Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 164

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ich glaube, mit der Beschlussfassung der heutigen Gesetze, vor allem wenn sie mit einem Bekenntnis zur historischen Verantwortung und der Wahrnehmung der historischen Verantwortung auch für die Zukunft verbunden sind, setzen wir einen wichtigen Schritt für uns und für Österreich. Ich bin der Meinung, dass wir dabei kleinliche Streitereien in den Hintergrund treten lassen sollten und den guten gemeinsamen Schritt in den Vordergrund stellen sollten.

Es wäre auch schön gewesen, wenn es in der gestrigen Sitzung des Verfassungsausschusses zur Anhörung von Herrn Jahoda und von Herrn Muzicant gekommen wäre, weil sie die beiden waren, die bereit waren, sich gemeldet haben, im Verfassungsausschuss für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen. Das wäre die Möglichkeit gewesen, ihnen als einem Teil der Verhandlungsgruppen gegenüber auch den politischen Willen zu dokumentieren und das Verständnis hinter einzelnen gesetzlichen Regelungen noch einmal gemeinsam zu erläutern. Es ist leider nicht dazu gekommen.

Ich glaube, dass wir daher die heutige Diskussion und die Beratungen vor der Beschlussfassung dazu nützen sollten, die Klarstellungen, die es gestern nicht gegeben hat, heute zu erreichen. Das würde dem Beschluss der Restitutionsgesetze zusätzliches politisches Gewicht verleihen. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

19.10

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! In der Präambel zu unserem Regierungsabkommen stehen folgende Worte, die ich dem Hohes Haus noch einmal in Erinnerung rufe:

"Österreich stellt sich seiner Verantwortung aus der verhängnisvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts und den ungeheuerlichen Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes: Unser Land nimmt die hellen und die dunklen Seiten seiner Vergangenheit und die Taten aller Österreicher, gute wie böse, als seine Verantwortung an. Nationalismus, Diktatur und Intoleranz brachten Krieg, Fremdenhass, Unfreiheit, Rassismus und Massenmord. Die Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit des Verbrechens des Holocaust sind Mahnung zu ständiger Wachsamkeit gegen alle Formen von Diktatur und Totalitarismus."

"Die Bundesregierung bekennt sich zur kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Sie wird für vorbehaltlose Aufklärung, Freilegung der Strukturen des Unrechts und Weitergabe dieses Wissens an nachkommende Generationen als Mahnung für die Zukunft sorgen. Hinsichtlich der NS-Zwangsarbeit wird die Bundesregierung im Lichte des Zwischenberichts der österreichischen Historikerkommission ... um sachgerechte Lösungen bemüht sein."

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung und der gesamte Nationalrat haben in dieser Frage Wort gehalten. Der gesamte Nationalrat hat eine neue Bestimmung zum Minderheitenschutz in die Bundesverfassung aufgenommen. Der gesamte Nationalrat hat die Gesetzgebung betreffend die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter beschlossen. Und ich freue mich, dass heute auch dieses Entschädigungsfondsgesetz sowie die Novelle zum Nationalfondsgesetz voraussichtlich einstimmig beschlossen werden. Ich möchte dem Präsidenten des Nationalrates, Heinz Fischer, für seine Bemühungen zur Erzielung dieser Einstimmigkeit danken, ebenso dem Vorsitzenden des Verfassungsausschusses, Herrn Abgeordnetem Dr. Peter Kostelka. (Beifall bei der ÖVP und der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen.)

Wir haben damit unsere Verantwortung wahrgenommen, wie es auch in der Debatte über die Errichtung des Nationalfonds im Jahre 1995 ausgedrückt wurde – ich zitiere –:

"Die Geschichte jeder Nation kennt dunkle und helle Stellen. Und die moralische Größe einer Nation erweist sich im Umgang mit den dunklen, mit den dunkelsten Stellen der eigenen Geschichte. Ich glaube, daß wir Österreicher in diesem Zusammenhang durchaus einiges an Nachholbedarf haben, war doch 1938 Österreich erstes Opfer des Nationalsozialismus, aber es war nicht nur Opfer. Es hat – und das ist mit aller Ehrlichkeit und Offenheit einzugestehen, und


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite