluss für dieses Reorganisationsgesetz zu erwirken. – Aber weit gefehlt, es kommt das Gegenteil! So bildet sich eine Vorgangsweise ab, und dies fügt sich zu einem Ganzen zusammen.

Warum ist es eigentlich keine Regierungsvorlage? – So gewaltig ist dieser Teil ja auch nicht, dass das Bundesministerium nicht in der Lage wäre, dies als Regierungsvorlage einzubringen. Begründung: Man erspart sich die Begutachtung, man gewinnt vielleicht Zeit. Man hat dies also durch einen Antrag der beiden Abgeordneten eingebracht, und dort sind laut Antragsteller, Kollegem Jung, die "Kleinigkeiten" drinnen: Mit solchen Kleinigkeiten werden wir doch nicht den Herrn Minister belästigen! (Abg. Jung: Aber Sie hätten es lesen können!)

Dann kommt es: Nach Ausschaltung der Begutachtung kommt um 22 Uhr der Abänderungsantrag – aber nicht zum Suchen der Einstimmigkeit, sondern zur Verschärfung des Konfliktes! Kollege Jung, Sie hätten durchaus die Möglichkeit gehabt, dieses Militärbefugnisgesetz, von dem Sie ganz genau gewusst haben, dass es sich hier reibt, herauszunehmen und es in einem eigenen Punkt zu behandeln, um hier für eine breite Zustimmung zu sorgen. Sie haben es nicht getan! Sie sind der Ansicht, Sie brauchen sämtliche Kompetenzen, die der Innenminister hat, auch in der Landesverteidigung. (Abg. Jung: Dann lesen Sie es!) Ich weiß nicht, was Sie sich hier aufbauen wollen.

Herr Kollege Jung! Erzählen Sie uns nie wieder etwas davon, dass Sie bei Ihren Vorlagen einen breiten Konsens suchen! (Beifall bei der SPÖ.)

22.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.

22.35

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verwaltungsreform durch Straffung der Organisation, Verwal


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tungsvereinfachung für Wehrpflichtige und zivile Beamte, Verwaltungskontrolle durch Ausweitung der Befugnisse der unabhängigen Einsatzstraforgane, eine Erweiterung des Verleihungstatbestandes für Einsatzmedaillen und das Militärbefugnisgesetz – das sind Teile einer langen Liste von Reformen, die wir heute beschließen werden. Diese Reformen werden dem Bundesheer jene Struktur geben, die nötig ist, um die sicherheitspolitischen Aufgaben der Gegenwart und Zukunft effizienter, wirtschaftlicher und zweckmäßiger zu erfüllen. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Reformen bedeuten aber auch Vereinfachungen für die Bürger, Vereinfachungen, die im Sinne einer bürgerfreundlichen Verwaltung notwendig und geboten sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als steirische Abgeordnete bin ich natürlich außerordentlich froh darüber, dass es im Zuge der Organisationsreform gelungen ist, den Standort Graz zu erhalten. Die Etablierung des Kommandos Internationale Einsätze in Graz bedeutet nicht nur, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben, sondern dass auch von der zukünftigen Heeresorganisation auf bestehende Infrastruktur, vorhandenes Know-how und erstklassiges Personal zurückgegriffen werden kann.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass es auch den Intentionen und Bemühungen unserer Frau Landeshauptmann zu danken ist, dass dieser Standort in Graz erhalten geblieben ist. (Beifall bei der ÖVP.)  – In diesem Sinne wünsche ich noch einen gedeihlichen Abend. (Beifall bei der ÖVP.)

22.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Es ist dies seine zweite Wortmeldung. Restliche Redezeit: maximal 6 Minuten.

22.37

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe persönlich den Eindruck, dass es mir in meinem ersten Redebeitrag nicht gelungen ist, Ihnen konkret genug zu erklären, was ich mit meinem Vergleich mit der Stasi der DDR meine und warum ich meine Kritik darauf aufbaue. Deshalb möchte ich das jetzt noch etwas präziser versuchen.

Zum Ersten: Was war die Stasi der DDR? – Sie war so etwas wie der politische Geheimdienst (Abg. Dr. Martin Graf: War das eine befreundete Organisation von Peter Pilz?), der den Staat und die Staatspartei über jede Opposition, über jeden Andersdenkenden informieren sollte und dazu unter anderem Spitzel und gefälschte Identitäten einsetzte. (Ruf bei der ÖVP: Warum wissen Sie das so genau?)

Was liegt hier nun vor in diesem Zusammenspiel von Militärbefugnisgesetz und Abänderungsantrag? – Das Militärbefugnisgesetz und die Erläuterungen dazu sind eindeutig. (Abg. Dr. Martin Graf: Das wäre ja interessant ...!) Dies gibt den Geheimdiensten des Militärs das Recht, gegen Kritiker der militärischen Landesverteidigung zu ermitteln, wie es in den Erläuterungen zum Gesetz wörtlich heißt! (Bundesminister Scheibner: Wo steht das?)

Das reicht völlig! Wer die militärische Landesverteidigung öffentlich kritisiert, kann bereits zum Gegenstand von Überwachungen, Überprüfungen und so weiter werden. (Abg. Nürnberger: Du wirst sicher überprüft!)

Wie? – Auch das beantworten die Gesetze, und das beantwortet diesmal zum ersten Mal der Abänderungsantrag mit einem konkreten Begriff: "verdeckte Ermittler". Dazu gibt es die so genannte Legende, also die gefälschte Identität.

Jetzt gibt es im Abänderungsantrag aber noch eine weitere Neuerung. Es geht nämlich nicht nur um die Durchführung von Observationen und verdeckten Ermittlungen, sondern bereits um die Vorbereitung der Durchführung von verdeckten Ermittlungen. Das heißt, das militärische Spitzelsystem schickt Leute, die mit einer falschen Identität ausgestattet worden sind, in Organisationen etwa der Zivilgesellschaft, um Kritikerinnen und Kritiker der militärischen Landesverteidigung zu überwachen.


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Warum sage ich in diesem Zusammenhang "Spitzel"? – Weil der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes in seiner Kritik am Sicherheitspolizeigesetz den Begriff "Spitzel" verwendet und darauf hinweist, unter welchen Voraussetzungen genau diese Spitzelsysteme verfassungswidrig sind.

Das ist nicht mein Problem, und es ist nicht meine Schuld, dass Sie sich diese Kritik jetzt gefallen lassen müssen, sondern das ist Ihr Problem! Es ist Ihr Problem, dass Sie Spitzel einführen, dass Sie gefälschte Identitäten einführen, dass Sie Kritikerinnen und Kritiker der Landesverteidigung überwachen lassen und dass Sie bereits im Vorfeld Spitzel einsetzen, um diejenigen, die anders denken und anders reden als Sie, überwachen lassen zu können.

Meine Damen und Herren! Das geht mir schon viel zu weit in Richtung der Systeme, die ich unter einem in dem Sammelbegriff "Stasi" zusammengefasst habe. Ich als österreichischer Demokrat möchte nie auch nur in die geringste Nähe zu Systemen wie der vergangenen Stasi kommen! Es ist wirklich eine Schande, dass Sie zulassen, dass Einrichtungen des österreichischen Bundesheeres in diese Nähe gerückt worden sind. Das ist Ihre politische Verantwortung! (Beifall bei den Grünen.)

22.42


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107. Sitzung / Seite 235

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Scheibner. – Bitte.

22.42

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei kurze Klarstellungen.

Herr Abgeordneter Nürnberger! Es tut mir sehr Leid, wir werden keine Kollektivvertragsverhandlungen machen können, weil es im Militärbefugnisgesetz – wenn Sie es sich genau ansehen und mit dem Sicherheitspolizeigesetz vergleichen (Abg. Nürnberger: Ist in Ordnung!)  – nicht die Einrichtung der Vertrauenspersonen gibt. (Abg. Nürnberger: Ich kann Ihnen Leiharbeiter anbieten!) Im Militärbefugnisgesetz gebühren diese Befugnisse nur Beamten und Vertragsbediensteten des Bundesministeriums für Landesverteidigung, Herr Abgeordneter; diese haben ein entsprechendes Dienstrecht und benötigen keinen Kollektivvertrag. (Abg. Nürnberger: Gut!)

Sie, Herr Abgeordneter Pilz – und auch Sie, Herr Abgeordneter Nürnberger –, haben gesagt, jeder Staatsbürger kann jetzt in diese Ermittlungen geraten. Abgeordneter Pilz hat gesagt: jeder Kritiker des Heeres. Ich brauche jetzt nicht noch einmal die Debatte zur Beschlussfassung des Militärbefugnisgesetzes zu wiederholen. Sie wissen ganz genau, dass die Kritik an der militärischen Landesverteidigung nicht durch die Befugnisse der Dienste umfasst ist, sondern ... (Abg. Dr. Pilz: Das steht in den Erläuterungen zum Militärbefugnisgesetz!)

In den Erläuterungen steht eine Entscheidung – ich glaube, des Datenschutzrates oder der Kommission – über Rechtsverhältnisse der Zeit vor der Beschlussfassung des Militärbefugnisgesetzes. Das haben Sie immer, bewusst oder unbewusst, vermischt. Jetzt ist klar, dass eine Befugnis zu nachrichten- oder abwehrdienstlichen Maßnahmen nur dann gegeben ist, wenn es rechtswidrige Angriffe gegen militärische Rechtsgüter gibt: rechtswidrige Angriffe oder Bedrohungen gegen militärische Rechtsgüter!

Was darunter zu verstehen ist, steht ebenfalls in den Erläuterungen zum Militärbefugnisgesetz, Herr Abgeordneter Pilz: "Als konkrete Bedrohungen der militärischen Landesverteidigung kommen in diesem Zusammenhang sowohl Gewaltdelikte gegen militärisch relevante Personen und Sachen" – in Klammer: "Mord, Körperverletzung, Sachbeschädigung" und so weiter – "als auch ... Preisgabe und Ausspähung von Staatsgeheimnissen" und so weiter "in Betracht."

Herr Abgeordneter Pilz! Ich glaube nicht, dass die breite Masse der österreichischen Bevölkerung vorhat, mit Mord, Totschlag, Körperverletzung und Sachbeschädigung rechtswidrige Angriffe gegen militärische Rechtsgüter durchzuführen. Nur solche Personen sind entsprechend im Visier der Abwehr – und ich glaube, auch zu Recht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.

22.44

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Diese Reorganisation unseres Bundesheeres ist ein bereits seit langem erforderlicher Meilenstein der Heeresgeschichte, sie ist eigentlich die größte Strukturreform, und sie trägt die Handschrift unseres Ministers Scheibner! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister Scheibner hat, bevor er Minister wurde, jahrelang konsequent eine Verschlankung der Strukturreform gefordert und diese, als er Minister wurde, nun auch umsetzen können. Ich glaube, wir können alle sehr stolz auf ihn sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Kernpunkte sind die Schaffung einer neuen, international kompatiblen militärischen Führungsspitze, weiters die Straffung der Verwaltungsabläufe in Zentralstellen und last, but not least, die Einsparung von 300 Planstellen, die in weiterer Folge der Truppe zur Verfügung gestellt werden, um vor allem die Auslandseinsätze und Katastropheneinsätze besser zu gestalten.

Es wurden in mehreren Projektgruppen von Fachleuten des Heeres elementare Themenbereiche wie Personalmanagement, interoperable Führungsabläufe und Beschaffungsabläufe sowie auch, was mir als Controllerin natürlich ein besonderes Anliegen ist, projektbezogene Steuerungen erarbeitet. Da möchte ich besonders ein Thema herausnehmen, die "Balanced Score"-Methode bei der Panzerbrigade, wodurch die Effektivität der Einsätze und die jeweilige Zielsetzung verbessert werden konnten, was sogar internationale Anerkennung eingebracht hat.

Des Weiteren darf ich als Steirerin auch sagen: Ich freue mich sehr darüber, dass durch die Neugliederung der Heereskommanden das Kommando Graz den Bereich Auslandseinsätze bekommen hat. Ich weiß aber sehr wohl, dass dies aus militärstrategischen und nicht aus irgendwelchen anderen Überlegungen erfolgt ist. – Danke, Herr Minister. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte.

22.46

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit diesem Reorganisationsbegleitgesetz wurde ein weiterer wichtiger Schritt in der Verwaltungsreform gesetzt. Die Strukturen des Heeres werden den neuen Herausforderungen angepasst. Unser Heer kann mit anderen Armeen in Europa mithalten, wie die friedenserhaltenden Einsätze unserer Soldaten im Ausland beweisen. Der unermüdlichen Arbeit des Herrn Bundesministers Scheibner und seiner Beamten ist es zu verdanken, dass in Zukunft der Verwaltungsaufwand auf ein Mindestmaß reduziert wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Verwaltungsreform, die sich unsere Bundesregierung mit Bundeskanzler Dr. Schüssel zum Ziel gesetzt hat, wird konsequent weitergeführt. Diese verantwortungsvolle Budgetpolitik der Bundesregierung zieht sich wie ein "schwarzer Faden" – ein Faden der schwarzen Zahlen und nicht der roten! – quer durch alle Ministerien. Dazu kann man unserer Bundesregierung nur gratulieren und dem zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Heer auf die geänderten Herausforderungen unserer Zeit vorzubereiten, kostet Geld. Eine verantwortungsvolle Sicherheitspolitik ist nicht umsonst. Sie dient den Menschen in unserem Land, und die ÖVP steht dazu.

Durch das Reorganisationsbegleitgesetz wird noch einmal kräftig in der Verwaltung eingespart. Das Gesetz macht vieles einfacher und bürgernäher. Allein durch die Änderung im Bescheidwesen kann man 15 000 Bescheide einsparen, Bescheide, deren Erstellung und Versand viel


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Geld kostet. Man kann dem Herrn Bundesminister und seinen Beamten zu diesem Gesetz nur gratulieren. Es wird damit fortgesetzt, was unter Minister Fasslabend bereits eingeleitet wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Es werden die Forderungen der Bürger nach mehr Transparenz und Vereinfachung umgesetzt. Dieses Gesetz nützt allen.

Meine Damen und Herren! Diese Einsparungen in der Verwaltung sind wesentlich. Die überfällige Reform bringt Ausgabeneinsparungen, die sich positiv auf die Steuer auswirken werden. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Verantwortlichen für ihre hervorragende Arbeit bedanken und versichere dem Herrn Bundesminister, dass wir ihm die Zustimmung zu diesem Reorganisationsbegleitgesetz geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Daher schließe ich die Debatte.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1119 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Jung, Loos einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Es liegt ein vom Abgeordneten Gaál gestelltes Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher über die von dem oben erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag sowie von dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile der Vorlage der Reihe nach und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Jung und Loos, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Artikel 1 bis 5 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eintreten, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit in zweiter Lesung angenommen.

Die Abgeordneten Jung und Loos, Kolleginnen und Kollegen haben darüber hinaus einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 7 bezieht.

Auch hierzu liegt ein vom Abgeordneten Gaál eingebrachtes Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich dieses Artikels 7 vor.

Wir kommen also zur getrennten Abstimmung über Artikel 7 unter Berücksichtigung des vorhin erwähnten Abänderungs- beziehungsweise Zusatzantrages Jung, Loos.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Ich komme zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, dass diese restlichen Teile der Vorlage mit Stimmenmehrheit angenommen sind.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, die Vorlage ist in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.


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Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt beendet.

12. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen über ein Bundesverfassungsgesetz betreffend die Abhaltung einer Volksabstimmung über den Ankauf von Abfangjägern (631/A)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein. Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: zirka 5 Minuten.

22.52

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Form dieses Antrages über ein Bundesverfassungsgesetz liegt Ihnen ein sehr einfacher Vorschlag vor. Der Vorschlag lautet: Die größte Investition der Zweiten Republik soll einer Volksabstimmung unterzogen werden.

Die Begründung ist sehr einfach: Es handelt sich um einen Beschluss darüber, wo in den nächsten 15 bis 20 Jahren in Österreich investiert werden kann und wo nicht. 2 Milliarden €, plus mindestens 1 Milliarde €, wahrscheinlich 2 Milliarden € an Folgekosten, also ein mögliches Gesamtvolumen von 4 Milliarden € – das steht nur einmal zur Verfügung, und das muss sehr genau überlegt werden.

Jetzt gibt es nach heutigem Stand zwei Mehrheiten: eine Mehrheit in diesem Haus, die sagt: Ja, wir wollen dieses Geld für Abfangjäger ausgeben, denn das ist mit Abstand das wichtigste Investitionsprojekt der Zweiten Republik. In der gesamten Zweiten Republik hat es nichts gegeben bis auf diese Abfangjägerbeschaffung, was es gelohnt hätte, dermaßen viele Milliarden Euro an Steuergeldern auszugeben. Und dann gibt es eine zweite – ich behaupte: größere – Mehrheit in der österreichischen Bevölkerung, die sagt: Nein, die Bundesregierung hat völlig Unrecht. Dieses Geld soll ausgegeben werden für Bildung, für Forschung, für Wirtschaftsentwicklung, für den ökologischen Umbau unseres Landes und, wenn es geht, auch für mehr soziale Sicherheit.

Jetzt stehen einander zwei Mehrheiten gegenüber, mit einer vielleicht kleinen Einschränkung: Würde es eine wirklich freie und geheime Abstimmung geben, hätte ich die begründete Hoffnung, dass wir in diesem Haus dieselbe Mehrheit fänden, wie wir sie auch in der österreichischen Bevölkerung finden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Deshalb ist das schlicht und einfach ein Vorschlag zur Vernunft. Immer dann, wenn eine Regierung drauf und dran ist, etwas völlig falsch zu machen, dann glückt es manchmal, sich an den Souverän, das österreichische Volk, zu wenden und eine falsche Entscheidung einer Bundesregierung zu korrigieren. Das ist uns bei Zwentendorf gelungen, warum soll uns das bei Abfangjägern nicht gelingen?

Die einzige Möglichkeit, dass eine Regierungsmehrheit auch ohne großen politischen Gesichtsverlust aus diesem sinnlosen und sündteuren Projekt rauskommt, ist, diese Entscheidung an jemand anderen, Wichtigeren, nämlich an das österreichische Wahlvolk zu delegieren. Und nur das wollen wir ermöglichen.

Deswegen appellieren wir insbesondere an die ehemalige Partei der direkten Demokratie, uns diesmal zu unterstützen, ein letztes Mal an der Seite der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung zu stehen, bevor die österreichische Bevölkerung bei einer Nationalratswahl die Gelegenheit hat, ihr die Quittung dafür zu geben, dass sie es in dieser Legislaturperiode viel zu selten getan hat.

Wenn Sie wollen, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei: Es ist ein letztes Angebot auch zu Ihrer Besserung und zu Ihrer Rehabilitation. Deswegen: Geben Sie der öster


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reichischen Bevölkerung eine Chance! Vertrauen Sie endlich wieder in die Klugheit des österreichischen Wahlvolkes (Abg. Lentsch: Sie vertrauen in die "Kronen Zeitung"!) und stimmen Sie mit uns für die Ermöglichung dieser Volksabstimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

22.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaál. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

22.56

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Diese Milliardenbeschaffung ist umfassend zu sehen und hätte daher gründlichst diskutiert werden müssen, was leider nicht geschehen ist. Sie von den Regierungsfraktionen gaben uns keine Chance oder hatten kein Interesse an einer ausführlichen Erörterung dieser Thematik.

Da Sie uns immer wieder die "Draken"-Beschaffung aus dem Jahre 1987 vorhalten, kann ich Ihnen sagen, dass es angesichts der damaligen sicherheitspolitischen Lage eine richtige Entscheidung war. Es gab damals ein ganz anderes Bedrohungsszenario, als wir es heute vorfinden. Heute haben wir eine völlig veränderte Situation, völlig geänderte sicherheitspolitische Rahmenbedingungen in diesem Europa. Wir arbeiten gemeinsam an einer europäischen Sicherheitsarchitektur, die wesentliche Weichenstellungen erwarten lässt. (Abg. Wittauer: Was war denn 1991?) Auf Sicht gesehen wird gewiss auch ein europäischer Sicherheitsverbund mit einer entsprechenden Aufgabenteilung kommen.

Es sind also viele, viele Fragen offen, meine Damen und Herren, und wir sind gerade am Beginn der Umsetzung der Umstrukturierung des österreichischen Bundesheeres. Aber bevor all diese Prozesse im In- und Ausland abgeschlossen sind, bevor man konkret weiß, wie es in der Sicherheitspolitik in Europa weitergeht, ohne wirkliche Diskussion und ohne Wenn und Aber wird diese Beschaffung in Milliardenhöhe durchgezogen, so nach dem Motto: Friss, Vogel, oder stirb! – Aber nicht mit uns, meine Damen und Herren!

Diese Beschaffung ist eine einsame Entscheidung dieser Bundesregierung – wie gesagt, ohne wirkliche Diskussion –, die Sie gegenüber der Bevölkerung zu verantworten haben. Diese lehnt Ihre Politik grundsätzlich ab und diese Beschaffung im Besonderen. Die Bevölkerung, meine Damen und Herren, hat ein Recht auf Mitbestimmung. Geben wir den Bürgerinnen und Bürgern eine Chance, da mitzuentscheiden!

Herr Bundesminister! Sie haben heute Umfragedaten geliefert, aus denen, wie Sie sagen, ersichtlich ist, dass eine Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen dem Kauf von Abfangjägern zustimmt. Ich kann mich erinnern, Kollege Jung hat bei einer Diskussion in Graz gesagt (Abg. Jung: In Graz war das nicht!)  – Entschuldigung, es war in der Steiermark, und in der "Kleinen Zeitung", Graz, war es zu lesen –: Wir fürchten uns nicht vor einer Volksabstimmung. (Abg. Jung: Richtig!)

Herr Kollege Jung! Auch wir fürchten uns nicht vor einer Volksabstimmung. Also: alle hin! Geben Sie uns die Chance, geben Sie der Bevölkerung die Chance, zu entscheiden! Wir werden jede Entscheidung akzeptieren und respektieren. (Beifall bei der SPÖ. – Bravo-Ruf des Abg. Dr. Rada. – Abg. Dr. Martin Graf: So wie beim Konferenzzentrum!)

23.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

23.00

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! "Wir brauchen Abfangjäger, und zwar neue und keine gebrauchten!" (Beifall bei den Freiheitlichen.)  – Das war eine Aussendung des Wehrsprechers der SPÖ vor zirka drei Jahren. Lieber Toni (in Richtung des Abg. Gaál)! Es schaut anders aus: je nachdem, ob man sich vor oder hinter dem Schreibtisch befindet.


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107. Sitzung / Seite 239

Ich kann den Kollegen Pilz beruhigen: Wir respektieren die Entscheidung des Volkes, und wir warten mit Gelassenheit ab, wenn sie im übernächsten Herbst erfolgen wird. Ich bin sicher, wir werden wieder hinter dem Schreibtisch stehen – und Sie davor. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich war als österreichischer Militärattaché in Schweden für die Einführung des "Draken" einschließlich Ausbildung von Piloten und Technikern mitverantwortlich. Zwei Minister aus zwei völlig verschiedenen Regierungen und Koalitionen haben sich damals massiv für die notwendige Nachbeschaffung eingesetzt. Einer davon, Minister Lichal, hatte vehemente Schwierigkeiten in seiner eigenen Partei und hat dagegen angekämpft. Die steirische Volkspartei unter Krainer lief Sturm. Lichal blieb standhaft, und das war gut so.

Wenige Jahre später, nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts, war der "ewige Friede" angesagt, und ein bekannter US-Politologe verkündete damals das Ende der Geschichte. Es kam aber ganz anders. Damals konnte ich in einer neuen Funktion die Ereignisse im zusammenbrechenden Jugoslawien aus nächster Nähe und sehr unmittelbar mitverfolgen. Ich erinnere mich noch sehr genau – genauer als Sie alle hier im Saal – an die erste Einflugmeldung einer MIG über Österreich in den Grazer Raum. Plötzlich war Feuer am Dach des Hauses Österreich – im wahrsten Sinne des Wortes.

Es blieb nicht bei diesem einen Einflug. Es tat sich in unserem Luftraum und in seinem Umfeld noch viel mehr. Das ist etwas, wovon wir vielleicht einmal nach der Öffnung der Archive hören werden. Dann stiegen die ersten "Draken" auf – und schlagartig endeten die Überflüge, und plötzlich sprach der steirische Landeshauptmann nicht mehr von Fluglärm und Umweltbelastung, sondern nannte die "Draken"-Piloten "unsere Buam". Was aber, wenn sich das Heer dem öffentlichen Druck gebeugt hätte und wir ohne Schutz und Schirm der "Draken" dagestanden wären, meine Damen und Herren? (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

In der Folge verlangten auch SP-Kanzler und Wehrsprecher die Beschaffung von Nachfolgeflugzeugen. Doch die Gefahr geriet, wie so oft, in Vergessenheit, und heute liefert die SPÖ lächerliche Rechenmodelle gegen die Nachbeschaffung, die noch unter ihrem Kanzler grundsätzlich beschlossen wurde – und das, weil halt gerade nicht der Hut brennt.

Nach dem 11. September des Vorjahres gab es auch in Österreich Anthrax-Alarm. Die Bedrohung durch bakteriologische Kriegsführung wurde aktuell. Seither gab es über 100 Einsätze unserer ABC-Truppe, darunter auch einen scharfen Einsatz. Über 40 Jahre lang gibt es im Heer die Luftschutztruppe, später ABC-Truppe genannt, 40 Jahre vergeblich, wie die SPÖ vergleichend zu den Fliegern die Kosten berechnen könnte. Aber diese Truppe existierte Gott sei Dank und konnte Hilfe schaffen – als einzige in Österreich!

Jetzt steht wieder eine Nachbeschaffung an. Es ist Gott sei Dank gerade ruhig um Österreich, und die Opposition will nun billige Lorbeeren kassieren und polemisiert dagegen.

Ich lese Ihnen aus einem Brief von Prinz Eugen aus dem Herbst 1704 an einen Freund vor:

"Sie schreien nach uns um Hilfe, wann immer ihnen das Wasser ins Maul rinnt – und wünschen uns vom Hals, kaum als einen Augenblick dasselbige verschwunden."

Diese schlechte österreichische Tradition führen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, fort!

Unser Verteidigungsminister Scheibner hat allerdings die Verantwortung, die er trägt, erkannt, und er wird auch die notwendige Nachbeschaffung umsetzen, auch dann, wenn sie nicht übertrieben populär ist. Und das, meine Damen und Herren, insbesondere von der SPÖ, ist der Unterschied zwischen staatspolitischem und parteipolitischem Denken. Wir werden Minister Scheibner dabei unterstützen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.04


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107. Sitzung / Seite 240

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Scheibner. – Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Dr. Khol: Bei einer ersten Lesung spricht kein Minister!)

23.04

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Khol, ich hoffe, ich darf mich hier zu Wort melden, denn ich habe keine Anmerkungen zum Inhalt dieser Beschaffung zu machen, aber doch einige rechtliche Bemerkungen zu diesem Antrag, Herr Abgeordneter Pilz.

Sie haben schon Recht, dass die freiheitliche Fraktion und auch ich als Regierungsmitglied uns immer dazu bekannt haben und auch bekennen, dass wichtige grundsätzliche Angelegenheiten der Republik Österreich auch einem Instrument der direkten Demokratie zugeführt werden können und sollen. Sie allerdings, Herr Abgeordneter Pilz, verlangen in Ihrem Antrag, dass ein Verwaltungsakt – ein Beschaffungsvorgang des österreichischen Bundesheeres ist ein Verwaltungsakt – einer gesetzlichen Ermächtigung, sogar einer Volksabstimmung unterzogen werden soll. Aus meiner Sicht widerspricht das dem Prinzip der Gewaltenteilung nach Artikel 94 B-VG.

Sie verlangen weiters – und das ist besonders interessant –, dass sogar die Produktion von Flugzeugen einer gesetzlichen Ermächtigung und einer Volksabstimmung unterzogen werden soll. – Aus meiner Sicht widerspricht das dem Grundrecht der Erwerbsfreiheit nach Artikel 6 Staatsgrundgesetz.

Herr Abgeordneter Pilz! Sie könnten diesen Antrag nicht stellen, wenn Sie ihn als einfaches Gesetz einbringen würden. Das wissen Sie und Ihre Juristen, und deshalb bringen Sie ihn als Verfassungsgesetz ein, um ihn damit dieser rechtlichen Kontrolle eines verfassungswidrigen einfachen Gesetzes zu entziehen.

Da wundere ich mich schon, Herr Abgeordneter Pilz, denn genauso, wie es für uns ein Prinzip gewesen ist, die Instrumente der direkten Demokratie anzuwenden, war es für mich und für uns immer ein Grundsatz, nicht verfassungswidrige einfachgesetzliche Bestimmungen durch eine Verfassungsbestimmung der verfassungsrechtlichen Kontrolle zu entziehen. – Das haben Sie jedoch mit diesem Antrag aus meiner Sicht zu machen versucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch einmal: Grundlegende Angelegenheiten selbstverständlich, etwa die grundlegende Ausrichtung in der Sicherheitspolitik, aber nicht ein Verwaltungsakt, nämlich die Beschaffung durch ein Ressort.

Herr Abgeordneter Gaál, ich sage Ihnen ganz klar: Wer die österreichische Bundesverfassung ernst nimmt, kann nicht versuchen, durch das Herauspicken eines vielleicht unpopulären Themas aus dem Gesamtzusammenhang und durch die Abführung einer Volksabstimmung darüber die Grundlagen unseres Staates zu unterminieren. Deshalb lehnen wir eine Volksabstimmung vor der Anschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen mit Entschiedenheit ab, denn für ein souveränes Österreich ist die Luftraumüberwachung unumgänglich, Herr Abgeordneter Gaál!

Wenn Sie sich zur militärischen Landesverteidigung bekennen, dann lehnen Sie eine Volksabstimmung, die in Wirklichkeit einen Anschlag auf die militärische Landesverteidigung darstellt, ab. – Herr Abgeordneter Gaál, das sage nicht ich, obwohl ich das durchaus nachvollziehen kann, sondern das haben die Abgeordneten Preiß und Parnigoni bei einer Nationalratssitzung am 3. Juli 1986 klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich glaube, dass diese Wortmeldungen bis heute nichts an Aktualität verloren haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Jung – in Richtung SPÖ –: Peinlich!)


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23.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

23.07

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! In aller Kürze: Es ist schon, glaube ich, eine europaweit einzigartige Situation, ich würde sogar sagen, eine weltweit einzigartige Situation, darüber diskutieren zu müssen, ob es für ein Land wichtig ist, den Luftraum zu sichern oder nicht. In keinem Staat – auch nicht unter sozialistischen Regierungen Europas, wie es in den vergangenen Jahren durchaus der Fall war – war es eine Diskussion, den Luftraum nicht zu überwachen oder entsprechende Abfangjäger nicht zu beschaffen.

Meine Damen und Herren! Nur weil die Opposition aus parteipolitischen Überlegungen diese Frage überhaupt stellt, ist es in unserer Republik nicht selbstverständlich, dass der Luftraum zu sichern sei? Das ist einfach unverständlich, meine Damen und Herren, und ich darf darauf aufmerksam machen, dass wir auf die Verfassung angelobt wurden. Jeder Abgeordnete! Es geht um Souveränität, es geht um die Eigenständigkeit.

Beim oberösterreichischen Sicherheitssymposium in der vergangenen Woche meinte der Katastrophenmanager von L.A., Gunnar Kuepper:

"Das Versagen eines Staates äußert sich in der Aufgabe der Sicherheit."

Nicht mit uns, der ÖVP, meine Damen und Herren! Nicht mit dieser Regierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

23.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 631/A dem Verfassungsausschuss zu.

13. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volkszählungsgesetz 1950 geändert wird (637/A)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Stoisits. Die freiwillige Redezeitbeschränkung ist mit 3 Minuten eingegeben. – Bitte.

23.10

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesminister Scheibner ist im Begriff, die Regierungsbank zu verlassen.) Auf Wiedersehen, Herr Bundesminister!

Herr Kollege Murauer, wenn Sie das vorhin diskutierte Gesetz nicht mit den Grünen gemeinsam mittragen wollen, dann ist diese erste Lesung, die dem Volkszählungsgesetz 1950 dient, eine sehr gute Gelegenheit, wieder einmal einen gemeinsamen Akt der Regierung mit der Opposition hier im Nationalrat zu setzen. (Abg. Murauer: Sie haben Verständnis dafür, hoffe ich! Es war unmöglich, das mitzutragen!) Ich setze jetzt voraus, dass die sozialdemokratische Fraktion diesem Anliegen der Grünen positiv gegenübersteht.

Es geht um das Hinausstreichen von drei Paragraphen aus dem Volkszählungsgesetz 1950 in der novellierten Fassung des Jahres 1976, und das – 1976 – ist besonders wichtig. Es geht hier nämlich um die so genannte geheime Minderheitenfeststellung.

Im Jahre 1976 hat man nach den Ereignissen, die sich Anfang der siebziger Jahre – Stichwort: Ortstafelsturm – in Kärnten ereignet haben, im Versuch einer Beruhigung der damaligen


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107. Sitzung / Seite 242

Situation eine im Nachhinein betrachtet ziemlich krause Bestimmung in das Volkszählungsgesetz aufgenommen, die sich ja dann auch als undurchführbar, unsinnig, schlicht und einfach nicht machbar herausgestellt hat. Sie ist aber – aus welchen Gründen auch immer – Rechtsbestand geblieben und immer noch gültiges Recht.

Inzwischen sind mehr als 25 Jahre vergangen. Die Dinge haben sich maßgeblich geändert. Nicht zuletzt die "Weisen" haben vor zwei Jahren der österreichischen Bundesregierung attestiert, vorbildliche Minderheitenpolitik zu machen. Deshalb ist es eine logische Konsequenz, missverständlich interpretierbare Bestimmungen aus einem Gesetz zu eliminieren. Es ist schlicht und einfach so, dass sich ein moderner Minderheitenschutz, wie er zweifelsfrei auch dem Verständnis der Bundesregierung entspricht, als Schutz der Minderheitenrechte im Sinne von Individualrechten versteht und deshalb heute jedenfalls unabhängig von der zahlenmäßigen Größe der Minderheit verstanden wird, weshalb geheime Minderheitenfeststellungen keinen Platz haben.

Warum der Antrag jetzt gestellt wurde, ist auf den Umstand zurückzuführen, dass es in der Diskussion rund um das so genannte Topographie-Erkenntnis vom Dezember 2001 Hinweise auf diesen Rechtsbestand gegeben hat. Deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht, und wir gehen davon aus, dass der Verfassungsausschuss in Kürze, das heißt in seinen Sitzungen nach der Sommerpause, diesem Antrag stattgeben wird, denn Herr Bundeskanzler Schüssel hat uns einige Male – nicht nur hier im Nationalrat, sondern auch der Öffentlichkeit außerhalb des Hohen Hauses – versichert: Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist umzusetzen. Daran besteht kein Zweifel.

Deshalb sind diese Bestimmungen im Volkszählungsgesetz überflüssig. Wir unterstützen alles – ich erinnere mich noch an die Worte, die gestern im Zuge der Debatte zum Zehnjahresjubiläum des Paket-Abschlusses mit Südtirol gefallen sind –, wir sind dafür, dass der Nationalrat und die österreichische Politik Zeichen setzen, die großzügig im Umgang mit Minderheiten sind, die aufklärend wirken, die dem Abbau von Ressentiments und dem Aufbau von Vertrauen, auch im Sinne vertrauensbildender Maßnahmen im Zusammenhang mit der Erweiterung der EU und mit einem gemeinsamen Europa, dienen.

In diesem Sinne bitte ich Sie, konstruktive Beiträge bei der Behandlung des Antrages, der jetzt dem Verfassungsausschuss zugewiesen wird, zu leisten. Wir fordern Sie dazu auf, Herr Kollege Murauer! Es muss ja nicht immer konfrontativ sein (Abg. Murauer: Nein!), man kann ja wirklich einmal gemeinsam an einem Strick ziehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Kommt drauf an, an welchem?)

23.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

23.14

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Der vorliegende Antrag hat zwei Dimensionen: zunächst eine inhaltliche, sodann eine rechtliche.

Zunächst zur inhaltlichen Dimension. Die Debatte um das VfGH-Erkenntnis aus dem Vorjahr hat gezeigt, wie stark emotionalisiert dieses Thema behandelt wird, und allein dieses Faktum belegt, dass von einer großzügigen und wohlwollenden Einstellung gegenüber Minderheiten noch lange keine Rede sein kann, obwohl in den letzten Jahren legistisch einige Schritte gesetzt wurden, die der Verbesserung des Minderheitenschutzes dienen. Ich erinnere an die Staatszielbestimmung, an die Rahmenkonvention, an die Charta der Regional- und Minderheitensprachen.

Ich habe allerdings geglaubt, dass insgesamt ein gesellschaftlich günstigeres Klima für eine emotionslose, sachliche Debatte über die Rechte und die Stellung der Minderheiten gegeben wäre, aber, wie gesagt, das VfGH-Erkenntnis vom Dezember hat uns alle eines Besseren belehrt, dass dem nicht so ist. Das haben nicht nur die Drohungen und Verunglimpfungen gegenüber dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes gezeigt – ich erinnere an die


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107. Sitzung / Seite 243

unwürdige Debatte um Präsident Adamovich und das rassistische Wortspiel mit seinem Namen, auch an die Verunglimpfung "derer im Hermelin" zum Beispiel –, das haben vor allem auch die Drohungen und Aggressionen gegen die Minderheit selbst gezeigt. Ich erinnere an die Umbenennung der Wegweiser, an die Drohung, die Kindergartenförderung zu kürzen oder Unterstützungen zu sistieren, oder daran, dass man sich sklavisch an den Artikel 7 Staatsvertrag halten würde. – So viel vielleicht zu diesem Aspekt.

Dieser Antrag der Grünen hat daher durchaus seine Berechtigung, und auch die Minderheit sieht das so, nämlich dass eine solche geheime Minderheitenfeststellung in Wirklichkeit ein Gewaltakt wäre und als Bedrohung empfunden wird.

Es gibt allerdings auch eine rechtliche Dimension. Mit dem In-Kraft-Treten des Volkszählungsgesetzes 1980 – das hat die Kollegin Stoisits schon gesagt – wurde das Erste Hauptstück des Volkszählungsgesetzes 1950 aufgehoben, das Zweite und Dritte Hauptstück jedoch in ihrer Fassung in Geltung gelassen, allerdings knüpft § 10 dieser Vorschriften daran an, dass die Bundesregierung gemäß § 9 des Volkszählungsgesetzes eine solche geheime Minderheitenfeststellung mit Verordnung anordnet.

Nun gibt es im derzeit gültigen Volkszählungsgesetz 1980 diesen § 9 nicht mehr, es existiert auch keine vergleichbare Bestimmung, und somit fehlt auch jegliche gesetzliche Grundlage dafür, dass eine solche geheime Feststellung der Familiensprache überhaupt angeordnet werden kann. Das heißt, diese Vorschriften sind in Wirklichkeit obsolet. Es schadet freilich nicht, wenn man sie jetzt auch formal aus dem Gesetz eliminiert.

Zusammenfassend kann man aber sicher feststellen, dass es derzeit keine gültige Rechtsgrundlage für eine geheime Erhebung der Minderheitensprache gibt. Das halte ich auch für gut so, vor allem in Anbetracht der vielen widersprüchlichen Tatsachen und Beiträge zu dieser Materie in den letzten Monaten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

23.18

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die legistischen Grundlagen in Bezug auf die Volkszählung sind alles andere als ideal. Insoweit kann ich meinen Vorrednern Recht geben. Wenn man sich die Grundlagen anschaut, wird man erkennen, dass es auf der einen Seite das Volkszählungsgesetz aus dem Jahr 1950 gibt und parallel ein weiteres Gesetz, sogar gleichen Namens, aus dem Jahr 1980. Das ist eigentlich ein legistisches Kuriosum, dass es zwei gleichlautende Gesetze gibt, die verschiedene Paragraphen haben, die die gleiche Ziffer tragen, aber etwas völlig anderes aussagen.

Allerdings in der Sache selbst, also zur geheimen Erhebung der Muttersprache, ist, glaube ich, doch einiges zu sagen. Ich finde es nicht unbedingt eine logische Schlussfolgerung, wie Frau Kollegin Stoisits sagt, dass man aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom Dezember 2001 betreffend Volksgruppengesetz/Topographieverordnung zwingend auf eine Art Nichtigerklärung oder Abschaffung der geheimen Erhebung der Muttersprache schließen muss.

Ich darf daran erinnern, dass sich der Verfassungsgerichtshof mit der Frage auseinander gesetzt hat, ab welchem Prozentsatz man von einer gemischten Bevölkerung in einem bestimmten Siedlungsgebiet ausgehen kann. Ich darf daran erinnern, dass der betreffende Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien auf Gebiete mit slowenischer Bevölkerung und solche mit gemischter Bevölkerung abstellt und der Verfassungsgerichtshof der Auffassung war, dass die 25-Prozent-Hürde eine zu hohe Hürde war.

Wenn jetzt aber der Verfassungsgerichtshof davon ausgeht, dass tatsächlich eine geringere Hürde Platz greifen soll, dann muss man sich schon fragen, wie man das objektivieren soll. Ich bin daher nicht a priori der Meinung, dass eine geheime Erhebung der Muttersprache etwas


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107. Sitzung / Seite 244

Negatives ist, denn die geheime Erhebung der Muttersprache war ja ursprünglich von ihrem Grundgedanken her – ich blende zurück ins Jahr 1976, da gab es bekanntlich die Alleinregierung Kreisky III – eine Art Schutznorm für die Minderheit, damit sich im Zuge einer geheimen Feststellung jeder subjektiv zu einer Minderheit bekennen oder eben nicht bekennen konnte.

Der völkerrechtliche Begriff "Minderheit" stellt auf das Bekenntnis, also auf die subjektive Einstellung, und nicht auf die objektive Einstellung ab. Ich meine, eine objektive Beurteilung, ob jemand die slowenische Muttersprache beherrscht oder der deutschen Sprache mächtig ist, wäre wohl nicht wünschenswert. Das kann nur subjektiv erfolgen. Da frage ich mich schon, wie ein derartiges Erkenntnis effektuiert werden soll, wenn es keine taugliche Möglichkeit einer Feststellung geben kann, ob es gemischte slowenische Gebiete gibt. Aber das wird wohl alles Gegenstand der Beratungen im Verfassungsausschuss sein. Aus meiner Sicht ist es aber nicht so, dass diese geheime Erhebung der Muttersprache a priori schlecht und abzulehnen wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

23.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

23.2


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107. Sitzung / Seite 245

2

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Krüger, für Volkszählungen haben wir gute Rechtsgrundlagen. Die Durchführung der Volkszählung 2001 hat bewiesen, dass die rechtlichen Grundlagen ausgezeichnet waren. – Da gibt also keine Probleme. Aus meiner Sicht ist das Volkszählungsgesetz 1950 totes Recht. Der Abgeordnete der SPÖ hat klar aufgezeigt, dass Volkszählungen so nicht mehr durchgeführt werden können.

Ich bin gegen das, was Sie in Ihrem Antrag schreiben. Im Rahmen von regulären Volkszählungen dürfen wir auf keinen Fall die Umgangssprache oder ähnliche Merkmale erheben. Wer das tun würde, würde einen ganz großen Fehler begehen. Lassen Sie mich das kurz erwähnen, und glauben Sie mir, ich habe vier Volkszählungen durchgeführt, war für das Bundesland Vorarlberg verantwortlich und weiß, wie kritisch solche Merkmale sind, wenn die Erhebung im Rahmen einer regulären Volkszählung durchgeführt würde.

Ich halte für die einzige Möglichkeit, die Umgangssprache im Rahmen einer geheimen Erhebung zu erfassen. Dazu haben wir aber keine Veranlassung, und im Übrigen handelt es sich um totes Recht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

23.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 637/A dem Verfassungsausschuss zu.

14. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (630/A)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

23.24

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Antrag soll die direkte Demokratie ausgebaut werden. Erstens sollte die Volksanwaltschaft die Möglichkeit bekommen, neben ihren jährlichen Berichten auch Sonderberichte erstatten zu können. Sie hat es dieses Jahr schon einmal gemacht, und es hat – harmlos formuliert – ein wenig Unstimmigkeiten darüber gegeben.

Ich meine, dass es eine wichtige und notwendige Maßnahme und Aufgabe ist, dass die Volksanwaltschaft, wenn sie schon so fleißig ist und Missstände aufzeigt, die in ihrem Bereich auftreten, die Anliegen der Bürger und Bürgerinnen in einem Bericht festhält und uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier informiert.

Das ist etwas, was wir aufgreifen sollten, weil wir ja diesen direkten Kontakt zur Bevölkerung nicht haben: Die Volksanwaltschaft sieht die Auswirkungen von verschiedenen Gesetzen auf die Bevölkerung sofort. Daher glaube ich, es wäre wichtig und notwendig, dass die Volksanwaltschaft durch diesen Antrag die Möglichkeit erhält, dass auch die Sonderberichte entsprechend behandelt werden.

Ich will auch dem Wunsch von Frau Volksanwältin Bauer entsprechen, die möchte, dass diese Sonderberichte vom Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen behandelt werden. – Ich glaube, das ist eine gute Idee. Dieser Ausschuss ist eine Schnittstelle zwischen den BürgerInnen und dem Parlament. Ich greife das Anliegen der Volksanwälte – besonders das von Volksanwältin Rosemarie Bauer – gerne auf; daher dieser Antrag, mit dem der Artikel 148g geändert werden soll. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der zweite Punkt ist der Vorschlag, dass Bürgerinitiativen nicht erst ab dem 19. Lebensjahr, sondern schon ab dem 16. Lebensjahr eingebracht werden können. Ich meine, das ist wichtig. Es wäre ein Signal an die Jugend in unserem Land, sich aktiv an der Politik zu beteiligen, und würde politische Bildung im besten Sinne des Wortes für junge Leute möglich machen. Ich denke daher, es wäre gut und wichtig, dass dieses Instrument der Bürgerinitiativen auch schon von Personen ab dem 16. Lebensjahr genützt werden kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der dritte Punkt wäre im Sinne der Aufwertung der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, die im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen einlangen, wichtig. Die BürgerInnen machen sich immer mehr Sorgen. Ich meine daher, es wäre notwendig, dass dieser Ausschuss das Recht hätte, eigenständig Anträge zu stellen. – Das ist der dritte wichtige Punkt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wende mich vor allem auch an die Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ, die Sie doch auch immer für mehr direkte Demokratie und für mehr Möglichkeiten für den Bürger eingetreten sind, sich aktiv am politischen und gesellschaftlichen Prozess zu beteiligen und nicht nur einmal in vier Jahren eine Partei anzukreuzen. – Hier ist die Möglichkeit. Wenn dieser Antrag im Geschäftsordnungsausschuss behandelt wird, dann hoffe ich wirklich auf Ihre Zustimmung zu diesem sehr wichtigen Anliegen, wenn Ihre Forderungen, die Sie immer wieder zu Recht stellen, mehr als nur Lippenbekenntnisse sind und Ihnen so wie uns vom Ausschuss für Bürgerinitiativen und Petitionen ein Anliegen sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

23.28

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir ein großes Anliegen, zum Ausdruck zu bringen, dass die grüne Fraktion den Antrag der Sozialdemokraten unterstützt, vor allem im Hinblick auf die Stärkung der Rechte der Volksanwaltschaft.


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107. Sitzung / Seite 246

Die Volksanwaltschaft hat erst vor kurzem hier im Nationalrat anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens einen sehr eindrucksvollen Festakt begangen, der von allen Fraktionen nicht nur besucht war, sondern auch Zuspruch erhalten hat.

Die Volksanwaltschaft ist ein Organ des Nationalrates, das die Möglichkeit der nachfolgenden und begleitenden Kontrolle der Arbeit der Exekutive, nämlich der Verwaltung, sichert. Deshalb sollte es für uns hier im Nationalrat auch wichtig sein, dass alle Möglichkeiten genutzt werden, um die Volksanwaltschaft in ihrer Arbeit zu unterstützen und zu stärken, und uns ein Anliegen sein, dass sich der Nationalrat vor allem mit den Berichten und mit der Arbeit, die die Volksanwaltschaft leistet, auseinander setzt.

Selbstverständlich sind wir der Auffassung, dass bereits mit 16 Jahren die Möglichkeit bestehen soll, Bürgerinitiativen einzubringen, und dass nicht zuletzt im Sinne und zum Wohl der Arbeit des Parlaments jener Ausschuss, der die Initiativen und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger am unmittelbarsten vertritt – nämlich der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen –, auch initiativ werden kann. Deshalb danke ich für die Initiative und hoffe, dass der Antrag auch auf die Zustimmung der Vertreter der Regierungsparteien im Verfassungsausschuss treffen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 630/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

15. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats geändert werden (647/A)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.31

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Ich entnehme der aktuellen Rednerliste, dass ohnehin niemand mehr zu Wort gemeldet ist. Ich darf daher die beiden Klubobmänner der nunmehrigen Regierungsparteien in Form von Zitaten mit in die Debatte einbringen. (Abg. Ing. Westenthaler: Danke vielmals!)  – Bitte schön, Herr Kollege Westenthaler!

Es war zu einer Zeit, als Sie noch gesagt haben – ich zitiere den Titel einer OTS-Meldung der APA – "Westenthaler: ÖVP ist eine Destruktivpartei". – Darauf wollte ich jetzt nicht hinaus. Ich möchte nur, dass Sie sich an die Zeit erinnern. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie fahren aber ordentlich ab!) Damals haben Sie zum eigentlichen Thema gesagt, die Forderung der Freiheitlichen hinsichtlich des Ausbaus der Minderheitenrechte und insbesondere der Einführung der Untersuchungsausschüsse als Minderheitsrecht sei aufrechtzuerhalten. – Das war im Jahre 1997.

Wir schreiten voran. Im November 1999 sagen Sie nach einer von Ihnen als besonders erfolgreich interpretierten Wahl in der Überschrift einer OTS-Aussendung wortwörtlich, die FPÖ stehe vor ihren größten Wahlerfolgen. (Abg. Ing. Westenthaler: Stimmt ja! Hat ja auch gestimmt!)  – Da war die Wahl ja schon vorbei! Das war ja eigentlich der Gag. (Abg. Murauer: Herr Kollege Kogler, kann man es kurz und schmerzlos machen?) Aber Sie sagen im Untertitel der OTS-Meldung: Jahrelange zentrale Forderungen und Ideen kommen nun zum Durchbruch,


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107. Sitzung / Seite 247

und weiter: Eine von diesen wichtigen Forderungen sei Untersuchungsausschüsse als Minderheitsrecht. – Jawohl!

Erinnern wir uns kurz zurück an die Zeit der Regierungsverhandlungen. Es war ja zwischenzeitlich nicht ganz klar, wer mit wem koaliert, und plötzlich waren Sie sich – aus guten Gründen, glaube ich – alle einig, dass die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ein Minderheitsrecht werden solle. Herr Kollege Khol! Auch Sie haben dann eigentlich relativ stark die Trommel gerührt. Das hat aber nicht allzu lange gedauert, bis schließlich im Juli 2000 Khol und Westenthaler – gemeinsame Pressekonferenzen waren jetzt angesagt – meinen, der Untersuchungsausschuss als Minderheitsrecht müsse kommen, noch im Herbst. – Das wäre eigentlich schon vor eineinhalb Jahren gewesen.

Sehen Sie, deshalb muss ich gar nicht so viel sagen, außer, dass der Antrag, der hier vorliegt, sehr ausgewogen ist. Man hätte ja lange darüber streiten können, ob das so ohne weiteres schlau ist, einfach ein Minderheitsrecht einzuführen und ansonsten keine Bestimmungen zu ändern. – Das wäre als Einwand natürlich richtig. Würden Sie sich mit diesem Antrag auseinander setzen, würden Sie sehen, dass hier Vorsorge getroffen wird, dass die Einsetzungen nicht "inflationär" passieren können und dass auch ergänzende Rechte ebenfalls als Minderheitsrecht eingesetzt werden.

Das Ganze ist also eine runde Sache. Ich nehme an, Sie haben auch andere Gründe als die vorgeschrittene Zeit, sich hier nicht erklären zu wollen, und sehe wirklich nicht ein, warum Sie den Weg nicht freigeben (demonstratives Lächeln des Abg. Ing. Westenthaler ), auch wenn Sie hier noch ein bisschen schelmisch zu lächeln versuchen. Wenn Sie mich schon herausfordern (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein, wir fordern Sie nicht heraus, hören Sie lieber auf!): Als Sie und Ihre Fraktion das letzte Mal hier zum Lachen animieren wollten, war es ein großes Verlegenheitslachen. Es war ein großes Verlegenheitslachen, als Herr Kollege Cap den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses begründet hat und es darum gegangen ist, bei der Schüssel/Schreiber-Affäre endlich einmal Nachschau zu halten, und Sie immer das Lied angestimmt haben, es gäbe nichts Neues.

Das stimmt ja überhaupt nicht! Mittlerweile hat Herr Schreiber einige Dinge zu Protokoll gegeben. Er hat beispielsweise zu Protokoll gegeben, dass er mehr als 10 Millionen Schilling einfordern will und das mit der Firma Thomson vereinbart hat, damit ein Termin beim damaligen Wirtschaftsminister Schüssel zu Stande kommt. (Abg. Dr. Martin Graf: Tom Sawyer oder Thomson?)

In jenen Tagen, als die Thomson-Entscheidung binnen drei Tagen umgedreht wurde, gab es die Kalendereintragung bei Herrn Schreiber, und außerdem hat er es tatsächlich geschafft, seine kalendarische Ankündigung wahr zu machen: "Schüssel anrufen, Wiesheu wegen Schüssel." – Er bezeugt das mittlerweile. Sie haben das immer bestritten und gesagt, es gibt nichts Neues.

In anderen Fällen sind Sie sehr leichtfertig mit der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen umgegangen. Sie haben sogar den "Euroteam"-Untersuchungsausschuss nachhaltig dazu missbraucht, mittlerweile – und ich zitiere aus Zeitungen – eine Hetzkampagne gegen Frauenorganisationen unter dem Titel dieses Untersuchungsausschusses zu veranstalten.

Das ist das Problem: wenn sich in einer Demokratie die Mehrheit aussuchen kann, was untersucht wird, und die anderen nicht zum Zug kommen. Das Mehrheitsrecht ist noch hier, ich sage Ihnen aber: Genau bei dieser Regierung wäre es längst an der Zeit, es umzudrehen. Ob Sie noch jemals so weit kommen werden, werden wir sehen. Wir werden es uns allenfalls auch überlegen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. Abg. Dr. Martin Graf: Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses war einstimmig beschlossen!)

23.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
107. Sitzung / Seite 248

Ich weise den Antrag 647/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Da dieser Antrag inzwischen an alle Abgeordneten verteilt wurde, braucht eine Verlesung durch den Schriftführer nicht zu erfolgen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen gem. § 33 Abs. 1 GOG auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis S: 5, F: 4, V: 4 und G: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung: Überprüfung

1. der Frühpensionierungen im Bereich der Bahn, Post und Telekom,

2. der Ablöse von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern in der öffentlichen Wirtschaft des Bundes,

3. des Vorruhestandes mit 55 im öffentlichen Dienst (so genannte "Chance 55")

4. anderer Funktionsveränderungen im Bereich des Bundes (z. B. im Bereich der Sozialversicherungen)

seit Februar 2000 auf Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit sowie Gesetzmäßigkeit.

Feststellung der politischen und rechtlichen Verantwortlichen dafür.

Untersuchungsauftrag: Der Untersuchungsausschuss soll durch die Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die diesbezüglichen Akten in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand den Sachverhalt aufklären.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Durchführung einer Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. (Abg. Bures: Was ist? Zweite Chance! Weitere Rufe bei der SPÖ: Ja, ja!)  – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
107. Sitzung / Seite 249

Abstimmung über Fristsetzungsanträge

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Kiss, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Antrag 680/A der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird, eine Frist bis 8. Juli 2002 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

*****

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Kiss, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über 1172 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997, das Asylgesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden, eine Frist bis 8. Juli 2002 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 707/A bis 719/A (E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4026/J bis 4069/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage der Abgeordneten Dr. Petrovic an den Präsidenten des Nationalrates, 27/JPR, eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige ... (Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsordnung! Wir haben einen Antrag gestellt, der dem Verfassungsausschuss für das Energiepaket die Fristen verlängert! Rufe bei der SPÖ: Das war gestern! – Allgemeine Heiterkeit.)  – Aber, Herr Klubobmann, es ist schon spät! (Neuerliche allgemeine Heiterkeit.)

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 23.39 Uhr ein. – Das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 23.38 Uhr