Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 46

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So sehr Geschichtsbewältigung erforderlich ist und so sehr ich es begrüße, dass es zu einem Zwangsarbeiterfonds kommt, muss man über dessen Finanzierung allerdings noch sprechen. Von fifty-fifty zwischen dem Steuerzahler und der Wirtschaft ist ja offensichtlich keine Rede mehr. Ich vermute, dass Sie Überschüsse aus der Arbeitslosenversicherung dazu heranziehen könnten, diesen Fonds zu dotieren, wobei dann auch klar ist, wer diesen Zwangsarbeiterfonds speist.

Aber eines, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, verstehe ich nicht – bei allem Respekt –: diese Wehleidigkeit, dieses Selbstmitleid, das Sie haben. Ich habe es für mehr als eigenartig gehalten, dass Sie am Tag der so genannten Reichskristallnacht nichts Besseres zu tun gewusst haben, als Österreich in seiner Opferrolle darzustellen. Das ist Geschichtsverfälschung, meine sehr verehrten Damen und Herren, und nützt uns international überhaupt nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kurzbauer: Was Sie betreiben ...! Ungeheuerlich!)

Weil Sie, Herr Westenthaler, in Blickrichtung auf den Parteivorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei gemeint haben, wir hätten Demokratie nicht verstanden (Abg. Böhacker: Da hat er Recht!), sage ich Ihnen: Wenn Minister in die Spitzelaffäre verwickelt sind und kein Rücktritt erfolgt, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden! Wenn ein Minister in illegale Geldbeschaffung involviert ist und nicht zurücktritt, hat er Demokratie nicht verstanden. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind schon wieder beim Vorverurteilen!) Wenn eine Regierungspartei Ermittler unter Druck setzt und kein Rücktritt erfolgt, dann ist Demokratie nicht verstanden worden, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Schon wieder Vorverurteilung!)

Wenn ein hoher Landesparteiobmann von Ihnen (Abg. Ing. Fallent: Redezeit!) die Ermittler und ihre Methoden als "ärger als bei der Gestapo" bezeichnet und nicht zurücktritt, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden. Wenn ein anderer Landesparteiobmann den Herrn Bundespräsidenten mit "Hump" oder "Dump" bezeichnet und nicht zurücktritt, dann haben Sie Demokratie nicht verstanden.

Aber Sie wissen ja nicht einmal, worum es geht, wenn wir von Demokratie reden! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

11.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Khol –: Fällt dir auf, dass Edlinger immer mehr Applaus bekommt als Gusenbauer?)

11.53

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Die Damen und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Kollege Edlinger, was Sie unter Demokratie verstehen, ist: Solange eine sozialistische Regierung demokratisch gewählt ist, ist es Demokratie; wenn eine andere Regierung auf diesem Weg zustande kommt, dann ist es undemokratisch. – Über dieses Verständnis können Sie mit uns kein Einvernehmen herstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Edlinger! Sie haben in Bezug auf Post und Telekom Kritik geübt. Was war denn in den letzten Jahren der Fall? Die Post hat von den Einnahmen aus Telefongebühren überdimensional viel ans Budget abliefern müssen: in einer Größenordnung von 110 Milliarden Schilling. Wir haben damals immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass das nicht geht. Sie haben das zur Budgetsanierung verwendet. Das ist nicht unser Weg, diese Bundesregierung geht einen neuen Weg.

Jetzt geht es eindeutig darum, dass wir uns einmal mit der Ausgangslage auseinander setzen müssen. Österreich ist bei der jährlichen Neuverschuldung Schlusslicht – das wissen Sie, Herr Kollege Edlinger! Viele EU-Länder haben es in Zeiten guter Konjunktur geschafft, die Neuverschuldung in Ordnung zu bringen beziehungsweise sogar leichte Überschüsse zu erwirtschaften.


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